Hier nun die Stellungnahme des Verbandes zu dem Artikel in der Frankfurter Rundschau:
Wiesbaden, den 2.12.2007
Betr.: Berichterstattung „Absturz des Kormorans“, FR v. 28.11.2007
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Artikel „Absturz des Kormorans“ von Stefan Börnecke in der Frankfurter Rundschau vom 28.11.2007 kann aus unserer Sicht nicht unwidersprochen bleiben.
Der Autor erweckt in seinem Artikel den Eindruck, dass „Petrijünger“ ungeregelt aus Neid und in blindem Rachedurst zehntausende geschützter Vögel „aus den Nestern“ und vom Himmel schießen würden beziehungsweise schießen lassen würden, und dass das Verfahren hierzu rechtswidrig sei. Hierzu ist richtig zustellen:
· Der Kormoran ist keine “besonders geschützte Art“. Diesen Status genießen im Anhang I der Europäischen Vogelschutzrichtlinie aufgeführte Arten. Aus diesem Anhang wurde der Kormoran aufgrund einer Initiative des Europaparlaments bereits im Jahre 1997 entfernt. Mit einem Gesamtbestand von mehr als 2 Millionen Vögeln (2005) ist er in Europa auch schon lange keine gefährdete Art mehr.
· In allen Bundesländern geschehen Vergrämungsabschüsse (und nur um solche handelt es sich!) keineswegs irgendwie „durch die Fischer“, sondern nur aufgrund von Verordnungen oder Erlassen der jeweiligen Landesregierungen. Diese beruhen auf Art. 9 der Europäischen Vogelschutzrichtlinie, der den Ländern zum Schutz der heimischen Tierwelt und Natur und zur Verhütung von Schäden in der Land-, Forst-, und Fischereiwirtschaft ausdrücklich diese Möglichkeit des Vorgehens auch gegen geschützte Arten einräumt. Aus diesem Grunde sind etliche Klagverfahren, die unterschiedliche Vogelschutzverbände vor nationalen oder europäischen Gerichtshöfen gegen unterschiedliche Landesregelungen angestrengt hatten, bisher noch sämtlich gescheitert. Durch stetige, wahrheitswidrige Wiederholung der Behauptung „rechtswidrig“ durch Vogelschutz-Funktionäre wird diese Situation auch nicht anders.
· In vielen Fällen sind Naturschutzbehörden zuständig für die Genehmigungen oder werden im Verfahren einvernehmlich gehört.
· In Hessen ist das Verfahren geregelt durch einen Erlass, der dort, wo eine Gefährdung heimischer, bedrohter Fischarten durch den Kormoran gegeben ist, nach strenger Einzelfallprüfung (teilweise sind detaillierte Gutachten notwendig) Vergrämungsabschüsse in eng begrenztem Umfang zulässt. Auch in Fällen, in denen erhebliche Schäden in der Teichwirtschaft oder Berufsfischerei auftreten, können die Naturschutzbehörden Befreiungen zum Abschuss von Kormoran erteilen.
· Natürlich ist der Kormoran kein Nahrungsspezialist, der nur Äschen oder Aale frisst. Er ist aber unwidersprochen ein Nahrungsopportunist, der bevorzugt diejenige Beute nimmt, die im jeweiligen Gewässer am leichtesten erreichbar ist. Das sind zumindest im Winter nicht die am Gewässergrund oder in Wurzelstöcken versteckt Winterruhe haltenden Barsche und Karpfenartigen (hier als wertlose „Weißfische“ diffamiert), sondern die Arten, die auch im Winter im Freiwasser stehen. In Fließgewässern sind das unter anderen Äsche, Barbe und Nase, sämtlich gefährdete Arten.
· Der Autor bzw. seine Quelle erweckt den Eindruck, die genehmigten Abschüsse gefährdeten den Bestand des Kormorans. Aber: Selbst der Abschuss von 6750 Vögeln in einem Winter in Bayern hat, nach der Veröffentlichung des von Ornithologen durchgeführten begleitenden Untersuchungsprogramms, keinen nennenswerten Einfluss auf den Winterbestand in Bayern oder auf den Gesamtbestand der Art gehabt. Genau diese angebliche Wirkungslosigkeit wird bei passender Gelegenheit vom Vogelschutz denn auch als Argument gegen Abschussregelungen überhaupt ins Feld geführt. Allerdings haben die Autoren des genannten Abschlussberichtes auch festgestellt, dass es mit den Abschüssen gelungen sei, den Fraßdruck des Kormorans von besonders empfindlichen Gewässern der Äschenregion in weniger gefährdete Bereiche zu verlagern. Genau dies ist die Absicht aller bisher vorliegenden Abschussregelungen, nicht die Dezimierung der Art, die allein aufgrund einer europaweiten Regelung erfolgen könnte.
· Die Zahlenspiele der zitierten Vogelschutz-Funktionäre sind nicht nachvollziehbar, spätestens in der Darstellung durch den Autor wird daraus Rosstäuscherei: 40.000 Abschüsse über 5 Jahre, das sind maximal 8.000 Abschüsse im Jahr, darunter rund 4.000 bis 6750 in Bayern. Der aus der Zahl der Abschüsse behauptete Winterbestand (40.000) und die („das Doppelte“ sei geschossen worden) daraus behauptete Brutvogel“population“ (demnach 20.000) bestehen ebenso jedes Jahr und nehmen weiter zu. Und: Mit dem Begriff „Brutbestand“ oder „Brutvogelpopulation“ wird von den Vogelfreunden bewusst Verwirrung betrieben: Selbst nach den konservativen Zählungen des Vogelschutzes beträgt der deutsche Brutbestand mindestens 20.000 Brutpaare, darunter rund 13.000 allein in Mecklenburg-Vorpommern. Das Brutpaar ist in der Ornithologie ein stehender Begriff und umfasst erheblich mehr Individuen, als die Zahl 20.000 zunächst darstellt: Dazu gehören zunächst einmal pro Brutpaar 2 Elternvögel und, beim Kormoran, 1,3 unreife Jungvögel des vergangenen Brutjahrgangs und ein durchschnittlicher Bruterfolg von mindestens 2 Jungvögeln des laufenden Brutjahrgangs. Die Zahl der Brutpaare muss also mindestens mit dem Faktor fünf multipliziert werden, um die Zahl der zum Brutbestand gehörenden Individuen zu erhalten, das sind nach vorliegender Behauptung also mindestens 100.000 Vögel pro Jahr. Wenn daraus pro Jahr 8.000 Vögel geschossen werden, sind das genau 8 % und nicht das Doppelte, wie uns hier weisgemacht werden soll, des deutschen Brutbestandes - und das selbst nach den äußerst bestreitbaren Angaben des vom Autor unkritisch zitierten Vogelschutzes!
Die vorstehenden Richtigstellungen verstehen sich als Information für Ihren Autor – gewissermaßen als Ersatz für die Recherche, die ein kritischer Berichterstatter eigentlich hätte leisten sollen.
Abschließend aber erlauben Sie mir bitte, ganz im Sinne der guten Tradition der Trennung von Information und Meinung (die in der FR wohl nicht mehr so ganz durchgehalten wird?) ein paar abschließende Bemerkungen, die Sie gerne als Lesermeinung betrachten und veröffentlichen können:
Der Kormoran ist heute keine gefährdete Art mehr, weder in Deutschland noch in Europa. Die Abschüsse geschehen auf der Grundlage des Europäischen Rechts und daraus abgeleiteter Verordnungen oder Erlasse der deutschen Bundesländer. Etliche davon sind gerichtlich bis hinauf zum Europäischen Gerichtshof einwandfrei bestätigt worden. Wer heute noch behauptet, sie seien rechtswidrig, lügt. Die Umsetzung der genannten Verordnungen obliegt ganz überwiegend den Naturschutzbehörden. Selbst wenn man die in dem Artikel genannte Zahl von 40.000 Abschüssen in den letzten fünf Jahren und die weiter in Ihrem Artikel von Vogelschutzvertretern genannten Größenordnungen zu Grunde legt, betreffen die Abschüsse maximal 8% des bundesdeutschen Brutbestandes.
Soviel zu den Fakten. Nun aber zu der Meinung und Tendenz, die in dem Artikel von Stefan Börnecke zum Ausdruck kommt: Wenn Vogelschützer zunächst ihre gefiederte Klientel im Auge haben und für die Nöte anderer Arten blind sind, so ist das menschlich verständlich. Auch Angler sind nicht immer frei davon. Ökologisch ist solches Denken aber nicht. Wenn sie dabei mit falschen, oder um es noch positiv auszudrücken, verwirrenden Zahlen und Größenangaben den nicht informierten Leser täuschen, so ist das für sie selbst diskreditierend. Wenn sie (oder der Autor der FR, der aber wahrscheinlich auch nicht mehr getan hat, als eine Pressemitteilung abzuschreiben) aber damit versuchen, in nahezu verhetzender Weise große gesellschaftliche Gruppen (es gibt in der Republik rund 3 Millionen Angler, deren Leistungen im Natur- und Gewässerschutz immer vor Wahljahren von den Politikern nicht hoch genug gelobt werden können) zu diffamieren, nur weil die in einem Artenschutzkonflikt anderer Ansicht sind, so muss man sie nach der Redlichkeit ihrer gesamten Position fragen: Was ist da noch ehrliche Naturschutzarbeit und was ist nur noch vom Zweck geheiligtes Mittel der verbandseigenen Marketing-Abteilungen im Kampf um den großen Markt der Meinungen, Spenden und Sponsoren? Übrigens: Angler bezahlen von jeher ihren Naturschutz selbst, aus den Mitgliedsbeiträgen der Vereine und Verbände und aus der zweckgebunden Fischereiabgabe, die jeder Angler entrichten muss.
Und wenn der Autor Stephan Börnecke sich kritiklos eine solche Position in einem als redaktionell erscheinenden Artikel zueigen macht, ohne in guter journalistischer Manier den Hintergrund zu recherchieren und im Artikel wenigstens anzureißen, so ist das einer Zeitung zumindest vom (früheren) Format der Frankfurter Rundschau nicht würdig.
Mit freundlichen Grüßen
VERBAND HESSISCHER FISCHER E. V.
(Rainer Hennings)
Vizepräsident und
Referent für Naturschutz
Das nenne ich mal sachlich und fundiert.
Leider wurde bisher nur ein Leserbrief zum Thema in der Rundschau abgedruckt.
Petri und tight lines,
Peter