Besatz mit Mutterfischen

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Rattensack
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Besatz mit Mutterfischen

Beitrag von Rattensack »

Hallo Leute!
In letzter Zeit hört man immer öfter, dass Bewirtschafter im Herbst einen Besatz mit adulten Forellen (ich nenne sie mal unabhängig vom Geschlecht "Mutterfische"), also grossen bis sehr großen Forellen aus Teichwirtschaften tätigen, in der Hoffnung, dass diese dann im Gewässer erfolgreich ablaichen.

Wie ihr euch denken könnt, halte ich diesen Weg für wirtschaftlich, fischereilich und ökologisch unsinnig und bedenklich. Ohne pauschale Urteile zu fällen, drängt sich mir der Verdacht auf, dass derartige Massnahmen von Teichwirten forciert werden, die ja umso mehr verdienen, je größer die verkauften Besatzfische sind. In Einzelfällen mag es auch vorkommen, dass die Teichwirte dadurch auch alte Laichfische aus ihrer Zucht für teures Geld verkaufen (die ja nur mehr Gonaden schlechter Qualität produzieren).

Folgende Argumente sprechen aus meiner Sicht dagegen und wurden großteils auch schon dokumentiert:
1) Eingewöhnung
Je grösser der besetzte Fisch, umso schwerer gewöhnt er sich im Gewässer ein. Das ist ja umgehend bekannt und akzeptiert.
2) Erfolg
Ich bezweifle, dass die Mutterfische synchron mit dem Wildfischbestand laichreif werden bzw. überhaupt laichreif werden, nachdem das Umsetzen mit enormem physiologischen Stress verbunden ist (Umgewöhnung an Strömung, Naturnahrung, Temperaturschwankungen, ...)
3) Konkurrenz
Die Mutterfische sind i.d. Regel größer als die Wildfische und können - sofern sie sich am Laichgeschäft überhaupt beteiligen - diese von günstigen Laichplätzen verdrängen.
4) Genetik / Erbanlagen
Bei diesen Mutterfischen handelt es sich um Individuen, welche in der Fischzucht in besonders kurzer Zeit besonders groß geworden sind. Es ist davon auszugehen, dass derartige Individuen (durch Zuchtauswahl über viele Generationen) Erbanlagen tragen, welche zum Überleben im Fließgewässer besonders schlecht geeignet sind (sie sind besonders "verfressen", haben einen hohen Energieumsatz, sind besonders unvorsichtig, gewöhnt an konstante Wassertemperaturen, schlechte Schwimmer, ...)
5) Geeignetes Material
Genetisch, gesundheitlich und reproduktionsbiologisch unzweifelhaft geeignetes Material wird auf dem Markt kaum erhältlich sein.
6) Wirtschaftlichkeit
Der Mutterfischbesatz ist teuer und der Laicherfolg fraglich; Das Überleben der Mutterfische (bzw. Verbleiben im Revier) vom Spätsommer/Frühherbst bis zum Ende der Schonzeit (Frühjahrshochwässer!!) recht unwahrscheinlich - d.h. eine direkte Attraktivierung der Fischerei wird nur eingeschränkt erreicht werden können.
7) Ursachen statt Symptome
Wenn zu Beginn der Schonzeit der Adultfischbestand zu gering ist, so heisst das i.d. Regel, dass während der Saison zu viel entnommen wurde. Primär ist durch eine restriktivere Entnahme zu reagieren, z.B. Zwischenbrittelmass (Ursachen- statt Symptombekämfung).


Trotzdem würde mich interessieren, ob und welche Erfahrungen ihr damit gemacht habt.
- In wie vielen Gewässern wird ein derartiger Mutterfischbesatz betrieben?
- Habt ihr positive Erfahrungen gemacht und die Fische beim Ablaichen beobachten können.
- Wie ist eure Meinung zu den oben genannten Argumenten?
- Könnt ihr euch trotz dieser Argumente ein Szenario vorstellen, wo ein Besatz mit Mutterfischen sinnvoll ist?

Als sinnvollere Alternative würde sich das Cocooning (Vibertboxen) mit Eimaterial anbieten (sofern überhaupt ein Defizit an Jungfischen besteht und der limitierende Faktor nicht fehlende Einstände für Adultfische o.ä. darstellen; Voraussetzung ist das Vorliegen von geeigneten Laichplätzen zum Eingraben der Boxen und günstigen Jungfischhabitaten - aber das gilt natürlich ebenso beim Mutterfischbesatz).
Die Geschlechtsprodukte können durch Elekotroabfischung von Laichreifen Fischen aus dem jeweiligen Gewässer gewonnen werden. Diese Individuen haben durch das Abwachsen bis zur Geschlechtsreife auch bewiesen, dass sie für das jeweilige Gewässer geeignete Erbanlagen tragen).
Klar ist, dass dies mit einem höheren Arbeitsaufwand verbunden sein wird.


Ich freue mich auf Rückmeldungen,
clemens
Graylinglover

Beitrag von Graylinglover »

Hallo Clemens,

Du wirst von mir natürlich nur Unterstüzung bekommen ;)
Sollte sich dieser Unsinn zu einem von einigen (unseriösen) Teichwirten initiierten Trend entwickeln, so hilft wohl nur gezielte Aufklärung. Insofern ist Deine Anfrage wirklich interessant!
Fachlich möchte ich Zu Deinen völlig korrekten Ausführungen nur hinzufügen:
Gerade veröffentlichte Untersuchungen aus dem River Avon (Kreidefluß in UK) zeigen, daß die besetzten BF (keine speziellen "Mutterfische") ausschließlich im Hauptfluß selbst laichen und die Wildfische in den Nebengewässern.
Fazit:
1) Vermischung findet (glücklicherweise) nicht statt.
2) Zuchtfische laichen zu einem anderen Zeitpunkt und sind somit evolutiv nicht an das natürliche Temperaturregime im Fließgewässer angepasst (erfolgreiche Vermehrung somit fast ausgeschlossen)
3) Vermehrungserfolg im Haupstrom scheint nicht erfolgreich zu sein => Ablaichen der Wildfische in den Nebengewässern

Also bitte KEINE domestizierten Zuchtprodukte ins Gewässer!!! Das hilft den Gewässern UND den Geldbeuteln.

Soviel von mir

Beste Grüße :winkie:

Robert
Unz

Beitrag von Unz »

So, nachdem der ganze Text plötzlich weg war, auf ein Neues. Bin generell ganz klar auf eurer Seite, möchte aber anmerken, dass ich dem 2. Punkt von Robert nicht uneingeschränkt zustimmen kann. Skaala (1996), Largadier+Scholl (1995+1996), Hansen mit den ganzen Untersuchungen über die Karup Au (2000-2002???), … weisen alle aktive Teilnahme von Zuchtfischen am Laichgeschäft und Vermischung mit den vorkommenden Populationen nach. (nehmen den unzählichen papern uber vermischte Popualtionen, die sehr wahrscheinlich auf Besatzmaßnahmen zurüchzuführen sind) Also auf die leichte Schulte sollte man es nicht nehmen mit dem Besatz von „Mutterfischen“.
Bin auch eher für die Methoden, die Clemens bereits vorgeschlagen hat. Cocooning bietet eine sehr gute Möglichkeit ökologische Vorteile (homing) der WV-Boxen mit einer Erfolgskontroll- und Schutzfunktion der Brut in der Interstitialphase zu kombinieren. Für zeitlich klar definierte und über vorausgehende Untersuchungen geplante und kontinuierliche Erfolgskontrollen legitimierte Besatzmaßnahmen sicherlich sehr gut geeignet.
Zu den „Mutterfischen“. Diese sehe ich mehr als „Produktionseinheiten“ und deshlab unverantwortlich, zuerst Zeit und Geld in deren Aufzucht und Haltung zu investieren und bei „Produktionsbeginn“ durch den Besatz jede Manipulations- und Kontrollmöglichkeit zu verlieren. Meiner Meinung nach nicht gerade sehr clever. Die „Produkte“ sollten aber so früh wie möglich (bei entsprechenden Voraussetzungen als „angeäugte“ Eier) in die Gewässer eingebracht werden um einerseits die Fische so gut als möglich an`s jeweilige Gewässer anzupassen und zu prägen, andererseits aber auch, um jenen Prozentsatz von nicht in freier Natur überlebensfähigen Individuen so bald als möglich auszusieben, damit die Konkurrenz und damit verbundener Stress für den Rest möglichst niedrig bleibt.
Dass bei Besatzprojekten keine Hochleistungs-Mast-Zuchtfische, sondern Laichtiere und Laichtieranwärter aus möglichst lokal angepassten, wenn möglich aus demselben Gewässer oder dem unmittelbaren Einzugsgebiet stammende, und sich in der Praxis (in natürlichen Gewässern populationsbildende Stämme) bewährten Populationen herangezogen werden sollten, sei hier nur am Rande erwähnt und vorausgesetzt.
Noch ein Wort zu den Laichfischfängen. Musste in letzter Zeit leider immer wieder beobachten, dass „arbeits- und erfolgswütige“ Vereine, so ehrenhaft die Absichten auch waren, nach denen sie gehandelt haben, beim Laichfischfang „hordenweise“ über die Kiesbetten und –bänke stürmten, da sich dort (warum wohl???) zur Laichzeit die meisten Fische aufhalten. Dabei wird allerdings im Eifer des Gefechtes übersehen, dass bereits bestehende Gelege häufig zertrampelt werden. Über Effizienz solcher Aktionen lässt sich jetzt streiten, obwohl ich auf alle Fälle dafür bin, Fischereivereine stärker in die Hege und Pflege (wie an anderer Stelle diskutiert) der Gewässer (und nicht nur der Fische) eingebunden und in die Pflicht genommen werden. Aber dass ist eine andere Geschichte.

Wünsch euch allen eine guten Start in die Woche

unz
Graylinglover

Beitrag von Graylinglover »

@ unz,

natürlich hast Du recht, dass immer die Möglichkeit der Vermischung besteht! Ich hatte es ja auch nur als Beispiel dafür angeführt, dass solch ein "Laichtierbesatz" auch ökonomischer Unfug ist. Sozusagen als zusätzlichen Anreiz es nicht zu tun ;)

Beste Grüße

Robert
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Rattensack
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Beitrag von Rattensack »

Ich würde meinen, dass die Vermischung eine Frage der Zeit und Intensität ist - wenn ich jahrzehntelang und intensiv mit einem Zuchtstamm besetze, ist eine Vermischung unvermeidbar und wird - nachdem der Wildfischbestand genetisch durch den domestizierten Bestand "infiltriert" ist - mit der Zeit immer wahrscheinlicher, da sich Laichzeit, Laichplatz etc. immer mehr überschneiden werden. Der natürliche Reproduktionserfolg der Population wird dadurch logischer weise geschwächt.

Auf gut deutsch:
Je mehr man "reinpfuscht", umso mehr muss mann auch in Zukunft "reinpfuschen".

Clem
Hâgar Otter

Beitrag von Hâgar Otter »

Im wirtschaftlich Interesse aller "Forellenzüchter" hoffe ich dieser Unfug setzt sich durch! Überzählige und ausgemusterte Laichfische, die nicht als Lachsforellen fürs Weihnachtsgeschäft geeignet sind müssen doch auch künftig einträglich entsorgt werden können - alle Jahre wieder !
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