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Meerforellen-Fliegen für die Ostseefischerei |
„Was um Gottes Willen ist denn
das?“ fragte ich vor über zehn Jahren entsetzt, als ich in die
Fliegendose unseres Guides schaute und dort zigarrenförmige Objekte
sah, die so überhaupt keine Ähnlichkeit mit allen Meerforellenfliegen
hatten, die ich bisher gesehen hatte. Ja pfui, die Dinger sahen ja bald
aus wie Wobbler...
Ich erfuhr dann, dass es sich um Thunder Creek-Muster handelt, die man an dem charakteristischen Köpfchen erkennt, welches beim Binden entsteht, weil das Material für die Schwinge mit den Spitzen nach vorne eingebunden, dann zurückgelegt und abgebunden wird. Fliegen gebunden in Thunder Creek-Technik oder mit Muddlerköpfen verursachen unter Wasser Druckwellen, die die Fische auf die vermeintliche Beute aufmerksam machen – das haben sie wirklich mit Wobblern gemeinsam. Im Gegensatz zu Muddlern mit ihrem schwimmenden Hirschhaarkopf sinken die Thunder Creek-Muster allerdings recht gut, und man kann sie in allen Wassertiefen fischen. Ursprünglich mit Bucktail gebunden, wurden die Thunder Creek-Muster in den 60er Jahren von Keith Creek Fulsher aus Eastchester im Staat New York entwickelt. Er holte sich die Idee dazu von den sogenannten „revers-tied“ (umgekehrt eingebundenen) Fliegen. Diese wurden in den Jahren vor dem zweiten Weltkrieg von der professionellen Fliegenbinderin Carrie G. Stevens gebunden. In der Thunder Creek-Bindeweise lassen sich aus vielen Materialien die unterschiedlichsten Variationen binden. Ich verwende an Stelle des Bucktails Polarfuchs und mit den vielen Farben, in denen es dieses Material gibt, lassen sich unzählige Varianten binden. |
Thunder Creek polar braun/weiß
Die klassische Thunder Creek wird zweifarbig gebunden, mit einer dunklen Ober- und einer hellen Unterschwinge, und stellt mit dieser Farbverteilung ein Fischchen-Muster dar. Dazu wird lediglich auf dem ersten Viertel des Hakenschenkels eine Grundwicklung gelegt und dann das eine Bund Haare auf der Oberseite und das zweite Bund auf der Unterseite des Hakens eingebunden. Und zwar nicht nach hinten, sondern nach vorne! Erst dann streift man beide Bunde zusammen nach hinten und bindet sie so ab, dass ein Köpfchen in der gewünschten Größe entsteht. |
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Thunder Creek polar Mickey Finn
Passend zum kalten Wasser des Frühjahrs möchte ich Ihnen einen Meerforellenfliegen-Klassiker im Thunder Creek-Gewand vorstellen: Jeder von Ihnen hat dieses Muster schon einmal angebunden und gefischt: Mickey Finn. Trotzdem wird kaum jemand von Ihnen wissen, warum es diesen sonderbaren Namen trägt. Zuerst hieß diese Fliege nämlich einfach nur Roter und Gelber Bucktail. Aufgrund des großen Erfolgs beim Fischen auf Saiblinge wurde sie im Jahr 1936 von Gregory Clark, einem kanadischen |
Fischerei-Journalisten, kurzzeitig zur Assasin = Meuchelmörder umgetauft. Jedoch schon ein paar Tage später wurde ihr Name wieder verändert, nachdem Gregory Clark einen Artikel über einen Mann las, dem man „mickey finn“ verabreicht hatte. Im amerikanischen Slang ist ein „mickey finn“ eine Mischung aus Schnaps und Schlafmittel, die man in sehr dunklen Kneipen Zechern verpasste um sie anschließend auszunehmen. Dies beeindruckte Mr. Clark so, dass er die Fliege nach dem „umwerfenden“ Getränk benannte. |
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Thunder Creek Ocean-Hair (oben)
Gebunden mit Ocean-Hair lassen sich in dieser Bindeweise sehr realistische Großstreamer binden, die aber, bedingt durch das steife Material, nicht besonders gut spielen. |
Thunder Creek Lama
Meine neuste Thunder Creek-Variante wird aus Lamahaar gebunden und soll ein Tobiasfischchen imitieren. |
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Thunder Creek Garnele
Mit der richtigen Kombination von Farben und der Führung beim Fischen kann die Thunder Creek aber auch eine Garnele imitieren, indem man z.B. nur eine Farbe verwendet und mit viel Zug das Köpfchen abbindet, so dass die Schwinge sich stark spreizt und bei Zug pulsiert. |
Soft Head
Eine sehr schöne Variation der Thunder Creek-Muster ist die Soft Head, ein vielseitiges Allround-Muster. Dürfte ich nur mit einer einzigen Fliege fischen, so würde ich mich immer für eine Soft Head entscheiden. Denn in den Hakengrößen von 2 bis 10 und der großen Auswahl an Polarfuchs- und Marabou-Farben lässt sich das gesamte Beute-Spektrum der Meerforelle imitieren – dieses beinhaltet aber auch Provokations-Muster. Morten Valeur aus Hammershøj hat diese Fliege entwickelt. Zuerst gab es nur die schwarze Variante zum Einsatz als Nachtmuster. Aber wie bei den Thunder Creek-Mustern sind auch hier der Fantasie keine Grenzen gesetzt. |
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Materialliste und Bindeanleitung
für den Soft-Head. Materialliste:
Haken: Partridge JS Seastreamer CS 11/1, CS 11/2, CS 11/3, # 2, 4, 6, 8, 10, Hayabusa FIy 376, # 4, 6, 8 Bindegarn: 6/0 in der Farbe des Musters oder einer Kontrastfarbe Federmaterialien: Marabou in purple, braun, schwarz (sowie nach eigenen Ideen) Haarmaterialien: Polarfuchs (Schwanz) in der Farbe des Marabou Synthetisches Material: Krystal Flash in pearl für die diskreten Muster, in gold, silber (auch holografisch) für grelle Muster |
Tinsel, Drähte, Chenille, Tubings:
wahlweise Mylartinsel (gold, silber, holografisch) oder Mylarschlauch in
der gleichen Farbe
Beschwerung, Augen:Bleidraht (nur für Muster, die sehr tief fischen sollen) Lacke, Farben, Kleber: transparenter Bindelack Sonstige Hilfsmittel: Trinkhalm (dick) Bindeanleitung:
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3.A. Tinselversion: Legen Sie das
Tinsel am Ende des vorderen Drittels vom Schenkel fest, lackieren nochmals
die Grundwicklung von der Einbindestelle bis zum Schwänzchen und winden
das Tinsel in den feuchten Lack bis zum Schwänzchen, danach wieder
zurück, legen es fest und schneiden den Rest ab.
3.B. Mylarschlauchversion: Bereiten Sie ein Schlauchstück vor, es sollte von der Einbindestelle des Schwänzchens bis zum Ende des vorderen Drittels des Hakenschenkels reichen. Lackieren Sie noch mal die Grundwicklung. Schieben Sie den Schlauch über das Öhr bis zum Schwänzchen. |
Binden Sie dort den Schlauch ab.
Benutzen Sie dazu einen großen Whipfinisher, oder machen Sie den
Knoten mit der Hand und lackieren den Knoten. Binden Sie nun den Schlauch
am vorderen Ende ab.
4. Binden Sie ein Bündel Marabou und 2 - 4 Fäden Krystal Flash als Schwinge ein. Die Schwinge sollte genauso weit wie das Schwänzchen über den Hakenbogen reichen. 5. Binden Sie nun an der Stelle, wo die Schwinge eingebunden ist, ein Bündel Polarfuchs von eineinhalbfacher Schenkellänge mit den Spitzen nach vorn über das Öhr hinaus ein. Umwickeln Sie den Polarfuchs fest bis ans Öhr, dann wieder zurück zur Einbindestelle. Die Haare sollen nun gleichmäßig um das Öhr verteilt nach vorne stehen. Mit Hilfe des Trinkhalmes schieben Sie nun die Haare über das Öhr nach hinten, greifen es mit der Hand, ziehen es stramm und binden es an der Einbindestelle ab. So entsteht das für die Soft-Head typische Köpfchen. 6. Machen Sie 1-2 Abschlussknoten und lackieren Sie diese. |
Materialliste und Bindeanleitung
für Thunder Creek Polar
Materialliste: Haken: Partridge J.S. Seastreamer CS 11/1, oder CS 11/3 in # 4, 6 Hayabusa Fly 376 in # 4 Bindegarn: 6/0, alle Farben, passend oder kontrastierend zum Material der Schwinge Haarmaterialien: Polarfuchsschwanz in den gewünschten Farben, Sie können einfarbige, oder zwei- und mehrfarbige Muster binden (z.B. oben braun unten weiß, schwarz/rot, blau/weiß...) Tinsel, Drähte, Chenille, Tubings: Tinsel oder Tubing, Farbe passend zum Haarmaterial (z.B. silber zu kalten Farben) Beschwerung, Augen: evtl. wie beim abgebildeten Muster Stick Eyes (hier in gelb) Lacke, Farben, Kleber: transparenter Bindelack, evtl. Epoxi Bindeanleitung:
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Anmerkung der Redaktion:
Die Fliegen und der Text zu diesem Monatsspezial stammen von Martin Rau, der in 35423 Lich eine Fliegenbindewerkstatt betreibt. Ein herzliches Dankeschön an ihn für diesen informativen Beitrag! |