Einfach mal nichts denken

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webwood
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Einfach mal nichts denken

Beitrag von webwood »

Hallo,

klar ist ein Schonzeit-Threat, doch mag sich vielleicht jemand beteiligen und seine Gedanken/Erfahrungen teilen.
Worum geht es eigentlich?

Früher (war tatsächlich auch mal jung) stand ich als Ski-Springer oben auf der Schanze. Das ist dann so eine Mischung aus Angst und Respekt, jedenfalls absolut keine Zeit um an eine unbezahlte Rechnung zu denken. Als ehm. Drachenflieger das Gleiche. Beim Start und bei dem Landeanflug keine Kapazität im Hirnkastl mehr frei, außer dem was ich gerade tue. Als Pistolenschütze brauchte ich jahrelanges Training um wenigstens mal ein paar Sekunden nicht zu denken. Beim Fischen ist das doch, zumindest bei mir, das Gleiche. Sehe ich einen Fisch steigen, was an der Ammer und deren rauem Wasser eh selten ist, montiere ich schnell auf "Trocken" um. Von da an bin ich auf der Pirsch und habe meinen Fokus zu 100% auf das Angeln.
Ich denke/glaube/vermute das das ein archaischer Uristinkt ist. Mit einem Speer ein Mamut jagen oder vor einem Säbelzahntiger mit Vollgas auf den nächsten Baum hetzen mag wohl das gleiche sein. Jedenfalls keine Zeit zu denken. (Säbenzahntiger und Menschen haben nie zeitgleich gelebt, ist mir bekannt, aber so als bildhaftes Beispiel eben OK)
Ich kann mir vorstellen, das selbst beim chilligen Angeln irgenwie Adrenalin eine Rolle spielt. Beim Drill dann gewiss ohnehin.
Sind wir Fliegenfischer eigentlich Adrenalin-Junkies?
Ich freue mich auf Eure Antworten.
TL
Thomas
Angler sterben nie, die riechen nur so.
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Achim Stahl
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Re: Einfach mal nichts denken

Beitrag von Achim Stahl »

Moin,
webwood hat geschrieben: Ich kann mir vorstellen, das selbst beim chilligen Angeln irgenwie Adrenalin eine Rolle spielt. Beim Drill dann gewiss ohnehin.
Sind wir Fliegenfischer eigentlich Adrenalin-Junkies?
Ich freue mich auf Eure Antworten.
TL
Thomas
Ich definitiv.

Ich fieber dem Moment entgegen, in dem die große Forelle die Trockenfliege einsaugt, in dem beim Hechtstreamernn der knallharte Einschlag kommt, in dem beim Meerforellenfischen an der Küste ein blanker Fisch sich aus dem Wasser katapultiert, in dem beim Salzwasserfischen der Backingknoten durch die Ringe klötert...

Wenn ich dafür irgendwann mal nicht mehr brenne, bleibe ich zuhause. :wink:


Viele Grüße!

Achim
Früher war mehr Lametta!
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MahiMahi
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Re: Einfach mal nichts denken

Beitrag von MahiMahi »

Hallo Thomas,
auch wenn du mal jung warst, so alt bist auch noch nicht. Ich glaub ich bin dir voraus.
Als Adrenalin-Junkie fühle ich mich als Fliegenfischer nicht auch wenn wir uns schon zu guten Stellen abgeseilt haben um an die Fische zu kommen.
Das sind dann so Abenteuer wie ich sie mit meinem Sohn erlebe. Immerhin komme ich Ihm noch hinterher. Solang das passt fühle ich mich vom Alter weder alt noch jung.
Das Fliegenfischen hat sich bei mir in den letzten 35 Jahren sehr gefestigt und habe meinen Sohn seit er zehn Jahre alt ist als treuen Begleiter nun heute ist er schon ein wenig älter.
Er ist mittlerweile meines Erachtens auch der bessere Werfer von uns beiden.
Von Winterpause ist hier nicht die Rede. Es ist gerade gute Zeit auf Hecht und Zander. Und bis die Schonzeit haben geht es schon wieder mit Forellen + Co weiter.
Gestern fühlte ich weder Finger noch Zehen vor Kälte aber das stört mich nicht es wird nicht das letzte mal so sein und manchmal wird man doch mit einem Hecht belohnt.
Ein Vorteil ist, wenn ich zum Forellenfischen will kann ich das von der Haustüre weg machen, 200m und ich steh im Wasser. Aber ich will mich nicht zum Gespött der Anwohner machen.
Auch haben wir an der Strecke ne nette Bäckerei die durchaus zum Kaffee und einen Kuchen einlädt. Wenn ich mir aber vorstelle, dass das Reinigungspersonal hinterher auftrocknen muß?
So mutig war ich doch noch nicht obwohl es seinen Reiz hätte. In Bayern oder Österreich fällst du nicht auf da ist das normal.
Ja und so fische ich jahrein jahraus und es geht nie zu End zumindest mit dem Fischen. Wenn dann noch zwei aus dem gleichen Stall kommen und gleich orientiert sind dann passt das ganz gut.
Nicht mit jedem Fischerfreund kann ich das machen was ich und mein Junior zusammen mache und erleben.

LG
Harry
Fliifi-Sepp
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Re: Einfach mal nichts denken

Beitrag von Fliifi-Sepp »

Guter Faden, Thomas!

Ich jedenfalls denke nicht mehr leicht an was Anderes, wenn ich beginne, meine Sachen fürs Fliegenfischen zusammen zu packen:

Welche Stelle will ich als erstes befischen?
Stromauf oder Stromab?
Wo parke ich das Auto am besten? (Ich mache meist richtig viel Strecke, da ich mich meiste nicht lange an einer Stelle aufhalte)
Welche Rute und welche Schnur?
Welche Reserveschnüre?
Kann ich aktive Fische ausmachen?
Welche Standplätze erscheinen mir bei diesen Verhältnissen am Erfolgversprechendsten?
Taktik-Änderung nötig?
Bis dahin muss noch kein Fisch die Fliege genommen haben, daß ich nicht schon ausreichend beschäftigt bin, um alles Andere zu vergessen!

Ich musss dazu sagen, daß ich nicht direkt von anderen Fischerei-Methoden zum Fliegenfischen gekommen bin. Klar, ich war auch vorher schon gelegentlich mit "Stoppel" und Spinnrute am See fischen. Aber das hat mich eher gelangweilt (bitte um Vergebung bei Anhängern anderer Fischereimethoden, die ich durchaus respektiere!). Wenn da nicht innerhalb von 15 Minuten ein Fisch gebissen hat, lagen die Nerven bei mir blank. Geduld ist leider nicht meine Stärke!
Bei mir war es eher die Suche nach etwas, wo ich einen Ausgleich zu meinem Beruf finden konnte. Eigentlich wollte ich mit Golfspielen anfangen, da viele meiner Tennis-Kollegen damit angefangen hatten und meinten, daß man damit den Kopf frei bekommen würde.

Ich landete eher zufällig auf einer Tourismus-Messe, der damals ein Jagd- und Fischerei-Messe "angegliedert" war, in der Fischerei-Halle. Eigentlich wollte ich schauen, wo denn der nächste Urlaub hingehen sollte. Fischen stand definitiv nicht auf dem Plan.
Beim Versuch, die Fischerei-Halle möglichst schnell wieder zu verlassen, sah ich am Stand eines Fliegenfischer-Ausstellers videos von wunderschönen Wurfdemonstrationen. Dort wurden auch Fliegenfischer-Kurse angeboten.
Ich blieb stehen und fragte: "Wenn ich bei Euch so einen Kurs mache, kann ich das dann auch so schön machen?"
"Wenn Du lange genug übst, dann ja!", war die Antwort.

Da gerade alle Golfplätze im Regen versanken und der nächste Fliegenfischer-Kurs unmittelbar möglich war, buchte ich den gleich mal.

Mit dem Golfen ist das dann nichts mehr geworden. Und ich mußte tatsächlich lange üben, um den Würfen auf den Videos nahe zu kommen. Aber den Kopf habe ich tatsächlich frei bekommen, wenn ich zum Fliegenfischen gehe.
Und Fische muß ich nicht wirklich immer fangen, wenn ich am Wasser unterwegs bin. Aber wenn ich nach meiner persönlichen Einschätzung heraus gut geworfen und eigentlich alles richtig gemacht habe, aber die Fische halt nicht wollten, dann war es trotzdem ein schöner Tag!

Und wenn ich nicht ans Wasser kann, dann gibt es Bücher und Zeitschriften, die ich meist schon mehrmals gelesen habe, kann mein Material pflegen, Fliegen binden, in Foren stöbern und auch mal was posten, oder mich mit anderen durchgeknallten Fliegenfischern analog und digital austauschen.

Ich habe meinen Ausgleich gefunden!

LG Sepp
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webwood
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Re: Einfach mal nichts denken

Beitrag von webwood »

Danke erstmal für eure Antworten.
Mental "Auszeit" nehmen passt hier natürlich genauso zum Thema und darüber bitte auch posten.
Ich meinte indess einen anderen Geisteszustand. Eben im "Hier und Jetzt" Also Focus auf das was ich gerade tue, ohne jedwede andere Gedanken. Das ist zwangsläufig immer nur ein recht kurzer Moment, dafür intensivst. Also man macht etwas und hat keinen Raum für andere Gedanken. Drill eines Fisches bei einem eigentlich zu dünnen Vorfachs z.B. Da schweifen die Gedanken gewiss nicht ab. Das meine ich.
Es war hier ein ganz lieber User, der nach seinem Tod nicht mehr erwähnt werden will, was ich selbstverständlich respektiere. Eben dieser User war Abt eines buddhistischen Klosters und wurde zu einem ganz engen Freund. Wir haben nächtelang genau über dieses Thema des totalen Fokus diskutiert. Besagter Freund ist schon so lange verstorben, dass ich es nicht mehr pietätlos finde, darüber weiter bzw. erneut zu diskutieren.
(Bitte erspart mir Erklärungen warum ein Buddist zur Angel greift und gar Jäger wurde. Das war seine Entscheidung, die ich respektiere aber es steht mir nicht zu, das zu kommentieren)
Liebe Grüße und TL
Thomas
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MahiMahi
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Re: Einfach mal nichts denken

Beitrag von MahiMahi »

Hi an alle,
tolles Thema @ Sepp mir kommt es vor als wie wenn wir schon mal zusammen fischen waren. (Gedanken sehr identisch).
Jetzt hau ich mich langsam in die Falle, war ein arbeitsreicher Tag. Träume von morgen, da hat mir mein Sohn schon zugesagt gemeinsam auf Hecht zu Streamern.

LG
Harry
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webwood
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Re: Einfach mal nichts denken

Beitrag von webwood »

Kennt ihr das auch?
Man hat sich über irgend etwas geärgert. Um auf andere Gedanken zu kommen geht man fischen. Irgendwie kann man aber nicht abschalten und der Ärger fischt mit.
Erst mal montiert man sein Gerät und als alles fertig ist, stellt man fest, man hat einen Ring beim Schnuraufziehen übersehen. Grrr!!!! Dann wirft man und dieser Drecksbusch inhaliert deine Fliege. Natürlich ist dort das Wasser so tief und schnell, das man nicht hinkommt und abreißen muss. Man montiert neu und hat auch Bisse, nur jeder Fisch kommt ab. Kreitzkrutzitürken noch amal! Irgendwann, eher bald, hat man einfach die Schnauze voll und packt zusammen. Dabei stellt man dann fest, dass man wohl beim Rückschwung die Fliege in die Steine geknallt hat und der Haken ist gebrochen. Erklärt die vielen Fehlbisse aber der Tag ist da für mich gelaufen.
Zum Glück sind diese Tage sehr selten, außerdem habe ich gelernt, dass es einfach Tage gibt, an denen man besser zu Hause bleibt, weil mental unfähig zu angeln.

Schöne Tage am Wasser wünscht
Thomas
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Re: Einfach mal nichts denken

Beitrag von Lorenz »

Sehr schöner Thread,
Wenn der Kopf nicht frei ist, sollte man es lassen.
Hier könnte ich das Geschriebene von Thomas 1 zu 1 übernehmen.

Wenn am Wasser überhaupt nichts klappt packe ich meine Sachen ein, geh wandern oder auf ein Glas Wein ins nächste Weinlokal.

Am Bindestock habe ich die gleiche Erfahrung gemacht.
Ich hatte mir fest vorgenommen am Wettbewerb schönste Weihnachtsfliege teilzunehmen.
Mein Muster auf einem Blatt vorgezeichnet, das Material vorbereitet spannte ich voll motiviert die erste Büroklammer ein, die mit fünf weiteren später auf dem Haken eingebunden, einen Stern darstellen sollte.
Tolles Ergebnis die erste Klammer mit Dubbing und Flashmaterial versehen war nach 25 Minuten Bindezeit fertig.
Am nächsten Tag sollte es weiter gehen.
Mit einem Kopf voller Unruhe konnte ich keinen sauberen Bindeschritt mehr hinlegen.
Alles war Grotten hässlich.
Nach einer Stunde wurden die ersten fertigen Bausteine im Mülleimer entsorgt und die ganze Geschichte eingestellt.
2022 probiere ich es nochmal!
Beste Grüße und ein gedankenfreies Adventswochenende wünscht Euch
Peter
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Re: Einfach mal nichts denken

Beitrag von Michl »

Hallo,
wenn der Brass die Gedanken überlagert wirds nix, da hast Du recht Thomas.
Mir hilft es dann mal eine Weile ans Ufer zu sitzen und runterzukommen.
Wenn man dann eingenordet und fixiert ist wirds besser.
Meistens klappts, aber ned immer........
Nix denken trifft es bei mir nicht, eher fokussiert denken und eben, anders als sonst, nur an eine Sache.
Ich merk das meistens erst hinterher, beim zusammenpacken macht man alles bissel langsamer und bewusster, zufrieden halt.
Da merkt man das man zumindest ein paar Stunden intensiv gelebt hat, nicht nur funktioniert.
Wenns dunkel wird und die ersten Fledermäuse übers Wasser gauckeln, da ist das Gefühl auch da.
Oder an der Küste im Oktober, wenn abends die Zugvögel über der See ankommen und der Wind nachlässt.
Genial, das muss man auskosten, gibt zumindest mir die Kraft dem Alltag wieder eine Zeitlang die Stirn zu bieten.

So ähnlich krieg ich das nur noch beim Mopedfahren hin, aber nur ganz früh morgens ohne Verkehr und auf der richtigen Strecke, zum Frühstück zurück und die Mundwinkel sind für 2 Stunden wie hochgetackert.

Du nimmst Dir vor das ab sofort ganz oft zu machen, und dann machst Du es wie immer viel zu selten.

Naja, das Leben ist halt kein Ponyschlecken, oder so.... :mrgreen:

Gruß Michl
Die Beute ist unwesentlich, entscheidend ist nur das Gefühl.
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Harald aus LEV
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Re: Einfach mal nichts denken

Beitrag von Harald aus LEV »

Hallo Thomas,
solche Tage kennt sicher jeder von uns.
Die Alternative wäre für mich z.B. mich aufs Motorrad zu setzen und durchs Bergische zu heizen. Das könnte jedoch in einer solchen Stimmung recht teuer werden, und mich zum Fußgänger auf Zeit degradieren. :D

Gruß
Harald
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webwood
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Re: Einfach mal nichts denken

Beitrag von webwood »

Hallo,
ich erhielt einen Text durch eines sehr geschätzten Mitgliedes unserer Truppe. Eben dieser User verdient sein Geld mir Fliegenfischen oder zumindest ein Zubrot (Keine Ahnung) Er möchte hier keine Eigenwerbung betreiben, was ich ihm gerade als Mod sehr hoch anrechne. "Danke für deine Zurückhaltung und Anstand".
Ungeachtet dessen halte ich seine Gedanken und Reflexionen zu unserem Thema hier für absolut lesenswert und es wäre viel zu schade, als das nur ich diese per PN lesen kann. So habe ich nachgefragt ob ich anonymisiert hier seine Zeilen veröffentlichen darf und erhielt ein OK.
Also-lest selbst untenstehenden Text.

TL
Thomas

Im Grunde muss man beim Fliegenfischen nicht zwingend einen Fisch fangen, um eine schöne Zeit zu haben.
Fliegenfischen kann etwas Meditatives haben. Es bedeutet Eins zu sein mit der Natur, in gerade diesem Augenblick. Wobei ich „meditativ“ nicht im Sinne von religiös verstehe. Ich habe keine persönlichen Erfahrungen mit religiösen Meditationstechniken. Jedoch bin ich der Meinung, dass das Fliegenfischen, wenn mit richtiger Geisteshaltung und Stil praktiziert, ein meditatives Erlebnis sein kann. Vor allem geht es um die richtige Wahrnehmung. Das Erleben der Natur gibt den Sinnen den nötigen Raum. Wenn man wahrnimmt, was in der Umgebung geschieht, und dem Fliegenfischen die volle, ungeteilte Aufmerksamkeit zukommen lässt, verursacht das diesen Sinneszustand, mit dem Gefühl von Erfrischung, Erholung und mentaler Ausgeglichenheit. Ich habe dies schon öfter nach einem langen stress- und arbeitsreichen Tag erleben dürfen. Das ist Erholung pur. Wohl gemerkt, das ist kein Ergebnis von entrückter Träumerei, als vielmehr von voller Konzentration. Effektives Fliegenfischen bedingt Konzentration. Allein schon draußen zu sein hat einen beruhigenden Effekt.
Während ich an einem Fluss stehe, ermutigt mich der Klang von Wind und Wasser, und von den mich umgebenden Geräuschen dazu, einfach nur zuzuhören. Dies erzeugt eine höhere Sensibilität. Diese vereinfacht es, die Gedankenflut, die mich ansonsten ständig umgibt und beschäftigt, herunterzufahren und mich mehr auf die Dinge einzustimmen, die mich unmittelbar umgeben. Die Dinge so zu sehen, wie sie sind. Ich fühle mich wohl in der Natur und weiß, mich in ihr zu bewegen und mit ihr umzugehen.
- Ich weiß, dass ich in der Lage bin, meine Fliege treffsicher zu platzieren.
- Watend in reißendem Wasser oder auf tückischem Grund, weiß ich um die Gefahr und mit ihr umzugehen und weiß, dass mich so schnell nichts umwerfen kann, wenn ich nur umsichtig und sicher genug vorgehe.
- Ich sehe klarer und werde selbstsicherer am Wasser und in der Natur.
Ich schärfe mein Bewusstsein und fange an, Dinge zu bemerken die schon immer vorhanden waren, die ich aber nie so richtig wahrgenommen habe.
Durch Konzentration auf das, was wir gerade machen, auf das Hier und Jetzt können wir die uns permanent umgebende Gedankenflut zeitweise ausblenden. Wir können einen Zustand erreichen, der uns die verborgenen Dinge wahrnehmen lässt. Gerade diese Konzentration ist wichtig, z.B. beim Nymphenfischen ohne Bissanzeiger. Die volle Konzentration gilt der magischen Stelle, an der die Schnur ins Wasser eintaucht und mit der Strömung abtreibt. Alle anderen Gedanken sind ausgeschaltet. Urplötzlich ist der Geist ganz klar und die Sinne offen und nehmen bewusst und mit erhöhter Intensität war, was um sie herum passiert. Der Fischer wird Eins mit dem Fluss, schafft den Spagat zwischen voller Konzentration und absoluter Entspannung.
So wird Fliegenfischen zu einer meditativen Übung, losgelöst von anderen Gedanken und rationalen Werten. Ich wage zu behaupten, dass fast jeder versierte Nymphenfischer diesen Zustand kennt. Ich praktiziere das Nymphenfischen in der Deaddrift gerne. Dabei lehne ich persönlich Bissanzeiger ab, und versuche, so einfach und mit so wenig Hilfsmitteln wie möglich zu fischen. Auch wenn ich dabei zwangsläufig nicht jeden Biss erkenne.
Auch der eingefleischte Trockenfliegenspezialist wird diesen Zustand kennen. Wenn er vollkommen konzentriert seine Fliege im schnellen Wasser und bei schwierigen Lichtverhältnissen mit den Augen verfolgt und angespannt jederzeit mit einem Anbiss rechnet.
Damit das Ganze nicht in Träumerei am Wasser verfällt, sondern ein effektives Erleben wird, bedarf es aus meiner Sicht einiger Voraussetzungen.
Diese sind:
- sichere Beherrschung des Gerätes
- genaues Beobachten zum Erwerb und Ausbau von Wissen um aquatische Belange
- um Fischnährtiere und das Verhalten von Fischen (denken wie ein Fisch)
- Minimierung auf das Notwendige – kein unnötiger Ballast (gerätetechnisch und mental)
- Übung vollkommener Konzentration auf das, was ich gerade mache, auf das Hier und Jetzt
Natürlich wird das nicht immer und überall funktionieren.
Es gibt Tage, da klappt einfach überhaupt nichts.
- Schon beim Anknüpfen der Fliege rutscht diese aus den Händen und verschwindet im hohen Ufergras, oder sie fällt ins Wasser und verabschiedet sich mit der Strömung auf Nimmerwiedersehen.
- Beim Waten vergisst man, dass man nur Watstiefel, statt -hose trägt und watet zu tief. Bis einem das, in die Stiefel schießende kalte Wasser, dies jedoch schnell wieder ins Gedächtnis zurück ruft.
- Der Fischer übersieht die Erle im Rücken, die nur darauf gewartet hat, sich die Fliege zu schnappen, zwischen ihrem Grün zu verstecken und nicht mehr herauszurücken.
- Oder durch einen plötzlichen Windhauch fliegt die Fliege statt in den kleinen Zwischenraum zwischen den überhängen Büschen mitten in dieselben oder die Nymphe verfängt sich an Wurzeln am Ufersaum
- und vieles mehr.
Solche Missgeschicke passieren jedem Fischer und davon sollte man sich nicht entmutigen lassen. Beim nächsten Wurf etwas mehr Konzentration und er „sitzt“. Und nun ist erst recht die volle Konzentration gefragt, denn wir sind wieder im Geschäft.
In diesem Sinne wünsche ich jedem erholsame und ereignisreiche Momente am Wasser.
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Re: Einfach mal nichts denken

Beitrag von webwood »

Und weil es irgendwie auch in unser Thema passt. Ich war leider schon auf Beerdigungen des ein oder anderen Fliegenfischer Freundes, die ich allesamt hier im Forum kennen lernen durfte.
Ich habe mal als nicht literarisch bewanderter Mensch ein Haiku geschrieben (das ist eine japanische Gedichts Form). Passt indes auch zum Thema "Hier und jetzt"

Alleine am Fluss
In Gedanken ein verstorbener Freund neben dir
Eine Schneeflocke küsst das Wasser

Thomas
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Re: Einfach mal nichts denken

Beitrag von trutta1 »

Hallo Thomas,

ich war auch auf Beerdigungen mehrerer Fliegenfischer und erinnere mich sehr gern an gemeinsame Fischertage mit diesen Freunden!
Die gemeinsam erlebten Geschichten rund ums Fliegenfischen leben so lange weiter, wie man sich an diese erinnert!
Bei mir geht das so weit, dass ich nicht ohne das Messer meines verschiedenen Freundes ans Wasser gehe.
Und wenn das Wetter passt, fische ich am liebsten mit einer seiner selbst gebauten Gespließten.
Ich habe dann immer das Gefühl, er ist bei mir!
Wenn dann noch ein guter Fisch einsteigt, umgibt mich eine Dankbarkeit, die ich in jungen Jahren nicht kannte!

In diesem Sinne, einen schönen 3.Advent
und TL, Frank
Der Äschenflüsterer ( Leider hören nur noch wenige zu!)
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Re: Einfach mal nichts denken

Beitrag von webwood »

Hallo Frank,

man wird schon sentimental mit der Zeit. Ich als Mod. und damit WauWau weite nun das Thema aus. Ich finde es OK. Verstorbene Freunde passen irgendwie auch zum Thema "Nicht denken" so irgendwie zumindest.

Ich habe auch ein Messer eines verstorbenen Freundes. Er hatte Krebs und wusste, dass er bald sterben wird. Er hat mir und einigen anderen vor seinem Tot noch ein Messer geschmiedet. Ich habe dieses Messer genau einmal benützt und einen Fisch mit Kiemenschnitt getötet. Seither hängt dieses Messer bei mir an der Wand genau gegen über meines Bettes. Ist mir zu kostbar, als das Messer evtl. beim Angeln zu verlieren.

Schönes Fest und guten Rutsch
TL
Thomas
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Re: Einfach mal nichts denken

Beitrag von Maggov »

Ich komme gerade von der Beerdigung eines (Fischer-)Freundes und brauche keine Gegenstände - er wird wie mein vor Jahrzehnten verstorbener Opa (auch Fliegenfischer, leider haben wir es nie zusammen ans Wasser geschafft) nun mit mir dabei sein. Immer hinter mir, egal wie ich mich drehe, mit einem wohlwollenden Schmunzeln und wenn ich eine große Äsche erwische werde ich den Freudenschrei hören... MIt der Zeit wo ich beim Fischen nicht denke wird es deshalb auch noch etwas dauern, dafür war unser Band zu eng und fest...

Den Zustand des "Nicht-Denkes" gibt es bei einigen Sportarten, meist wird er dort "Flow" oder ähnlich genannt. Ich spiele gerne Billard bzw. Snooker und ab einem gewissen Level ist es unabdingbar Gedanken ruhen zu lassen und sich voll und ganz auf das Spiel zu konzentrieren. Wenn ich da richtig gut drin bin und auf einmal der GEdanke kommt "Läuft doch ganz gut" oder "das könnte ein neuer XYZ_rekord werden" dann weiß ich dass ich mit 80%-iger Sicherheit den nächsten Ball vergeige...

Ich denke so ähnlich ist dass beim Fischen, wenn die Fliegen in den Büschen landen und der Kopf in Aufruhr gerät oder abgelenkt ist dann hilft kein Beissen. Dann ist Loslassen oder Abbrechen manchmal Schlauer... ich erinner mich gerade an einen Fischtag mit Thomas wo der Running Gag war "Ich sehe Deine Fliege nicht"... mehr verate ich hier nicht Thomas ;)

LG
Markus
Reflection is a broad deep and quiet pool into which the stream of an angler's thought opens out from time to time.
A. A. Lucas in Fishing and Thinking, 1959
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