Liebes Elchvieh,
Vielen Dank für Deine ausführliche Antwort!
Ich habe auch lange über Deine Gedanken nachgedacht und wollte mich erst einmal entschuldigen. Ich war in meiner Formulierung sehr drastisch.
Du hast natürlich recht, dass es nichts nützt Vorwürfe auszusprechen und sich von den Geistern der Vergangenheit verunsichern zu lassen. Unsere Geschichte hat mich tatsächlich viele Jahre verunsichert und mein Verhältnis zu Deutschland und unserer Kultur ist erst seit Ende meiner Zwanziger gesund und fundiert geworden (behaupte ich jetzt mal
)
Ich weiß nicht, wo ich nun anfangen soll, und würde am liebsten einfach in Medias Res gehen.
Es sind allerdings hier so viele Themen angesprochen worden, dass ich mich gerade überfordert fühle, auf alles adäquat einzugehen.
Ich habe viel Gram empfunden, als ich mich als junger Mensch mit unserer Geschichte auseinandergesetzt habe, das erste Mal Berlin besucht habe, als ich in Weimar studiert habe, wobei die Vergangenheit dabei höchst Schizophren auf mich gewirkt hat: Wehmut beim Anblick der alten Architektur und Kultur, die sich ja gerade in den Teilen der ehemaligen DDR auf wundersame Weise gegen den Kommunismus erwehrt und erhalten hat. Noch mehr Wehmut empfinde ich, wenn ich bedenke, das das in ganz Deutschland so war, und zwar nicht als museale Hülle wie heute, sondern als Ausdruck einer Identität einer traditionsreichen Dichter und Denkernation! Natürlich fühle ich aber auch die Hoffnung, dass all dies doch überstanden ist (ich meine National- und realer Sozialismus) und noch vieles besser werden wird.
Lange Rede kurzer Sinn: ich wünschte vieles wäre anders gelaufen bei uns. Ich wünschte, die vorherigen Generationen wären nicht so zerstörerisch ans Werk gegangen. Damit meine ich aber eben auch die Nachkriegsgenerationen. Ich finde selbst die Generation meiner Eltern (etwa Jahrgang 1950) in dieser Hinsicht unglaublich destruktiv: was noch nach dem Krieg an Architektur, Kultur und Werten zerstört wurde, ist sicher einmalig in der deutschen Geschichte. Und ja, ich Hege Groll, dass diese Generation immer noch in den Institutionen sitzt und weiter wurschtelt.
Ich habe Dich, liebes Elchvieh, da glaube ich zu Unrecht hin verortet.
Ich stimme Dir auf jeden Fall zu, dass WIR das Leben gestalten und auch Dinge verändern können.
In diesem Sinne vielen Dank für die vielen Anregungen und ja, Kraft für Deine zur Zeit traurigen Aktivitäten.
Ich Schick mal einen herzlichen Gruss hinterher!