Lieber Heiko
Nachdem ich dieses Jahr 6 Wochen die Südinsel mit der Fliegenrute bereist habe, möchte ich folgende Feststellungen im Zusammenhang mit dem erwähnten Artikel machen:
1. Neuseeland's Südinsel ist tatsächlich ein Fliegenfischer-Paradies jedoch mittlerweile mit einigen Einschränkungen; dazu weiter unten mehr...
2. Die Fischerei ist für uns Touristen viel zu günstig: die Jahreskarte kostet gleich viel wie für die Einheimischen, ca. NZ $ 165; ich kann die Einheimischen absolut verstehen, die für Touris höhere Preise fordern. Ein Preis für Touristen von NZ $ 500 wäre vermutlich angemessen
3. Die Neuseeländer beklagen die vielen Fliegenfischer-Touristen, bewerben jedoch im gleichen Atemzug mit unendlich vielen Youtube Videos ihre Fischerei! Klar sind dies vor allem die Guides, die davon leben wollen, die mit ihren Videos, die hauptsächlich von Monsterforellen handeln, Touristen akquirieren; mittlerweile ist im Land auch von Fischern eine Opposition gegen die Guide-Industrie spürbar!
4. Die Guides gehen mit den Touristen hauptsächlich an die vielen bekannten Flüsse; entsprechend ist der Befischungsdruck hoch und die Fische reagieren unglaublich sensibel auf herannahende Fischer; dies geht so weit, dass diese Fische sogar die Reissleine ziehen, wenn du auf allen Vieren daherkommst; je später in der Saison je extremer ist diese Scheu; ich glaube sogar, dass die Fische gegen Ende der Saison an den vielbefischten Strecken nur noch nachts fressen, wenn die Fischer verschwunden sind.
5. Fact ist jedoch auch, dass die Fischerei tatsächlich nicht leicht ist: die Technik ist speziell, man muss lange Vorfächer fischen und der Drill von grossen Forellen mit feinen Vorfächern muss geübt werden; entsprechend verlieren wir Touristen, die in unseren Breitengraden mit Portionsforellen geübt sind, einige grosse Fische im Drill; ist mir auch so gegangen.
6. Trotz hohem Befischungsdruck findet man immer wieder Gewässer, an denen man mutterseelenallein ist und die Natur geniessen kann
Alles in allem habe ich ein gewisses Verständnis, dass die einheimischen Fischer die Touristen nicht so lieben. Aber statt einfach die Touristen zu verdammen, müssten die Fischereiorganisationen intern eine Lösung suchen. Ich denke da an: Zusammenspiel mit der Guiding-Industrie mit klaren Spielregeln festlegen, Erhöhung der Jahreskartenpreise für Touristen, Organisation gegen die Logging- und Diary-Industrie aufbauen usw.
Noch ein paar Worte zu Punkt 1: Viele Flüsse in Neuseeland sind wirklich Natur pur. Schnapsklare Bäche, natürlicher Flusslauf usw. Aber: die Neuseeländer müssen zu ihrer Natur Sorge tragen. Im Norden der Südinsel leiden viele Flüsse wegen der Logging-Industrie. Den Chinesen wurden ganze Hügellandschaften verkauft. Diese holzen den native Bush ab und pflanzen Mono-Kulturen für ihre Holzwirtschaft. Konsequenz: kurz vor unserer Ankunft gingen 3 Zyklone über die Insel und viele Hänge mit Monokulturen sind einfach abgerutscht, Strassen weggespült und alles rein in die Flüsse; viele Flüsse im Norden der Südinsel leiden wegen der Holzwirtschaft und die Fänge gehen runter. Ein weiteres Problem ist die diary-Industrie: die Chinesen sind trotz Laktose-Intoleranz auf den Geschmack der Milchprodukte gekommen und Neuseeland produziert mit ihren Millionen von Kühen diese Milchprodukte. Folge davon sind CO2-Ausstoss und verdreckte Flüsse (die Kühe leben an den Flüssen und verunreinigen diese mit ihrem Kot usw.). Ich habe einige Flüsse gesehen, die extreme Algenbildung hatten (nicht Dydimo!). Die Neuseeländer merken allmählich, dass sie ihre wunderbare Natur kaputt machen, aber auch hier regiert das Geld. Dies hilft vielen Flüssen nicht und so gibt es bereits eine Website mit der Auflistung von sogenannten lost rivers (
http://www.nzffa.co.nz/map.html). Als ich einen sehr bekannten Guide darauf angesprochen habe, hat er sehr empfindlich reagiert und mir erklärt, dass dies alles bullshit sei, auch eine Möglichkeit, den Problemen aus dem Weg zu gehen...
Damit wir uns richtig verstehen, Neuseeland ist sicher immer noch ein Paradies für grosse Bachforellen. Wir haben sehr schöne Wildfische gefangen. Die ganz Grossen sind uns leider vergönnt geblieben. Dies führe ich jedoch auf verschiedenen Umstände zurück unter anderem auch auf die mangelnde Erfahrung in Neuseeland und auf unser eigenes Unvermögen. Aber die oben beschriebenen Punkte dürfen nicht ausgeblendet werden. Sicher ist, dass ich nicht mehr so spät in der Saison gehen würde, sondern eher zu Beginn. Die Neuseeländer tun aber gut daran, sehr bald die eigenen Probleme mit ihrer Natur an die Hand zu nehmen. Ebenso müssen sie sich klar werden, was sie mit ihrer Guiding-Industrie wollen.
Liebe Grüsse
Markus