Hi Alex
Hallo allerseits
Mir geht es nicht ums Zerfleischen, aber ums Spiel mit offenen Karten. So kann jeder verstehen, welche Voraussetzungen er mitbringen muss und erhält ein realistisches Bild. Ich rechne Deine Zahlen mal durch auf einen Tagessatz pro Fischer, wobei ich davon ausgehe, dass jeder Vollzeit fischen will.
250 - Lizenz
300 - Guide (halber Guidesatz plus Trinkgeld)
300 - Lodge (Vollverpflegung)
50 - Sonstiges (Trinkgelder Lodge, Alkohol etc.)
Macht für mich einen Tagessatz von 900 Euro. Gehen wir davon aus, dass man nicht für einen Tag, sondern sagen wir für 5 Tage losgeht, sind wir bei 4500 Euro. Eine Übernachtung jeweils bei An- und Abreise incl. Verpflegung summiert sich auf rund 400 € (und das ist meiner Erfahrung nach nicht luxuriös). Transfer zum Wasser und zurück nochmal 200 € und der Flug 500 Euro. Komme ich auf 5600 Euro oder über 1100 Euro Durchschnittskosten pro Tag. Für eine geteilte Rute (=6 h Fischen pro Tag) würde ich nicht linear von der Hälfte ausgehen, sondern sagen wir 60-70% mitteln wir mal auf 700€ pro Tag und Nase.
Die "DIY-Lösung": 230 Lizenz, 60 Unterkunft, 90 Verpflegung etc., 50 Mietwagen (ca. 100€ durch 2 geteilt) sind Summe: 430 Euro. Wobei das dann ohne den Guide ist, den Du ja dringend empfiehlst und diese Meinung teile ich. Nehmen wir an den engagieren wir für 2 Tage zwecks Einweisung am Wasser uns danach gehen wir auf eigene Faust: 600 €. Auf 5 Tage: 2750 Euro. Plus Flug (500) und Anreisekosten (400) wie oben sowie Sonstiges (Sprit, Alkohol etc.) mit sagen wir 300 Euro: 3950 Euro oder 790 € pro Tag.
Also komme ich auf 1100€ bzw. 800 € pro Tag. Stimmt meine Mathematik? Und verstehen wir unter "vernünftige Lachsfischerei“, dass wir private Beats haben (Halbtagsrotation mit 2 Ruten pro Beat) und der Fang in dieser Kalenderwoche (nicht über die Saison für den ganzen Fluss gemittelt) im Schnitt ca. 1 Lachs (für geteilte Rute besser 2 Lachse) pro Tag und Rute ist?
Es wäre dann noch nett, Alex, wenn Du mit uns teilen würdest, welche Flüsse zu diesen Konditionen zu haben sind.
Wenn nicht, ist das bedauerlich, aber nicht ungewöhnlich. Dann laufen wir aber halt nach der Geldfrage in das andere Thema rein: Verbindungen. Man muss jemanden kennen oder mindestens jemanden der jemanden kennt. Das ist zu akzeptieren und ich kenne auch die Meinungen derer, die Ihre Geheimplätze (und ein guter Lachsfluss, zu dem man privat Zugang erhält, ist wohl auch so etwas) durch Schweigen verteidigen. Das ist schade, aber auch das sollte man dann offen zugeben. Denn wer das nicht durchschaut fragt sich dann, ob er zu blöde ist, an gute Fischerei zu kommen. Es hilft sicherlich, wenn man sich in einem Netzwerk von Lachsfischern bewegt, sei es durch private Vernetzung oder durch berufliche, was dann sicherlich nochmals ganz andere Verbindungen zu Einheimischen und (vielleicht dann über diese oder direkt über die Firma) Kontakt zu kleineren oder privaten oder exklusiven Gewässern ermöglicht. Darüber verfügen aber die wenigsten von uns.
Sicherlich gibt es haufenweise Flüsse in Skandinavischen Ländern, bei denen man nur den Besitzer fragen muss (wie Joosti schreibt). Aber dazu muss man erst mal rausfinden, ob das Gewässer die Mühe lohnt (zu dieser Jahreszeit, bei diesem Wasserstand und ob dort überhaupt Lachse vorkommen) und da wird ein Blick von der Straßenbrücke nicht genügen... ideal ist es also auch schon hier, wenn man einen Tipp von Einheimischen hat, wo man hinfährt. Dann den Besitzer finden (der das meiner Erfahrung nach auch nicht immer weiß oder bei Aussicht auf Extrageld mit der Wahrheit flexibel ist) und dann die passenden Stellen im Fluss. Ich habe das oft genug versucht und dabei für kleines Geld auch gutes Forellenfischen gefunden. Lachsfischen leider nie. Aber wenn ich für eine Woche Fischen irgendwo hin fahre, will zumindest ich nicht die Hälfte meiner Zeit mit Suchen, Diskutieren und dem Aussortieren von Nieten-Gewässern verbringen. Vor allen Dingen nicht, wenn meine Holde es nicht toleriert, dass ich meinen Jahresurlaub mit Fischen verbringe, mir also nur, sagen wir 1-2 Wochen im Jahre bleiben. Also auch hier wieder: Jemanden kennen ist der Schlüssel. Oder - und das würde ich mir wünschen - man teilt hier eben solche Hinweise und sei es nur dosiert per PN. Joosti, würdest du Di das machen?
Ich kann im Übrigen der Haltung "den Fisch erarbeiten" durchaus etwas abgewinnen. Aber die Arbeit sollte für mich am Wasser stattfinden und schon eine reelle Fangchance bieten, Erarbeiten will ich mir nicht beim Rumfahren und Diskutieren mit Bauern und Pools auskundschaften und aus Versehen auf dem falschen Land stehen und Ärger mit dem andern Bauern kriegen....Sowas nervt. Oder um es mit Nuanda zu sagen: Im zweifelsfall investiere ich meine Energie lieber ins Becircen der Damen, aber ich will bestimmt nicht mit einer Truppe Türsteher rumdiskutieren müssen.
Ich denke im Übrigen nicht, dass meine Einschätzung zu den Geldflüssen Bullshit ist. Sicherlich sahnen die Landeigner ab, ich habe das auch nicht ausgeschlossen, ist sage nur, dass ich eine Steigerung von 10-20% fair fände und nicht glaube, dass sie 100-200% mehr kriegen. Und auch das wäre dann unfair, denn ich glaube sie bringen keine Zusatzleistung zu früher (Kosten für die Smoltprogramme gab es damals und gibt es heute genauso). Aber klar, kann sein, dass sie gierig werden und einfach nehmen, was sie kriegen können, solange jemand zahlt... Setzten wir das mal in Relation zu den Fängen: Die Zahlen des West Ranga waren ja nicht sooooo großartig die vergangenen Jahre (scheint als wurde am Smoltprogramm eher gespart...) , aber sagen wir im langjährigen Mittel gab es 5000 Fische pro Saison, dann lassen sich die Landeigner jeden Fisch mit 200 (!) Euro bezahlen. Finde ich frech - aber ja, solange der Markt mitspielt, bitte. Macht im Saisonschnitt 2 Fische pro Tag und Rute, wobei es in der Hochsaison eher 5-6 und in schwachen Zeiten eher 0,5 pro Tag sind.
Aber ich finde meine These über die Vermittler ebenfalls plausibel, weiche Fakten dazu: Die zunehmende Zahl der Anbieter - wenn da kein Geld drinstecken würde, würden sie es nicht machen und dafür sogar milchige Flüsse pachten, die man fast nur mit Wurm erfolgreich fischen kann. Die irren Summen die diese zu zahlen bereit sind - kein Kaufmann investiert solche Pachtsummen ohne entsprechende Margen zu auf dieses Investment zu erzielen. Die Tatsache, dass ich ein paar Anbieter zumindest so weit kenne, dass sie nicht schlecht leben. Viele davon haben noch dazu ein gewisses Darstellungsbedürfnis und lassen die Öffentlichkeit daran teilhaben, wo und wie oft sie selbst fischen und jagen gehen und wie ihre Trophäenräume aussehen. Meine (halb-)harten Argumente unter Zuhilfenahme von Annahmen sind: Gehen mal davon aus, die West Ranga wäre für 1 Mio. zu haben gewesen. Meines Wissens hat die eine besonders lange Saison von rund 120 Tagen und es werden 20 Ruten gefischt, richtig? Dann wären das doch rund 400 € Lizenzkosten im Schnitt pro Tag und Rute.(Aber immerhin: die 400-Euro-Lizenz wird bei einem Durchschnittsfang von 2 Lachsen immerhin durch die korrekte Menge von 2 Goldlachsen zu je 200 Euro fair aufgewogen
) Addieren wir die gleichen Kosten wie oben (300+300+50) komme ich auf 1050 Euro pro Tag. Wobei ich hier mal sträflich außer Acht lasse, dass so ein Reiseanbieter die Kosten für Guide, Verpflegung etc. nicht 1:1 durchreicht, sondern günstiger einkauft, auf dem Guidehonorar also schon eine Marge drauf ist respektive das Geld nicht zu 100% beim Guide ankommt. Zurück zu den 1050 Euro "Kosten": Ich habe mal schnell recherchiert (Roxtons, AardvardMcLeod) bieten den Tag je nach saisonaler Qualität für 1700 bis 2400 €uro an. Sagen wir, im Schnitt geht der Tag für 2000 Euro übers Ufer, dann sind das 90-100% Marge, die sich der Pächter und der Verkäufer teilen. Ja, auch die bezahlen ihr Personal und ihr Büro und stecken sich die 950 nicht direkt in die Tasche. Aber aus Sicht des Fischers findet hier beim Pächter nicht viel und beim Verkäufer praktisch keine Wertschöpfung statt. Denn wie gesagt, die eigentlichen Leistungserbringer Fische, Fluss, Guide, Koch und Hotelpersonal sind ja vorher schon abgegolten und haben auch bereits (kleinere) Margen drin. Und ich glaube aus andren Teilen der Reisebranche (Pauschalreiseanbieter bauen ja auch nur als Hotel, Vollpension, Strand und Animateur ein Paket zusammen) deren Geschäftsmodell also recht ähnlich ist zu wissen, dass die mit 10-20% Margen schon glücklich sind.
Bevor einer sagt, das sei alles viel Komplizierter und da stehen große Exceltabellen dahinter, die das für jeden Tag viel präziser ausrechnen: Hoffentlich ist das so. Aber mit der naiven "Was geht raus, was geht rein und was geht dazwischen "verloren""-Rechnung kommt man schon auf ganz plausible Werte. Denn am Ende muss die Summe stimmen, egal aus wie vielen Mikrokalkulationen sie sich zusammen setzt. Und die scheint für viele in dem Business sehr gut aufzugehen.
Und ich sage es nochmal: Jeder der eine Leistung erbringt, soll dafür gezahlt werden. Und wenn es eine begehrte Leistung ist, auch etwas besser als nötig. Aber nur dadurch, dass man monopolistisch über den Produktionsfaktor Fluss verfügt - das sind die Landeigentümer und deren Pächter (und evtl. noch die Wiederverkäufer), ist noch keine Wertschöpfung erbracht. Meine Einschätzung ist, dass den horrenden Pachtsummen bei den Landeigentümern und den Margenaufschlägen bei den Veranstaltern zwar etwas, aber eben keine verhältnismäßige Leistung gegenübersteht. Die können die Preise einfach nehmen, weil der Markt mitspielt. Das ist legal und ist das, was man in der Marktwirtschaft unter Fairness versteht. Anständig finde ich das nicht...aber Anstand ist in diesem System keine Kategorie.
Nun komme ich zu Alex' Zahlen zurück: Wenn ich die richtig verstehe, sind die eben ohne Vermittler. Immer noch viel Geld und insbesondre bei der Lizenz habe ich wieder das Gefühl, dass ich einen 250 Euro Lachs fange und auch das nur eventuell. Aber größtenteils zahle ich Leute, die mir eine Leistung abliefern. Wenn ich jetzt mal sage, ich gehe zu meinen Kalkulationen an die West-Ranga, dann kosten mich die 5 Tage dort 10.000 Euro! (Mit Nebenkosten 11.000) Auf Basis der Zahlen von Alex wären wir bei 4500 (bzw.5600). Also 4500 vs. 10000, wobei die fischereiliche Leistung (Guiding und Fische pro Rute) ziemlich ähnlich sein dürfte und in beiden Fällen nicht im Rattenloch geschlafen wird. Wenn ich mir das so ansehe, wünsche ich mir schon mal eine Erklärung dafür, welche wertschöpfenden Leistungen für diesen Unterschied erbracht werden, der je nach Berechnungsgrundlage zwischen 4750 und 5500 Euro liegt. Was ist dafür der Gegenwert für den Fischer?
Soweit meine Einschätzung zum Status und zu den meiner Meinung nach wirtschaftlichen Hintergründen der "teuren" Fischerei. Ich denke meine Mathematik kann man nachvollziehen und die Quellen für die Ausgangszahlen stehen öffentlich bei den entsprechenden Anbietern bzw. wurden zuvor genannt. Wer meine Schlüsse nicht teilt, mag mich gerne widerlegen. Aber bitte mit konkreten Zahlen, weniger Annahmen und präziser Mathematik.
Worauf ich bei dieser Diskussion raus will, sind diese Dinge:
- Den Nebel lichten: Anfängern oder Lebenslangen Träumern beim Verständnis der Mechanismen helfen und sie in die Lage zu versetzten zu sehen, was realistisch ist, was man finanziell oder an Netzwerk oder Zeit mitbringen muss. Und an welchen Hebeln man ziehen kann und welche Kompromisse man dafür eingeht.
- Hinweise sammeln: Wo kann man Fischerei finden, bei der man für den Zugang und die erbrachten Leistung faire Preise zahlt, ohne das verschiedene Beteiligte horrende Margen absahnen, nur weil der Markt es hergibt. Sodass für den was dabei ist, der nur wissen will welcher Fluss sich lohnt, einen fairen Preis hat und wo er die Lizenz mit ein paar Tipps auf der Landkarte bekommt. Aber auch für den, der sich einen vollen Service gönnen will, aber dann auch nur die Serviceerbringer bezahlt und keine Vermittler mit horrenden Aufschlägen.
- Wie und wo kommt der Normalverdiener an eine Lachsfischerei mit fairen Erfolgsaussichten, für die er Preise zahlt, die im vernünftigen Verhältnis zu einer sinnvollen Gegenleistung stehen. (Unterkunft und Guiding = sinnvoll .... Glasfaserinternet, 3*Küche und vom Management handverlesene Kellnerinnen die 10 Sorten Gin anbieten können eher nicht) Und an denen keine Vermittler verdienen, sondern wo sich allenfalls der Guide, der Bauer und das Hotel, die Gäste gegenseitig rumreichen, aber keiner eine Käseglocke drüber gestülpt hat und dafür Geld kassiert.
So, und jetzt geh ich ins Bett und träume davon, dass ich auch mal eine Angellotterie gewinne (neulich beim Atlantic Salmon Trust leider leer ausgegangen) oder eine Isländerin eheliche, der ein gesamtes Tal mit dem darin fliessenden Lachsfluss gehört.
Gruß
Christian