Frankreich: Renaturierung mit Dynamit
Revolution in Wasserbau: Erste Sprengung eines großen Wehres aus rein ökologischen Gründen
Am 26.06.1998 hat man in Frankreich am Allier (Nebenfluß der Loire und bekannter Lachsfluß mit noch reproduktiven Bestand) gleich ein 18 Meter hohes und 50 Meter breites Stauwehr gesprengt - als erstes von Zweien. Eine mutige aber zugleich auch notwendige Tat, wenn man wirklich will, daß sich die anadromen Wanderfische in den Loire-Flußsystemen wieder eigenständig vermehren und erhalten sollen.
Am französischen Beispiel sollten sich die deutschen Behörden, besonders die Wasserwirtschaftsämter (heute Umweltämter) ein Beispiel nehmen. Diese haben in Deutschland noch nicht einmal den Mut, ein einfaches Wehr abzureißen, an dem keine Nutzung mehr hängt. Wegen mangelnder Courage führen sie eine Reihe von fadenscheinigen Argumenten an, wie z.B. nicht in den Griff zu bekommende Sohlenerosion oder Grundwasserspiegelabsenkungen im Wehrbereich. Demzufolge werden bei uns oft mit viel Aufwand und Geld Fischaufstiegshilfen in sinnlose Wehranlagen eingebaut und ein gewässer- und fischfeindlicher Zustand auf viele weitere Jahre zementiert.
20 Kilometer Flußstrecke und Laichplätze wieder besiedelbar
Über das jetzt in Saint Etienne de Vigan (Allier/Frankreich) gesprengte Wehr von ursprünglich 18 Meter Höhe sollen Lachse und andere Wanderfische wieder ungehindert weiter flußaufwärts wandern können. Somit werden dort wieder 20 Kilometer Flußstrecke, Laichplätze und Lebensraum für die Jungfische besiedelbar. Ziel ist es, daß die im Flußsystem der Loire noch vorhandenen Lachse sich wieder selbst vermehren und ihre künstliche Erbrütung und Aufzucht überflüssig werden.


Vor der Sprengung

Kampagne der Fischer und Naturschutzverbände
Begonnen hatte das Projekt 1988 mit einer Kampagne, in der Fischer und Naturschutzverbände sich vehement gegen den Ausbau der Loire zur Wehr setzten. So wurde dann 1994 ein Gesetz verabschiedet, daß die Durchgängigkeit für Wassertiere an allen Staustufen vorsieht. Allein an der Loire sollen für das Lachs-Projekt von der französischen Regierung umgerechnet 15 Millionen DM ausgegeben werden. Weitere 30 Millionen DM stehen aus EU (50%) zur Erhaltung und Verbesserung der Flußdynamik zur Verfügung.


die Sprengung

"Ein lebendiger Fluß ist die billigste und effizientste Aufzuchtanstalt für Eier und Fische."
Das Stauwehr in Saint Etienne de Vigan diente der Stromerzeugung durch Wasserkraft. Auf die Einnahmen aus dem Stromverkauf wollte die Gemeinde jedoch nicht verzichten. Sie gab jedoch ihre Zustimmung zur Sprengung der Staumauer, nachdem die Vereinigung der Sportfischer am Allier erklärt hat, sie werde den Ausfall der Einnahmen begleichen und gleichzeitig auf den teuren Besatz des Flusses mit Jungfischen verzichten: "Ein lebendiger Fluß ist die billigste und effizientste Aufzuchtanstalt für Eier und Fische."
Der Ausbau von Bächen und Flüssen hat überall auf der Welt verheerende Folgen für die Lebewelt der Fließgewässer und ihrer Auen gehabt. Auch Menschen blieben nicht davon verschont, wie selbstverschuldete Hochwasserschäden immer wieder belegen.
Mit dem wachsenden Umweltbewußtsein kam die Erkenntnis: so geht es nicht weiter. Die Entwicklung an Bächen und Flüssen muß umgekehrt werden. Stauwehre sind ab- und nicht aufzubauen. Dazu ist die Sprengung im Allier ein Eckdatum für den Naturschutz mit revolutionären Charakter! Wie immer bei solchen Umwälzungen, die in den Köpfen stattfinden, begreifen das nicht alle Verantwortlichen sofort. Die geplante Staustufe in der Saale und der Bau eines gigantischen Staudammes am Janktsekiang sind dafür Belege.


nach der Sprengung

Auch in Deutschland...
Doch auch in Deutschland wird erstmals eine Talsperre rückgebaut. In Wasser und Boden (Heft 2/98) war zu lesen, daß in Thüringen erstmals für Deutschland der Rückbau einer Talsperre eingeleitet wurde. Die in der Nähe von Greiz befindliche Talsperre Krebsbach wurde in den 60er Jahren durch die SDAG Wismut (Urangewinnung) errichtet. Die 18 Meter hohe Tasperre mit einem Speichervolumen von 400.000 Kubikmetern ist nicht mehr standsicher und müßte mit erheblichen finanziellen Aufwand repariert werden. Da diese Talsperre für die Brauchwasserbereitstellung nicht mehr genutzt wird, soll durch den Rückbau die natürliche Durchgängigkeit des Krebsbaches von der Mündung in die Weiße Elster wieder hergestellt werden. Die Thüringer Talsperrenverwaltung glaubt trotz massiver Einwände der Kommunen, daß es sich im Sinne von Natur und Umwelt um eine richtige Entscheidung handelt.


einige Wochen nach der Aktion

Quelle: Natur und Landschaft 11/98, Fotos von R. Epple, mit freundlicher Genehmigung des VANT Thüringen
Mehr Infos gibt es unter: www.rivernet.org