Wanderbewegungen als Witterungsfolge

Hier geht es um wichtige Belange wie Naturschutz, sinnvolle Gewässer-Bewirtschaftung, schonender Umgang mit Umwelt und Kreatur, Ärgernisse (Schlagthemen) wie Klein-Wasserkraft & Kormoran und Rechtliches.

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Frank.
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Beitrag von Frank. »

Danke, Hans, Markus, Siegfried - nun sind wir alle im gleichen Boot! Bezüglich der Einschätzung, worum es mir ging (und geht) habt Ihr vollkommen Recht; allerdings käme ich auch im Traum nicht dazu, die akute Kormoran-Situtaion zu unterschätzen.

Es wäre schön, mehr zu lesen!

Euer Frank
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Franz Kafka
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Beitrag von Maggov »

Hi Frank,

dann will ich ein Bespiel anführen.

Ich kenne einen Bach der vor der Abgabe durch den Verein elektrisch abgefischt wurde - der Verein wollte keinen Fisch "zurücklassen". Der neue Pächter wiederum hat aus Prinzip nicht besetzt.

Ich selbst kenne den Bach nun seit 2 - oder sind es schon 3 - Jahren und folgendes war zu beobachten:

Obwohl nicht besetzt wurden finden sich heute (ich meine es ist das 4-te besatzfreie Jahr) ein gesunder und aus für einen Urgesteinsbach wunderbarer Bestand aus Bachforellen, Aiteln und Äschen.

Die Fische sind vorrangig im oberen Teil angetroffen wurden und scheinen sich nach unten hin aus zu breiten.

Die Annahme des Pächters ist nun nicht mal zwingend eine Zuwanderung (auch wenn dies sicherlich ebenfalls eine Rolle spielen wird) sondern v.a. die Tatsache dass im oberen Teil mehr kleinere Seitenbäche einfliessen. Diese sind wahrscheinlich die Jugendstätte dieser Fische - auch wenn diese kleinen Gerinnsel nicht danach aussehen.

Somit ein weiterer Faktor in Deiner Gleichung - bzw. die sich daraus ableitende Frage:

Wie sieht es an Deinem Wasser mit Seitenbächen aus? Kann es sein dass diese als Rückzugszone dienen konnten als der Predatorendruck voll da war?

Weiters frage ich mich ob Du Dich mal mit dem Bewirtschafter oberhalb über dieses Phänomen unterhalten hast.

LG

Markus
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Beitrag von Frank. »

Maggov hat geschrieben:Kann es sein dass diese als Rückzugszone dienen konnten als der Predatorendruck voll da war?
Das kann ich keinesfalls ausschließen; es gibt da ein paar sehr kleine Zuflüsse, in welche die Fische sich durchaus hätten flüchten können. Nun leiden die auch unter Niedrigwasser, so dass es eine Rückbewegung gebeben haben könnte. Freilich denke ich fast, dass der Predatorendruck durch die Kormorane zu plötzlich kommt, um eine solche Reaktion zu ermöglichen, aber das basiert keineswegs auf "Wissen", sondern ist lediglich eine Annahme. Vielleicht weiß Siegfried da mehr? Oder du?
Maggov hat geschrieben:Weiters frage ich mich ob Du Dich mal mit dem Bewirtschafter oberhalb über dieses Phänomen unterhalten hast.
Anfrage per Mail ist schon unterwegs. Leider ist das ein extrem verschnarchter Bewirtschafter, der sich so gut wie gar nicht kümmert (auch ein paar recht hübsche kleine Seen lässt er seit Jahrzehnten verkommen, so dass sie mehr Brassen-Biomasse als Wasser haben). Leider besteht keinerlei Interesse, die Gewässer abzugeben ...

Dein Frank
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Beitrag von greypanther »

@Markus et Frank

ja, da offenbart sich wieder mal ein Prinzip der Natur: es wird immer ein Ass im Ärmel behalten, um das mal so auszudrücken.
Wenn die Fische aus einem bestimmtem Abschnitt durch Predatoren dezimiert werden, dann bedeutet das, dass die "Kirmes" für Überlebende, Jungfische und Zuwanderer erst richtig los geht. Nahrung im Überfluss und kein Eigentümer der besten Standplätze weit und breit. Da wachsen selbst die Winzlinge, welche vorher von den Revierinhabern kurz gehalten wurden, mit ungeheurem Tempo.
(Man verzeihe mir diesen Ausflug in die Botanik: das ist nicht nur im Tierreich so. Wer mit offenen Augen durch unsere Wälder geht, der sieht wie viele kleine Bäume und Büsche im Unterholz eines Hochwaldes im Schatten der großen Bäume dahin vegetieren. Aber, beim Nächsten Sturm kommt ihre Chance. Einige der Baumriesen fallen und plötzlich gibt es Lebensraum für die "Underdogs", die ihn dann auch effektiv nutzen und schnell in die Höhe wachsen).

Also nochmal, im Hinblick auf die Erhaltung des endemischen Fischbestandes, sofern alle anderen Faktoren wie intakte Laichgebiete, Durchgängigkeit des Gewässers etc. gegeben sind, sehe ich da nicht so ein großes Problem. Allerdings kann aus Sicht der Fischer, die ja einen "Ertrag" (in welcher Form auch immer) aus ihrem Gewässer ziehen wollen, die Erholung einer dezimierten Fischart "auf natütliche Weise" etwas lange dauern und zu viel Geduld erfordern .
Gruß
Klaus


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Beitrag von Frank. »

Danke, lieber Klaus!

Nun habe ich auch erfahren, wann und was im Oberlauf besetzt wurde: Fangfähige Regenbogenforellen, kurz vor Ende der Schonzeit - typisch. Die dürften nach sehr kurzer Zeit sämtlich in Plastiktüten verschwunden gewesen sein (die Strecke ist frei für alle Köder).

Ich vermute also wirklich, dass unsere Bachforellen Zuwanderer aus Oberlauf und Seitenbächen sind. Wie produktiv winzige Wiesenbäche sein können, ist ja oft erstaunlich.

Euer Frank
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Beitrag von Maggov »

Hi Klaus,

damit bringst etwas sehr entscheidendes auf den Punkt:

Die grösste Gefahr für endemische Fischstämme sind die Fischer die meinen sie fangen zu wenig! Jeder Besatz mit Fremdmaterial (auch wenn es aus der Region kommen mag) bremst die Erholung der Stämme aus.

Die logische Konsequenz wäre eine Selbstbeschränkung bei Befischungsdruck und Entnahme und genau da scheitern die Gewässer in Vereinshand oft am Druck der Mitglieder auf die (stimmenmaximierende) Vorstandschaft.

@Frank:
Solche Pächter kannst Du Dir eigentlich nur als Nachbarn wünschen ;)

LG

Markus
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Beitrag von greypanther »

Maggov hat geschrieben:Die logische Konsequenz wäre eine Selbstbeschränkung bei Befischungsdruck und Entnahme und genau da scheitern die Gewässer in Vereinshand oft am Druck der Mitglieder auf die (stimmenmaximierende) Vorstandschaft.
Ja Markus, dem Himmel sei es geklagt, getrommelt und gepfiffen! Nach Jahrzehnte langem Kampf gegen zäheste Widerstände in Vereinen und bei Privatpächtern habe ich aufgegeben, eine nachhaltige Besatzpolitik durchsetzen zu wollen.
Wir leben halt nun mal in einer "Put-and-Take-Welt". Alles muss reichlich, sofort und immer verfügbar sein. Erfolg unter den Fischern wird nur noch in Zahl und Größe der gefangenen Fische gemessen. Wehe dem, der Selbstbeschränkung predigt!
Gruß
Klaus


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Beitrag von Frank. »

[quote="greypanther"]
Wir leben halt nun mal in einer "Put-and-Take-Welt". /quote]

Besagte Gewässerstrecke, liebe Freunde, war übrigens jahrelang nur für das Fischen mit Kunstköder frei; nach Sonnenuntergang durfte auch mit Naturködern gefischt werden.

Die Entnahmequoten von Salmoniden gingen in diesen Jahren rapide zurück. Auf massiven Druck der Mitglieder in der vorvorjährigen Jahreshauptversammlung wurde die Kunstköderbeschränkung aufgegeben.

Die Unzugänglichkeit weiter Teile des Gewässers ist immerhin ein kleiner Segen. Aber in den besser zugänglichen Stücken liegen die Würmer wieder auf Grund und rollen durch die Kiesbetten; die in den Vorjahren zeitweise gut vertretenen Äschen werden mit Mais gefangen, die Maden kosten etliche Jungfische das Leben.

Meine mündlichen und schriftlichen Kommentare zu diesem Beschluss sind nicht zitierfähig; da lasse ich besser die Selbstzensur regieren.

Euer Frank
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Beitrag von Rattensack »

Hallo Frank,

interessante Beobachtung; mich interessiert die Wiederbesiedelung durch die Cypriniden; wie weit stromab ist das Gewässer durchgängig?

C.

P.S. Kannst du ausschließen dass die Fische eh noch da waren aber bei kühlem bzw. höherem Wasser im Frühjahr nicht wahrnehmbar?
Gab es im Frühsommer starke Hochwässer die die Fische "gebracht" haben könnten?
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Beitrag von Maggov »

greypanther hat geschrieben:
Maggov hat geschrieben:Die logische Konsequenz wäre eine Selbstbeschränkung bei Befischungsdruck und Entnahme und genau da scheitern die Gewässer in Vereinshand oft am Druck der Mitglieder auf die (stimmenmaximierende) Vorstandschaft.
Ja Markus, dem Himmel sei es geklagt, getrommelt und gepfiffen! Nach Jahrzehnte langem Kampf gegen zäheste Widerstände in Vereinen und bei Privatpächtern habe ich aufgegeben, eine nachhaltige Besatzpolitik durchsetzen zu wollen.
Wir leben halt nun mal in einer "Put-and-Take-Welt". Alles muss reichlich, sofort und immer verfügbar sein. Erfolg unter den Fischern wird nur noch in Zahl und Größe der gefangenen Fische gemessen. Wehe dem, der Selbstbeschränkung predigt!
Hi Klaus,

auch wenn wir uns gerade stark vom Thema wegbewegen so möchte ich kurz antworten:

Ich bin kurz davor wie Du zu resignieren - die derzeitigen Optionen für den an Nachhaltigkeit interessierten Fischer sind die flächendeckende Bewirtschaftung über die Verbände oder die vollkommene Privatisierung von Gewässern mit entsprechenden Pächtern. Da bei uns in Bayer eine flächendeckende Bewirtschaftung aufgrund der vorherschenden Eigentumsverhälntniss ausscheidet konzentrieren sich einige wenige auf die zweite Alternative. Ich hoffe die Tendenz ist steigend!

Jetzt aber wieder zurück zum Wanderthread ;)

@Clemens:
ich frage mich immer noch ob ein Hochwasser wirklich so sehr für einen Abtransport von endemischen Fischen verursacht. Bei Besatzfischen keine Frage. Wenn dies der Fall wäre müssten doch eine Abschnitte bei uns die Wanderbarrieren stromaufwärts haben und gleichzeitig jedes Jahr ein Hochwasser haben fischleer bleiben...

Nehmen wir als Beispiel die Isar - die schiebt gerade wieder ordentlich Wasser nach unten, in München direkt gibt es ein Wehr an dem ich noch keine Fischtreppe gesehen habe (vielleicht habe ich diese bisher übersehen). Wenn Deine Theorie stimmt müssten sich seit Jahren oberhalb davon keine Fische mehr befinden.

LG

Markus
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Rattensack
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Beitrag von Rattensack »

Hallo Markus,

ich bin voll bei dir - die Auswirkungen von Hochwässern in Bezug auf Abschwemmen von Fischen werden meist überschätzt. Klarerweise besonders von natürlich aufgekommenen Fischen (die müssen deshalb aber net gleich endemisch sein ;-)

Aber wenn ein extremes Hochwasser Geschiebe mobilisiert sodass die gesamte Sohle von Bächen umgelagert wird, dann kanns doch sein, dass sich abgedriftete Fische wo sammeln, wo sich das Gefälle des Gewässers wieder mäßigt.


C.
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Beitrag von Frank. »

Rattensack hat geschrieben:wie weit stromab ist das Gewässer durchgängig?
Ziemlich weit - dicke über 100 Kilometer Luftlinie, lieber Clemens!
Rattensack hat geschrieben:Kannst du ausschließen dass die Fische eh noch da waren aber bei kühlem bzw. höherem Wasser im Frühjahr nicht wahrnehmbar?
Ich denke, schon. Wir hatten ein paar vom Wetter her durchaus vielversprechende Zeiten mit starken Schlüpfen; man hätte die Fische eigentlich wahrnehmen müssen. Der Juni hätte sie spätestens ans Licht gebracht.
Rattensack hat geschrieben:Gab es im Frühsommer starke Hochwässer die die Fische "gebracht" haben könnten?
Eher nicht. Aber das Gewässer liegt nicht eben vor meiner Haustür; was im Harz passiert, entgeht mir manchmal durchaus. Ein richtig starkes Hochwassr hätte aber gewiss sichtbare Spuren hinterlassen.

Danke - Euer FRank
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Beitrag von Rattensack »

Hallo Frank,

danke;

Bei der langen Strecke im Unterwasser kann man sich gut vorstellen dass Cypriniden aus dem Unterwasser massiv raufwandern.
Ein Phänomen, das man im Frühjahr ja in vielen Gewässern beobachten kann - zum Überwintern gehen Cypriniden gern stromab und kommen im Frühjahr wieder.

Ich könnte mir aber auch gut vorstellen, dass bei der Hitzeperiode im Juli Salmoniden aus dem Unterwasser vor dem warmen Wasser nach oben in euer Revier "geflüchtet" sind. Den Aspekt hatten wir glaub ich noch nicht.
Würde also nicht unbedingt mit den "freien Logenplätzen" zusammenhängen, kann aber.

C.
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Beitrag von Frank. »

Rattensack hat geschrieben:Ich könnte mir aber auch gut vorstellen, dass bei der Hitzeperiode im Juli Salmoniden aus dem Unterwasser vor dem warmen Wasser nach oben in euer Revier "geflüchtet" sind.
Nicht auszuschließen, lieber Clemens: Die Strecken unterhalb hatten zwar auch sehr heftig unter dem Kormoran-Einfall zu leiden; sind aber möglicherweise auch frühzeitig besetzt worden. Ich weiß es schlicht nicht.
Die Wanderstrecken können ja auch durchaus mal etwas länger sein ...

Bei den Cypriniden kann ich mir auch recht gut vorstellen, dass sie flussauf gezogen sind; weiter aufwärts hat der Fluss nun wirklich alles andere als einen typischen Döbel(Aitel :wink: )-Charakter.
Ich bin jedenfalls sehr gespannt, wie sich das weiter entwickelt.

Euer Frank
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Beitrag von Siegfried. »

Hallo Frank und die anderen,
genau das hatte ich geahnt, die Fragestellung ist so schön komplex, dass wir lieber einen workshop daraus machen sollten, weil es immer so lange dauert bis man die zugehörigen Verwicklungen und Ausnahmen dazu geschrieben hat. Aber seis drum, auch ich wollte wirklich zurück zur Kompensationsfrage bei Populationseinbrüchen acuh durch Wanderung - darum geht es ja an der Basis von Franks Thema.

Vorab gleich gesagt, alle Beiträge haben vollkommen recht, nur wie wir gleich sehen werden, kommen wir aber an der leidigen Kormoranfrage trotzdem nicht vorbei, zumal darin ja der Grund des in Rede stehenden Populationseinbruchs liegt.

Zunächst müssen wir aber noch mal in die Grundlagen der Ökologie. Wie Clemens in einem seiner Berichte im Vergleich zwischen der Mur und dem sibirischen ??? so schön gezeigt hat (und die ich u.a. wegen solcher Hintergrundinformationen so sehr schätze), sind Fließgewässer physikalisch bestimmte Systeme. D.h. im Gegensatz z.B. zum tropischen Regenwald, der v.a. biologisch (also dem Zusammenwirken der Organismen selbst) gesteuert wird, von (oft unvorhersagbaren) äußeren Einflüssen gelenkt. Da aber die Evolution der Biozönosen so absolut von außen dominiert wird, ist die innere Struktur nur sehr begrenzt von internen Vorgängen wie Konkurrenz, Prädation, Symbiose usw. bestimmt. Dagegen besitzen sie ein entsprechend sehr hohes Regenerationspotenzial auch gegenüber Katastrophenereignissen. Die Folge des für alle gleichen Selektions- und des fehlenden gegenseitigen Evolutionsdrucks ist, dass die meisten ökologischen Nischen von nur einer oder wenigen Arten mit breitem Anpassungsspektrum besetzt sind. Konkurrenz ist einfach nicht vorgesehen und wenn die doch auftritt, geht das meist kräftig in die Hose. Schön sichtbar am Rhein, wo die eingewanderte Fauna mittlerweile 90 % der Biomasse ausmacht, oder an den endemischen Forellen Nordamerikas, die nur noch unter 5 % ihres ehemaligen Lebensraumes besiedeln.

Fast alle in den posts bisher angeführten Beispiele beziehen sich deshalb natürlich auch auf physikalische Katastrophen, Hochwasser, Trockenheit, Hitze, Eisgang usw. auf die unsere Biozönosen adaptiert sind und bei deren Kompensation die Zuwanderung (meist von der Seite und von oben) und die Rückwanderung (meist von unten) für die Fische ein wichtiger, aber nicht der einzige Kompensationsweg sind. Hinzu kommt die Möglichkeit die jungen Altersstadien woanders zu lassen (die zitierten Laichbäche, aber auch Hochflutrinnen, Altwasser usw.), die Laichreife vorzuverlegen, um schneller wieder Nachwuchs zu haben, mehr Körpermasse in Gonaden umzusetzen und nicht zuletzt eine Menge Platz zu haben für den Nachwuchs, ja und wenn alle Stricke reißen, kann man sich auch noch von hilfreichen Trotteln besetzen lassen :wink: . Die Wirbellosen haben übrigens noch paar mehr Flucht- und Rückwege entwickelt.

Alle diese Weg funktionieren dann auch zusammen, nach dem Motto kommt Zeit kommt Rat und in ein paar Jahren ist alles wieder gut..... allerdings nur wenn die Wege auch alle oder zumindest überwiegend ungestört offen stehen und nicht weitere negative Einflüsse wirksam werden, ...sonst kommt nur Verrat und nichts wird gut. Also insofern mit allen dacors: Naturnahe Gewässer heilen sich selbst am Besten und daran müssen wir arbeiten., aber auch dort finden sich Grenzen, wenn die Reaktionsmöglichkeiten überdehnt werden.

So nun aber ans Konkrete und damit das Beispiel von Frank ins Sauerland verlegt und ein paar Jahre weiter beobachtet.

Unser ganz reales Gewässer wird seit 1986 nicht mehr besetzt (davor nur Brut von BF), hat trotzdem oder deswegen? einen Bestand von 1700 bis 2400 Bachforellen und Äschen (ca. 15 - 20 %)/ha, die sich vollkommen selbst erhalten, per Ami-definition also „wild fish“. Das Gewässer ist so naturnah wie das geht, mit einer Talsperre im Oberlauf und Wiesennutzung in der Aue, ist Naturschutz- und FFH-Gebiet, Schwerpunktgewässer für die Fischökologie in NRW und was haste noch alles. Wesentliches Manko ist ein unüberwindliches Wehr mit Ausleitungsstrecke und WKA ziemlich genau in Streckenmitte von 6 km.

Bis dahin alles schön: Die Forellen sind feist und gut gewachsen, absolut typisch gefärbt gelblich-braun-golden mit nur wenigen großen Punkten auf den Seiten und ohne auf dem Rücken mit Ausnahme von zwei bläulich/schwarzen Scheinaugen über den echten auf dem Kopf und nur einer Reihe roter Punkt auf der Seitenlinie, dazu oft noch 5-6 kleine rote Punkte auf der Basis der Rückenflosse. Wer sich die jemals genau angeschaut hat, kann sie nicht mehr verwechseln und erkennt sie jederzeit wieder zwischen anderen heraus. Im Gegensatz zu den weniger spektakulär gefärbten Äschen stellen sie allerdings ab ca. 35 cm das Wachstum weitgehend ein und Exemplare über 40 cm gelten als kapital, während die Äschen, ungewöhnlich für das Sauerland, immer wieder mal die 50 cm Marke sprengen.

Dann aber bricht ein neues Jahrtausend und mit ihm der Schwarze Tod auf uns herab. Nun im Telegrammstil die weitere Entwicklung:
2000/2001 Kahlfraß unter den Äschen, aus der Talsperre zugewanderte Hechte (vereinzelt) und Aale (sehr häufig) verschwinden gleich mit.
2001/2002 von irgendwoher! auftauchende einzelne Äschen werden beim Laichen gesehen
2002/2003 der Fang einiger kleiner und mittlerer Äschen läßt Hoffnung aufkeimen, alles könnte wieder gut werden. Dass immer mehr BF mit Schnabelverletzungen auftauchen wird nur unwillig zur Kenntnis genommen, ebenso wie das ständige Auftauchen einzelner (bis zu 4) K... im Sommer!
2003/2004 Erneuter Einfall im Winter, jetzt sind auch die Bachforellen dran. Trotzdem scheint nach einem völlig leeren Frühjahr alles wieder etwas besser, nur die Forellen sind noch kleiner als sonst und stehen in Wohnungen, die für sie einfach zu groß sind. Von Äschen ist nichts mehr zu sehen.
Herbst 2004 Die turnusmäßige E-Befischung bringt Erschreckendes zu Tage: Keine Fische in den tieferen Gewässerteilen (wenn der Ar... des 1,84 m großen E-Fischers sich der Wasseroberfläche nähert, geht nichts mehr), keine Äschen mehr oberhalb des Wehres, nur sehr große Einzelexemplare im Brücken-Parkplatzbereich unterhalb davon. Nur noch 4 Aale, dafür deutlich mehr Mühlkoppen als früher. Der Gesamtbestand beträgt noch zwischen 400 und 800 BF/ha.
2005/2006 Es ist noch eine größere Zahl von Bachforellen beim Laichen zu registrieren, allerdings in bisher nie gekannter „Größe“, Weibchen mit 20 – 22 cm und Männchen mit 16 – 18 cm sind eher die Regel als die Ausnahme, Fische über 30 cm sind nicht zu finden.
2006/2007 Die Zahl der Laichbetten nimmt nochmals ab, Männchen sind nun schon mit 15 cm beim Laichen häufig. Erstmals werden „falsch“ gefärbte und gepunktete Fische in größerer Zahl gefangen und auch beim Laichen gesehen
2007/2008 Ein Pendelschlag nach oben, durch das Erlensterben und Stürme kommt mehr Sonne ins Wasser und der Hahnenfuß sehr stark auf, worin sich offenbar mehr BF verstecken können und den Sommer überleben. Allerdings ist es nun definitiv, die Äsche ist oberhalb des Wehres ausgerottet. Zur Laichzeit tauchen unterhalb des Wehres einzelne Äschen auf, die offensichtlich von tiefer liegenden Strecken zugewandert sind, da sie sehr „mitgenommen“ wirken, nahezu alle weisen verheilte Schnabelwunden auf.
2008/2009 Der vorläufig letzte, vergleichsweise „geringe“ Wintereinfall, wir vermuten fast, es lohnt sich für die Todesvögel nicht mehr bei uns. Die „Fehlfarbigen“ (nicht rassistisch gemeint) unter den Forellen stellen mittlerweile ca. 50% der Fänge, dazu kommen diverse offensichtlich aus anderweitigem Besatz kommende Fische (Farbe, Flossenschäden, Ernährungszustand usw.) – eine Frage lautet z.B. “Du glaubst du, da hat einer Meerforellen besetzt? Ich hab mehrere gefangen, die sahen genau so aus wie an der Ostsee“. In der „besuchten“ Strecke unter dem Wehr werden noch insgesamt 6 Äschen zwischen 15 und 18 cm gefangen, sonst nirgendwo.
2009/2010 Eine Kurzbefischung mit E-Gerät im April 2010 ergibt in der unteren Strecke 35 Bachforellen < 25 cm, keine Äsche, keinen Aal aber eine große Anzahl von Mühlkoppen auf 300 m Fluß. Oberhalb des Wehres, in einer tieferen Strecke, 14 BF (davon 7 bis 30 cm in einer einzigen Totholzverklausung), 2 Aale und eine mittlere Zahl von MK auf 200 m. Hochrechnung auf ha erübrigt sich da.
Sommer 2010, Effekt wie von Frank beschrieben, nur regional auf Flachwasser, Krautbetten und Rauschen beschränkt, dort sind überall Fische vorhanden, vereinzelt sogar mit > 30 cm, allerdings sind die Fehlfarber (s.o.) nun mindestens 1:1 vertreten, der Eindruck suggeriert sogar eher mehr.

So das war´s erst mal, Rückschlüsse und Konsequenzen später noch mal, für heute bin ich fettich und müde.

Siegfried
Fische sind zu schöne Geschöpfe um nur einmal bewundert zu werden
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