Norwegen - das Schlaraffenland?

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Harald aus LEV
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Norwegen - das Schlaraffenland?

Beitrag von Harald aus LEV »

Hallo Hendrik,
um den Thread übers Gendern nicht zu kapern, habe ich diesen hier eröffnet.

Ja hier ist nicht das Schlaraffenland.
In Norwegen ist sicher vieles (wenn nicht alles) besser als hier - aber bitte jetzt keine Aufzählungen.
Aber ein Thema, welches mich interessiert, möchte ich einmal ansprechen.
Wenn ich nach Norwegen bzgl. der Zuchtlachsindustrie schaue, ist da m.M.n. einiges im Argen. In einem Fernsehbericht, der auch hier eingestellt wurde, wurde neben den norwegischen Lachsfarmen gezeigt, was die Verantwortlichen in Chile veranstalten. Die Arbeitsbedingungen der Taucher und Frauen, die den Fisch ausnehmen und sortieren müssen, sind katastrophal.
Auch wurde in dem Bericht gesagt dass beabsichtigt wird, in Patagonien Lachsfarmen einzurichten. Ein Naturgebiet, dass auf argentinischem Gebiet streng geschützt ist.
Und wenn ich dann lese, dass der norwegische Staat beabsichtigt, die zukünftig schwindenden Gewinne aus der Nordseeölförderung durch Zuchtlachgewinne zu kompensieren, fehlt mir jegliches Verständnis.
Werden Fjorde, Buchten und Meeresarme mit Netzkäfigen zugenagelt? Orientiert man sich mittlerweile Richtung Binnenlandproduktion, oder ist das zu teuer?
Wie steht eigentlich die Anglerschaft der Lachsindustrie gegenüber? In dieser Richtung habe ich noch nichts von Dir gehört.
Werden Eure natürlichen Bestände nicht beeinträchtigt durch Parasiten, Medikamente, Lachsläuse oder Genveränderung durch ausgebüxte Farmlachse?
Und wenn doch, nehmt ihr das einfach so hin?

Gruß
Harald
Fliegenfischen - Der natürliche Weg
orkdaling

Re: Norwegen - das Schlaraffenland?

Beitrag von orkdaling »

Moin,
na das Theama wurde doch schon oft durchgekaut.
es ist nicht anders als Autoverbrenner gegen E-Autoliebhaber.

Es gibt Leute die werden damit reichn, es gibt Kommunen die leben ganz gut von den Steuern und es gibt Partein die wollen die Lachsindustrie als neues Standbein nach dem Ølgeschæft.
Anderseits git es Leute (auch Fischer beruflich wie privat) die den Dreck unter dem Zuchten nicht haben wollen, keine infektiøsen lachskrankheiten, keine entflohenen Lachse die sich kreuzen und Wildstæmme gefæhrden und es gibt Kommunen die den Weiterbetrieb untersagen wenn die Aufzucht nicht landbasiert erfolgt (Konzession læuft ja nur 5 Jahre und muss verængert werden) Es gibt auch Parteien die genau das wollen, also raus aufs Land, aber die Verarbeitung, Infastruktur bleibt dort.
September sind Wahlen, schauen wir mal was sich geændert hat, zunehmend wollen mehr Menschen Økofisch aus landbasierten Anlagen.

Es ist also auch hier kein Schlaraffenland, schon weil wir durch die EU am Stromverbund betreiligt sind.
Als Øl und Gas in Europa dank Putin und Ausverkauf der deutsch Gasspeicher (BASF) knapp war und viel Strom gehandelt wurde, lieferten die Erzeuger den børsennotierten Strom und der Preis in SuedNorge verzehnfachte sich zeitweise. Mittel und Nordnorge sind davon weitgehend verschont da die nicht an dieses Netz angeschlossen sind.
Also die Mehrheit der Bevølkerung (Oslo, Bergen, Stavanger) war betroffen und ist gegen weitere Stromgeschæfte und verlangt eine Neuverhandlung mit der EU. Genau so sieht es in Mittel und Nordnorwegen aus wenn man Fischerei und Landwitschaft betrachtet.
Entweder Vollmitglied oder Neuverhandlung der EU Vertræge aber nicht mehr zahlendes Mitglied der erweiterten EU ohne Stimmrechte.
Also kein billiges Schweinefleisch was noch von EU subventionierten Bauern kommt und keine weiteren Fischereiqouten damit die geplagten EU Fischer nach Ost und Nordsee nun das Meer um die Lofoten leer fischen.

Was internationale Firmen (und dazu zæhlen die Lachsgiganten und Stromerzeuger ,auch deutsche sind mit bis zu 50% an norweg Unternehemn beteiligt) in den jeweiligen Lændern duerfen, warum sie in Chile Lachszuchten erøffen kønnen aber in Kanada eben nicht mehr, das hat ja nichts mit den Schlaraffenlandbewohnern hier zu tun, das ist Sache des Staates der es erlaubt!
Meine letzte Tætigkeit (wir sprengten Tunnel und bauten Transportgwege hoch ins Gebirge wo nun Windræder stehen), steht nun auch im neuem Licht. Warum? Nicht nur das dort die Samen ihre Winterweiden hatten (Renzucht), nee vielmehr weil die beteiligten Energiehaie zu 50% aus norw. und 50% aus internationalen Firmen (Beteiligungen) bestehen. Und so sind Siemens oder RWE oder halt Stadwerke Muenschen dicke im Windschæft, erhalten ihren Anteil an billigen Strom - was kostet der in Muenchen ? Wer steckt hier dicke Gewinne ein auf Kosten unserer Natur !

Ok, haben auch profitiert, zeitweise gab es so ein gewaltiges Stromangebot dass man in der Presse und TV aufrief (die Erzeuger) aufgesparte Arbeiten zu verrichten (als der Strom teuer war) und ich hab mich sehr gefreut als ich dadurch gar nichts fuer den Strom bezahlt habe. Nun hat sich das alles eingependelt und ich zahle je nach Tag und Uhrzeit meinen Preis der aktuell zwischen 2 und 8 cent schwankt. Letzten Wocher waren es 4 cent im Tagesdurchschnitt. Also mir wurst wieviel der Strom dann bei euch kostet, das muesst ihr mal mit Siemens und RWE und anderen ausmachen.

Logisch das sich die Industrie dort ansiedelt wo es billigen Strom gibt und so wurden 2022 eine Fischverarbeitung (150) und eine Huehnchenverarbeitung (350 Angestellte aus 13 Nationen) im ørtlichem Industriegebiet erøffnet.
Der gesamte Abfall wird mal (im Bau) zu Biogas. Also die Busse fahren mit Fischgræten und Huehnerkøpfen.
Es wir gebaut, Wohnungen, neue Schulen, Kindergærten - das ist ja eine lange Kette und die ist nicht ab zu sehen weil der Hafen auch erweitert werden muss (nochmal ca 500 Arbeitskræfte).
ZZ streiten sich die Politiker (Kommune) was mit dem Ueberschuss geschieht (12 mio vom Stromerzeuger erhalten).
Eine Verlængerung des im Winter beleuchteten Trimm und Fahradweges entlang der Orkla oder doch eine Erweiterung des Sportfeldes bzw Erweiterung der Rasenheizung.

Ich setz mich nun aufs Rad, eine "fiskestang" in der Hand und fahre diesen Weg entlang und mache stopp wo eine gute Stelle auftaucht, wo sich beim derzeitigem Niedrigwasser ein Lachs verstecken kønnte.

Das im Uniklinikum (Trondheim /Orkanger) immer mehr Deutsche und Schweden aber auch Balten arbeiten hat wohl auch was mit schlaraffendlanæhnlichen Arbeitsbedingungen zu tun. 35 Stundenwoche, Krankenschwestern und Pfeger haben 4 Patienten, die sich auch um deutsche Fischer kuemmern muessen.
Gruss Hendrik
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Harald aus LEV
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Re: Norwegen - das Schlaraffenland?

Beitrag von Harald aus LEV »

Hallo Hendrik,
vielen Dank für die ausführliche Erklärung der Verflechtungen im europäischen Wirtschaftsgeschehen.
Das sind Punkte, die zwar mittlerweile überall im globalen Handel üblich sind, hat aber weniger mit meiner Kernfrage zu tun und beantwortet sie nicht, mit Ausnahme der Aussage, dass Euch der Dreck unter den Anlagen stört.
Hast Du Infos hierzu?
Harald aus LEV hat geschrieben: 22.06.2023, 18:35 Wie steht eigentlich die Anglerschaft der Lachsindustrie gegenüber? In dieser Richtung habe ich noch nichts von Dir gehört.
Werden Eure natürlichen Bestände nicht beeinträchtigt durch Parasiten, Medikamente, Lachsläuse oder Genveränderung durch ausgebüxte Farmlachse?
Und wenn doch, nehmt ihr das einfach so hin?
Gibt es bei Euch gezielte Maßnahmen oder ein organisiertes Aufbegehren gegen die Lachsfarmen?
Leider bin ich der skandinavischen Sprachen nicht mächtig, sonst hätte ich schon längst eine Angelzeitung abonniert.
In Schottland z.B. wehrt sich die Anglerschaft gegen die dortigen Anlagen und kann bereits erste Erfolge vor Gericht erstreiten, bzw. dafür sorgen, dass Ausbau oder Neuanlagen verhindert/verzögert bzw. erschwert werden weil zusätzliche Auflagen zu erfüllen sind.

Und hast Du Infos darüber wie sich die Bevölkerung in Bezug auf die Anlagen in Chile und Patagonia verhält?

Gruß
Harald
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orkdaling

Re: Norwegen - das Schlaraffenland?

Beitrag von orkdaling »

Moin Harald,
wie ich oben erwæhnte ist das zuhnemend ein Thema aller Buerger und Parteien.
Natuerlich auch dabei sehr verschieden, die einen wollen die Lachszucht so weiter betreiben, andere aber nur mit landbasierten Farmen und bei der Bevølkerung ist es auch sehr verschieden. Die dort arbeiten haben wenig Interesse das sich was ændert, andere wieder essen keinen Zuchtfisch weil der grøsste Teil des Futters ja aus Soja besteht und der kommt nun mal aus zB Brasilien wo dafuer Regenwald verschwinden muss.
Ueber Chile oder andere Lænder diskutiert kaum jemand, das ist deren Problem wenn sie Læuse rein lassen.
Ich kann mich ja auch nicht beschweren wenn Bayer Monsanto aus USA uebernimmt und das Gift in der Nordsee treibt.
Auch wurden hier erfolgreich Klagen der Zuchtfirmen abgeschmettert, sie beriefen darauf das ihen die Lizensen fuer die Zucht entzogen wurden. Stimmt aber nicht, in Antagsverfahren steht das die zustændige Kommune eine Verlængerung der Betriebsgenehmigung verweigern kann wenn Schæden verursacht werden. (erst 5 und dann alle 2 Jahre Verlængerung)
Die Kommunen wie zb Alta haben daher die Verlængerung abgelehnt. Auch gibt es Kommunen die gar keine Antræge auf Seebasierte Anlagen annehmen. Aber dabei ist zu beachten das Meer und Fjorde dem Land Norge unterstehen, nur die inneren Fjordgewæsser/Hæfen unterstehen den Kommunen. Oder halt 100m Uferabstand und weiter draussen ist Staat. Dann kann keine Kommune was unternehmen aber natuerlich muesen diese Betriebe ja mit Strom versorgt und an die Infrastruktur angebunden sein und da gibt es schøn Møglichkeiten.

Es ist nicht nur der Dreck unter den Anlagen, es sind die Auswirkungen auf Wildlachsbestænde (Genvermischung/ Krankheiten) sowie die Auswirkungen auf die Mefostæmme durch die starke Zunahme von Lachslæusen die die abwanderden Smolts befallen und diese daran sterben.
Auch wird von Seiten des Staates (Polizei, Umweltamt) kontrolliert und bei Verstøssen werden Betriebe geschlossen, Lachsbestænde gekeult.
In solch einem Kæfig darf die Konzentration von 0,3 Lachslæusen/Fisch nicht uebersteigen. Geschieht das, muessen Gegenmittel eingesetzt werden, wie Putzerfische (Seehasen) oder halt chemisch.
Das ist genaustens zu ueberwachen, nachzuweisen und wie ich in einem frueheren Beitag hier im Forum schon mal schrieb, kommt da auch mal der eine oder ander Betreibsleiter hinter Netze (nur das die aus Stahl sind)
Bei einer Kontrolle wurden Verstøsse fest gestellt, vor der Nachkontrolle brannte das Buero mit dem PC /Ueberwachungsdaten was dem Betriebsteilleiter gleich mal 2 Jahre einbrachte. Hier geschehen, 37km entfernt.
Natuerlich erfæhrt man in der Presse auch was in Bergen oder Tromsø vorgeht.
Also das Volk hat schon ein gutes Bild von dem was im Lande vorgeht, was welche Partei im Wahlkampf verspricht.

Ziel der frueheren buergerlichen Regierung wie jetzt auch der Sozialdemokraten ist der Ausbau der Zucht - um das 5 fache !
Aber nicht in der jetzigen Form sondern landbasiert oder auf hoher See in eigens dafuer gefertigter Schiffe die sich vor dem Festlandsockel rum treiben und nur zum Schlachten ran kommen https://vny.no/wp-content/uploads/2019/ ... en-nye.jpg
Interessante Beitræge findet man beim Meeresforschungsinstitut - auch auf englisch https://www.hi.no/hi/en/hi/not-available-english
Gruss Hendrik

Ach ja , unsere Schulen und das Altenheim bieten keinen Zuchtlachs an. Nee die essen das was wir Fischer abgeben wenn sie nicht releast werden kønnen. 2022 gaben die Orklafischer 300kg in Orkanger ab, æhnliches erfolgt in den Altenheimen im Meldal und Berkåk also entlang der Orkla.
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Re: Norwegen - das Schlaraffenland?

Beitrag von Harald aus LEV »

Hallo Hendrik,
vielen Dank für die interessante und ausführliche Aufklärung.
Eben, es sind nicht nur die Fäkalien der Zuchtlachse, sondern vielmehr die Parasiten, die die Wildlachse befallen und deren
Genvermischung die dauerhaften Schaden anrichten. Die Idee mit den Schiffen auf hoher See hört sich interessant an.

Gruß
Harald
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