Wie hältst Du es mit dem Vorhobeln?...

Hier treffen sich die wahren Handwerker unserer Zunft. Gibt es eine schönere Fischerei, als mit einer Selbstgebauten - ob nun Gespließte, Kohlefaserrute oder Eigenbaurolle? Geizt nicht mit Euren Ratschlägen.

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tea stick
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Wie hältst Du es mit dem Vorhobeln?...

Beitrag von tea stick »

...das ist die Gretchenfrage unter den Rutenmachern.
Im französischen Rutenmacher-Forum ( http://www.forum-gillum.com ) stellte ein Einsteiger die Frage, was es mit dem 57°-Winkel der asymmetrischen Vorhobelform auf sich habe. Die Antworten reichen von
1. 60° (George Maurer) über
2. 57° (Garrison/Carmichael),
3. 52,5° (W. Cattanach) bis hin zu
4. gleich in die 60°-Nut resp.
5. gleich in die Endhobelform!

Cattanach ist, glaube ich, der einzige, der das recht liebevoll erklärt:
Der handelsübliche Tonkinrohr-Durchmesser betrage 2,5 Inches, das sind 63,5 mm. Damit kann ich auch gleich den Umfang des Rohres errechnen (2 x Pi x r): 199,5 mm.
Beabsichtige ich nun aus diesem Rohr 24 Spleiße für Spitzen- bzw. Mittelteile zu gewinnen, dann verfügt der Spleiß durchschnittlich über eine Breite von 8,3 mm. das sollte reichen.
Der sauber herausgespleißte Rohspleiß hat im Querschnitt eine trapezoidale Form. Die zu behobelnden Seitenflächen des Spleißes stehen in einem Winkel von genau 15° zueinander. Vernachlässigen wir zunächst mal die Wölbung auf der Emailseite und ziehen eine Segmentlinie durch die Eckpunkte des Spleißes, dann stehen die Seitenflächen zu der ursprungsidentischen Senkrechten auf der Emailseite in einem Winkel von jeweils 7.5° zueinander. Das hat Folgen:
Zu 1.: Dieser Spleiß liegt in der 90°-Nut nicht fest, sondern kann unkontrolliert um seine Längsachse rotieren - er "kippelt". Folge: Die Spleißwinkel können nicht sauber gehobelt werden, der erste Winkel beträgt mehr als 60°. Das zieht sich auch durch den Endhobelvorgang durch, sofern ich nicht durch gezeilte Neigung der Hobelsohle in Bezug auf die Formoberfläche den zutreffenden Winkel "herausarbeite". Und wenn der erste Winkel nicht stimmig ist, dann ist es auch der zweite nicht und es kann durchaus sein, dass ich diesen Fehler vor Erreichen des Endmaßes nicht mehr herausbekomme...
Zu 2.: Hier liegt der Spleiß schon etwas fester in der assymetrischen Vorhobelnut; grundsätzlich sind die Probleme etwas geringer, aber gleichwohl vorhanden.
Zu 3. Mit dieser Maßgabe arbeite ich seit Beginn meiner Rutenmacherei ohne Beanstandung. Sollten die Spleißrisse im Winkel etwas ausgelaufen sein, kann ich immer noch durch "freihändiges" Hobeln den Spleiß so anpassen, dass er satt in der Form liegt.
Zu 4. und 5. brauche ich keine Aussagen zu machen, weil das dem Kunstschnitzen schon sehr nahe kommt.

Nun kommt aber noch hinzu, dass der Spleiß mit seiner "unteren" Ecke nicht bis tief in die Nut hineinreichen darf, weil dem der runde Rücken der Emailseite im Weg steht. Dieser Rücken legt sich der 30°-Flanke in seiner halben Höhe an. Tut er das an diesem Punkt nicht, dann gibts zwangsläufig schiefe Winkel. Spätestens beim Zusammenkleben des Blanks merkt man das dann. Und ich finde, es gibt weniger aufwändige Methoden, um zu Brennholz zu kommen...

Meine Frage ist jetzt die: Wie haltet Ihr das mit dem Vorhobeln? Haben wir etwa unter uns auch "Kunstschnitzer"? Oder - andersrum betrachtet - bin ich zu penibel? Hat einer von Euch die Begründung für Garrisons 57° parat?

Eure Meinung und ihre Begründung zu diesem Thema würden mich sehr interessieren.

Schönen Restsonntag

wünscht der Freimut

***Edit: Ich habe bei George Maurer die Winkelangabe ändern müssen: Seine Empfehlung lautet 30° + 60°.
Zuletzt geändert von tea stick am 23.02.2015, 22:03, insgesamt 2-mal geändert.
TL!
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piscator
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Re: Wie hältst Du es mit dem Vorhobeln?...

Beitrag von piscator »

Moin Freimut, ich hab so eine Stahlform mit 6 * 60° Nuten angefangen bei 6.5mm in 0.5mm Abstufung.
Den ersten Winkel mach ich dann in der weitesten Nut und dann immer kleiner werdend. Am Ende ist da immer ein schöner Winkel. So genau muss das ohnehin nur sein, wenn man bis sehr dicht an das Endmaß herangeht.
Jürgen
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Peter S.

Re: Wie hältst Du es mit dem Vorhobeln?...

Beitrag von Peter S. »

.
Zuletzt geändert von Peter S. am 29.12.2018, 19:23, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wie hältst Du es mit dem Vorhobeln?...

Beitrag von Thomas090883 »

tea stick hat geschrieben: Zu 4. und 5. brauche ich keine Aussagen zu machen, weil das dem Kunstschnitzen schon sehr nahe kommt.
Moin Freimut,

womit begründest Du denn diese Aussage?
Ich habe auch eine 4*60° Vorhobelform aus Buchenholz in 4,5,6,8 mm und arbeite mich so von dick nach dünn.
Bisher habe ich keinerlei Probleme damit.

Bei den "Mills" oder "Bevellern" wird soweit ich gelesen habe ja auch direkt ein 60° Spleiß aus einem anständig gerichteten Spleiß gefräßt.
Ich denke das Richten ist das, wo es am meißten drauf ankommt, wo infolge dessen auch Verdrehungen oder Winkelverschiebungen entstehen.

Gruß Thomas
...Ein Tag am Meer...
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Re: Wie hältst Du es mit dem Vorhobeln?...

Beitrag von tea stick »

Danke für Eure "intimen" Verlautbarungen, liebe Mitstreiter!

Ich kann also Jürgen und Thomas zu den "Kunstschnitzern" zählen! Nein, das ist nicht despektierlich gemeint: Ich bin überzeugt, dass Eure Spleiße mit vollkommen gleichseitigem Dreiecksquerschnitt verklebt werden. Aber Ihr müßt beim Vorhobeln durch entsprechende seitliche Neigung der Hobelsohle den 60°-Winkel erzeugen, ohne die asymmetrische Vorhobelform als Schablone zu nutzen.
Peter nutzt diese Formschablone, aber mit einem Winkel von 57°. Hast Du das von Garrison/Carmichael so übernommen oder kannst Du mir die Begründung für diesen Winkel liefern? Nach Cattanachs Erklärung müsste Deine Vorhobelform bei dem von Dir verwendeten Bambusdurchmesser eigentlich eine Nut von 30° + 51° haben (2 * Pi * 25 / 19). Gelle?
Ihr schwört mit Sicherheit alle auf Eure Methode; aber wie soll ich das einem Anfänger erklären?

... grübelt der Freimut
TL!
Peter S.

Re: Wie hältst Du es mit dem Vorhobeln?...

Beitrag von Peter S. »

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Zuletzt geändert von Peter S. am 29.12.2018, 19:23, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wie hältst Du es mit dem Vorhobeln?...

Beitrag von piscator »

Moin, ich hab ja auch die ganzen Bibeln verinnerlicht -- aber da gibts Vieles was einfach Unsinn ist oder unpraktisch. Angefangen hab ich auch mit so einer 90° Holzform, dann war ich irgendwann zu faul und hab das in der 60° Form gemacht. Das braucht etwas Routine und dann wird das. Die andere Geschichte sind die Stresskurven mit vielen Zacken usw. Diese Zacken kommen meist daher, dass die Ruten ausgemessen wurden und dann aus dem Taper die Stresskurven berechnet wurden. Entweder falsch/schlecht gemessen oder vorher schlecht gehobelt -- ich glaube an Letzteres -- das musste schließlich schnell gehen. Also Machen, nicht theoretisieren.
Mein PMQ Kurs hatte bei gleicher Vorgabe auch 10 verschiedene Ruten, die sich aber alle überrraschend gut werfen ließen.
Jürgen
ride the snake (JM)
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