Schnurklasse - Gespliesste?

Hier treffen sich die wahren Handwerker unserer Zunft. Gibt es eine schönere Fischerei, als mit einer Selbstgebauten - ob nun Gespließte, Kohlefaserrute oder Eigenbaurolle? Geizt nicht mit Euren Ratschlägen.

Moderatoren: Forstie, Maggov, Olaf Kurth, Michael.

Antworten
Benutzeravatar
sedge111
Beiträge: 590
Registriert: 29.09.2006, 08:13
Wohnort: im Weltkulturerbe
Hat sich bedankt: 9 Mal
Danksagung erhalten: 12 Mal

Schnurklasse - Gespliesste?

Beitrag von sedge111 »

Hallo Rutenbauer,

als Bambusunkundiger hätte ich da mal an die Rutenbauprofis eine Frage, die ich mir schon oft überlegt habe.

Wie seid Ihr Euch sicher, dass die Rute die Ihr gerade aufbaut auch dann die gewünschte Schnurklasse hat? Bambus ist ja ein natürliches Material und hat sicherliche individuelle Eigenschaften bezüglich der Steifheit.

Würde mich freuen wenn Ihr mich da aufklären könntet!!! :D

Grüße!

sedge111

PS: Ein wenig spekuliere ich schon damit mir auch einmal eine Gespliesste aufzubauen! ;)
Zuletzt geändert von sedge111 am 11.05.2004, 13:07, insgesamt 1-mal geändert.
zuma

Beitrag von zuma »

Hallo Sedge111
Du sprichst etwas ganz Wesentliches an. Bambus ist ein Naturprodukt und deshalb auch recht unterschiedlich. Folgende Faktoren tragen dazu bei, Abweichungen in einem gewissen Rahmen halten zu können:
1. In den Bambuslieferungen ist in der Regeln gleichaltriger Bambus enthalten
2. Bei der Erstellung von Prototypen sind nicht nur die Tapermasse zu dokumentieren, sondern auch welcher Bambus verwendet worden ist, wie lange dieser im Ofen getrocknet wurde, welche Knotenverteilung gewählt wurde usw. Gerade beim hobeln eines Bambusstreifens bemerkt man grosse Unterschiede in Bezug auf die Dichte des Materials!
3. Bambus ist ein wenig gutmütiger als Kohlefaser und verzeiht eher eine bis zwei Schnurklassen.
4. Es ist kaum möglich aus dem Naturprodukt Bambus genau dieselbe Rute zwei mal fertigen zu können. Ich habe in diesem Zusammenhang schon vielen Kunden empfohlen: "Wenn Dir die Rute dermassen gut liegt, dann nimm diese und lasse sie nicht nachbauen!"

Herzliche Grüsse
Kurt
Benutzeravatar
sedge111
Beiträge: 590
Registriert: 29.09.2006, 08:13
Wohnort: im Weltkulturerbe
Hat sich bedankt: 9 Mal
Danksagung erhalten: 12 Mal

Beitrag von sedge111 »

Hallo Zuma,

danke für Deine Antwort. Leider weiss ich immer noch nicht wie Du die Schnurklasse "bestimmst". :(

Angenommen, ich komme zu Dir und beauftrage Dich für mich eine Gespliesste Schnurklasse 3 und eine Schnurklasse 7 zu bauen. Wie bestimmt Du, dass am Ende eine Rute mit Schnurklasse 3 und eine mit 7 vor mir liegt?
Ich gehe davon aus, dass Du in beiden Fällen mit dem identischen Grundmaterial beginnst. Blöde Frage: Wird bei der Schnurklasse 3 mehr weggehobelt?

Danke im voraus!

sedge111
zuma

Beitrag von zuma »

Hallo Sedge111
Ist keine blöde Frage, denn es wird tatsächlich mehr weggehobelt.
Um eine Rute für eine bestimmte Schnurklasse und auch Aktion herstellen zu können, verlasse ich mich auf das Programm Rodcalc. Hier kann ich sämtliche Parameter angeben und die Rute dann nach Stresskurve und Energieverteilung beurteilen. Hier kommt m.E. der wesentlichste Punkt, um auf Kundenwünsche entsprechend eingehen zu können, indem eine Rute welche durch normales Schwingen der Schnur bereits zu 80 % ausgelastet ist, für einen Doppelzugwerfer keine Reserven mehr frei machen kann. Eine Rute welche für einen Doppelzugwerfer ausgelegt ist, baue ich etwas stärker, sodass sie nur zu 50 bis 60 % ausgelastet ist. In dem Programm werden die Tapermasse, die Schnurklasse, die Länge der Rute, das Gewicht der Hülse und die Teilung angegeben. Wenn ich nun sämtliche Parameter im Programm angegeben habe, sehe ich aus den Belastungs- und Energiekurven, wie sich diese Rute bei der angegebenen Schnurklasse verhält. Das Programm bietet auch ein Berechnungstool, um die Ringe an der richtigen Postition anwinden zu können. Ich mache aber immer noch Wurftests bevor ich die Ringe definitiv anwinde. Aufgrund der unterschiedlichen Eigenschaften, welche das Naturmaterial Bambus mit sich bringt, kann das erwähnte Programm aber auch nur Durchschnittswerte berechnen. Mit der Zeit lernt man aber seinen eigenen Bambus im Zusammenspiel mit den Berechnungen des Programms auch besser kennen. Auf dem Internet gibt es viele Taper bekannter Ruten zum herunterladen und meistens werden solche Taper "überarbeitet und angepasst", um "eigene" Taper zu entwickeln. Da ich doch schon einige Gesplisste gebaut und dokumentiert habe, besitze ich auch selber eine kleine Datenbank, auf welche ich zurück greifen kann.
In Bezug auf die Aktion, verwende ich auch gerne Rohmaterial aus unterschiedlichen Bambusquellen. Für langsamere Ruten nehme ich häufig jüngeren Bambus (6 bis 10 Jahre gelagert), oder trockne diesen nur kurz im Ofen. Um es auf den Punkt zu bringen: Schnelle Gerte (Rückstellvermögen) = länger trocknen/älterer Bambus, mit der Gefahr dass dieser eher brüchiger wird, oder langsamere Gerte = hoch elastisch und weniger Bruchanfällig.
Gruss
Kurt
Benutzeravatar
sedge111
Beiträge: 590
Registriert: 29.09.2006, 08:13
Wohnort: im Weltkulturerbe
Hat sich bedankt: 9 Mal
Danksagung erhalten: 12 Mal

Beitrag von sedge111 »

Hallo Kurt,

herzlichen Dank für die Antwort!!!:daumen:

Mir wird schön langsam klar, dass man eigentlich Kohlefaserruten mit Gespliessten nicht vergleichen kann.

In einer Gespliessten steckt scheinbar viel mehr persönlicher Ausdruck des Erbauers als er je in einer Kohlefaserrute stecken könnte.

Kann mir jetzt gut vorstellen, dass das Fischen mit solchen Unikaten eine sehr große Fazination ausübt!!!

Gruß!


sedge111
Antworten