Moldau mit Verstand--von Jaromir Knorre
Viele kennen sie: „Die Moldau“, eine symphonische Dichtung von Friedrich Smetana aus dem Zyklus „Mein Vaterland“. Ein kräftiger Ausdruck des tschechischen Nationalbewußtseins. Aber viele von uns wissen nicht, daß der Fluß Moldau, auf tschechisch „Vltava“ genannt, mitunter auch sehr schöne Forellenstrecken hat.

Namentlich sind dies die Strecken Vltava 29P und Vltava 29, wie sie in den offiziellen Gewässerbeschreibungen des Tschechischen Anglerverbandes bezeichnet werden. Es handelt sich hierbei um zwei sehr interessante Abschnitte unterhalb des Stausee's Lipno, zwischen den Orten Loucovice und Rožmberk nad Vltavou, dicht an der Grenze zu Österreich in Südböhmen, bei einer Gesamtlänge von 17,6 km. Nicht umsonst fand hier 2005 die Junioren- Weltmeisterschaft im Fliegenfischen statt. 

Wir hatten die Gelegenheit, anlässlich unserer CzechNymphing-Wochenendkurse im Mai, beide Gewässer-Strecken ausgiebig zu beangeln. 

Das Revier 29P fängt nicht weit vom Staudamm an und endet in Loucovice. Das Wasser fießt aus dem Stausee Lipno und bahnt sich seinen Weg sehr oft zwischen riesigen Steinen durch ein bewaldetes Tal. Teilweise hat das Flüsschen ein bemerkenswertes Gefälle. Im Flußbett sind riesige Felsbrocken, hinter ihnen bilden sich tiefe Gumpen, über dem Wehr staut sich das Wasser fast zu einem kleinen See zusammen. Hauptfisch ist die Bachforelle, man findet aber auch die Regenbogenforelle, den Saibling und vereinzelt auch die Äsche.

Direkt unter dem Damm ist das Angeln verboten. Kein Wunder also, wenn man dort mit dem bloßen Auge Forellen von 40 bis 60 cm Größe sehen kann. Das Revier 29P selbst wurde von der örtlichen Organisation zum Catch&Release Revier erklärt. Man darf nur mit einer Fliege ohne Widerhaken angeln, und zwar nur an drei Tagen der Woche. Es werden nur zehn Karten pro Tag ausgegeben. Und dies für eine 7,1 km lange Strecke! Sie müssen einen Kescher mit sich führen und dürfen den Fisch nur damit landen. Bachforellen von über 40 cm Größe sind die Belohnung für all diese Maßnahmen.

Das nächste Revier Vltava 29 fängt ab dem Ausgleichsbecken des Stausees bei Vyšší Brod an und endet im Rožmberk n.V., wo die Moldau zu einem grösseren Fluß wird, der teilweise schwer zu betreten ist. Der Grund ist meistens steinig bzw. mit Sand bedeckt. Sehr oft gibt es Wassergras, wo sich die Fische sehr gerne aufhalten. Es handelt sich hierbei um ein sehr gut besetztes Revier: Bach- und Regebogenforelle, Äsche und Bachsaibling. Jedes Jahr werden hier Fische mit einem Maß von 60 cm gefangen. Äschen erreichen hier teilweise 40 cm Größe. Es gibt aber auch Räuber und Weißfische wie Döbel, Aland und Barsch. Aus dem Ausgleichsbecken wird manchmal auch ein Karpfen „ausgespült“. 

Eine 44 cm lange Bachforelle auf Czech Nymph erbeutet =>

Hier gelten ebenso strenge Reglements. Die Bachforelle hat ein Mindestmaß von 45 cm. Die Regenbogenforelle, die ein Mindestmaß von 27 cm hat, wird als Setzling von 10 cm eingesetzt. Daß sie gut verwildert, ist dann kein Wunder. Sie liefert dem Angler einen genauso wilden Kampf wie die Bachforelle, nur manchmal noch etwas verbissener. Das Gewässer wird von der Ortsorganisation sehr gut gehegt. Es gibt Catch&Release-Abschnitte innerhalb der Strecke. Bis zum 20. Mai darf man nicht durch`s Wasser waten. 

21 Bach- und Regenbogenforellen an einem späten Nachmittag auf Trockenfliege oder abwechslungsweise auf Nymphe, von einem Kursteilnehmer aus der Schweiz gefangen, sprechen dafür, daß beide Reviere mit Verstand bewirtschaftet werden und einen ausgezeichneten Fischbestand aufweisen.

An einem Donnerstag, bevor der eigentliche Kurs anfing, wollte ich es mit der Fliegenrute auch selber wissen. Obwohl ich mich nicht gerade zu den Frühaufstehern zähle, war ich schon um 7.00 Uhr am Wasser. Erst hat sich nicht viel getan. Der frühe Nebel bedeckte den Fluß und es war ziemlich kalt. 

Große Felsbrocken unterbrechen hier den Strom, dahinter bilden sich Augen, wo die Fische vermutlich an den Scharkanten zwischen dem ruhigen und schnell fliessendem Wasser auf ihre Beute warten. Das Wasser ist vom Torf leicht bräunlich gefärbt. 

Ich versuchte es mit Nymphen - zwei Regenbogner liessen sich zum Anbiss überreden. Kurz vor 8.00 Uhr, als es langsam wärmer wurde, brach die Freßorgie los. Über dem Wasser kreisten plötzlich zahlreiche kleine Köcherfliegen, die ihre Eier ablegten. Und die Forellen schnappten danach wie wild. Ich band eine 14-er Sedge an die Vorfachspitze, eine 12-er an den Nebenarm und wechselte die Stellung.

<= Hans mit seinem Fang

Ich warf schräg gegen die Strömung aus, so daß der Strom die Fliegen ganz natürlich abtrieb. Die zuerst gemendete Schnur hat sich gerade in dem Augenblick gespannt, als die Fliegen die Kante zwischen Licht und Schatten erreichten. Vermutlich standen die Fische im Schatten, wobei die Fliegen in dem hellen Licht über`s Wasser tanzten. Die Bisse waren heftig, ich musste sofort anschlagen. 11 schöne Bachforellen, bis der Zauber irgendwann mal nach ungefähr einer halben Stunde wieder aufhörte. Einige Fische habe ich vom widerhakenlosen Haken in der starken Strömung verloren. Meist in dem Augenblick, als ich den Fisch in Reichweite hatte. Wahrscheinlich ließ ich in der Aufmerksamkeit kurz nach, weil ich dachte, er ist ja schon meiner...

Morgenstimmung – Moldau 29 =>

Die Köcherfliegen verschwanden wieder und ich war müde und hungrig geworden. Ich beendete meine Angelei, packte mein Zeug ein und fuhr in die Pension, um zu frühstücken.

Der Stausee Lipno selbst verführt auch die Karpfenangler mit seiner Fläche von 4.650 ha und 48 km Länge zur Ausübung ihrer Leidenschaft. Er ist nur 6 bis 21 m tief. Karpfen, Brassen, aber auch Zander, Hechte und Barsche gibt es massenweise, so daß man keine Minute lange Weile erleben dürfte. Man kann vom Boot aus oder von den mit Schilf bewachsenen Ufern aus angeln. Die Sandstrände bleiben den tschechischen, sonnenhungrigen Badenixen vorbehalten.

Die nichtangelnden Familienmitglieder werden dort genausogut auf ihre Kosten kommen. Der See, „Tschechisches Meer“ genannt, hat ca. 306 Mio cbm Wasser und bietet für Wassersportler eine große Palette an Freizeitaktivitäten, vom Baden bis zum Segeln, an. Um den See herum gibt es viele Campingplätze, Hotels bzw. Familienpensionen, wo man eine Unterkunft von preiswert bis etwas gediegen finden kann. 

Aber einen kleinen Wehmutstropfen hat das Angeln an diesen Moldau-Gewässern schon. Die Bootsfahrer. An beiden Wochenendtagen - am frühen Vormittag und dann am Abend - kann man das Angeln teilweise vergessen. 

<= Manfred's Regenbogenforelle

Österreichische, deutsche, holländische und tschechische Wassersportler, die es lieber erst zu Hause in der Badewanne lernen sollten, wie man diese Dinger in einem schnell fließenden Fluß steuern soll, gröölen da rum und fahren den im Wasser stehenden Angler oft über den Haufen. In der Woche ist es ruhiger. Bis die Ferien anfangen...

Dafür kann man am Wochenende bis nach Österreich auf gut beschilderten Wegen durch den Böhmerwald wandern. Die nahe gelegene Stadt Ceský Krumlov (Böhmisch Krumau) ist immer einen Besuch wert. Liebevoll „Venedig an der Moldau“ genannt, wurde sie auf Platz zwei der UNESCO Liste der schützenswerten Denkmäler Europas eingetragen.

Moldau 29P =>

Das ca. 70 km entfernte, imposante Schloß Hluboká nad Vltavou (Schloß Frauenberg) gehört zu den schönsten Schlössern Tschechiens. Es verfügt u.a. über eine bemerkenswerte Waffenkammer, wo sich eine in Europa einmalige Sammlung an Ritter-Rüstzeug sowie Stech- und Hiebwaffen befindet. 

Wir haben während unserer Kurse jedesmal in der gemütlichen Familienpension „Pod Lipou“ in Loucovice gewohnt. Mit deftiger Hausmannskost und dem guten (nicht gefälschten) Budweiser vom Faß, das in der ca. 60 km entfernten Stadt Ceské Budejovice (Böhmisch Budweis) gebraut wird.

<= Welche Fliege? Manfred mit Mirek Malek | Unten; Norbert beim CzechNymphing

Falls Sie von Ihrer nichtangelnden weiblichen Begleitung angemosert werden, daß Sie ständig im Wasser rumstehen und sich mehr den Flossenträgern widmen als ihr, geben Sie ihr doch den Autoschlüssel und überlassen Sie ihr das Portemonnaie. Dort kann sie nämlich genauso ausgiebig, wie in jeder anderen westlichen Stadt, das Geld in vielen Shops, Boutiquen und Einkaufszentren ausgeben.

Übrigens, den Leuten in der Angler-Ortsorga- nisation der beiden Reviere kann man nur ein großes Lob aussprechen. Für ihre Mühe und ihre Bereitschaft, umzudenken. Denn das Bewirtschaften eines Gewässers heisst nicht, alles herauszufischen und wieder neu rein zu setzen, wie es hierzulande noch überwiegend praktiziert wird.

Ich meine aber, daß auch die Angler viel Verstand mit an`s Wasser mitbringen sollten. Sie werden dann dafür mit solchen herrlichen Erlebnissen, wie sie mir zuteil wurden, entlohnt.
Falls Sie sich mehr Informationen wünschen: jknorre@seznam.cz | http://www.czech-nymph-angeln-mit-erfolg.de
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Ein Bericht von Jaromir Knorre für www.fliegenfischer-forum.de
Das unerlaubte Kopieren und Verbreiten von Text- und Bildmaterial aus diesem Bericht ist verboten.
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