Ein Reisebericht aus Chile von Michael Peeck


Am Lago Llanquihue

Die Rolle von Hector, meinem Nachbarn, kreischt. Na Super. Wieso kreischt meine nicht? Sobald der Fisch nach ein paar halbherzigen Befreiungsversuchen seine Lage erfasst, flüchtet er in Panik und nimmt etwa 50 Meter Schnur bei der ersten Flucht. Das ist kein Kleiner. Die 8er Rute ist fast bis zum Halbkreis gebogen, als der Fisch stoppt und seine Entfernung zu uns mit einem mächtigem Sprung verdeutlicht. Die zweite Flucht kostet der gebeutelten Rolle meines Nachbarn nochmal beängstigende 30 oder 40 Meter, wer will das schon so genau sagen....jedenfalls scheint es, als zöge der Fisch mehr Schnur von der Rolle, als diese fassen kann. Der Spulenkern muss bald sichbar sein...endlich gewinnt Hector zäh die ersten Meter Backing zurück, aber immer noch zeigt die Schnur fast waagerecht von der Rutenspitze in den See. Nach einer Viertelstunde ist der Fisch fast am Ufer, wehrt sich aber heftig: weiß zeigen, das tun die Fische hier nicht - bis zum letzten Augenblick geben sie alles.
Hector guckt mich an: "mira, es un Coho, tiene siete kilos. ¡ un macho!.". Und dann liegt er am Ufer: ein silberner Coho von sieben Kilo mit beeindruckendem Schnabel, blank und respekteinflößend. Wir rauchen eine Gewinnerzigarette, plaudern ein wenig, und dann stapfe ich wieder zurück in den See, denn so schön es auch ist, dem Nebenmann beim Drill zuzusehen - ich will schließlich auch meinen Fisch.
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der kleinste coho der welt, gefangen von mir im lago llanquihue (chile/patagonien)
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Chile's "kleiner Süden", wie die Region de los Lagos im Norden Patagoniens genannt wird, beherbergt eine Unzahl von Seen und
Flußläufen, die durch das Schmelzwasser der Kordillere gespeist werden und deshalb klares und nährstoffarmes Wasser aufweisen.
Der Lago Llanquihue nimmt hier eine Sonderstellung ein: dieser mit 620 qkm zweitgrößte See Chiles (ca. 50 mal 80 Kilometer) am Fuße des Vukan Osorno beherbergt neben großen Regenbogenforellen auch Coho-Binnenlachse. Zum Beginn der Laichzeit versammeln sich die Cohos vor den wenigen Flußeinläufen und geraten für kurze Zeit in einen wahren Freßrausch. Diese Zeit - meistens ist es die dritte Märzwoche - gilt es zu treffen, dann ist fantastisches Fischen garantiert.
Vor einigen Jahren zum erstenmal am Llanquihue war ich Zeuge, wie alle anwesenden Fischer bis zu fünfzehn Lachse am Tag fingen, während meine Wathose warm und trocken daheim in Deutschland im Schrank hing...damals stand für mich eines fest: wiederkommen, und zwar full equipped.
Da die heisse Zeit vom Wasserstand und damit vom Regen abhängt, ist eine genaue Zeitplanung eines solchen Trips schwierig: Nach ungezählten Telefonaten mit örtlichen Guides stand als der warscheinlichste Termin für den Beginn der "Fiesta de los Salmones" der 15. März fest.
Am 15. März in Puerto Varas angekommen, stellte sich heraus, daß es, unüblich für die Region, den gesamten März fast nicht geregnet hatte und sich der Zeitpunkt dementsprechend wohl ein oder zwei Wochen nach hinten verschieben würde,....jedenfalls sei im Moment das Fischen nicht so gut, auch wenn am Flußeinlauf, der "Boca" des Rio Pescado, der eine oder andere Fisch gefangen würde.
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...im llanquihue sind die lachse übrigens landlocked
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Am nächsten Morgen aufstehen um 6 Uhr früh -schließlich will der Tag ja genutzt werden - und die 25 Km von Puerto Varas an den Einlauf des Rio Pescado.
Es ist kurz vor sieben, als ich ankomme, und zwei Fliegenfischer beharken schon den See.
Das Wetter ist schlecht für Lachse heute: kaum Wind, und der See liegt da wie ein Ententeich, nur ein leichtes kräuseln auf dem Wasser.
Heute sind die Lachse nicht in der Mündung, sondern weiter draussen im See. 150 Meter vor dem Ufer sehe ich eine Reihe Lachse springen. Große Lachse. Unerreichbar vom Ufer aus.
Beim Anziehen der Wathose sehe ich aus dem Augenwinkel einen Fisch im Fluß keine 10 Meter von mir entfernt buckeln. Ein Nachzügler, der noch nicht mitgekriegt hat, daß heute ein Tag für den offenen See ist. Ich gehe ein Stück Flußaufwärts, wate in den Fluß und beginne, die Rinne mit einer großen Nymphe abzufischen. Nach jeweils fünf, sechs Würfen gehe ich einen Meter weiter, um den Abschnitt, in dem ich den Fisch vermute, effektiv abzufischen. Plötzlich ein kurzes, energisches Rucken in der Schnur, der Anschlag geht ins Leere und ich sehe noch den Schwall, den der Fisch beim Versuch, die Fliege zu nehmen, auf die Oberfläche zeichnet....ein großer Fisch, schätze ich. In der Hoffnung, daß der Fisch noch einmal meine Fliege nehmen würde, setze ich mich eine Weile ans Ufer, um dem Fisch Gelegenheit zu geben, sich wieder zu beruhigen und rauche eine Zigarette. Ich kriege Dich!
Die beiden anderen Fischer stehen mit dem Rücken zu mir weit im See, das Morgenlicht auf den rhytmischen Bewegungen ihrer Ruten. Ich wate wieder in den Fluß und beginne erneut, die Rinne abzufischen. Diesmal habe ich eine deutlichere Vorstellung vom Standplatz des Fisches und konzentriere mich ganz auf diese eine Stelle. Nach ein paar Würfen schon ruckt es erneut und diesmal sitzt der Anhieb.
Der Fisch macht keine Anstalten, zu kämpfen, ich spüre nur ein unwilliges Kopfschütteln und verstärke den Druck, um zu spüren, ob nicht vielleicht einer der kleineren Forellenbarsche meine Nymphe genomen hat. Plötzlich setzt sich der Fisch in Bewegung und zieht langsam, aber mit ungeheurer Kraft in Richtung des Sees ab. Keine Chance, ich muss Schnur geben. Von wegen Forellenbarsch, das hier ist der Fisch, für den ich hierhergekommen bin! Ich wate ans Ufer, um eine bessere Drillposition zu haben, als meine Bremse verstummt. Der Fisch hat sich in der Mündung wieder in die Strömung gestellt und steht ruhig da, als spüre er den Druck der Rute gar nicht.
Ich stehe seitlich vom Fisch, als dieser plötzlich explodiert und quer durch den Pool rast, wo er sich in voller Länge aus dem Wasser schraubt und eine kleine Ewigkeit in der Luft zu stehen scheint bevor er in einem weißschäumenden Strudel verschwindet. Ein silbern glänzender Coho, um sechs Kilo schwer. Ich habe  alle Hände voll zu tun mit wechselweise lose Schnur aufnehmen um Kontakt herzustellen und wieder Schnur geben, denn anders als alle anderen Lachse, die ich hier habe kämpfen sehen, zieht dieser nicht in den offenen See hinaus.
Die Fluchten werden kürzer und weniger energisch, bis plötzlich die Schnur schlaff wird. Entgeistert schaue ich auf das lose Ende meiner Schnur und muss an Thomas Wowczyk's süffisantes Grinsen denken, wenn er wieder einmal wegen seiner Gewissenhaftigkeit beim Überprüfen der Knoten von mir aufgezogen wird, weil er stundenlang flucht und neu knotet: "Tja, Peeck, lach nur. Irgendwann wirst du den Fisch deines Lebens wegen eines schlechten Knotens verlieren... Ich nicht". Quod erat demonstrandum.
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Das war die durchschnittsgrösse am llanquihue, leider fingen nur die anderen diese grösse. Dieser hatte ziemlich genau 14
pfund.
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Die Fische in Chile's "Kleinem Süden" sind in ausgezeichneter Kondition und verlangen im Fight Gerät und Kämpfer alles ab. 100 Meter Backing sind hier schnell draussen, und bei 25er Spitze ist gewaltbremsen nicht angesagt. Die Cohos überzeugen durch Luftakrobatik, während die Regenbogner vorrangig äußerst stur Schnur nehmen. Das Durchschnittsgewicht beider Arten liegt in Lago Llanquihue bei 5-6 Kilogramm, Fische über 10 Kilo sind aber jederzeit möglich.
Während der drei Tage, die ich fischen konnte, hatten die kleinsten Fische immer noch gute 5 pfund, kleinere wurden nicht gefangen - ein Zeichen für eine gesunde Population. An windstillen Tagen tun sich die Lachse etwas schwer und bleiben weiter draußen, dafür beissen dann aber die Regenbogner besser.
Ganz wichtig: eine perfekt funktionierende Bremse, die auch bei ultraschnellen Fluchten nicht überschlägt - ich war mit der Hardy Sovereign und der System 2 vollauf zufrieden, wobei die System 2 bei langen Fischertagen den Arm nicht so ermüdet wie die massivere und schwerere Sovereign. Wer am Tag 14 Stunden ununterbrochen Gewaltwürfe gegen den Wind hinlegt, weiss abends den Unterschied zu schätzen.
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die ist krumm...
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Für die Lachsfischerei am Llanquihue empfehlen sich schnelle Ruten der Klasse 7-8, mit denen auch bei starkem Wind ein sinkender Schußkopf noch kraftvoll geworfen werden kann, denn hier geht es um Weite. Wer kann, sollte sich eine der vollummantelten nichtschwimmenden Runninglines holen, denn mit herkömmlicher, also schwimmender Runningline gibt es teilweise Wurfprobleme, wenn man mit der Flußströmung im Rücken fischt - da entsteht schnell eine vom Angler wegtreibende schnurschleife, die bein erneuten Wurf das Schiessenlassen der Schnur behindert. Dieses Problem ibt es mit der ummantelten Runningline nicht, ebenso schafft auch ein Wading-Bucket Abhilfe. Für die Fischerei direkt in der Flußmündung sind Sinktip-Schnüre besser, da es mit Sinkenden Schußköpfen zu vielen Hängern mit Fliegenverlust kommt, außerdem ist die Mündung recht schmal und kann auch bei Wind noch bequem überworfen werden.
Die klassische Patagonien-Allroundfliege ist der Wooly Bugger. Vom Rio Grande im Süden bis zum Rio Malleo im Norden, in 98% aller Fälle wird mit diesem Muster gefischt, bevorzugt in schwarz, grün, braun, grau etc.. Dies gilt auch für den Llanquihue, doch während meines Aufenthaltes mitte März hatten sich große Nymphen als der Renner durchgesetzt, fast alle Fische fielen auf eines dieser Muster herein. Reizfliegen, wie wir sie vom Lachsfischen her kennen, sucht man am Llanquihue vergeblich - die Fische stellen anders als bei uns das Fressen nicht ein und nehmen Kleintiere imitierende Fliegen.
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Rio Pesco
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Eine Neoprenwathose ist unerläßlich, am besten eine mit 4mm Stärke - Wenn die Sonne sich zeigt, wird es sehr schnell sehr warm, und wenn es regnet und es windig ist, friert man schnell durch. Also die Kleidung so wählen, daß man sich schichtweise aus- bzw anziehen kann, damit man sich schnell der jeweiligen Wetterphase anpassen kann. Ganz wichtig ist regenfeste Kleidung, da es gern tagelang schüttet wie aus Kübeln. Unbedingt auch an Wasserdichte Verpackung für Kameras etc. denken!

Im Falle eines Falles kann man sich vor Ort fast alles besorgen: Puerto Varas ist gut auf die Bedürfnisse der Fliegenfischer eingestellt - immerhin machen hier zahlreiche Fliegenfischer aus Argentinien, Brasilien und nicht zuletzt aus den Staaten Urlaub, und das Gebiet der Region de los Lagos rechtfertigt den hohen Kostenaufwand für die Reise.
In Puerto Varas direkt am Llanquihue ist auch der einzige authorisierte Orvis-Dealer Chiles. In diesem sehr gut sortierten Laden kann man sich mit den derzeit gängigsten Fliegen aus seinem unglaublichen Sortiment eindecken, eine neue Wathose, Rute oder Rolle besorgen oder ganz einfach Bindematerial kaufen, von Metz-Bälgen bis Egg-Yarn.  Roberto Gray vermittelt auch Guides/Exkursionen.
Info:
(Karte)
Lago Llanquihue, ca.25 Km von Flughafen Puerto Montt "El Tepual", den von Santiago die chilenische Fluggesellschaft "Avant" täglich anfliegt. Kosten für ein Ticket von Santiago nach Puerto Montt: ca. 200,- DM (inkl. Rückflug). Flugdauer eineinhalb Stunden. Flug Frankfurt-Santiago zb. mit Lan Chile ca. 1600,- DM, Flugzeit ca. 19 Stunden.

Unterkünfte gibt es massenhaft in Puerto Varas in sog. "Cabañas", kleinen Appartementhäusern, die in der Regel sehr angenehm auf hohem Standard ausgestattet sind, für ca. 70,- Dm/Tag. Hotels deutlich teurer.

Guiding/Exkursionen auch an umliegende Flüsse/Seen vermittelt gern Marcelo Wilhelm Mödinger, ein erfahrender und guter Guide. (Umbedingt den Rio Puelo und den Rio Petrohue probieren!) Kosten pro Person: ca. 200 Dollar/Tag, zwei Personen ca. 300 Dollar inklusive Transfer, Verpflegung etc. Marcelo spricht exzellent Englisch.

Wild River Fly Fishing Expeditions Marcelo Wilhelm Mödinger, Colon 1285, Puerto Varas, Chile S.A., Tel.. 005 65 - 232101,
Mobil: 005 09 - 7536141, Fax: 005 65 - 235341

Gray Flyfishing supplies, Galle San Francisco 447, Casilla 474, Puerto Varas, Chile S.A., Tel./Fax: 005 65 - 232496
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michael peeck, hamburg