moin,
es war lange vor meiner ethischen Wandlung und dem Eintritt in die heiligen Hallen des Fliegenfischens, damals noch ganz jung an Jahren und erst kurz im Besitz der Sportfischerprüfung und des ersten Jahresscheins. Mein Vater hatte nach meinem langen Quengeln endlich nachgegeben und eines schönen Sonntags wurde die gesamte Familie in den Audi 100 gepackt und gen Edersee verschifft. Während der Rest meines Stammes dem süßen Nichtstun in der Sonne frönte, stand ich mit meiner Shakespeare Teleskoprute am Ufer und stippte auf allerlei Weißfische. Die Stunden vergingen, der Mischpoke wurde es langweilig, man drängte zur Heimfahrt. Ein Viertelstündchen konnte ich noch herausschlagen, dann sollte aber endgültig Schluss sein! Also kippte ich den Rest aus meinem Futtereimer in den See, warf letzmalig meine Angel aus und harrte auf das Wackeln der Stachelschweinpose. Das ließ auch nicht lange auf sich warten. Das Rütteln und der Zug an der Schnur waren aber deutlich anders, als bei den kleineren Fischen zuvor. Nach kurzen Drill lag eine kapitale Rotfeder zu meinen Füßen. Es schüttelt mich heute noch, gestehen zu müssen, dass 3 Maden am 18er Goldhaken und geschätzte 10kg Lockfutter diesen Fang ermöglichten. Egal, man sollte auch zu seinen übelsten Schandtaten stehen!
Dass ich mich damals über den Ausnahmefisch durchaus gefreut habe, muss wohl nicht extra erwähnt werden. Gemessen und gewogen hätte ich den Fisch jedoch nicht. Er hatte, ohne groß nachmessen zu müssen, das Schonmaß überschritten. Das war für mich das Wesentliche.
Allerdings hatte ein neben mir positionierter Matchfischer (den ich an der sündteuren 8m Stippe zu erkennen glaubte) den Fang beobachtet, kam auf mich zu und vermaß meinen Fisch mit Maßband und Hängewaage. 38cm, 980 Gramm. Als er dann noch meinte, damit wäre ich in der aktuellen Blinker-Hitparade ziemlich weit vorne, war mein jugendlicher Ehrgeiz latürnich geweckt.
Auf dem Heimweg fuhren wir also bei "Oma" in Frankenberg vorbei (Ederseefischer der 70er und 80er Jahre werden das alte Ehepaar in der Angelfachhandlung direkt an der Ederquerung noch kennen, die man gerne mal um 2:oo Uhr morgens zwecks Erlangung einer Tageskarte aus dem Bett klingeln durfte.) zeigte dort meinen Fisch vor und erhielt die Bestätigung der enormen Ausmaße sowie ein leidlich scharfes Polaroidfoto. Leider hat dieses wichtige Dokument meiner Leidenschaft es nicht bis in die Neuzeit geschafft, der Fotogilb war hier unbarmherzig. Sei's drum. Damals war die Rotfeder auf dem Bildchen als solche recht gut zu erkennen und mit der Bestätigung des Fachhändlers ging die Post ab an den Blinker. Einige Tage später erhielt ich die Bestätigung des Eingangs meiner Meldung. Mit Spannung erwartet ich dann die Lieferung des neuen Heftes und sah mich schon im Geiste auf Platz eins der öminösen Fischcharts! Welche Enttäuschung, als das Heft endlich da war, aber gleich drei Kollegen mit dickeren Fischen mein Exemplar ins Tabellennirwana schossen.
Damals schwor ich mir, niemals wieder einen Fisch zu messen oder zu fotografieren, schon mal gar nicht wieder an irgendwelchen Hitparaden, charts oder Rekordtabellen teilzunehmen. Mit ein paar kleinen Ausnahmen habe ich das bis heute durchgehalten. Und in Ermangelung des Fangs mehr als handlanger Forellen etc. wird sich daran auch zukünftig wenig ändern. Stille Freude soll mein Lohn sein, wenn ich doch mal einen Ausnahmefisch erwischen sollte.
Wer das anders sieht und seine Fänge der Menschheit darstellen möchte, kann und soll das gerne tun. Es ist doch ganz interessant zu sehen, wer wo, wie, welchen Fisch fing. Ich selbst brauche das nicht (mehr). Ich gebe jedoch gerne zu, dass es mich manchmal, aber wirklich nur manchmal und auch nur ein ganz klein wenig neidisch macht, wenn ich sehe, wo überall auf der Welt diverse Kollegen sich herumtreiben und dicke bis dickste Fische fangen und in die Kameras des begleitenden Aufnahmeteams halten. Dann durchzuckt es mich am Computer, ich schließe den Deckel und wenn's ganz schlimm kommt, gehe ich über die Straße an meinen Bach, schaue hinein und denke: Jetzt könnte ich die 80er Bachforelle, die ganz sicher dort unter der Weidenwurzel ihr Zuhause hat, mit einer leichten Trockenen fangen. Morgen. Oder Übermorgen. Oder nächste Woche. Erfahren wird es aber niemand...
Groetjes
Hardy