Bachflohkrebse

Hier geht es um wichtige Belange wie Naturschutz, sinnvolle Gewässer-Bewirtschaftung, schonender Umgang mit Umwelt und Kreatur, Ärgernisse (Schlagthemen) wie Klein-Wasserkraft & Kormoran und Rechtliches.

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Michl
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Bachflohkrebse

Beitrag von Michl »

Moin,
habe da mal eine Frage an die Gewässerbiologen, zur Ausgangslage:
Wir befischen einen Bach im Odenwald, fließt durch Buntsandsteingebiet, hat aber Zuläufe aus angrenzendem Muschelkalk.
PH Wert gemessen bei 6,8, sollte soweit OK sein.
In diesem Bach haben wir keine Bachflohkrebse, sie sind nicht nachweisbar!
Jeder kleine Zulauf, ob aus dem Sandsteingebiet oder aus dem Muschelkalk, ist voll mit Bachflohkrebsen, nur eben der Hauptbach nicht, auch nicht in den Mündungsbereichen der Zuläufe.

Ein ähnlicher Bach, der aus dem gleichen Gebiet kommt, ist stark besiedelt mit Gammariden, bei fast gleichen Verhältnissen.

Wir können uns absolut nicht erklären warum das so ist, alle Insektenarten sind, im Rahmen dessen was standortgemäß möglich ist, vorhanden.
Untersuchungen der Gewässergüte sind gemacht, 1-2 ist die Einstufung, Bachneunaugen, Schmerlen, Elritzen, Koppen und Forellen kommen vor, daran kann es meiner Meinung nach nicht liegen.
Totholz, Laub und Äste hat es auch reichlich.

Allerdings geht der Bach ein gutes Stück einer Bundesstraße entlang, könnte sein das im Winter unter ungünstigen Umständen manchmal streusalzbelastetes Wasser eingeleitet wird über die RÜB.
Aber dann ist ja auch der Wasserstand hoch.

Was für Ansprüche stellen den die Flohkrebse an ihr Habitat, wie kann man prüfen an was das liegt?

Gruß Michl
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Peter Pan
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Re: Bachflohkrebse

Beitrag von Peter Pan »

Hallo Michl,

ich habe fast den Eindruck Du schreibst über die Sinn und die Jossa. An der hessischen Sinn fische ich und wir haben dort noch nie eine nennenswerte Anzahl von Gammariden gefunden. In der Jossa, die einen Kilometer weiter stromab in die Sinn mündet, gibt es sie haufenweise. Das mit dem Streusalz kommt bei uns aber nicht hin da die Sinn und auch die Zuflüsse Schmale Sinn und Kleine Sinn nicht davon betroffen sind.
Eine Erklärung habe ich dazu leider auch nicht also hoffen wir beide auf eine passende Antwort.

Tight lines
Peter
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Gammarus roeseli
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Re: Bachflohkrebse

Beitrag von Gammarus roeseli »

Hallo,
eine häufige Ursache, Schwankungen vom pH-Wert (Schneeschmelze) in Richtung sauer.
(Auflösung vom Kalkskelett bei Krebstieren u. Muscheln ....)

LG Christian

PS: In den kleinen Zuläufen ist eher der Bachflohkrebs, in den größeren Bächen und kleinen Flüssen ist der Flussflohkrebse.
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Gammarus roeseli
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Re: Bachflohkrebse

Beitrag von Gammarus roeseli »

PH Wert gemessen bei 6,8, sollte soweit OK sein.
Hallo,

wenn dem Wasser Kohlensäure entzogen wird (bei Tageslicht) durch Photosynthese (Wasserpflanzen, Algen), steigt der pH-Wert. In der Nacht sinkt der pH-Wert.
Nadelwald (oft nicht standortgemäß am Bach, Fluss) verstärkt die Boden und Gewässerversauerung und den Nadelwurf können die Flohkrebse auch nicht als Nahrung nutzen. (Das Laub der Laubbäume wird von den Flohkrebsen genutzt.)

LG Christian
Siegfried.
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Re: Bachflohkrebse

Beitrag von Siegfried. »

Hallo Z´samn,
Christian hat schon einiges angerissen zur Verbreitung der Flohkrebse, um aber etwas Systematik reinzubringen misch ich mich mal ein. Es gibt drei weit verbreitete heimische Arten in der Reihenfolge von Quelle abwärtes sind das.
Quellflohkrebs Gammarus fossarum (im Gegensatz zum Namen aber bis in größere Bäche vorkommend, sich aber nicht in "große" Gewässer ausbreitend, wenn diese direkt dort hinein münden)
Bachflohkrebs: G. pulex
Flussflohkrebs und Avatar von C.: G. roeseli (nur im Tiefland) von den beiden anderen leicht durch 3 Rückenzacken zu unterscheiden.

Wie schon gesagt wurde meiden alle saure Gewässer und fehlen auch dann, wenn es "nur" zu Versauerungsschüben (z.B. bei der Schneeschmelze) kommt. Merke: Im Gegnsatz zu Filmtiteln und Computerspielen stirbt man real nur einmal und ist dann weg (zumindest für lange Zeit).

Für das beobachtete, oft auch mich verblüffende Nebeneinander von "leeren" und "vollen" Gewässern sind aber vielfach andere Faktoren verantwortlich, da die Flohkrebse ein paar besondere Empfindlichkeiten aufweisen als da sind:
Schwermetalle incl. des z.Z. viel diskutierten Al (natürlich besonders in Verbindung mit niedrigen/schwankenden pH Werten)
nicht nur fehelendem Ca wie es in sauren Gewässern üblich ist sondern auch dem richtigen Verhältnis von Ca zu Mg Ionen
Insektiziden (oft stärker als die Zielgruppe)
Ammonium NH4 und Nitrit NO2
und erstaunlicherweise Nitrat NO3, das in sehr hohen Konzentrationen die Häutung zu behindern scheint.

Interessanterweise bewirken nach meiner Beobachtung (gut funktionierende) Kläranlagen häufig, dass unterhalb von deren Einleitung Flohkrebse vorkommen, während sie oberhalb fehlen. Zwei oder drei mal in mehr als 30 Berufsjahren habe ich auch beobachtet, dass vorher definintiv leere Gewässer von Flohkrebsen (wieder?) besiedelt wurden ohne dass sich ansonsten etwas aus unserer Sicht Entscheidendes im Gewässer verändert hatte und der Rest der Biozönose auch keine Reaktion zeigte. Da kann noch geforscht werden.

Glück Auf
Siegfried
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Kurt Mack
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Re: Bachflohkrebse

Beitrag von Kurt Mack »

Hallo!

Noch was zu der Empfindlichkeit von Flohkrebsen: Ich habe mal "mexikanische Bachflohkrebse" für meine Zierfische gezüchtet. Eine gut laufende Zucht in einem 120l Aquarium brach innerhalb Tagen trotz regelmäßiger Wasserwechsel fast komplett zusammen. Ursache war ein Bohrspann aus Aluminium, der irgendwie in das Becken gelangt ist.
Vom sauren Regen gelöstes Aluminium ist zumindest zu einem Teil am Waldsterben schuld. Mittlerweile ist der Regen zum Glück nicht mehr so sauer wie noch vor Jahren.

Tschüß, Kurt
Michl
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Re: Bachflohkrebse

Beitrag von Michl »

Hallo,
interessante Aspekte.
@ Christian:
Müsste der saure Schmelzwasserstoß nicht über die Nebengerinne in den Bach gelangen und damit dort zuerst die Flohkrebse schädigen?
Dagegen spricht aber der hohe Bestand dort.
Reaktionen aufgrund Pflanzenbewuchs schließe ich aus, weil so gut wie keiner vorhanden.
Nahrungsmangel ist normalerweise auch kein Thema, weil da immer viel Laub und Äste im Wasser liegen, müsste eigentlich reichen.
Obwohl wir in den letzten Jahren immer wieder mittlere Hochwässer hatten, die den Bach stellenweise "ausgefegt" haben.
Da bleibt dann nur an strömungsruhigen Zonen was hängen.
Aber auch da: Nix.
Im Nebenbach sind an vergleichbaren Stellen immer Tiere zu finden.
@ Siegfried und Kurt:
Das Aluminium könnte ein Thema sein, am oberen Ende der Strecke ist eine metallverarbeitende Firma die sich viel mit Aluteilen beschäftigt. Das könnte ein Grund sein!
Muß überprüft werden, da kann man doch bestimmt im Rahmen einer chemischen Wasseruntersuchung den Gehalt an Alu und auch den der anderen genannten Stoffen bestimmen?
Sowas steht eh im Raum, da kann ich den vorgesehenen Biologen mal informieren.

Danke mal für die qualifizierten Hinweise, bei Kontakten zu offiziellen Stellen der unteren Naturschutzbehörde kam leider nur heiße Luft, oder eher sogar kalte.
Schön das es Experten im Forum gibt.

Gruß Michl
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Gammarus roeseli
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Re: Bachflohkrebse

Beitrag von Gammarus roeseli »

Hallo Michl,

auch mir sind Flohkrebsfreie Bäche und auch kleine Flüsse in den Gneis/ Granitregionen der Oberpfalz bekannt und genau wie von Dir beschrieben kommen in den dazugehörigen kleinen Zuläufen die Bachflohkrebse vor. Auffällig war und ist, dass nach meinen Messungen (zwei Jahre ist es her) Wasserwerte wie pH-Wert, Gesamthärte (GH) und auch die Karbonathärte (KH) in den kleinen Zuläufen (Gneis/ Granitregionen der Oberpfalz) höher waren, als im Bach/ Fluss selbst.

Interessante und wichtige Wasserwerte die Du ermitteln solltest (nicht nur im Aquarium) in den kleinen Zuläufen sind pH-Wert, Gesamthärte (GH), Karbonathärte (KH). (Karbonathärte = pH- Puffer.) Anschließend die Wasserwerte von den kleinen Zuläufen und dem Bach/Fluss vergleichen. Möglicherweise sind Deine Fragen nach dem Vergleich schon beantwortet.

(Flohkrebse häuten sich wie Flusskrebse, Garnelen, …)

Der Kleine Arbersee…
Lesenswert ist: Das Wasser des Sees (Aluminium …)
http://www.geocaching.com/geocache/GC2A ... dfe1441c82

Kläranlagen und Aluminium, wo ist der Zusammenhang …

LG Christian
Zuletzt geändert von Gammarus roeseli am 30.04.2015, 21:22, insgesamt 1-mal geändert.
Vogtlandsalmon63
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Re: Bachflohkrebse

Beitrag von Vogtlandsalmon63 »

Hallo Kollegen!
Es ist auch zu beachten, daß viele chemische Verbindungen bei eingebrachten Stoffen in das Gewässer mit Verbindung von Sauerstoff oxidieren und andere Verbindungen hervorbringen. Auch verflüchtigen sich einige Stoffe. Die kann man schon nach einigen hundert Metern im Wasser nicht mehr nachweisen, wie zB. Chlorverbindungen. Diese sind aber in Konzentration und Stoßbelastung in der Momentansituation toxisch. Man muß außerdem die geologische Situation der Gesteine mit in Erwägung ziehen. Die Ausspülung der Mineralien sind ebenfalls relevant und nicht zu vernachlässigen.
Grüße Robby Vogtlandsalmon63.
Siegfried.
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Re: Bachflohkrebse

Beitrag von Siegfried. »

Hallo Michl,
bei den von dir angesprochenen Untersuchungen sollte nicht nur die fließende Welle sondern v.a. auch das Sediment auf Schwermetalle untersucht werden, da die sich dort ansammeln auch wenn sie "nur" in Schüben kommen, die du mit eine Punktmessung nie sehen wirst. Je nach Art des von dir angesprochenen Metallbetriebes sollte auch auf Industrietenside hin untersucht wwerden, die in der Oberflächenbehandlung und -veredlung (Eloxierung, Beschichtung usw.) viel eingesetzt werden und wegen ihrer Oberflächenwirksamkeit und Fettlöslichkeit biologisch hochwirksam sind.

@Christian
Michl hat geschrieben:Der Kleine Arbersee…
Lesenswert ist: Das Wasser des Sees (Aluminium …)
http://www.geocaching.com/geocache/GC2A ... dfe1441c82

Kläranlagen und Aluminium, wo ist der Zusammenhang …

LG Christian
Weniger beim Al als bei der Erhöhung des pH-Wertes und der hervorragenden Pufferkapazität, die häusliches Abwasser auszeichnet :shock: :wink:
Glück Auf
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Re: Bachflohkrebse

Beitrag von Michl »

Hallo,
zuerst nochmals Danke an alle!

Das ist mehr als ich erwartet habe, wir werden versuchen die angesprochenen Werte im Rahmen der Gewässeruntersuchung zu ermitteln.
Mal sehen wie sich der beauftragte Biologe dazu stellt.
Ich werde auf jeden Fall die Ergebnisse hier vermelden.

Gruß Michl
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Fear No Fish
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Re: Bachflohkrebse

Beitrag von Fear No Fish »

Leitet unter Umständen eine Industrie Abwässer ein ?
Bsp. papier oder Kartonagenfabrik ?

Ist bei uns Ähnlich und deshalb haben wir keinen Bachflohkrebs.
Wobei in Gewässern mit Buntsandstein es wohl laut dem RP eher wenige bis keine
Bachflohkrebse hat...siehe PH Wert.
tight lines
Gruss Volker
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Gammarus roeseli
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Re: Bachflohkrebse

Beitrag von Gammarus roeseli »

@ Siegfried

Kläranlagen nutzen (das in der Kritik stehende) Aluminium um Stoffe auszuflocken… Richtig?

Neben der
hervorragenden Pufferkapazität, die häusliches Abwasser auszeichnet
sollte auch die Pufferkapazität durch Kalkung Erwähnung finden. Ich denke da an die Kalkung der Äcker im Einzugsgebiet der Bäche und Flüsse oder die Kalkung der Wälder bei Waldbodenversauerung (der Humus der Nadelbäume ist saurer als der Humus von Laubbäumen) nicht zu vergessen die regelmäßige Kalkung von Fischteichen die man nicht selten an den kleinen Zuläufen der Bäche und Flüsse findet…

(Odenwald= drei Bundesländer)
@ Michl
Ist vielleicht hilfreich …..
Von Säurezustand der Fließgewässer in Baden-Württemberg sollte es (aktuelle) Karten vom Buntsandstein- Odenwald geben. (Meine vom Odenwald B.-W. ist leider aus dem Jahr 1998. Die Buntsandstein-Odenwaldbäche wurden damals überwiegend mit episodisch leicht sauer angegeben. )

Gruß Christian
Michl
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Re: Bachflohkrebse

Beitrag von Michl »

Moin,
am PH-Wert liegt das meiner Ansicht nach nicht, auch wenn die Bäche im Odenwald überwiegend sauer sind, wir haben Werte um 7 zu allen Jahreszeiten.
Und die Nebenbäche, die ohne Zuläufe aus dem Muschelkalk direkt aus dem Buntsandstein kommen, haben Bestände an Gammariden.
Alle Gerinne am Bach haben auch Bestände, obwohl da teilweise der Wert bis 6,5 runtergeht.
Nur der Hauptbach hat nix.
Wir hatten früher definitiv Bachflohkrebse, der Bestand ist aber vor ca. 10 Jahren zusammengebrochen, Ursache unbekannt.
Wir werden wie empfohlen die angesprochenen Werte prüfen und dann sehen wir weiter.

Gruß Michl
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