Ladung der Fliegenrute

Fliegenwerfen - wie geht das eigentlich? Wie kann ich meine Leine effektiver ausbringen und Fehler ausmerzen? Was hat es mit den AFTMA-Klassen auf sich? Was sind Spezial- und Trickwürfe? Fragen über Fragen! Hier könnt Ihr Euch gegenseitig helfen.

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Fliegenfan
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Ladung der Fliegenrute

Beitrag von Fliegenfan »

Guten Abend Fliegenfischer!
Die Frage die sich mir stellt ist im Titel nicht wirklich erfasst, daher versuche ich im Folgenden erst mal zu erklären, worum es mir eigentlich geht.
Beim Fliegenwurf kommt angeblich die Energie, die auf die Schnur übertragen wird, aus der Ladung der Rute. Diese ergibt sich aus der Kraft, mit der man den Griff nach vorne zieht, dem Gewicht (und damit der Trägheit) der Fliegenschnur sowie der Rute, dem Luftwiderstand der Rute (verursacht auch verzögerte Vorwärtsbewegung) und der Zeit (Ladungsweg) in der die Hand Kraft auf die Rute ausübt. Jetzt wird am Ende des Wurfs, also beim Stopp, eine Kombination dieser Kräfte, vereint als Rutenladung, auf die Schnur übertragen. Soweit jedenfalls mein Gedankengang.
Jetzt wird aber von vielen Händlern behauptet, es gäbe Ruten, die sich genau so leicht laden lassen wie Andere, aber trotzdem eine höhere Rückstellgeschwindigkeit (und so auch Kraft auf die Schnur) erzeugen. Das ist aber falls ich richtig denke nicht möglich, da mehr Kraft abgegeben würde, als man mit dem Wurf aufgebaut hat.
Nun zu meiner Frage: Ist es überhaupt möglich, dass sich die Kraft, die sich auf die Schnur überträgt, nur durch eine "schnellere" Rute steigert?
Noch ein paar Gedanken, die mich hierbei beschäftigen:
-es kann nur die Energie auf die Schnur übertragen werden, die man der Rute überträgt
-gesteigert werden kann nur die Effizienz, also wie viel der Energie auf die Schnur übertragen wird
-wirft man mit einem Besenstiel(also ohne Ladung) überträgt sich die gesamte Kraft direkt auf die Schnur, man kommt aber nicht mal annähernd so weit wie mit einer Fliegenrute
-mit einer sehr weichen Rute wirft man auch nicht weit
-wohin geht aber die Energie, die man mit der Wurfbewegung zweifellos aufbaut, bei Besenstiel und sehr weicher Rute verloren?

So, das waren jetzt einige unübersichtliche geistige Ergüsse der Schonzeit, ich hoffe jemand kann in etwa nachvollziehen was ich meine.
Falls etwas unklar ist, oder ich meine Gedanken genauer erklären soll, bitte einfach schreiben, dann werde ich Das ergänzen.
Ansonsten schon vielen Dank fürs Lesen und Liebe Grüße,
Fritz
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gespliesste
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Re: Ladung der Fliegenrute

Beitrag von gespliesste »

Hallo Fritz,

vorab, ich denke Tobias (alias HSHL) wird da bestimmt noch was zu schreiben, er beschäftigt sich seit vielen Jahren genau mit dem Thema.

Ich denke du musst mit der Betrachtung schon beim Rückschwung anfangen. Eine Fliegenrute mit einer optimalen Aktion nimmt einen gewissen Anteil der Kraft aus dem Rückschwung in Form von Ladung mit nach vorne. Ich glaube Tobias nennt das Translation.
Bei einem Besenstiel geht die gesamte Kraft nach hinten für den Vorschwung verloren, da er gar nicht lädt. Eine weiche Rute hat nicht die Rückstellkraft die Ladung nach vorne zu "translatieren". Dazu kommt noch die extreme Biegung einer weichen Rute. Aber ich bin da nicht so tief im Thema wie Tobias.

Das sind natürlich immer nur reine Effizienzbetrachtungen. Man will ja vor allem fischen und präsentieren. So können weiche Ruten auf kurze Distanzen durchaus einen Genuss beim Fischen darstellen und extrem harte Ruten ihre Vorteile bei steigenden Distanzen ausspielen.

Dazu kann man durch das individuelle Wufvermögen auch noch einiges ausgleichen. Ich merke, dass ich zunehmend gerne schnellere Ruten fische, damit hat man nach meiner Erfahrung die meiste Flexibilität bei allen Distanzen. Aber bei kürzen Würfen muss man sehr genau arbeiten, also die Nachteile gegenüber einer "langsameren" Rute ausgleichen. Es bleibt immer ein Kompromiss. Wenn ich Fischen gehe ist oft alles von 3m -20m drin, dazu manchmal noch mit beschwerten Nymphen. Ich will nicht zwei Ruten mitschleppen.

LG,

Olaf
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Trockenfliege
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Re: Ladung der Fliegenrute

Beitrag von Trockenfliege »

Hallo Fritz, ein kompliziertes Thema hast du dir da ausgesucht.

Aber es ist angenehm zu wissen, dass man auch ohne genaue Kenntnisse hierin ein sehr guter Fliegenfischer und -werfer sein kann, denn vieles lernt man im Laufe der Zeit - learning by doing.

Zu den Kräften, die beim Wurf wirken, kommt auch noch der Widerstand der Fliegenschnur, der meiner Meinung nach mehr aus macht, als zB. der der Rute.
Das merkt man, wenn man mal eine Sinkschnur oder auch nur eine Schnur mit längerer Sinktip wirft. Bei gleichem Schnurgewicht ziehen die deutlich heftiger an der Rute wegen ihres kleineren Durchmessers.

Eine zusätzliche Kraft, die auf die Schnur wirkt, ist der Doppelzug, Die Kraft des Doppelzug setzt optimalerweise in dem Augenblich ein, in dem sich die Rute schon zum größten Teil entladen hat und gibt dann der Schnur zusätzliche Geschwindigkeit.

Woher weisst du, dass man mit einem Besenstiel (bzw. einer nicht flexbaren Rute) nicht so weit wirft. Schon mal ausprobiert? Ein echter Besenstiel ist deutlich schwerer und hat einen viel größeren Luftwiderstand als eine Rute, deshalb wirft man vielleicht nicht so weit.
Der gleiche Versuch mit zB. dem Handteil eines Karpfenrutenblanks würde wohl ganz andere Ergebnisse bringen. Das Problem dabei ist, dass die Schnurhand viel von der Beschleunigung übernehmen muss, die sonst die Rute liefert und das timing muss viel genauer sein ( das ist jetzt mal meine Theorie).

zu deinen Gedanken: - "-es kann nur die Energie auf die Schnur übertragen werden, die man der Rute überträgt" - würde ich sagen: falsch - diehe Doppelzug

- "wirft man mit einem Besenstiel(also ohne Ladung) überträgt sich die gesamte Kraft direkt auf die Schnur, man kommt... nicht so weit wie mit einer Fliegenrute" : s.o. was ich geschrieben habe

- "-wohin geht aber die Energie, die man mit der Wurfbewegung zweifellos aufbaut, bei Besenstiel und sehr weicher Rute verloren? geht sie wirklich verloren? " Beim Wurf mit einem echten Besenstiel wird erstmal viel Energie für den Besenstiel alleine aufgewendet, daher hätte man das Gefühl, es ginge viel verloren.
Und auch bei der weichen Rute geht nichts verloren., denn wenn du beim Wurf diese weiche Rute max belastet hast, geht zusätzlich Energie in Beschleunigungsenergie auf das Sytem Rute/Schnur über. Das führt dann aber häufig zum überpowern und die Schnur wird sehr unruhig.

Ein Beispiel: Auf einer Messe habe ich mal die "Noodle" ein recht lange und superschwabbelige Gespliesste Klasse 2/3 von Bjarne Fries geworfen und habe meinen (damals noch nicht so guten) Wurfstil der Rute angepasst. Dann hat Bjarne selber mit der Rute geworfen und zwar in einem irrsinnigen Tempo, um zu zeigen, wie schnell man mit dem Teil werfen kann - das war sehr beeindruckend.

Energie beim Fliegenwerfen geht hauptsächlich dadurch verloren, das man zu kräftig, zu schnell wirft. Das mache ich eigentlich fast immer. Ich werfe selten so, dass sich die Schnur und das Vorfach so gerade strecken, sondern deutlich kraftvoller. Dadurch werden zwar äußere Einflusse ( Wind) vermindert, die Schnur wird aber schnell unruhig und ich mache mehr Wurffehler - da geht dann wirklich unnötig aufgebrachte Energie verloren.

LGruß
Reinhard
Fliegenfan
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Re: Ladung der Fliegenrute

Beitrag von Fliegenfan »

Guten Abend,
vielen Dank für die schnellen Antworten! Sehr interessante Punkte, die sie da angesprochen haben.
Zur Translation: Damit die Ladung aus dem Rückschwung mit in den Vorschwung genommen wird, und zusätzlich das Timing beim Wurf optimal ist, müsste die Rute doch im Moment der Streckung der Schnur noch nachschwingen? Und dann müsste sie je nach Wurfstil eher langsam sein, um der Schnur Zeit zu geben.
Trockenfliege hat geschrieben:Woher weisst du, dass man mit einem Besenstiel (bzw. einer nicht flexbaren Rute) nicht so weit wirft. Schon mal ausprobiert? Ein echter Besenstiel ist deutlich schwerer und hat einen viel größeren Luftwiderstand als eine Rute, deshalb wirft man vielleicht nicht so weit.
Ja ich habe tatsächlich einen Versuch in der Richtung angestellt. Ich habe (zwar keinen Besenstiel, aber mit ähnlichem Biegeverhalten) einen sehr steifen Stock mit einem Spitzenring ausgestattet und versucht, so zu werfen. Das war zwar schon von der Schnurführung kein Optimum, aber man konnte sich den Wurf mit einem beringten Besenstiel vorstellen. Das Ergebnis war, dass nach einiger Zeit halbwegs vernünftige Würfe zustande kamen (bis etwa 13m) aber egal wie ich das Timing veränderte, besser als das wurde es nicht.
Eine weitere Frage: Wie kann es sein, dass Ruten sehr schnell sind, ohne steif zu wirken. Ich habe das noch nicht selbst geprüft, aber oft in Testberichten gelesen. Sind solche Ruten nur am perfekten Kompromiss zwischen steif und weich, oder liegt es an anderen Gründen?
Den Doppelzug habe ich in meinen Überlegungen aus Gründen der Vereinfachung vernachlässigt. Damit lässt sich viel am Wurf ändern, aber mich interessiert eher das Verhalten der Rute.
Liebe Grüße,
Fritz
Trockenfliege
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Re: Ladung der Fliegenrute

Beitrag von Trockenfliege »

Gratuliere zum Eigenversuch! 13m ohne Doppelzug ist doch schonmal ein sehr gutes Ergebniss. Wie lang war denn der Stock und mit welcher Schnurklasse hast du geworfen?

Was die "weichen" Schnellen Ruten angeht. Da sollte man nicht immer alles als so wahr betrachten, was einem die Werbung suggeriert.
Es gab mal einen Rutenbauer, der sich eine Anlage mit Lichschranke gebaut hat, um die Rückstellgeschwindigkeit zu messen.

Mit sowas liessen sich die Ruten genau vermessen und die Versprechungen der Industrie überprüfen.

LGruß
Reinhard
orkdaling

Re: Ladung der Fliegenrute

Beitrag von orkdaling »

moin moin,
na dazu gab es ja schon grosse Abhandlungen.
Zur Frage mal ein Beispiel aus der Jugendzeit. "Die Ladung der Apfelrute".
Sommer, Sonne und heruntergefallene unreife Æpfel. Was fællt uns Hosenschei.. ein, nun werden die "Grossen" die uns auf dem Schulhof beherrschten aufs Korn genommen. Kaum waren sie mit ihren Luftmatratzen auf`n See wurden sie bombardiert.
Dazu brauchte man nur einen Haselnusstecken, Apfel aufgespiesst und Feuer mit voller Kraft. Rache war suess.
War der Stecken zu weich (vergleichbar mit unterklassiger oder Billig- Rute) konnte keine Weite erzielt werden, war der Stecken zu steif (vergleichbar mit dem Besenstiel) ebenso keine Weite und schlechte Trefferquote. Aber ein schøn elastischer Stecken der zur Geschossgrøsse passte, mit dem gelang das Schiffeversenken.Anschliessende Flucht gelang meistens. Damals hab ich mir natuerlich keinen Kopf darueber gemacht, es galt nur den passenden Stecken zu finden und sehr schnell hatte man Erfahrungswerte gesammelt.
Setzen wir voraus die Stecken waren gleichlang und die Æpfel hatten die gleiche Gewichtsklasse, Krafteinsatz auch, dann muss es ja am Material gelegen haben.
(Vernachlæssigen wir mal Geschwindigkeit, Doppelzug, Schnurlænge und Profil)
Eine weiche Rute, mit durchgehender Aktion vielleicht noch Billigmaterial kann also nicht die Kraft uebertragen wie eine hochwertige schnellere Rute und das bei gleichem Krafteinsatz. Aber auch diese kommt an ihre Grenzen wenn das WG bzw die Schnurklasse zu stark abweicht.
Gruss Hendrik
CPE

Re: Ladung der Fliegenrute

Beitrag von CPE »

Fliegenfan hat geschrieben:-wirft man mit einem Besenstiel(also ohne Ladung) überträgt sich die gesamte Kraft direkt auf die Schnur, man kommt aber nicht mal annähernd so weit wie mit einer
Hallo Fritz,

Energie geht nie verloren und der Besenstiel wirft ziemlich weit.

Lies z.B. Grunde Lövoll in http://www.sexyloops.com/articles/rodcast.shtml. Da sagt er, dass es gerade mal maximal 1/3 der Gesamtenergie ist, die in der Federenergie steckt. Der Rest ist Rotation und Translation der Rute.

Damit das ganze möglichst weit fliegt, brauche ich möglichst viel Energie in diesen beiden Anteilen (kinetische Energie der Rotation und Translation). Die hängt von der Geschwindigkeit ab. Geschwindigkeit erreiche ich, indem ich sie (von 0 an) steigere. Das nennt man Beschleunigung. Beschleunigung erreiche ich durch Kraft. Die kommt aus unseren Muskeln. Und das ganze System muss zueinander passen, sonst geht die Energie/Geschwindigkeit nicht in die geradlinige Beschleunigung der Schnur, sondern in allen möglichen Quatsch (Dellen in der Schnurrichtung, was das Gegenteil vom Ideal, dem "Straight Line Path" [SLP], also der geraden Linie der Rutenspitze) ist.

Schnelle versus langsame Rute: Eine harte Rute wird viel plötzlich aufgewendeter Kraft "mehr entgegenzusetzen" haben, als ein Schwabbel, d.h. den SLP bei höheren Geschwindigkeiten gestatten, weshalb härtere Ruten die Fliege weiter fliegen lassen. Bei wenig Energie verhält sich dieselbe eher wie ein Stock, wird also in Sachen SLP eher unsauber werden. Deshalb: Küstenweitwurf bei viel Wind: Harter Stecken. Bachrute von 4-8 m: Schwabbel.

Soweit die erste Näherung.

TL, Norbert
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hshl
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Re: Ladung der Fliegenrute

Beitrag von hshl »

Hallo zusammen,

zunächst halte ich es für wichtig, zwischen Effektivität und Effizienz zu unterscheiden: Effektivität = Ergebnis / Ziel; Effizienz = Ergebnis / Aufwand. Bei der Effektivität geht es primär darum, dass ein angestrebtes Ziel im Ergebnis erreicht wird. Im Unterschied dazu wird bei der Effizienz geschaut, welcher Aufwand für ein Ergebnis erforderlich ist. Bei der Effektivität spielt der Aufwand keine Rolle.

Übertragen auf unsere Fliegenwurf können wir sagen, dass wir als Ergebnis eine Schnurgeschwindigkeit erzeugen wollen, die zur jeweilige Situation am Fischwasser passt. Bei der Effizienz kommt es darauf an, dass diese Schnurgeschwindigkeit mit möglichst wenig Aufwand des Werfers erreicht wird. Eine mit zuviel Aufwand erzeugte Schnurgeschwindigkeit kann also effektiv, jedoch nicht effizient sein.

Dies vorweggenommen meine Einschätzung zur Bedeutung der Rutenladung: Sowohl aus meinen Untersuchungen als auch aus Modellberechnungen geht eindeutig hervor, dass die durch die Biegung verursachte Zwischenspeicherung von Energie die Effizienz des Fliegenwurfes deutlich steigern kann. Die Rutenladung auf geometrische Vorteile (gerader Weg der Rutenspitze) zu beschränken oder als ein Nebenprodukt der Rotation aufzufassen, wird ihrer Bedeutung für die Effizienz nicht gerecht. Auch mit einem unbiegsamen "Stock" kann eine hohe Schnurgeschwindigkeit aufgebaut werden, nur ist dafür grundsätzlich erheblich mehr Aufwand erforderlich :? .
Orkading: War der Stecken zu weich (vergleichbar mit unterklassiger oder Billig- Rute) konnte keine Weite erzielt werden, war der Stecken zu steif (vergleichbar mit dem Besenstiel) ebenso keine Weite und schlechte Trefferquote. Aber ein schøn elastischer Stecken der zur Geschossgrøsse passte, mit dem gelang das Schiffeversenken.
Diesen Vergleich finde ich gut. Weder ein unbiegsamer noch ein schwabbeliger "Stock" wirft den aufgespießten Apfel effizient. Das Optimum (also die höchste Effizienz) liegt irgenwo dazwischen. So verhält es sich auch bei der Fliegenrute.
CPE: Da sagt er, dass es gerade mal maximal 1/3 der Gesamtenergie ist, die in der Federenergie steckt. Der Rest ist Rotation und Translation der Rute.
In meinen Untersuchungen beträgt der Anteil der zwischengespeicherten Energie sogar nur 1/4 der gesamten Energie. Meiner Einschätzung nach wurde daraus aber nicht immer richtig gefolgert - insbesondere, dass wegen dieses eher geringen Anteils die Bedeutung der Rutenladung für den Fliegenwurf überschätzt wird (was jedenfalls nicht für die Betrachtung eines effizienten Fliegenwurfes zutrifft).

Interessanterweise kann auch der Biegeverlauf, der an die Rutenladung gekoppelt ist, die Effizienz der Fliegenrute noch weiter steigern. Hierfür sorgen Umverteilungsprozesse des Drehimpulses, wie man diesen z.B. beim Pirouetteneffekt beobachten kann. Die Rutenladung - genauer der Biegeverlauf - ist elementare Voraussetzung für einen effizienten Fliegenwurf :wink: .

TL, Tobias
Energieübertragung Griff -> Spitze = Hebelwirkung ("Rotation + Translation") + Zwischenspeicherung ("Rutenladung") + Umverteilung ("Drehimpuls/Massenträgheit")
orkdaling

Re: Ladung der Fliegenrute

Beitrag von orkdaling »

moin moin Tobias,
sehr schøn erklært, mein Apfel- Beispiel sollte das alles nur vereinfachen. Es gibt ja schon jede Menge Untersuchungen (wissenschaftlicher Art) in deutschen und auslændischen Foren aber leider verwirrt es die meisten.
Ich sag daher immer, der Stecken muss passen. Das betrifft sowohl die Salzwasserfestigkeit (was ja auch eben diskutiert wird), die Aktion der Rute als auch das Gewicht und Taper der Schnur.
Und da ist es sche....egal was fur ein Namen auf dem Stecken steht.
Gruss Hendrik
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Re: Ladung der Fliegenrute

Beitrag von Fliegenfan »

Guten Morgen!
Vielen Dank für die tollen und zahlreichen Antworte! Das hat mir sehr weitergeholfen! Es ist sehr interessant, was alles für einen guten Fliegenwurf getan werden muss, und welche Rolle dabei die Rutenladung spielt.
Der Stock für meinen Versuch war zwischen 2-3m lang, genau gemessen habe ich nicht.
Die Sache mit den Apfelruten habe ich auch schon probiert, aber nur auf Weite nicht auf Treffen. :)
Nur noch zu meinem persönlichen Verständnis der Antwort von hshsl: In der Rutenbiegung ist die aufgebaute Energie gespeichert. Diese wird ja über eine gewisse Zeit aufgebaut. Um also möglichst effektiv zu werfen(also schnelle Schnur) muss sich diese in einer möglichst kurzen Zeit entladen, daher der abrupte Stopp. Würde man die Rute langsam entschleunigen, würde die Schnur auch langsamer fliegen.
Ansonsten vielen Dank für die tolle Hilfe!
Liebe Grüße,
Fritz
CPE

Re: Ladung der Fliegenrute

Beitrag von CPE »

Fliegenfan hat geschrieben:Um also möglichst effektiv zu werfen(also schnelle Schnur) muss sich diese in einer möglichst kurzen Zeit entladen, daher der abrupte Stopp. Würde man die Rute langsam entschleunigen, würde die Schnur auch langsamer fliegen.
Hallo Fritz,

Du trittst in diesem Minenfeld damit exakt auf die Mine. Meine (!) aus der Mechanik rührende kleine Meinung dazu ist, dass dass Du der Ruten-Schnur-Kombination solange Energie zuführst, wie Du das System beschleunigst. Bis ca. zu dem Zeitpunkt, in dem Du die Rute nicht weiter drehst & schiebst ist das ganz sicher der Fall, danach gibt die Rute die in ihr gespeicherte Federenergie an die Schnur ab, solange bis die Geschwindigkeit der Schnur größer wird, als die der Rutenspitze. Dann bildet sich der Schnurbogen. Ob diese letzte Phase lang (mehr oder weniger als "Stop" durchgehendes Abbremsen plus Drift) oder kurz ("Abrupt Stop") ist, für die Energieübertragung (fast) unwesentlich. Wesentlich ist aber, dass bei ersterer, eher fließender Bewegung, evtl. sogar mit der Drift des Könners das Überschwingen und diverse andere ungünstige Bewegungen, Wellen, Schläge in der Schnur minimiert werden kann. Das tun ausnahmslos alle außerordentlichen Werfer. Viele amerikanische Wurflegenden überwinden bei Würfen ab 2-3 m dann sogar die großartige kognitive Dissonanz zeitgleich mit dem Satz "and now you have to perform the abrupt stop" elegant weiter zu drehen und anschließend zu driften. Gerade von ihnen wird gerne dieses Farbe-an-Pinsel-Modell gebracht, was einfach nur Unsinn ist, weil die Schnur an der Rute natürlich nicht wie Farbe am Pinsel klebt.

Cheers, Norbert
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Re: Ladung der Fliegenrute

Beitrag von Fliegenfan »

Hallo CPE,
danke für die Aufklärung. Die Drift bei einem guten Wurf habe ich bisher so verstanden, dass man den Stopp setzt, und anschließend nach zu ziehen, um weniger Wellen in der Schnur zu erzeugen und gleichzeitig den möglichen Arbeitsweg für den nächsten Schwung zu verkürzen.
Mit dem entschleunigen meinte ich, dass man z.B. während die Rute noch geladen ist, sie nun langsamer zu führen, also die Ladung langsam abnehmen zu lassen.
Wenn die Schnur bereits schneller als die Rutenspitze ist, lässt sich am Stopp (oder der Entschleunigung) ja nichts mehr ändern (jedenfalls nicht die Schnur betreffend, ausgenommen Wellen schlagen, was man aber vermeiden will).
Liebe Grüße,
Fritz
Ich meinte hier, den Arbeitsweg zu verlängern, da habe ich mich wohl verschrieben :) .
Zuletzt geändert von Fliegenfan am 15.01.2017, 20:13, insgesamt 1-mal geändert.
Maggov
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Re: Ladung der Fliegenr

Beitrag von Maggov »

Hallo Fritz,

Ich habe die Drift Gegenteilig zu Deiner Beschreibung verstanden. Indem Du beim Rückwurf im passenden Moment (bei mir in etwa dann wenn ich merke dass die Rute sich anfängt zu laden (laden im Sinne von Biegen) ) noch ein wenig nach hinten driften läßt verlängerst Du den Arbeitsweg der Rute und bekommst beim Vorschwung mehr Ladung in die Rute. Während der Drift darf der Kontakt zur Schnur (also ein leichter Zug der Schnur gegen die Rute) aber nicht abbrechen, sonst verleirst Du wieder Energie.

Nebenbei: im Anfangspost erwähnst Du die Rückstellkraft, diese habe ich so verstanden dass dies beschreibt wie wenig ein Rute nach dem Stop nachschwingt. Dies führt zu weniger Unruhe in der Leine, man sieht weniger Buckel in der sich steckenden Schur. Diese würden bei gegengerichteten Schwung erst ausgestreckt werden müssen und so sicherlich die Ladung der Rute fördern. Wenn ich allerdings eine unregelmäßige Wurfbeschleunigung habe dann erzeugt jede Rute diese unruhige Schnur, bis zum Extremfall dem tailing loop.

Ich fische sehr gerne die Schwabbelstöcke und man kann diese meiner Meinung nach auch sehr schnell werfen, ist vielleicht nicht unbedingt im Sinne des Erfinders, geht aber mit sauberem Timing astrein. Ich meine dass sich langsame Ruten theoretisch genauso gut laden und werfen lassen, inder der Praxis brauchst Du dafür aber eine wirklich exzellente Technik. So würde ich auch beim Fischen mit primär größeren Weiten eine etwas schnellere Rute bevorzugen (man muss sich dad Leben ja nicht unnötig erschweren).

Den wahren vorteil von weichen Ruten sehe ich imDrill, dort kann ich die Fische deutlich härter und schneller ausdrillen da die Rute einen grössen Pufferweg hat als die Ruten mit Spitzenaktion. Der Fisch schlitzt dann weniger schnell aus. Auch hier ist das Rückstellungsvermögen manchmal wichtig (z.B. Wenn der Fisch springt) denn wenn die Rute nachschwingt verlierst Du imExtremfall den Kontakt zum Fisch.

LG
Markus
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A. A. Lucas in Fishing and Thinking, 1959
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Re: Ladung der Fliegenr

Beitrag von Thomas E. »

Maggov hat geschrieben:Ich habe die Drift Gegenteilig zu Deiner Beschreibung verstanden. Indem Du beim Rückwurf im passenden Moment (bei mir in etwa dann wenn ich merke dass die Rute sich anfängt zu laden (laden im Sinne von Biegen) ) noch ein wenig nach hinten driften läßt verlängerst Du den Arbeitsweg der Rute und bekommst beim Vorschwung mehr Ladung in die Rute.
Das "Driften", oder Werfen im "Drop back Style" ist das gefühlvolle Folgen mit der Rute nach dem rückwärtigem (hohen) Stopp.
Man folgt der sich nach hinten entwickelnden Schnur, ggf. kann man das bis sich die Rute in der Waagerechten befindet.
So hat man einen längeren Beschleunigungsweg nach vorn. 8)
Bei Steve besonders beim letzten Rückwurf deutlich zu erkennen :
https://www.youtube.com/watch?v=SuBa1BprBe0

Man kann auch nach dem Vorwärtsstopp leicht driften.
Wirft sich "runder" und noch schöner. :wink:

Im Gegensatz dazu der 170° Style, bei dem man die Rute im Rückwurf gleich bis in die Waagerechte durchbeschleunigt.
Dadurch entsteht die "Bouncing bomb", charakteristisch für diesen Stil.
Gruß
Thomas Ellerbrock
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Re: Ladung der Fliegenrute

Beitrag von Fliegenfan »

Guten Abend,
danke für die Informationen bezüglich der Drift! Bei meinen Würfen habe ich festgestellt, dass die Drift gelegentlich nötig ist, um beim Vorschwung sowohl Ober- als auch Unterschnur über der Rutenspitze zu führen, und vor allem parallel, also dass sie sich nicht kreuzen. Wenn ich nicht oder nur gerade nach hinten drifte, passiert es, dass Ober- und Unterschnur sich im Wurf kreuzen, was dann zwar kein Tailing Loop ist, aber ästhetisch weniger ansprechend, wie ich finde.
Liebe Grüße,
Fritz
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