Realistisch? oder doch Silhouette?

Zwei schier unerschöpfliche Themen. Achtung! Hier tauschen nicht nur die Profi-"Tüddeler" ihre Geheimtipps aus.

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Tom127

Re: Realistisch? oder doch Silhouette?

Beitrag von Tom127 »

Hi zusammen,

diese Frage stelle ich mir auch sehr oft. Und noch viel öfter haben mich die Fische an der Nase herumgeführt. Da testet man eine mühsam gebundene Fliege, die dem Original zum Verwechseln ähnlich sieht, und was passiert? Nicht viel. Dann geht man wieder zu den Klassikern zurück, bei mir die Märzbraune(wenn ich mich für eine Fliege entscheiden müsste, wäre das diese!), und fängt auf einmal Fische.

Aber sollte man deswegen die realistischen Muster ganz außer Acht lassen? Meiner Meinung nach NEIN!

Es kommt immer ganz auf die Lage am Wasser an. Ist es klar, angetrübt oder dreckig? Schnell oder langsam fließend? Das alles sollte man berücksichtigen. Im trüberen Wasser sieht der Fisch natürlich auch nicht mehr so viel wie im klaren. Im schnellen Wasser hat der Fisch nicht viel Zeit sich zu entscheiden. Wenn er überleben möchte darf er nicht lange zögern, egal ob bei echter Nahrung oder Imitation. Vor allem in klaren, langsam fließenden Gewässerabschnitten sollte man exakte Imitationen immer griffbereit haben.

Aber viel wichtiger als das Muster ist meiner Meinung nach die Präsentation. Wer gut präsentieren kann, fängt mehr, auch wenn andere fängingere Fliegen haben.

Das Phänomen der zerzausten, super fängigen Fliegen wurde ja bereits beschrieben, aber warum ist das so? Dafür habe leider auch ich keine Erklärung. Aber man muss auch etwas berücksichtigen, was viel zu oft vernachlässigt wird. Ich spreche hier von Insekten, die auf der Wasseroberfläche eine Bruchlandung hingelegt haben! Die haben mit dem schönen Original, wie man es von tollen Photographien her kennt, meist nicht mehr so viel zu tun. Die Flügel sind zerknittert oder in alle Richtungen abgestreckt, ebenso wie die Beine. Sie liegt seitlich und die schöne Körpersilhuette der ventralen Ansicht ist hinüber. Eine zerzauste Fliege imitiert so ein Insekt besser, als eine "perfekte Photoimitation".
Echte Nymphen sind auch nicht völlig regungslos im Wasser! Sie bewegen sich, je nach Art unterschiedlich, aber doch sehr aktiv. Eine starre, perfekte Imitation ist meist völlig steif, eine flauschigere Version wirkt lebendiger, auch wenn sie nicht 100% mit dem Original übereinstimmt.
Ach übrigens, es gibt auch farbenfrohe Insektenlarven, gebt mal bei google Philopotamus ein. Es ist eine Köcherfliegengattung, häufiger Vertreter Philopotamus ludificatus, deren Larve fast weiß ist und einen orangen Kopfbereich hat. Nur so zur Info!

Ich möchte eigentlich nur darauf hinaus, dass man ein paar realistische Muster in der Schachtel haben sollte, damit man in Fällen, wo alles andere versagt, darauf zurückgreifen kann. Ansonsten fährt man mit "klassikern" für gewöhnlich immer gut.

Schöne Grüße,

Tom
Siegfried.
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Re: Realistisch? oder doch Silhouette?

Beitrag von Siegfried. »

Hallo Tom,
fast alles OK, nur bei der Philopotamus liegst du nicht ganz richtig. Beide häufiger vorkommenden Arten sehen gleich, aber etwas anders aus als von dir beschrieben. Nämlich cremefarbig bis beiger Hinterkörper und hell bersteinfarbiger Kopf, aber schon recht auffällig. Wesentlicher ist aber, dass Fische die so gut wie nie zu Gesicht bekommen, da sie in den kleinen und kleinsten Quellbächen, wo keine Fische mehr hinkommen, vorkommen und dazu auch noch tief in selbstgesponnenen Trichternetzen wohnen. Feuersalamanderlarven fressen sie dagegen sehr gern, wie mein damaliger Kollege B. Thiesmeier in seiner Doktorarbeit festgestellt hat.

Zu dem Rest vom Streit ist alles längst gesagt worden. Nur soviel dazu:
Tiger zum Bär: Gehn wir Pilze suchen?
Bär zum Tiger: Nein lass uns Pilze finden gehen!

Fische fangen Fliegen.
Fliegen fangen keine Fische.
Fliegen fangen Fischer.
Fischer fangen Fische.
...oder auch nicht.

Gruß von Panama
Siegfried
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Tom127

Re: Realistisch? oder doch Silhouette?

Beitrag von Tom127 »

Hallo Siegfried,

mir ist bewusst, dass die Tiere nicht weiß sind, deshalb schrieb ich ja fast weiß, aber orange(natürlich kein knalliges) trifft die Farbausprägung bei Tieren die ich gefunden. Über feinere Farbbeschreibungen kann man natürlich streiten, aber ich wollte nur verdeutlichen, dass es mehr als nur gedeckte Farben gibt und man verdeutlicht am besten indem man auffälligere Beschreibungen nutzt. Vielleicht waren die Tiere in der Slowakei einfach kräftiger gefärbt. Aber du hast im Grunde ja recht und wahrscheinlich habe ich bei der Farbbeschreibung zu sehr das Alkoholmaterial vor Augen gehabt, das sich mit der Zeit leider aufhellt. Außerdem habe ich nur die Gattung angesprochen und einen Vertreter als Beispiel genannt. Natürlich gibt es mehr als einen, aber ich wollte keine Artenliste erstellen.

In einem muss ich dir jedoch widersprechen. Auch wenn sich ihr Vorkommen auf kleine Gewässer beschränkt, so habe ich doch auch bereits ein Exemplar im Regen bei Regensburg gefunden und das ist definitiv kein Bach mehr. Eventuell wurde dieses Individuum einfach nur verdriftet. Der Mündungsbereich solch kleiner Bäche in größere Gewässer kann ebenfalls dafür sorgen, dass Fische verdriftete Tiere zu Gesicht bekommen. Das ist nur meine eigene Beobachtung und die muss ja nicht der Regel entsprechen.

Die Gattung Hydropsyche ist unter Fliegenfischern mittlerweile ein feststehender Begriff. Aber auch diese lebt in einer gesponnenen Wohnröhre und bildet Fangnetze aus. Trotzdem wird sie fleißig nachgebunden und fängt ihre Fische. Ob der Fisch die Imitation jedoch als Hydropsychen-Larve ansieht ist wieder ein anderes Thema.

Es gibt aber noch weitere farbige Trichopteren-Larven, die auch in Fischgewässern vorkommen. Zum Beispiel die Gattung Rhyacophila.

Vielleicht sollte ich noch gestehen, dass ich nur über ein begrenztes Wissen bezüglich der Trichopteren verfüge. Mit den Ephemeroptera, bzw. mit der Gattung Ecdyonurus aus der Familie der Heptageniidae kenne ich mich etwas besser aus.

Schöne Grüße,

Tom
Siegfried.
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Re: Realistisch? oder doch Silhouette?

Beitrag von Siegfried. »

Hallo Tom,
wollte gar keinen Disput vom Zaun brechen, sagte ja schon, dass ich sonst alles unterstützen kann, nur die Philopotamus Geschichte nicht. Zumal mir sowohl lucificatus als auch montanus bei einer beruflichen Monitoring-Untersuchung seit 10 Jahren im Herbst in unglaublicher Dichte in einem Bächlein von gerade mal 50 cm Breite begegnen und schon in dem nur 1,5 m breiten, in den dieser mündet, so gut wie nie auftreten. Aber es gibt ja durchaus Philopomantidae (Plectrocnemia, Cyrnus u.a.)die in großen Bächen oder Flüssen auftreten, die sind halt nur etwas dezenter gefärbt. Hingegen finde ich deren (scheinbare?) Unbenetzbarkeit, wenn sie aus ihren Netz kriechen, verblüffend. Die Frage ob das imitatorisch von irgendeiner Bedeutung ist, führt natürlich direkt zu der grundlegenden und teilwiese philosophischen Frage, ob die Fische, das was wir ihnen "vorwerfen" als das erkennen was wir glauben ihnen vorgemacht zu haben.

Ganz sicher haben sie keinen Artbegriff wie wir, nicht mal einen abstrahierten Funktionsbegriff wie "Futter" darf man ihnen unterstellen. Das "den Dingen Namen" geben ist eine relegionsbedingt göttliche Gabe, die nur der Mensch bekommen hat, aber auch im naturwissenschaftlichen Sinn unterscheidet uns das tatsächlich von den Tieren.

Trotzdem können sie fressbar von nicht fressbar unterscheiden - zum Glück für uns nicht immer - sonst würden sie sich ja umbringen, mit all dem Zeugs, das da an ihnen vorbeitreibt, wenn sie es in sich stopfen würden. Dass sie dazu noch einen bösen Grad von Selektivität entwicklen können, hat etwas mit Ökonomie in der Ökologie zu tun und sprengt den Rahmen, es hier zu beschreiben. Es beruht aber nicht auf der sozusagen individuellen Entscheidung der Forelle Karl oder Inge nach dem Motto: "Das ist Ephemera, die fress ich jetzt", sondern darauf, dass es energetisch zwingend ist, dass sich die Forellen auf das z.Z. beste Futterangebot konzentrieren. Wer das nicht macht fliegt raus, nicht sofort, aber in der Evolution.

Was will uns der Autor nun damit sagen? Nun es ist die (Nicht)Antwort auf deine Hydropsyche-Frage. Ich fische seit bestimmt 25 Jahren eine selbstgebundene (ich traue mich nicht zu sagen entwickelte oder so was) Fliege, die ich von Anfang an Hydropsyche genannt habe und mit der ich die meisten Fische incl. meiner größten Forelle überhaupt gefangen habe. Die hat sich in all der Zeit nur marginal verändert. Die einzige wirkliche Entwicklung war der Goldkopf, also mit oder ohne, ansonsten schon immer und noch heute schmutzig beige/bräunliche Wolle als Abdomen mit angedeuteten Nachschieberklauen von den Fasanenfibern, die den Thorax bilden und ein Bärtchen aus denselben als Beine. Wenn man sich das Ding genau betrachtet, kann das eine grobe Nachahmung einer Hydropsyche sein, obwohl die in natura auf jeden Fall viel dunkler sind, kann aber auch ganz was anderes sein.

Ich behaupte es ist ein H. und da die Fische sie fressen kann ich glauben, dass die Fische sie auch als solche erkannt haben, was aber mit höherer Wahrscheinlichkeit auch absoluter Quatsch sein kann. Die können genauso "gedacht" haben, eh wasn´das? beiß ma rein! Schei.... , der schon wieder, jetzt fall ich schon zum 2. Mal darauf rein. Gleich packt der mich wieder an und glotzt mich doof an. bäh.

Da wir auf verschiedenen Planeten leben, werden wir einander nicht verstehen, die Fische und wir. Wir wissen einfach nicht warum, geschweige denn als was sie eine Fliege nehmen, nur ob oder ob nicht.

Und das ist gut so.

Light lines

Siegfried
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Re: Realistisch? oder doch Silhouette?

Beitrag von greypanther »

Ich gebe halt auch mal meinen Senf zu diesem Thema dazu.
Vorweg gestellt, die Fähigkeit, "realistische" Fliegenmuster zu binden, halte ich für eine hohe und bewundernswerte Kunst. Eine Kunst, die den Addicten völlig zu absorbieren vermag und große Freude wie auch Befriedigung schenkt. Aber sie verstellt leider oft auch den Blick für die Realitäten am und im Wasser.
Fest steht jedoch, keine noch so große Kunstfertigkeit kann jemals hoffen, das Filigrane und und Luftig-Leichte der verschiedenen Stadien der Wasserinsekten auch nur annähernd erreichen zu können. Falls Zweifel an dieser Aussage aufkommen, einfach mal ein Meisterwerk der "realistischen" Bindekunst direkt neben das lebende Objekt halten. Das überzeugt.
Ich persönlich halte im "realistischen" Stil gebundene Muster in der Praxis am Wasser eher für kontraproduktiv und das nicht nur weil ich nicht genug Talent habe, solch Kleinkunstwerke herzustellen. Solche "realistische" Muster (jedenfalls die, welche ich bisher gesehen habe) sind durch ihre Konstruktion bedingt sehr oft viel zu starr unter Wasser und hängen am Vorfach wie ein schwimmender Stein. Der Fisch, der auf solch leblose Gestalten herein fällt, muss schon ziemlich ausgehungert sein.
Für mich zählen bei der Auswahl meiner Fliegen Farbkombination, Beweglichkeit, Silhouette, Transparenz und Schlüsselreiz-Qualität. Eine optimale Kombination all dieser Eigenschaften findet man sehr oft in ganz "einfachen" Fliegenmustern, wie Spiders, Bumbles, Hare's Ear Nymphen und Hecheltrockenfliegen sowie Rehhaar-Sedge-Muster.
Der Anhänger "realistischer" Fliegen stelle sich einmal folgende Situation vor: Fisch im Wasser, Fisch ist hungrig und muss fressen damit er sich erhalten und wachsen kann. Plötzlich steigt vor ihm vom Gewässergrund eine Maifliegennymphe auf, um an der Oberfläche zu schlüpfen. Was geht wohl in dem Fisch vor? Nähert er sich vorsichtig dem Beuteobjekt und beginnt die (menschengemachte) Systematik hoch und runter zu beten? Ist das jetzt Ephemera danica oder E. vulgata? Erst mal schauen wie die Hinterleibsmarkierungen aussehen. Danica schmeckt einfach besser als Vulgata. Da, und jetzt schlüpft das Ding auch noch! Bevor ich die Fliege fresse, muss ich mir noch Gewissheit darüber verschaffen, wie denn die Flügelnervatur aussieht, ob z.B. die Subcosta unterbrochen ist oder nicht, und, ach ja, hat sie nun drei oder zwei Schwanzanhänge. Im letzteren Fall wäre das Biest als Speise eher weniger gut, denn es handelte sich dann um eine Epeorus-Art, die bitter schmeckt. Ach je, da flattert ja noch etwas über die Wasseroberfläche, eine Köcherfliege. Mal nachschauen ob sie ein verdicktes drittes Fühlerglied und auch wirklich in Oberschenkel, Unterschenkel und Tarsus gegliederte sechs Beine hat und das zweite Tarsalglied wohl verlängert ist. Wenn ja, dann schnell hin und gefressen, denn deratige Fliegen sind absolute Leckerbissen!
Ein solcher Fisch wäre mit sicherheit schon lange verhungert und seine Art von der unerbittlichen Evolution ausradiert worden. In der Realität reagiert der Fisch auf ganz bestimmte, sehr einfache und leicht interpretierbare Schlüsselreize von der Art: da schwimmt etwas, dessen Proportionen, Silhouette, Färbung und Beweglichkeit Nahrung signalisieren, also hin und gefressen bevor die Beute weg ist oder ein Konkurrent sie sich geschnappt hat. Ein wenig Beschäftigung mit Sinnesphysiologie und der Bedeutung von Schlüsselreizen im Verhalten von Wirbeltieren hilft ungemein, den Blick für das Wesentliche zu klären, am Wasser wie am Bindestock.
Versöhnliche Grüße an alle "Realisten".
Gruß
Klaus


"Man kann nicht zweimal in den selben Fluss steigen"
Platon (panta rhei)
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Neubrandenburger
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Re: Realistisch? oder doch Silhouette?

Beitrag von Neubrandenburger »

Tom und Siegfried,

muss man solch ein Fachwissen besitzen um Fliegen-fischer bzw. -binder zu sein? Wenn ja, schmeiß ich meine Ruten weg :roll:

Wenns euch aber eigentlich um Farben, oder farbliche Abstufungen einiger im Wasser lebender Insekten geht. Senf ich was dazu, wenn auch ganz trocken.

Ich liebe farbliche Akzente beim Nymphen binden. Ganz im Stil französischer Nymphen und oder auch völlig wirre Fantasie Kreationen. Da kann bei mir schon mal ein ganzer Thorax aus pinkem UV Ice Dubbing sein ... gibts bestimmt nicht in der Natur (schätze ich) aber die Fische mögens irgendwie und stürzen sich drauf, zum teil ohne zögern. Und glitzer Fan bin ich sowieso, meine Nymphen haben alle einen Goldkopf mit Ausnahme von Bachflohkrebsen, die wiederum glänzen in den schönsten Dubbingfarben :P . Meine Tochter hat an dem Schleierhimmel, von ihrem Bett ganz oben dran so einen tollen Kranz aus lauter glitzernden Zeugs, wenn sie mal nicht da ist zupfe ich mir da hin und wieder was ab :biggrin: und binde auch mit diesem "Flash" mal einen ganzen Thorax, dass ganze dann noch mit Goldperle und fertig sind die Nymphen im Ballkleid ... aber die fangen.

Ameisen binde ich allerdings so original es nur geht, für die Beinchen benutze ich 0,14er monofil das ich mit nem Edding vorher einfärbe und sie nach dem einbinden mit einer heißen Dubbingnadel knicke bzw die Gelenke bilde. Als Unterkörper eine kleine Menge Polycylon, dann schwimmt sie schön und ist an Regentagen eine Bank.

@ Klaus, ... ja so muss man es wohl sehen.
Liebe Grüße,
Ben
Tom127

Re: Realistisch? oder doch Silhouette?

Beitrag von Tom127 »

Über so viel Wissen muss man nicht verfügen, aber schaden kann es nicht. Wenn man sich für das Gewässer als Ganzes interessiert kommt man an Wasserinsekten nicht daran vorbei und gerade wir Fliegenfischer "behaupten" doch oft, dass wir unser Wasser mehr lieben als der "Wurmbader" und "Kochtopffischer". Also warum auch nicht einmal was tun ein paar Tierarten lernen?

Unterstehe dich deine Rute weg zu werfen, wäre schade drum :wink:

Ich habe im Moment ein erstklassiges Bild in meinem Kopf: Ein Fisch im Wasser mit einem Bestimmungsbuch "in den Flossen" und blättert hilflos hin und her. Die alten haben schon eine Brille auf und müssen nah hin, um die Insekten erkennen zu können. Bis sie sich umschauen hat die Strömung sie wieder weggetrieben... Und immer wieder einmal flucht einer "Sch... Neozoen! Sind in den aktuellen Ausgaben nie aufgeführt, einfach mal probieren!" Aus diesem Grund fangen bunte Muster :D

Liebe Grüße,

Tom
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Re: Realistisch? oder doch Silhouette?

Beitrag von Olaf Kurth »

Moin Ben,

vergiss bitte nicht, dass sich Siegfried als Biologe schon beruflich ziemlich gut mit den Wasserbewohnern auskennen muss, weil es sein Handwerk ist.
Aber das du deiner Tochter heimlich Glitzerkram vom Schleierhimmel überm Bett stiebitzen musst, bei diesen Zeilen hätte ich fast in die Tastatur gebissen - köstlich...... :mrgreen: :mrgreen:

LIebe Grüße in den Norden,

Olaf
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Re: Realistisch? oder doch Silhouette?

Beitrag von Siegfried. »

Olaf Kurth hat geschrieben:Moin Ben,

vergiss bitte nicht, dass sich Siegfried als Biologe schon beruflich ziemlich gut mit den Wasserbewohnern auskennen muss, weil es sein Handwerk ist.

Olaf
Hallo Olaf, hallo Ben,
ja und denkt dran, dass ich trotzdem nicht wissen kann, als was und warum die Fische meinen Köder nehmen. Warum z.B. hat meine größte Forelle, den den Magen mit einem! Signalkrebs von ca. 15 cm Körperlänge + 2 Scheren vollgestopft hatte, meine oben beschriebene auf 12er Haken, diesmal mit kleinem! Goldkopf, gebundene "Hydropsyche" genommen?? Antwort: "Ja frach mich ma" sagt der Ruhrgebietler.

Glück auf und light lines

Siegfried
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Re: Realistisch? oder doch Silhouette?

Beitrag von Neubrandenburger »

Siegfried,


ich respektiere dein Wissen vollkommen.

Ich wollte den Tread nur mal wieder auflockern.

Als kleiner Junge war ich mal "Hobbybiologe" und hab meine Mutti mehr oder weniger damit begeistern können alle möglichen Viecher mit nach hause zu schleppen um sie mir unter einem Kindermikroskop anzusehen. Ich war begeistert, voller Wissensdurst und konnte auch viel lernen dabei. Ziemlich eindeutig brachte meine Mutter mir bei, dass man Schnecken nicht wie Haustiere frei im Zimmer laufen lassen kann :mrgreen:
Liebe Grüße,
Ben
Olaf Kurth
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Re: Realistisch? oder doch Silhouette?

Beitrag von Olaf Kurth »

Olaf Kurth hat geschrieben: Wenn wir aber ehrlich sind, weiß niemand genau, warum er in der ein oder anderen Situation seine Fische fängt (oder eben nicht). Die Analyse aller Faktoren für den erfolgreichen Fang wird wohl immer ein Geheimnis bleiben und das ist auch gut so.............

@Siegfried:

Möchte mich ungern selbst zitieren, aber vielleicht stimmt das ja. Bei deiner Forelle wäre ich nicht überrascht, zeigt doch der Fang die große Bandbreite des Beutespektrums großer Raubforellen. War der Signalkrebs in der Häutungsphase (sogen."Butterkrebs"), oder konntest du das nicht mehr feststellen? Das würde mich interessieren.
Meine letzte große Raubforelle (62cm) biss auf eine 14er schwarz-braune Köcherfliege - die schlüpfen bei uns in der Tat noch Anfang Oktober bis in den November. Der starke Milchner hatte übrigens eine komplette Spitzmaus (mit Schwanz gut 12cm lang) im Magen. Sachen gibt's.............


@Ben:

Wenn hier mal ein paar "Jugendsünden" als Angler thematisiert werden sollten, käme ich als jugendlicher Schwarzfischer ganz schlecht weg. Ich hatte mir z.B. im nahegelegenen Wildbach einen künstlichen Gumpen angelegt, den ich und ein Kollege als "Privat-Weiher" nutzten, d.h. viele Forellen, die wir oberhalb oder unterhalb im Bachlauf fingen, wurden umgesetzt. Rund zehn Bachforellen hatten wir immer über mehrere Wochen da drin und als 12-Jähriger war ich natürlich stolz wie Oskar auf "meine" Forellen.

Ich weiß, dass wir damals ganz schön schlimme Finger waren, denn zwischen 12 bis 15 Jahren war ich sehr oft am Wasser und es gab wirklich keine Forelle, die ich nicht früher oder später in den Händen halten konnte. Als dann das Thema "Mofa und Mädchen" immer wichtiger wurde, ließen die Schwarzfischer-Abenteuer ein wenig nach. Mit 14 Jahren bekam ich ja auch meinen Jugendfischereischein und durfte ganz "offiziell" an legale Gewässer.

Ben, vielleicht warst du ja früher auch an euren Wildbächen heimlich unterwegs und hast den ein oder anderen Fisch unter den Steinen oder zwischen den Baumwurzeln hervorgelockt? Ich kenne zumindest einen der schlimmsten jugendlichen Schwarzangler aus der hessischen Nordschweiz, der sich heute fast nichts mehr aus Fischen macht und lieber mit einem hässlichen grünen Cabrio durch die Gegend fährt........ (pfeifundnachobenguck) :wink:

Liebe Grüße in die Runde,

Olaf
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Re: Realistisch? oder doch Silhouette?

Beitrag von Lutz/H »

Guten Abend

Die versammelte Fachkompetenz dieses Forums hat ja hier schon einiges geschrieben,
trotzdem möchte ich auch mal meinen Senf abgeben.

Die Frage Imitation oder Karikatur ist ja so alt wie das Fliegenfischen und binden selbst.
Ich stelle mir immer die Frage, warum diese Frage überhaupt gestellt wird. Eine Anwort könnte sein, das seit Jahrhunderten
Angler versuchen, Fangerfolg berechenbar, vielleicht sogar planbar zu machen. Wie wir alle wissen ist angeln allgemein,Flifi im speziellen
etwas, wo ein sogennanter 7.Sinn von Vorteil ist. Den kann man nicht im Tackle Shop erwerben, sondern erwirbt ihn sich
über Erfahrungswerte, die man im Laufe seines Anglerlebens macht.

Warum eine zerfetzte Fliege häufig gut fängt hängt m.M.ganz einfach damit zusammen, das der Angler Vertrauen in diese Fliege
gefasst hat, das kann bei einem Spinnfischer auch ein alter erprobter Blinker sein, oder bei einem Stipper eine alte Pose usw..

Es wurde in diesem Thread ja schon Skues zitiert, der übrigens zu seiner Zeit anfangs auch eher umstritten war,im Bereich
Lachsfliegen fällt mir da noch Kelson ein, einer der umstrittensten Autoren des 19.Jahrhundert, Kelson hatte behauptet,
Lachse nehmen bunte Lachsfliegen weil sie glauben, dieses wären Schmetterlinge, die aufs Wasser geweht worden sind.
Ich hatte auch vor irgendetwas aus einem schlauen Buch zu zitieren, erspare ich mir und weise
auf den modernen Klassiker "Die Forelle und die Fliege" von Brian Clarke und John Goddard hin, welches viele
Antworten bzw. Thesen hat, mit welchen ich zustimmen kann.

2 Dinge aus meiner kleinen Welt als Fliegenfischer und binder:

Anfang der 2000er hatte ich mal bei Trockenfliegen ein Phase mit Fliegen im Deveaux-Style, neben der guten Schwimmfähigkeit bedingt durch den verdichteten Hechelkranz zeichnete diese Fliegen ein absolut scharf umrissener Hinterkörper aus, damals waren bei uns CDC Fliegen absolut en vogue,
trotzdem konnte ich mit meinen D.Fliegen einige spektaluäre Fänge machen, und Deveaux Fliegen sind nun der Gegenentwurf zu fusseligen CDC Fliegen, die meist garnichts genaues imitieren, heutzutage binde ich fast nur noch klassische Fliegen, auch eine Marotte.

Bei Streamern aber noch mehr bei Lachsfliegen binde ich gerne nur sehr wenig Flash in meine Fliegen, spiele lieber mit Farben rum.
Ein lieber Angelfeund von mir macht es genau andersherum und macht seine Fliegen so flashy wie möglich, unsere Fangerfolge
sind ungefähr die gleichen.

Was kann man lernen, nix, weil alles erlaubt ist und jeder macht das was er am liebsten macht,
und das ist,Gottseidank, auch gut und richtig und macht den individuellen Charme unserer Passion aus,
und wer hat recht ? Recht hat der der fängt.

Schönen Abend
Lutz
Gib jedem Tag die Chance, die schönste deines Lebens zu sen ; Mark Twain
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Re: Realistisch? oder doch Silhouette?

Beitrag von Mosquito »

Hallo Leute,

ich habe mich mit ausreichend Fachliteratur eingedeckt um einen Saprobienindex durchzuführen.
Bin aber doch zu der Erkenntnis gekommen, dass ich noch viel lernen muss - alles gar nicht mal so einfach................... Siegfried - nimmst du auch Praktikanten?? :D
Ich denke, man sollte sich so viel wie möglich über die Natur, und speziell über den eigenen "Kosmos" eines Gewässers aneignen, und man wird feststellen wie spannend es für einen Laien sein kann!!
Das Fischen wird dadurch bedeutend erfolgreicher - und das Hobby noch schöner!
Ich binde sehr gerne die Fliegen von Christian Kuchelmeister nach, und mein absoluter Favorit ist die Köcherfliegenimitation "Struwelpeter" ( siehe bissclips.tv).
Diese Bindeweise ergibt eine tolle Silhouette und ist absolut fängig über das ganze Jahr - selbst in der Maifliegenzeit hatte ich mit diesem Muster Erfolg - ich denke es lag an der sehr "aufgelösten" Silhouette dieser Fliege.
Für sehr schnelle, sowie für langsame Fliessgewässer geeignet.
Für die langsameren Abschnitte in meinem Gewässer bevorzuge ich allerdings cdc- Muster - auch wieder hier entscheidend - die Silhouette.
Meine grösste Forelle, 54 cm, fing ich mit dem "Struwelpeter".
Interessant war, diese Forelle war randvoll mit Mühlkoppen :!:
Ich denke die Forelle nahm dennoch die Köcherfliege, da sie in meinem Gewässer so zahlreich vorhanden ist, und einen Grossteil der Nahrung ausmacht.

Gruss Björn
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Re: Realistisch? oder doch Silhouette?

Beitrag von Neubrandenburger »

Ich locker das ganze mal wieder auf :D

Also die hier von mir gezeigte "Fliege" ist ein typisches Beispiel für eine Silhouette. Nix mit realistisch.

Aber sie ist superfängig auf die Zielfische Nummer eins hier bei uns, kapitale Döbel (Aitel). Die sehen in der von mir einfach mal "Caterpillar" (Raupe) genannten Fliege einen echten Happen. Gerade die Großen, die sonst ja angeblich so scheu sind fallen gerne auf sie rein. Unter einen Baum geworfen und ein Treffer ist fast garantiert. Leider hält sie nicht viele Fische aus, aber sie ist ja einfach nach zubinden. Das beste ist sie ist "unsinkbar" selbst wenn man in den Leib einen feinen Draht steckt um eine Biegung in den Körper zu machen. Körper Polycylon.

Bild
Liebe Grüße,
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Re: Realistisch? oder doch Silhouette?

Beitrag von Siegfried. »

Mosquito hat geschrieben:Hallo Leute,

Bin aber doch zu der Erkenntnis gekommen, dass ich noch viel lernen muss - alles gar nicht mal so einfach................... Siegfried - nimmst du auch Praktikanten?? :D
Gruss Björn
Hallo Björn,
Geht klar die Sache mit dem Praktikum, haben wir öfter im Büro. Würde aber warten bis sich die Gewässer wieder vom Hochwasser erholt haben, das macht mehr Spaß, wenn man auch ein paar Viecher findet. So April ist ne gute Zeit, im Mai sind die alle ausgeflogen :p

@Olaf, nein das war ein richtig harter Krebs, nix gehäutet oder sonstwie weich und die großen Forellen ab ca. 35 cm in dem Bach fühlen sich regelmäßig so an, als ob sie harte Brocken dieser Art im Bauch haben! Kein Wunder auch, die Signalkrebse sind auch schon bei bedecktem Himmel und bei leichter Dämmerung recht provokativ unterwegs und laufen einem auch schon mal über den Watstiefel.

Warum ich aber das Beispiel gebracht habe, war der absolute Kontrast zwischen den beiden Futterteilen. Hätte ich also die zuletzt genommene Nahrung imitieren wollen, hätte es ein dicker Krebs sein müssen, was ich dagegen glaube imitiert zu haben ist eine frei, aber eigentlich in einem Netz lebende Köcherfliege. Was der Fisch darin gesehen hat und warum er die genommen (zu fressen versucht ?) hat "weiß" nur er und alles was uns dazu einfällt ist Vermutung und ausschließlich aus unseren eigenen Erfahrungen abgeleitete Interpretation. Hunger war es sicher(?) nicht, Gier, Aggression, bedingter Reflex usw. usw. sind interpretierende Kategorien aus unserer Welt, wie unsere Bennungen von Arten, der Fisch hat keine Idee davon.

@Ben Nenn das Teil ruhig Raupe, für uns sieht es jedenfalls richtig echt und fischig aus und schon damit erfüllt es den Zweck, denn dann fischst du damit als ob es eine wäre und, wie schon mehrfach gepostet wurde, dann klappt es auch mit der Überredung des Fisches, oder wie mein Flaps es sagt: Fischer fangen Fische, nicht Fliegen.

Glück Auf

Immi Tatoor
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