Trockenfliege hat geschrieben:Für eine Päsentation einer Fliege kurz unter der Wasseroberfläche entgeht mir der Sinn für eine spezielle Fliegenschnur.
Was macht diese Fliegenschnur für diesen Einsatzzweck anders als ein zB. Fluovorfach oder ein intermediat Polyleader in 5 - 10 ` oder eine Kombination aus beidem?
Der Vorteil der Midge Tip liegt dann in der fehlenden Verbindungstelle von Schnur und Polyleader, ok.
Der Nachteil liegt für mich aber ganz klar im vorgegebenen Profil der Schnur.
Bei einer Kombination mit Polyleader kann ich jedes beliebige Profil verwenden und brauche auch beim Schnurklassenwechsel keine extra Schnur, wenn schon eine normale Trockenschnur vorhanden ist.
LG
Reinhard
Hallo Reinhardt,
das hatte ich in meinem obigen Schriftstück versucht hervorzuheben. Grundsätzlich kann man auch Polyleader verwenden (hab ich auch in der Weste!
). Wie oben beschrieben, ist es v. a. für (Möchtegern-)Wettkampffischer auf den britischen Inseln interessant, weil man mittels Kasettenwechselspulen schnell umstellen kann. Manche Wettkampfregeln schränken die Rutenanzahl während des Wettbewerbs ein. Meist sind zwei bis drei aufgebaute Ruten erlaubt. Da es hier auf Schnelligkeit ankommt, ist ein Polyleader nicht ganz so bequem. Ich verweise hierzu auf ein Video von Simon Gawsworth:
https://youtu.be/y_M3R9G8Wzc?t=1466. Ungefähr bei 24:25 sieht man, wie "Competition-Angler" die Schnur auswechseln. Mit einem Polyleader müsstest du den Polyleader eventuell neu einschlaufen - vergiss nicht, dass die Briten meist mit mehreren Fliegen pro "Cast" fischen, was dann deutlich fummeliger wäre. Außerdem kommst du mit einem Polyleader "nur so tief".
Wie gesagt, die Midgetip-Schnur ist eine absolute Spezialschnur, wenn man sonst alles hat (meine Meinung), aber eben auch eine super fängige Schnur an Stillgewässern, wahrscheinlich meine meistbenutzte Schnur neben der Trockenschnur. Wenn die Bedingungen da sind, kann man mit Chironomidenmustern damit ziemlich gut abräumen. Lohnt sich dann, wenn man diese Fischerei häufig betreibt (wie dies bei vielen anderen FliFi-Disziplinen auch der Fall, z. B. Czech Nymphing - muss man mögen oder man lässt es....). Ich habe zuerst mit Polyleadern + Schwimmschnur angefangen.
Zum Profil der Schnur: ich glaube das ist meine geringste Sorge - das "Problem" hast du bei jeder Vollschnur! - daher ist die genaue Auswahl für den benötigten Einsatzzweck für mich kein spezifisches Stillwater-Schnur-Problem. Die Midgetip-Schnüre sind für das Führen von "Midges" und "Buzzern" gemacht und dafür werden sie in der Regel auch verwendet - Buzzer Fishing ist halt eine Welt für sich; ich will hier gar nicht weiter drauf eingehen. Wie oben erwähnt, werfe ich aber auch gerne Streamer damit. Meiner Meinung nach benötigt man nicht hundert verschiedene Schnurprofile beim Stillwater Fishing, hingegen benötigt man durchaus Schnüre, mit denen man unterschiedliche Wassertiefen abfischen kann. Von daher würde ich empfehlen einen Schnurhersteller, der Stillwater Schnüre herstellt, zu finden, z. B. Airflo, Vision, RIO. Wenn man mit der "Probeschnur" zufrieden ist, kann man sich einige der restlichen Sinkraten kaufen, um verschiedene Wassertiefen abzudecken. Man muss aber beachten, dass die wettkampfliebenden Briten es hier sehr übertreiben, andererseits schwören sie darauf, dass an Tag X die Schnur Y besser gefangen hat als die Schnur Z, obwohl Schnur Y und Z sich vielleicht nur um 1 Inch/Sekunde in der Sinkrate unterscheiden... also ist Vorsicht geboten! Nicht übertreiben, wie oben mit den 20-40 Schnüren mancher Wettkampfangler!
Zum Vorteil ggü. einer Schwimmschnur: du musst mit einer Midgetip/Slow-/Fast-Intermediate/Sinktip nicht so lange Zählen wie mit der Schwimmschnur + Vorfach. Wie oben beschrieben, geht es hier um Zeiteinsparung (Wettkampf, menschliche Ungeduld), sowohl beim Umbau der Montage als auch beim Abzählen der Tiefe. Und glaub mir: wenn du mit einer Slow-Intermediate das fünfte mal bis 90 zählst (angenommen da stehen die Fische heute!), weil du keine schneller sinkende Schnur dabei hast, dann hast du entweder eine Engelsgeduld oder du drehst früher oder später voll durch! Die Midgetip wird innerhalb einer bestimmten Zeit eine bestimmte Tiefe erreichen. Das hatte ich oben vergessen zu erwähnen, aber dieses "Abzählen der Gewässertiefe" ist ein wichtiges Element bei der Stillwater-Fischerei. Da sich die Fische (meist besetzte Regenbogenforellen) zu bestimmten Zeiten (Tageszeit) und unter bestimmten Bedingungen (Wassertemperatur, Sauerstoffgehalt, Sonneneinstrahlung, Wind, Futtervorkommen) in einer bestimmten Schicht (Wassertiefe) befinden, kommt man mit den unterschiedlichen Sinkraten der Stillwasser-Fliegenschnüre unterschiedlich schnell in die "richtige" Wasserschicht. Wenn man seine Vorfächer wechselt, wie oben von Simon Gawesworth gezeigt, gelingt der Umstieg von sagen wir einer Trockenschnur zu einer Slow-Intermediate Schnur deutlich schneller. Für den "Pleasure-Fisher" ist es allerdings egal, ob er eine Trockenfliegenschnur mit (Slow-)Intermediate Polyleader fischt oder direkt auf eine Midgetip Schnur o. ä. wechselt. Außerdem - und das ist wieder meine Meinung - schaltet man mit den vielen Schnüren ein wenig den Zufall aus. Ich denke ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass neben der Trockenschnur die Midgetip eine meiner besten und meistbenutzen Schnüre für die Stillgewässerangelei ist. Außerdem hält eine Midgetip-Schnur deine Fliegen in einer bestimmten Tiefe - und diese Tiefe ist häufig genau dieser "Sweetspot" unter der Oberfläche - wenn sie dann noch auf Chironomidenjagd sind, dann schlägt die Stunde der Midgetip!!!. Du darfst nicht vergessen: jedes mal, wenn du an deiner Trockenschnur ziehst, ziehst du auch die (abgesunkenen) Fliegen wieder hoch - das kann oftmals erwünscht sein!! - aber manchmal ist es nicht gewünscht oder Fische mögen die vertikale Bewegung der Fliegen aus irgendeinem Grund nicht.
Beispiel: Angenommen du fischst mit einer Trockenschnur mit drei Fliegen (sagen wir Nymphen und Buzzer) gleichverteilt auf einem Cast. Du bekommst aber ausschließlich Bisse auf die oberste Fliege (top fly, auch bob fly genannt), dann würde ich daraus folgern, dass die Fische v. a. Nahrung in der obersten Wassersäule aufnehmen. In diesem Fall würde sich der Wechsel auf die Midgetip-Schnur lohnen, weil diese alle drei Fliegen relativ weit oben anbietet und dir dadurch höhere Chancen auf Bisse gibt.
Müsste ich mich aber auf drei Schnüre beschränken wären dies ganz klar: Trockenschnur (evtl. mit Polyleadern, für Trockenfliegen, Emerger, Bung Fishing), Slow-(Full-)Intermediate Schnur (0.5 Inch/Sekunde, "als Quasi-Midgetip", für Buzzer, Nymphen usw.) und eine Fast-(Full-)Intermediate (1.5-2.0 Inch/Sekunde, für Streamer).
Wie gesagt, ein recht umfangreiches Themengebiet, dass im deutschsprachigen Raum leider kaum Anklang findet.