Yukon 2000 : Angeltage im Paradies 
Teil 1:  1. September

von Hans-Werner Schneider


 
Textfeld: Silberglänzende Wellenbahnen hinter sich lassend, durchpflügt unser Boot die sonst spiegelglatte Fläche des oberen Kathleen-Sees, in dessen glasklarem Wasser sich der tiefblaue, wolkenlose Himmel des recht kühlen Frühherbstsmorgens wiederspiegelt. Das überlaute Gedröhn des Außenborders, das immer wieder harte Aufschlagen des Bootsrumpfes auf der gequälten Wasseroberfläche, das beißende Pfeifen des Fahrtwindes, vermischt mit gelegentlichen eiskalten Spritzduschen mindert ein wenig die Freude am Genießen der uns umgebenden herrlichen Landschaft.
Links und hinter uns erheben sich mächtige, schneebedeckte Berge, ihre Flanken mit Black-Pine-Wäldern bedeckt, die bis zur Uferlinie reichen. Zur Rechten öffnet sich der Blick weit über Berg- und Hügelketten hinweg, eine Ahnung von der Weite und 
Größe des Landes vermittelnd. Als wir uns dem Ufer nähern, dessen Kieselsteingrund bis hin zur Waldgrenze mit weißgebleichtem Strandholz bedeckt ist, schaltet Trygve, unser kanadischer Guide norwegischer Abstammung, den Motor aus. Der Höllenlärm bricht ab und mit elegantem Schwung gleiten wir in eine Bucht, von der aus ein breiter Bach sein kristallklares Wasser in den See speist. 
Kaum liegt das Boot fest, so haben wir auch schon unsere Ruten zur Hand, ich meine 6er Scott und Horst, mein nicht-fliegenfischender Begleiter, seine mit einem 3er Mepps versehene Spinnrute. Unsere Erwartung ist riesengroß.

Endlich das erste Fischen im Yukon -Traumland!

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Jedoch, sooft wir auch Fliege und Spinner auswerfen, es tut sich nichts, auch zeigt sich nicht eine einzige Fisch-Silhouette im klaren Seewasser! – Nach etwa einer Viertelstunde vergeblichen Mühens wende ich mein enttäuschtes Gesicht unserem einheimischen Führer zu. „Let’s move!“, ist sein lächelnder, achselzuckender Kommentar. Und wieder sitzen wir im Boot und brausen mit Donnerhall dem Seeufer entlang. Die steilen Hänge nun rechts von uns zeigen bereits bunte Herbstfarben. Der Indian-Summer schickt seine Boten voraus.
Die sich steil nach oben öffnenden Hochtäler lassen Wildeinstände vermuten. Tatsächlich entdeckt Trygve auch hoch droben eine kleine Herde gelblich weißer Schneeziegen.
Die Schönheit der Landschaft wird immer atemberaubender, bis wir schließlich an einem anderen Ende des Sees angelangt sind, wo der Kathleen Lake sich zum Kathleen River verengt. 
Die Waldssäume sind nun näher herangerückt, ebenso die bunten Berghänge und die schneebedeckten Gipfel darüber. Vor solch einer Kulisse habe ich noch nie gefischt. 
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Aber auch hier bleibt der Erfolg zunächst aus. Dünneres Vorfach und eine kleinere Fliege bescheren mir in der sanften Flussströmung zuerst ein zaghaftes Steigen und dann doch den erfolgreichen Biss meiner ersten Yukon-Äsche. Sie ist ähnlich gefärbt, wie die Äschen, die ich aus der Möll in Kärnten kenne, und mit knapp 30 cm wahrlich kein Riese. Weitere Versuche mit der als Spent gebundenen 18er Fliege erweisen sich als erfolglos, so dass sich der Gedanke in mir festsetzt: „Na ja, es ist halt wie überall auf der Welt. Fische kriegst Du auch hier im hochgepriesenen Yukon nicht einfach geschenkt!“ – Da sich an der Oberfläche nichts weiter tut, baue ich um auf Sinkvorfach und beschwerte Nymphe. 
Gerade will ich erneut auswerfen, als mir unser Guide bedeutet, wir müssten umkehren, da Wind aufkomme und unser Rückweg über den See dadurch gefährdet sei. Ich blicke auf, nehme aber nur eine leichte Brise und ein sanftes Wellenkräuseln auf der sich farblich verändernden Seeoberfläche wahr. Etwas unwillig besteigen wir wieder unser Boot und lassen im blauweißen Wellenstrudel des Außenbordmotors diesen landschaftlich wunderschönen und fischereilich doch wenigstens etwas erfolgreichen Angelplatz hinter uns. Nach relativ kurzer Fahrt erreichen wir am gegenüberliegenden, bisher nicht befischten Ufer die Mündung eines weitaus stärkeren Bacheinlaufes, der mit seiner Wucht das Wasser des tiefblauen Sees noch gut 10-15 m weit aufwühlt.
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Hier hinein lasse ich - zugegebenermaßen ohne allzu große Hoffnungen – die neu angewundene Montage treiben, füttere etwas Schnur nach, lasse absinken – und erhalte sofort einen heftigen Schlag in die Schnur. Bockend und widerstrebend kämpft etwas in der Tiefe gegen Leine und Strömung. Herrlich der straffe Zug und das kräftige Durchbiegen der Rute! Am Ende des Drills kreuzt ein ansehnlicher Fischleib silbern glänzend die oberen Wasserschichten, aus denen sich schließlich stolz eine hohe Flossenfahne erhebt.
Türkisblau und neongrün fluoreszierend erscheint die gut über 40 cm große Äsche, genauso wie ich es bei den Präparaten in der Lodge schon ungläubig und an unnatürliche Übertreibung denkend gesehen habe. Aber so sind sie in der Tat gefärbt, die arktischen Äschen in diesen glasklaren, kalten Bergseen. Von dieser Tatsache werde ich anschließend noch viele Male überzeugt, denn nun geht es Schlag auf Schlag. Die Fische nehmen nicht nur meine tief angebotene Nymphe, sondern gehen auch ohne zu zögern an Horst’s schwarzen 3er Mepps. Als sich ihre Aktivität mehr an die Oberfläche verlagert, stelle ich auf trockene Rehhaar-Sedge um und kann mich nun auch des Anblicks beim Anbiss der unermüdlich steigenden Polaräschen erfreuen. Und so stehen wir zu dritt nebeneinander – denn auch unser Guide hat längst das o.k. zum Mitfischen erhalten – und drillen, fangen und verlieren auch ab und zu die herrlichsten Fische. Keiner misst unter 40 die stärksten bis 46 cm. Das genaue Zählen der Fänge ist längst uninteressant geworden, und es ist selbstverständlich, dass wir alle – bis auf zwei für das Abendessen – wieder in ihr Element zurücksetzen. 
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Am Ende sind wir sattgefischt und zufrieden und widmen uns wieder mehr der Schönheit der uns umgebenden ursprünglichen Landschaft. Dabei fällt uns auf, dass wir den ganzen Tag über keine andere Menschenseele gesehen haben und uns dieses Fischerparadies so weit das Auge schaut ganz alleine gehört. Dass dies so bleiben und welche großartigen Erlebnisse schon der nächste Tag für uns bereithalten wird, wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, nur das Eine ist uns klar: Hier ist wirklich das Fischerparadies! – und ich denke – eines Besseren belehrt – mit einem Schmunzeln an meine etwas zu voreilige und altkluge Skepsis vom Vormittag.

Fortsetzung folgt...