Sieben auf einen Streich...
Selbst perfekt geplante Reisen haben immer noch einen Unsicherheitsfaktor: die Fische. Zum Glück gibt es aber Gelegenheiten, wo alles zusammen passt. Oder zumindest fast alles. So wie bei dieser Reise nach British Columbia. 
Ein Bericht von Dr. Wolfgang Stoltenberg
Erster Tipp
gleich zu Beginn: Planen Sie Ihre Reise rechtzeitig, dann bekommen Sie auch einen Direktflug. Ende März war schon keiner mehr für Mitte Juli zu bekommen, also ging’s von Düsseldorf nach London, 4 Stunden Aufenthalt. Dann 9 Stunden nach Vancouver, 3 Stunden bis zum Inlandsflug.
Auf der Rollbahn brach der Pilot den Start ab und rollte „für eine kleinere Reparatur“ zum Hangar. Nach 90 Minuten zweiter Startversuch, danach durften wir auf Kosten der Fluggesellschaft im Airport Hotel übernachten.

Wir, das sind meine beiden Söhne Tim, Meik und ich, waren schon recht erleichtert, als Michael „P. G.“ Schneider, unser Guide und Gastgeber, tags darauf dennoch in Terrace am Flughafen auf uns wartete. Schließlich hatte ich noch eine Rechnung mit den Königslachsen am Cranberry offen. 6 Tage lang hatte ich vor 2 Jahren dort mit der 400 grains Teeny und  einer Klasse 11 Fliegenrute meine Muskeln malträtiert, bis ich in der Dämmerung des letzten Tages doch noch einen King  mit der Fliege überlisten konnte.

Diesmal war ich besser vorbereitet, sicher würden die Lachse schon ans Ufer springen, kaum dass ich die Dose mit meinen neuen Selbstgebundenen öffnen würde. Dazu eine ausgeklügelte Taktik, die neuentwickelte, tödliche Führungsmethodik der Fliege, alles war auf den totalen Erfolg programmiert.

Zumindest solange, bis Michael eröffnete, dass der Cranberry seit 2 Wochen Hochwasser führte und brauner war, als der Capuccino mit French Vanilla, den ich am Vancouver Airport so gerne genieße. 

Zum Glück hat „P. G.“ Michael Guiding Lizenzen für mehr als 10 Flüsse und immer eine Alternative parat: der Kitimat sei im Augenblick ideal zu befischen, ein Run von Hundslachsen wäre im vollen Gange. Na gut, vom König zum Hund ist vielleicht nicht gerade das, was man einen enormen sozialen Aufstieg nennen kann, aber wir Angler messen ja mit anderen Maßstäben.

Tatsächlich, schon am frühen Nachmittag stapften wir mit unseren Wathosen in das glasklare Wasser des Kitimat, wie immer mit etwas mehr Adrenalin in den Adern, gespannt, ein bisschen zwischen Hoffen und Bangen, dazu beseelt von der beeindruckenden Landschaft der Coast Mountains.
 

Der erste Tag

Noch während ich Schnur für den ersten Wurf von der Rolle zog, buckelte direkt unter der Rutenspitze ein beeindruckender Lachs - es muss Minuten gedauert haben, bis ich meinen Mund wieder zu bekam. Dann die ersten Würfe, schräg stromauf, zweimal menden wegen der starken Strömung und ohne Bewegung treiben lassen, bis die Fliege herumschwenkt. Rute etwas heben, um Hänger zu vermeiden und jetzt erst etwas Bewegung ins Spiel bringen und langsam einstrippen. Ich hatte mir alle Ratschläge unseres Guides gut gemerkt. 

2. Tipp: Hör immer auf Deinen Guide! Schließlich lebt er hier, fischt hier seit Jahren und in British Columbia reagieren die Fische nun mal anders als in Wuppertal oder Hoyerswerda, auch wenn Du zu Hause der totale Profi bist.

Der dritte (!) Wurf, die Schnur verzögert, etwas mehr Druck auf der Rutenspitze, Anhieb und während die Leine noch flußab schießt springt auf meiner Höhe ein Lachs. Dann ist der Druck weg und mir kommen fast die Tränen, natürlich nur vor Aufregung. Innerhalb der nächsten 50 Minuten verliere ich weitere 4 Fische, habe vom 32er bis zum 40er Vorfach hochgerüstet und bin dann endgültig an einem Fisch fest.

Mehrmals springt er spektakulär, geht nach der ersten missglückten Handlandung wieder weit ins Backing, dann kann ich endlich etwa 18 Pfund vor die Kamera halten. Beeindruckend die starken Zähne im gebogenen Kiefer dieses Milchners, die violetten Streifen, ein herrliches Exemplar. 
Etwa 70 Minuten im Wasser, 6 Bisse, total zerrüttete Nerven und schon einen Lachs in den Händen. Diese Gedanken gehen mir durch den Kopf während ich den Fisch in die Strömung halte und er dann majestätisch davon schwimmt.
Beseelt löse ich die Fliege, stecke sie für immer an meinen Hut, setze mich am Ufer auf einen Stein und atme tief durch. Diese überwältigenden Eindrücke möchte ich erst einmal in Ruhe verarbeiten. Mein Blick gleitet über den Fluss und wieder buckeln zwei Lachse - Wahnsinn!

Vergessen wir darüber nicht den 3. Tipp: Immer einen Anhieb setzen, wenn die Schnur sich ungewöhnlich verhält; egal, mit welcher Methode Sie auch angeln.

Gerätetipps Fliegenfischen:
Fliegenrute Klasse 10 - 12, Teeny Fliegenschnur 100 - 400 grains, Fliegenrolle mit ausge-zeichneter Bremse, Fassungsvermögen 12er Schnur + 150 m 30 lbs Backing, Vorfach 0,35 - 0,40, etwa 1m lang. Fliegen mit Hakengröße 1/0 - 4/0
Kanadische Angeltechnik

Tim und Meik praktizieren eine Art Spürangeln mit gleitendem Blei und Spin ‘n Glows an mittelschweren Grundruten mit Multirollen, Gerät, das übrigens bei „P. G. Schneider“ gestellt wird. Natürlich kann man hiermit deutlich weiter auswerfen und eine größere Fläche abfischen. An den Canadian Style, die Rolle und Ringe oben, hat man sich schnell gewöhnt, die Bisse zu erkennen ist schon schwieriger. Häufig nehmen die Lachse den Köder nur kurz ins Maul, die Drift verzögert etwas, und spucken ihn schnell wieder aus.

Die Kunst ist nun zu unterscheiden, ob das Blei nur unregelmäßig über den Grund rubbelt, oder ob es doch ein Fisch ist. Wie gesagt, auch beim Spürangeln im Zweifelsfalle immer anhauen. War es ein Stein, spüren Sie das, war es ein Fisch, dann merken Sie’s erst recht.

Während Tim bald seinen ersten Fisch drillt, kämpft Meik, der zum ersten Mal auf Lachs fischt, noch mit der Technik und den Elementen.

Beim Foto von Tim’s ersten Lachs lächelt er doch etwas gequält und fischt dann eisern weiter, zwei Aussteiger quittiert er mit grimmigem Gesichtsausdruck. Während wir am Ufer in der Wärme des Lagerfeuers bei einem Bier begeistert die Erfahrungen austauschen, zeigt Meik das Standvermögen, das Lachsangler auszeichnet. Um 21.30 Uhr belohnt ihn ein kampfstarker Chum, worauf sein Blick sich deutlich aufhellt. Am ersten Tag sofort den ersten Lachs seines Lebens, ans Feuer setzt sich ein rundum glücklicher Sohn, das macht natürlich auch den Vater zufrieden.
Gerätetipps Spürangeln:
Grund- oder schwere Spinnrute, Wurfgewicht 80 - 160 gr, Schnurstärke 0,40 - 0,45, starke Stationärrolle, besser Multirolle. Die Köder sollten vor Ort gekauft werden.
Uns ist natürlich nicht entgangen, dass ich mit der Fliege mehr Bisse hatte und mehr Lachse fing, als die beiden zusammen, so sieht der neue Tag drei Fliegenfischer ins Wasser waten. Auch ein Tag mit heftigem Regen kann uns nicht stoppen und wir staunen sehr, als am nächsten Tag, bei deutlich gestiegenem Wasser, plötzlich ein Riesenbaum im Flussbett liegt. Die Kräfte der Natur  sind in diesem urigen Land überall zu spüren.

Diese natürlichen Kräfte beweist mir auch ein Königslachs, der mich etwa 10 Minuten lang drillt. Drei, vier Mal zeigt er seine stählerne Flanke im Sprung, schließlich schießt er unaufhaltsam auf die Stromschnellen zu. Ich bremse mit dem Handballen was das Zeug hält, dann reißt mein 20 lbs Backing! Da ich prinzipiell ohne Widerhaken fische, wird er die Schnur schnell los sein, leider vermisse ich auch meine Teeny  und vor allem meine Fassung! 

Wo wir schon bei  den Verlusten sind, die  Bremsen unserer Mittelklasse Rollen (ca. 250,- €) ignorierten die Lachse vollständig, zu beeindrucken waren sie nur durch den zusätzlich bremsenden Handballen auf dem Spulenrand. Eine der Bremsen quittierte dann auch frustriert den Dienst. Beim herzhaften Doppelzug knallte meine beschwerte Fliege an die Rutenspitze, zwei Würfe später war die Rute 10 cm kürzer. Zum Glück ein Fabrikat, auf das der Hersteller lebenslange Garantie gibt, egal was passiert.

Besonders stolz war ich auf meine neue, dünne atmungsaktive Wathose. Überzeugend das Argument, das dieses Material die Feuchtigkeit transportiert, man also nicht durchs Schwitzen feucht wird. Wurde ich auch wirklich nicht. Meine Hose transportierte täglich mehr Wasser nach innen und ich habe erbärmlich gefroren.

Tipp 4: Auf Lachs in B. C. immer mit 30 lbs  Backing oder gleich 25 Kg Dacron, abgestimmten Vorfach und nur mit optimalem Gerät.

Natürlich setzten meine Jungs dann die Highlights. Tim landete einen herrlichen King,  neben einigen Rognern konnte Meik einen männlichen Buckellachs mit mächtig gewölbten Rücken gekonnt ausdrillen. (Für die Strichliste: wir sind bei 3 Fischarten) 

Während des Lachsfischens an den Flüssen bringt Michael Schneider seine Gäste im Wohnmobil unter. Da sich die Bedingungen in B. C. unter Umständen schnell ändern, ist man so flexibel und kann jederzeit den Standort wechseln.

Heiße Zeiten

Am 45 km langen Trembleur Lake verbrachten wir die zweite Hälfte unseres Urlaubes. Die Lodge für maximal 6 - 8 Gäste ist nur mit dem Boot oder Wasserflugzeug zu erreichen. In zusätzlichen Hütten an einsamen Seen kann man Wildnis pur erleben, Selbstversorger lassen sich dort einfliegen, fischen auf schöne Rainbows und können fast garantiert Elche, Biber, Fischadler, Schwarzbären und Grizzly’s beobachten. Weißkopfadler sind hier ohnehin allgegenwärtig.

Zumindest den Tagesausflug zum Moose Lake sollte man auf keinen Fall versäumen, das Erlebnis dieser herrlichen Landschaft lässt sich nur unvollkommen beschreiben, man muss es einfach erlebt haben. Das Fischen vom Kanu nach den anstrengenden, aber auch für Ungeübte durchaus zu bewältigenden Marsch durch die Wildnis, ist ein unvergesslicher Genuss.

Wir erwischten eine 5-tägige Hitzeperiode am See, was „P.G.“ Michael am Ende auf seine trocken Art so kommentierte: „ Das war der diesjährige kanadische Sommer!“. Fast Windstille, Temperaturen bis 30 Grad, die Wassertemperatur stieg über 20 Grad und die Beißlust der Fische ließ stetig nach.

Im See wird vornehmlich vom Boot aus gefischt, das Echolot zeigt uns viele große Fische, meist in mehr als 25 Meter Tiefe am Grund. Selbst Twister. die wir direkt vor ihrer Nase tanzen ließen wurden ignoriert.

Am frühen Morgen konnten wir an Bacheinläufen einige Rainbows fangen, die heftig auf Trockenfliegen gingen, Versuche mit Blinker und Streamer waren auch erfolgreich. Tagsüber verlegten wir uns auf’s Schleppen, eine der Ruten mit dem Downrigger kurz über dem Grund.

Am Tag, als der Regen kam

Da ich eigentlich nur mit der Fliege fische, legten wir zusätzlich zwei Fliegenruten mit Sinkschnur und stark beschwerten Fliegen in das quirlige Wasser des Motors. Während der heißen Tage war das Ergebnis nicht gerade berauschend, nur wenige Durchschnittsrainbows zeigten Interesse. Das änderte sich schlagartig, als sich mit einem Gewitter ein Wetterumschwung andeutete.

Als erstes schlug die Downriggerrute aus, in der Tiefe meldete ein durchaus erwähnenswerter Fisch Protest an. „Fish on!“, auf diesen Ruf hatten wir schon lange gewartet. 5 Pfund, nicht gerade viel für einen Namaycush (Strichliste: Nr. 4!), aber für uns das Startsignal für verstärkte Bemühungen. Ganz nebenbei, frisch in der Lodge geräuchert: ein Gedicht!

15 Minuten später elektrisierte uns das Kreischen einer Fliegenrolle. Meik nahm die Rute, prüfte den Zug und kommentierte: „Wahrscheinlich etwas kleiner.“, worauf er rasch einstrippen musste, weil der Fisch schneller als das Boot schwamm. Dann nahm er zum zweiten Mal Schnur, die Rute verbeugte sich kräftig: „Oder doch nicht!“ Vorsichtiges Bremsen und eine herrliche Rainbow (Nr.5!) ließ ihr Farbenspiel beim Sprung über den See blitzen.

Der Drill an der 6er Rute war auch für uns Zuschauer eine reine Freude, mit 8 Pfund zudem die größte Forelle, die Meik bisher fangen konnte. Neben ein paar kleineren Exemplaren überzeugt uns dann ein mehr als 6-pfündiger Namycush, der die Fliege im Weißwasser, 5 Meter hinter dem Motor nahm, dass Schleppen mit der Fliege ausgesprochen erfolgversprechend sein kann. Und selbst unser Guide musste zugeben, dass er etwas dazugelernt hatte.
Mein Hauptinteresse hatte eigentlich den Rotlachsen gegolten, die jedes Jahr zu Tausenden in den Trembleur Lake ziehen um in den Zuflussbächen zu laichen. Nach einem langen Winter mit der doppelten Schneemenge in B. C. war aber die Natur gut 14 Tage hinter unserem Zeitplan. Wir konnten zwar mehrere Trupps von 30 bis 50 Fischen an den Bacheinläufen beobachten, der eigentliche run ließ aber noch auf sich warten.

In der Regel sind die laichbereiten Fische nicht mehr zu fangen, ganz im Gegensatz zu Rainbows und Dolly Varden, die am Einlauf auf Eier warten. Wenig Rotlachse, kaum Eier, da waren nicht viele Laichräuber zu erwarten. Dennoch konnten wir einige Dollies (Nr. 6!) um 1 Kg an die Fliegenrute bekommen. Während des Fischens kreuzten direkt vor unserem Boot die Rotlachse im klaren Wasser, hinter uns im Bach platschten die bereits aufgestiegenen gewaltig. Mehrmals legte ich die Rute zur Seite um dieses grandiose Schauspiel auf mich wirken zu lassen.
Nach Meik’s großer Rainbow musste mir natürlich auch Tim zeigen, wer die besseren Angler in unserer Familie sind. Auf seinen Egg Stealing Leech biss selbstverständlich ein Rotlachs, der an der leichten Fliegenrute einen unvergesslichen Kampf lieferte. Dennoch forcierte Tim den Drill um den Fisch möglichst wenig zu erschöpfen, kurz für ein paar Sekunden Video und Fotos aus dem Wasser gehoben, wurde  er mit dem Auftrag, für reichlich Nachwuchs zu sorgen, vorsichtig zurückgesetzt.

Das war unser siebter Streich beim Schneider und wenn ich heute so zurückdenke, kommt es mir manchmal tatsächlich wie ein Märchen vor.


Reise-Infos zum Veranstalter Trembleur Fishing Adventures: Web-Seite: www.going-fishing.com
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