Midge Tip Schnur oder Polyleader?

Forum für Fragen und Erfahrungen zu Gerät - Zubehör - Bekleidung - etc. Gibt es besonders empfehlenswertes Tackle? Was benötigt der Fliegenfischer wirklich? Du hast allgemeine oder spezielle Fragen, oder gute oder schlechte Erfahrungen mitzuteilen? Hier ist Platz dafür und Du bekommst die Antworten, die Du suchst...

Moderatoren: Forstie, Maggov, Olaf Kurth, Michael.

Antworten
Benutzeravatar
fishbone
Beiträge: 55
Registriert: 23.01.2017, 14:59
Wohnort: Schiers
Hat sich bedankt: 23 Mal
Danksagung erhalten: 4 Mal
Kontaktdaten:

Midge Tip Schnur oder Polyleader?

Beitrag von fishbone »

Liebe Fliegenficher/innen

Gerne würde ich mich dieses Jahr das Nymphenfischen am Stillwasser in Angriff nehmen. Nun bin ich bei der Vorbereitung auf die sogenannten Midge-Tip Schnüre gestossen. Da sinken die letzten 3ft. ganz langsam ein und bilden so einen "Anker" für besseren Kontakt und genaue Präsentation von Midges (Zuckmücken) unter der Wasseroberfläche.

Nun meine Frage: Brauche ich dazu extra eine neue Schnur oder reicht ein Hover oder Intermediate Polyleader an der bereits vorhandenen Schwimmschnur? Sollte ja das selbe bewirken? Ich würde mich als guten Werfer bezeichnen.

Was sind die Pro's und was sind die Kontras einer Midge Tip Schnur?

Besten Dank für die Hilfe.

Liebe Grüsse aus der Schweiz

Yanick
WWW.FLYTASTIC.NET
Benutzeravatar
ricoh
Beiträge: 53
Registriert: 26.10.2017, 22:57
Wohnort: Hannover
Hat sich bedankt: 64 Mal
Danksagung erhalten: 12 Mal

Re: Midge Tip Schnur oder Polyleader?

Beitrag von ricoh »

Hallo Yanick,

deine Frage liegt schon länger ohne Antwort hier rum. Ich selber beschäftige mich regelmäßig mit der Reservoir/Stillwater Szene aus dem UK und beangel verschiedene deutsche Seen mit Regenbogen- und Bachforellenbesatz.

Vorab möchte ich noch ein paar einleitende Worte sagen: in Deutschland, oder im deutschsprachigen Raum, wirst du wenig niedergeschriebene Informationen zur fliegenfischerischen Stillwasserangelei finden. Aus irgendeinem Grund, zumindest in Deutschland, wird Fliegenfischen ausschließlich mit der Flussfischerei in Verbindung gesetzt. Ich habe sogar mehere Angler sagen hören, dass sie mit der Fliegenfischerei nicht anfangen wollen, weil sie keinen geeigneten Fluss in der Nähe hätten - was für ein Quatsch, man kann prima auch an Stillgewässern mit der Fliegenrute angeln, aber das scheinen nur wenige zu wissen!

Ich bin was die Stillwasserangelei angeht schon längere Zeit kein Anfänger mehr, aber meine Meinung ist: der deutschsprachige Raum lässt sich durch das konsequente Ignorieren der Stillwasserfliegenfischerei einiges entgehen!

Dazu muss man noch sagen, dass ich (*ACHTUNG: PERSÖNLICHE MEINUNG*) das Fliegenfischen am Stillgewässer noch in zwei Subkategorien unterteile: "Traditional Loch Style Fly Fishing" und "Stillwater/Reservoir Fly Fishing".
  • Loch Style ist das, was die Schotten an ihren Highlandseen mit wilden, kampfstarken Bachforellen betreiben. Diese Angelei wird fast ausschließlich mit schwimmenden Schnüren durchgeführt (aus traditionellen Gründen) und es wird sehr stark darauf geachtet, dass fast nur traditionelle irische/schottische Nassfliegen/Emerger/Trockenfliegen gefischt werden - die traditionelle Nassfliege dominiert hier klar. Meist werden mehrere Fliegen gleichzeitig als sog. "Cast" gefischt, z. B. eine Sedge Hog (Highland-Trockenfliege) plus eine Blue Zulu (Nassfliege). Ich kann nur jeden ermuntern, sich in Schottland einen guten Guide zu suchen und das Loch Style Fishing mal auszuprobieren. Wirklich toll!
  • Stillwater/Reservoir Fishing ist im gesamten UK sehr verbreitet. In der Regel handelt es sich bei den befischten Gewässern um unterschiedlich große, künstliche Gewässer (Teiche, natürliche Seen, Stauseen). Bei dieser Fischerei kommen verschiedenste Schnurtypen zum Einsatz: schwimmend, slow/fast intermediate, midge tips, sinking (Sinkraten von 3 bis 8 Inch/pro Sekunde), parapolic sinking fly lines (sog. "sweep", machen Unterwasser eine U-Form, prima um mehrere Wasserschichten abzufischen). Fliegenfischer die an Stillwaterwettkämpfen teilnehmen können in Extremfällen 20 bis 40 verschiedene Schnüre bei sich tragen, i. d. R. wird für das schnelle Auswechseln der Schnüre eine Fliegenrolle mit (günstigem) Kassettensystem verwendet - das Motto lautet hier "Flexibilität über alles!". Auch die eingesetzten Fliegen sind hier anders als beim traditionellen Loch Style Fishing, wobei durchaus auch mal irische/schottische Nassfliegen zum Einsatz kommen können. Allerdings ist das Reservoir Fishing in Hinblick auf die Fliegen generell anders: hier kommen Nymphen (bspw. Diawl Bach, Cormorant), Buzzer (bspw. Grey Boy, Shipman's Buzzer), Midges (Palomino Midge), sowie die verrücktesten Streamer (im UK "Lures" genannt) (Apps Worm, Booby, Damsel Nymph, Fry, Snake) u. v. m. zum Einsatz. Dazu muss man sagen, dass die Vielfalt der Fliegenschnüre und der eingesetzten (meist mehere an einem "Cast" geführten) Fliegen eine Vielzahl von Angelmethoden erlaubt und die Engländer sind da äußerst kreativ. Beispiele: Washing Line Method, Booby Fishing, Bung Fishing, Blobs / F.A.B.s und Buzzer Fishing, wobei letzteres aus meiner Sicht eine Wissenschaft für sich ist - entweder man mag Buzzer Fishing oder man hasst es. Im Grunde genommen wäre Reservoir Fishing die Angelei, die man an deutschen Put&Take fischen würde, wären andere Angelarten (Spoonangeln, Paste, usw.) nicht populärer.
Bitte beachte, dass es für beide Subkategorien Wettkämpfe gibt, bei denen unterschiedliche Regeln gelten und darüber hinaus muss man sagen, dass sich die beiden Formen in den letzten Jahrzehnten immer mehr vermischen bzw. durchaus mal traditionelle schottische Nassfliegen an den Reservoirs gefischt werden oder umgekehrt. Das führt bei Außenstehenden (v. a. im deutschsprachigen Raum) häufig zu Verwirrungen - dies nur als Warnung. Gut möglich, dass der schottische Guide dir eine reinhaut, wenn du eine Booby in seinen heiligen Highlandsee schmetterst.

Genug geschwafelt, zu deiner Frage: Die Midgetip-Schnur würde ich zu der Reservoir Fischerei zählen. Im Grunde genommen handelt es sich um eine (Intermediate-)Sinktip-Schnur mit schwimmender Running Line. Bitte schaue dir das unten verlinkte Video dazu an (die Midgetip-Schnur wird dort zwar nicht erwähnt, aber es hilft bei der Einordnung der "restlichen" Schnüre). Wenn du bereits Schwimm-, Slow- und Fast-Intermediate-Schnüre besitzt, kann die Anschaffung einer Midgetip-Schnur sinnvoll sein. Ich nutze die Midgetip-Schnur gerne für das Führen von oberflächennahen Nymphen sowie für das das Buzzer-Fishing. Meine Midgetip-Schnüre sind auch sehr gut zum Werfen und Führen von Streamern, wie ich herausgefunden habe. Dazu muss man wissen, dass die Engländer sehr überzeugt davon sind, dass der Großteil der Nahrung in Stillgewässern sich in den ersten 10 - 15 Fuß (3,0 bis 4,5 m) unterhalb der Wasseroberfläche befindet - daher auch die Vielfalt an Schnüren für die obere Wassersäule! In der Regel wird z. B. die Schwimmschnur für Trockenfliegen und die "Oberste Wasserschicht" verwendet, darunter dann die Slow-Intermediate und darunter dann die Fast-Intermediate. Beachte, dass bei Sinkschnüren und Intermediate-Schnüren die Briten in der Regel Full-Intermediate bzw. Full-Sinking (oder auch "compensated sinking lines") Schnüre verwenden. Das bedeutet die komplette Schnur geht mal schneller mal langsamer über die gesamte Länge unter!

Der Vorteil der Midgetip-Schnur ist, dass die Fliegen besser in einer der oberen Wasserschichten gehalten werden können, da der hintere Teil der Schnur ja schwimmt! Egal welche "Full-"Intermediate oder "Full-"Sinking Schnur du verwendest, jede sinkt ab und kann den Gewässergrund erreichen - bei der Midgetip kann dies nicht passieren, daher ist sie ein "besonderer" Schnurtyp. Besonders beim Buzzer Fishing ist die Führung der Fliegen laaaaaahm! Und ich meine hier lahm - Ultrazeitlupe manchmal! Egal wie langsam du einstrippst, halbiere die Geschwindigkeit und dann halbiere diese Geschwindigkeit wiederum, dann erst hast du die richtige Geschwindigkeit (an manchen Tagen kann es auch mal schneller sein, wie oben gesagt, es ist eine Wissenschaft für sich!).

Warum dann unterschiedliche Sinkgeschwindigkeiten? Antwort: Menschliche Ungeduld, außerdem wollen die Wettkampfangler keine wertvolle Zeit verlieren. Daneben kann die richtige Schnur enorm dabei helfen die Fliegen in der fängigen Tiefe zu führen, was die Fangaussichten extrem verbessert. Daher habe ich als Stillwasserangler immer mehrere Schnüre bei mir (meist 6 verschiedene Schnüre). Ferner muss ich dich darauf hinweisen, dass man als Uferangler am Stillgewässer in der Regel nur Trocken-, Midgetip- und die Intermediate-Schnüre braucht. Die Sinkschnüre gehen meist sehr schnell auf Grund, wenn man vom Ufer wirft - die Sinkschnüre sind meiner Ansicht nach eher etwas für das Belly Boot / Angelboot, aber ich würde sie nicht komplett abtun, v. a. wenn du mal das Booby-Fischen (= reine Sinkschnurangelei!) ausprobieren möchtest.

Grundsätzlich kann ich dir für das Thema Reservoir Fishing und auch in Bezug auf deine Frage dieses Video und den dazugehörigen Kanal (Englisch!) empfehlen: https://www.youtube.com/watch?v=ZFvWTlhswC4

Ich hoffe ich konnte helfen und wünsche dir schon mal viel Spaß! Wenn du noch Fragen hast, frag einfach hier :)

Schöne Grüße,
Diego
Trockenfliege
Beiträge: 1493
Registriert: 25.01.2015, 18:03
Hat sich bedankt: 212 Mal
Danksagung erhalten: 374 Mal

Re: Midge Tip Schnur oder Polyleader?

Beitrag von Trockenfliege »

Für eine Päsentation einer Fliege kurz unter der Wasseroberfläche entgeht mir der Sinn für eine spezielle Fliegenschnur.

Was macht diese Fliegenschnur für diesen Einsatzzweck anders als ein zB. Fluovorfach oder ein intermediat Polyleader in 5 - 10 ` oder eine Kombination aus beidem?
Der Vorteil der Midge Tip liegt dann in der fehlenden Verbindungstelle von Schnur und Polyleader, ok.

Der Nachteil liegt für mich aber ganz klar im vorgegebenen Profil der Schnur.

Bei einer Kombination mit Polyleader kann ich jedes beliebige Profil verwenden und brauche auch beim Schnurklassenwechsel keine extra Schnur, wenn schon eine normale Trockenschnur vorhanden ist.

LG
Reinhard
Benutzeravatar
ricoh
Beiträge: 53
Registriert: 26.10.2017, 22:57
Wohnort: Hannover
Hat sich bedankt: 64 Mal
Danksagung erhalten: 12 Mal

Re: Midge Tip Schnur oder Polyleader?

Beitrag von ricoh »

Trockenfliege hat geschrieben:Für eine Päsentation einer Fliege kurz unter der Wasseroberfläche entgeht mir der Sinn für eine spezielle Fliegenschnur.

Was macht diese Fliegenschnur für diesen Einsatzzweck anders als ein zB. Fluovorfach oder ein intermediat Polyleader in 5 - 10 ` oder eine Kombination aus beidem?
Der Vorteil der Midge Tip liegt dann in der fehlenden Verbindungstelle von Schnur und Polyleader, ok.

Der Nachteil liegt für mich aber ganz klar im vorgegebenen Profil der Schnur.

Bei einer Kombination mit Polyleader kann ich jedes beliebige Profil verwenden und brauche auch beim Schnurklassenwechsel keine extra Schnur, wenn schon eine normale Trockenschnur vorhanden ist.

LG
Reinhard
Hallo Reinhardt,

das hatte ich in meinem obigen Schriftstück versucht hervorzuheben. Grundsätzlich kann man auch Polyleader verwenden (hab ich auch in der Weste! :D). Wie oben beschrieben, ist es v. a. für (Möchtegern-)Wettkampffischer auf den britischen Inseln interessant, weil man mittels Kasettenwechselspulen schnell umstellen kann. Manche Wettkampfregeln schränken die Rutenanzahl während des Wettbewerbs ein. Meist sind zwei bis drei aufgebaute Ruten erlaubt. Da es hier auf Schnelligkeit ankommt, ist ein Polyleader nicht ganz so bequem. Ich verweise hierzu auf ein Video von Simon Gawsworth: https://youtu.be/y_M3R9G8Wzc?t=1466. Ungefähr bei 24:25 sieht man, wie "Competition-Angler" die Schnur auswechseln. Mit einem Polyleader müsstest du den Polyleader eventuell neu einschlaufen - vergiss nicht, dass die Briten meist mit mehreren Fliegen pro "Cast" fischen, was dann deutlich fummeliger wäre. Außerdem kommst du mit einem Polyleader "nur so tief".

Wie gesagt, die Midgetip-Schnur ist eine absolute Spezialschnur, wenn man sonst alles hat (meine Meinung), aber eben auch eine super fängige Schnur an Stillgewässern, wahrscheinlich meine meistbenutzte Schnur neben der Trockenschnur. Wenn die Bedingungen da sind, kann man mit Chironomidenmustern damit ziemlich gut abräumen. Lohnt sich dann, wenn man diese Fischerei häufig betreibt (wie dies bei vielen anderen FliFi-Disziplinen auch der Fall, z. B. Czech Nymphing - muss man mögen oder man lässt es....). Ich habe zuerst mit Polyleadern + Schwimmschnur angefangen.

Zum Profil der Schnur: ich glaube das ist meine geringste Sorge - das "Problem" hast du bei jeder Vollschnur! - daher ist die genaue Auswahl für den benötigten Einsatzzweck für mich kein spezifisches Stillwater-Schnur-Problem. Die Midgetip-Schnüre sind für das Führen von "Midges" und "Buzzern" gemacht und dafür werden sie in der Regel auch verwendet - Buzzer Fishing ist halt eine Welt für sich; ich will hier gar nicht weiter drauf eingehen. Wie oben erwähnt, werfe ich aber auch gerne Streamer damit. Meiner Meinung nach benötigt man nicht hundert verschiedene Schnurprofile beim Stillwater Fishing, hingegen benötigt man durchaus Schnüre, mit denen man unterschiedliche Wassertiefen abfischen kann. Von daher würde ich empfehlen einen Schnurhersteller, der Stillwater Schnüre herstellt, zu finden, z. B. Airflo, Vision, RIO. Wenn man mit der "Probeschnur" zufrieden ist, kann man sich einige der restlichen Sinkraten kaufen, um verschiedene Wassertiefen abzudecken. Man muss aber beachten, dass die wettkampfliebenden Briten es hier sehr übertreiben, andererseits schwören sie darauf, dass an Tag X die Schnur Y besser gefangen hat als die Schnur Z, obwohl Schnur Y und Z sich vielleicht nur um 1 Inch/Sekunde in der Sinkrate unterscheiden... also ist Vorsicht geboten! Nicht übertreiben, wie oben mit den 20-40 Schnüren mancher Wettkampfangler!

Zum Vorteil ggü. einer Schwimmschnur: du musst mit einer Midgetip/Slow-/Fast-Intermediate/Sinktip nicht so lange Zählen wie mit der Schwimmschnur + Vorfach. Wie oben beschrieben, geht es hier um Zeiteinsparung (Wettkampf, menschliche Ungeduld), sowohl beim Umbau der Montage als auch beim Abzählen der Tiefe. Und glaub mir: wenn du mit einer Slow-Intermediate das fünfte mal bis 90 zählst (angenommen da stehen die Fische heute!), weil du keine schneller sinkende Schnur dabei hast, dann hast du entweder eine Engelsgeduld oder du drehst früher oder später voll durch! Die Midgetip wird innerhalb einer bestimmten Zeit eine bestimmte Tiefe erreichen. Das hatte ich oben vergessen zu erwähnen, aber dieses "Abzählen der Gewässertiefe" ist ein wichtiges Element bei der Stillwater-Fischerei. Da sich die Fische (meist besetzte Regenbogenforellen) zu bestimmten Zeiten (Tageszeit) und unter bestimmten Bedingungen (Wassertemperatur, Sauerstoffgehalt, Sonneneinstrahlung, Wind, Futtervorkommen) in einer bestimmten Schicht (Wassertiefe) befinden, kommt man mit den unterschiedlichen Sinkraten der Stillwasser-Fliegenschnüre unterschiedlich schnell in die "richtige" Wasserschicht. Wenn man seine Vorfächer wechselt, wie oben von Simon Gawesworth gezeigt, gelingt der Umstieg von sagen wir einer Trockenschnur zu einer Slow-Intermediate Schnur deutlich schneller. Für den "Pleasure-Fisher" ist es allerdings egal, ob er eine Trockenfliegenschnur mit (Slow-)Intermediate Polyleader fischt oder direkt auf eine Midgetip Schnur o. ä. wechselt. Außerdem - und das ist wieder meine Meinung - schaltet man mit den vielen Schnüren ein wenig den Zufall aus. Ich denke ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass neben der Trockenschnur die Midgetip eine meiner besten und meistbenutzen Schnüre für die Stillgewässerangelei ist. Außerdem hält eine Midgetip-Schnur deine Fliegen in einer bestimmten Tiefe - und diese Tiefe ist häufig genau dieser "Sweetspot" unter der Oberfläche - wenn sie dann noch auf Chironomidenjagd sind, dann schlägt die Stunde der Midgetip!!!. Du darfst nicht vergessen: jedes mal, wenn du an deiner Trockenschnur ziehst, ziehst du auch die (abgesunkenen) Fliegen wieder hoch - das kann oftmals erwünscht sein!! - aber manchmal ist es nicht gewünscht oder Fische mögen die vertikale Bewegung der Fliegen aus irgendeinem Grund nicht.

Beispiel: Angenommen du fischst mit einer Trockenschnur mit drei Fliegen (sagen wir Nymphen und Buzzer) gleichverteilt auf einem Cast. Du bekommst aber ausschließlich Bisse auf die oberste Fliege (top fly, auch bob fly genannt), dann würde ich daraus folgern, dass die Fische v. a. Nahrung in der obersten Wassersäule aufnehmen. In diesem Fall würde sich der Wechsel auf die Midgetip-Schnur lohnen, weil diese alle drei Fliegen relativ weit oben anbietet und dir dadurch höhere Chancen auf Bisse gibt.

Müsste ich mich aber auf drei Schnüre beschränken wären dies ganz klar: Trockenschnur (evtl. mit Polyleadern, für Trockenfliegen, Emerger, Bung Fishing), Slow-(Full-)Intermediate Schnur (0.5 Inch/Sekunde, "als Quasi-Midgetip", für Buzzer, Nymphen usw.) und eine Fast-(Full-)Intermediate (1.5-2.0 Inch/Sekunde, für Streamer).

Wie gesagt, ein recht umfangreiches Themengebiet, dass im deutschsprachigen Raum leider kaum Anklang findet.
Benutzeravatar
Harald aus LEV
Beiträge: 4274
Registriert: 28.09.2006, 11:08
Wohnort: Leverkusen
Hat sich bedankt: 144 Mal
Danksagung erhalten: 627 Mal
Kontaktdaten:

Re: Midge Tip Schnur oder Polyleader?

Beitrag von Harald aus LEV »

Hallo Diego,

das ist ja mal 'ne super Einführung in ein komplexes Thema! =D>
Das Lough Style Fishing habe ich in Irland schon ausprobiert - es hat Spaß gemacht.

Beim Reservoir Fishing habe ich mal kurz zugeschaut. Es selbst durchzuführen war mir aber aufgrund der vielen Wechselcassetten, die die Jungs dabei hatten zu aufwendig. Ich hätte eh nicht gewusst wann und warum ich welche Schnur aufziehen sollte. Zumal ich nur 1 Tag Zeit am Ort hatte. Hier zu Hause kenne ich in der Nähe keinen See, an dem man ein Boot mieten und auf dem mit einer Tageskarte Fischen dürfte. Das finde ich ist das Schöne an dieser Institution in England.

Gruß
Harald
Fliegenfischen - Der natürliche Weg
fliegenfeger
Beiträge: 520
Registriert: 24.10.2006, 19:27
Wohnort: Saarlouis
Hat sich bedankt: 2 Mal
Danksagung erhalten: 75 Mal

Re: Midge Tip Schnur oder Polyleader?

Beitrag von fliegenfeger »

Hallo Diego,
ricoh hat geschrieben:der deutschsprachige Raum lässt sich durch das konsequente Ignorieren der Stillwasserfliegenfischerei einiges entgehen!
Das sehe ich nicht so, schau dir mal dir Fischerei auf Meerforelle an, da gibt gibt es sogar ein eigenes Forum. :mrgreen:

In Frankreich (Seltz direkt an der Grenze zu Deutschland), Luxemburg und Belgien gibt es einige Forellenseen, die ausschließlich mit der Fliegenrute befischt werden dürfen. Da kommen verschiedene Methoden zum Einsatz, wie das aktive Fischen mit Streamer oder Naßfliege, aber auch die Nymphenfischerei mit mehreren Fliegen am Vorfach wird betrieben. Dabei wird die Tiefe meist nicht über die Fliegenschnur, sondern durch die Fliegen und einen Bissanzeiger eingestellt. Ich kann dieser oft sehr erfolgreichen Methode wenig abgewinnen, da es eigentlich wie Posenfischen mit Bienenmaden ist. Um keine Zeit bei der Ummontage zu verlieren, werden Rutenständer mit 7/8 vormontierten Ruten durch die Gegend getragen . . . wenn das Spaß macht o.k.
Ich nutze diese Seen als Testgewässer für das Fischen an der Ostsee auf Meerforelle. Da kann ich sowohl das Gerät, Rute,Schnur, Schnurkorb, Vorfach, Fliegen als auch das Angeln an sich, Werfen, Einstrippen, Anschlagen, Drillen usw. austesten. Da sind die Fische meist auch kooperativer als an der Ostsee. :mrgreen:

Gruß

Armin
Benutzeravatar
Harald aus LEV
Beiträge: 4274
Registriert: 28.09.2006, 11:08
Wohnort: Leverkusen
Hat sich bedankt: 144 Mal
Danksagung erhalten: 627 Mal
Kontaktdaten:

Re: Midge Tip Schnur oder Polyleader?

Beitrag von Harald aus LEV »

Hallo Armin,

wie wird denn an den von Dir genannten Seen gefischt? Vom Ufer oder vom Boot aus?.
Gerade die Fischerei vom Boot aus wäre interessant, optimalerweise durch Mieten eines Bootes vor Ort.
Ansonsten sind die von Dir zitierten Seen m.M.n. nicht viel anders als die allgemeinen Forellenseen im Binnenland-von der Anzahl der Ruten mal abgesehen.
Allerdings darf man hier nicht an jedem Forellensee mit der Fliege fischen.

Gruß
Harald
Fliegenfischen - Der natürliche Weg
Trockenfliege
Beiträge: 1493
Registriert: 25.01.2015, 18:03
Hat sich bedankt: 212 Mal
Danksagung erhalten: 374 Mal

Re: Midge Tip Schnur oder Polyleader?

Beitrag von Trockenfliege »

Diego,

natürlich kommt man in jeder "sportlichen" Disziplin mit dem speziellen dafür vorgesehenen Gerät besser zurecht, als mit einem "Provisorium".

Yannick möchte aber seiner Ausführung nach erstmal in diese Art des Fliegenfischens hinein schnuppern.

Und dafür reicht es meiner Meinung nach aus, wenn er sich für seine vorhandenen Trockenschnüre ein paar verschiedenen Polyleader besorgt, verschieden in Länge und vielleicht auch "Schnurklasse".
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Polyleader einer Firma der gleichen Bezeichnung - zB. "fast sinking", je nach dem, ob es die Trout, Seatrout oder Salmon Ausführung ist, nicht nur verschiedenen Tragkräfte haben, sonder auch verschiedene Gewichte und Sinkraten.
Ob ähnliches für die Intermediate Ausführung auch zutrifft, weiss ich allerdings nicht. Hat da jemand Erfahrung?

Ich glaube, damit kommt man als "Anfänger" dieser Fischerei sehr gut zurecht und kann erste Erfahrungen sammeln.

Wenn Yannik vielleicht auch verschiedene Ruten /Schnurklassen ausprobieren möchte, bräuchte er schnell diverse neue Schnüre, um zB. die von dir beschriebenen verschiedenen Tiefen ab zu decken. Das alles geht mit ein paar Polys einfacher.

Da du schreibst, dass du selber mit Polys begonnen hast, kannst du doch mal schreiben, welche wann am Besten gepasst haben, weiterer Vorfachaufbau, ect.

Die "Vorteile der Midge Tip ggü der Trockenschnur", wie du sie beschreibst, kann ich nicht alle nachvollziehen, denn manches was du schreibst, bekomme ich mit verschiedenen Polys auch hin.
Ich fische regelmäßig mit 10´ Polys von intermediat bis superfastsinking und decke dabei viele Tiefen ab.
Und ein Poly habe ich schneller gewechselt als die gesamte Schnur.

Bitte verstehe mich nicht falsch Diego, ich finde deine Ausführungen zu diesem dieser Art des Fliegenfischens sehr gut.
Aber Yannik möchte als Anfänger in das Thema Einsteigen und hat nach den Vor- und Nachteilen der 2 Möglichkeiten gefragt.
Und da empfehle ich ihm ganz klar den einfachen Weg über die Polys, denn er kann mit dem Preis für eine Midge Tip Schnur in Polyleader angelegt, seine herkömmlichen Trockenschnüre in sehr brauchbare und vor allem verschiedene "Midge Taper" umwandeln.

LG
Reinhard
Benutzeravatar
pitt
Beiträge: 395
Registriert: 30.01.2020, 19:10
Wohnort: Schweiz
Hat sich bedankt: 39 Mal
Danksagung erhalten: 104 Mal
Kontaktdaten:

Re: Midge Tip Schnur oder Polyleader?

Beitrag von pitt »

Salue Yanick

Grosse und tiefe Seen, wie sie oft in der Schweiz vorzufinden sind, aus meiner Sicht, pauschal nicht die besten um die Fliege wirklich so flach zu servieren. Wie tief manch einer Fisch in dem klaren Gewässer steht, weisst Du am besten. Dazu kommt noch der erschwerte Zugang zum Wasser, bzw. zu der richtigen Stelle, vor allem wenn Du watend und nicht vom Boot fischen kannst, dann macht sich das ziemlich bemerkbar. Sicher gibt es auch gute Stellen, Abschnitte und saisonale Zeitfenster, die einem Fliegenfischer mit Nymphe entgegenkommen ... aber andere Techniken machen halt mehr Spass. Zumindest mir. Ich für mein Part mag lieber watend mit Streamer umherziehen und auf Sicht auf z.B. grosse Alet zu fischen, oder mit S7 vom Skiff auf Hecht zu angeln, da mag ich Reinhard recht geben und verzichte gerne auf die langweilige "Fliegenfischer-Hegene".

Um auf Deine Frage zurückzukommen, eine Hover tuts auch, vor allem wenn Du schon eine hast :smt002

En Gruess vo ZG
"Don't look through the keyhole of fly fishing"
Gruss
pitt
stillwater
Beiträge: 134
Registriert: 19.08.2012, 12:09
Hat sich bedankt: 7 Mal
Danksagung erhalten: 58 Mal

Re: Midge Tip Schnur oder Polyleader?

Beitrag von stillwater »

hallo Ricoh,

vielen Dank für deine interessanten Ausführungen und ich oute mich jetzt auch mal als Reservoir-Junkie, aber leider sind die Bedingungen hier in Deutschland längs nicht so gut bzw. vergleichbar wie z.B. in GB & Irland. Nehmen wir mal als Beispiel das Staubecken Obermaubach bei Düren. Bis Ende der 90er Jahren - dort habe ich praktisch meine "Lehrzeit" im Reservoir-fishing verbracht - konnte man eigentlich dort sehr gut und entspannt fischen, bei niedrigen Wasserstand sogar watend. Wir, die Düsseldorfer Fliegenfischergruppe, hatten sogar ein eigenes Boot vor Ort was jedes Mitglied kostenlos benutzen konnte. Die Bedingungen wurden immer restriktiver, insbesondere die zu befischende Fläche kleiner und ein enormer Kormoranbestand besorgte den Rest - das hätte es in GB & Irland bestimmt nicht so gegeben!
Zur Fischerei, der größte Unterschied zum klassischen Reservoir-fishing war das wir fast immer im Boot gestanden haben und nicht sitzend wie es die Briten & Iren meistens praktizieren. WF-Schwimmschnüre waren Standard, aber auch eine Inermedia bzw. Sinkschnur (wenn vom Boot "geschleppt") wurden angewendet aber eher selten benutzt und eigentlich wurde nur mit einer Fliege auf steigende Fische oder "blind" gefischt.
Übrigens Leihboote konnte man auch mieten bzw. sein eigenes Bellyboat mitbringen.

Zum Glück habe ich in meinem jetzigen Vereinsgewässer das Glück vom (eigenem) Boot weiterhin zu fischen, so das mir der "Verlust" von Obermaubach nicht ganz so schmerzt.

beste Grüße

Uli
Benutzeravatar
Harald aus LEV
Beiträge: 4274
Registriert: 28.09.2006, 11:08
Wohnort: Leverkusen
Hat sich bedankt: 144 Mal
Danksagung erhalten: 627 Mal
Kontaktdaten:

Re: Midge Tip Schnur oder Polyleader?

Beitrag von Harald aus LEV »

Hallo Uli,

das, was Du beschreibst bzgl. der Restriktionen sind typische Vorgehensweisen in Deutschland. Die Engländer (auch Waliser, Schotten und Iren) haben grundsätzlich ein ganz anderes Verständnis zum Fischen. Seltsamerweise kann dort, wie auch in Benelux und Skandinaviern fast jedes Kind mit ner Angel und nem (Ruder)Boot umgehen. Das ist ganz natürlich dort.
Wo haben denn bei uns noch Kinder/Jugendliche die Möglichkeit, mal eben nach der Schule mit einem Boot zu fahren?

In meiner Jugend sind wir, wenn das Rheinhochwasser die Viehweiden überschwemmt hatten zu diesen Weiden gegangen. Die Bauern benutzten damals ausgediente Zinkbadewannen als Viehtränken. Die haben wir und gekapert, ein Treibholzbrett genommen und sind knieend auf den überschwemmten Wiesen herumgeschippert. Auch "Seeschlachten" wurden ausgetragen. :D
Natürlich gab es öfter mal ein Bad, weil die Badewannen keinen Kiel hatten und schnell kenterten. Aber es hat trotzdem Spaß gemacht.
So etwas kennen unsere Kinder gar nicht mehr und das ist schade in meinen Augen.
Allerdings: Jeder von uns konnte schwimmen, was jeute auch keine Selbstverständlichkeit mehr ist.

Gruß
Harald
Fliegenfischen - Der natürliche Weg
orkdaling

Re: Midge Tip Schnur oder Polyleader?

Beitrag von orkdaling »

Moin Harald,
du bringst mich zum schmunzeln, denn das ist ja nicht nur auf den Inseln so, nicht nur in den Benelux-lændern, nicht nur in Skandinavien, nee auch auf dem Balkan / Osteuropa.
Uebrigens will ich da mal erwæhnen, der norw. Verband bzw die Ortsvereine haben an Wald und Bergseen Boote liegen.
Man kann sich, damit nicht jeder mit einem Trailer einen Weg durch die Botanik suchen muss, einen Schluessel kaufen. (zB Kartenverkæufer/Sportladen)
Das ganze Projekt nennt sich dann ( uebersetzt) : 1 Boot - 100 Schluessel, ist nicht nur fuer Mitglieder møglich !
Gruss Hendrik
Benutzeravatar
Harald aus LEV
Beiträge: 4274
Registriert: 28.09.2006, 11:08
Wohnort: Leverkusen
Hat sich bedankt: 144 Mal
Danksagung erhalten: 627 Mal
Kontaktdaten:

Re: Midge Tip Schnur oder Polyleader?

Beitrag von Harald aus LEV »

Hallo Hendrik,
ich glaube Dir gerne, dass das auf dem Balkan ebenso ist. Dort kenne ich mich allerdings nicht so gut aus.
Diese 1 Boot-100 Schlüssel-Aktion finde ich super. Es kommt halt immer auf die Situation/Region an.

Gruß
Harald
Fliegenfischen - Der natürliche Weg
FlyandHunt
Beiträge: 648
Registriert: 17.01.2019, 10:36
Hat sich bedankt: 68 Mal
Danksagung erhalten: 237 Mal

Re: Midge Tip Schnur oder Polyleader?

Beitrag von FlyandHunt »

Hallo Yannick,

im Buch Nymphenfischen ist auch ein schöner Teil zum Fliegenfischen im stillen Gewässer.
Schwierig wird es leider an dieses Buch zu kommen, da vergriffen.

Tolle Ausführungen von den Anderen zu dem Thema.

Grüße
Ferdinand
„There is no greater fan of fly fishing than the worm. “ Patrick F. McManus
Benutzeravatar
fishbone
Beiträge: 55
Registriert: 23.01.2017, 14:59
Wohnort: Schiers
Hat sich bedankt: 23 Mal
Danksagung erhalten: 4 Mal
Kontaktdaten:

Re: Midge Tip Schnur oder Polyleader?

Beitrag von fishbone »

Hallo zusammen

Wow, danke für all diese spannenden Beiträge! Ich werde es erstmals mit den Polyleadern und 3 Buzzern versuchen. Auf Hecht und Barsch habe ich in unseren Seen schon oft gefischt und habe auch eine gewisse Erfahrung. Da benütze ich von der floater bis zur Sink 7 so ziemlich alles. Nun möchte ich jedoch mehr im über Buzzer lernen. Wir haben einige Seen wo Regenbogenforellen eingesetzt werden. Werde es einfach mal versuchen. :)

Danke für die Hilfe! Ich werde gerne darüber berichten.

Liebe Grüsse, Yanick
WWW.FLYTASTIC.NET
Antworten