Woher kommt der Kormoran?

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MahiMahi
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Re: Woher kommt der Kormoran?

Beitrag von MahiMahi »

Hallo,
nicht nur zur kalten Jahreszeit schweben die Schwarzen ein.
Ich war am vergangenen Wochenende im Schwarzwald zum Fliegenfischen und siehe da
ganz unbesorgt flogen fünf Kormorane am Wasser ein. Hochgerechnet wenn sie Erfolg haben
sind das 2,5 Kg Fisch. Das ist für so ein kleineres Gewässer kein Pappenstiel.
Kormorane werden geschützt und dafür sind unsere Fische auch ganz wichtig, damit sie satt werden.
Wer schützt unsere Äschen?? Der Nabu sicher nicht!

Gruß
Harry
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trutta1
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Re: Woher kommt der Kormoran?

Beitrag von trutta1 »

Liebe Fliegenfischer,

bei unserem diesjährigen Trip nach Bosnien (Ribnik)
war ich echt über den dortigen Äschenbestand erstaunt!
Auf mein Nachfragen, bezüglich Kormoran, erklärte man mir, dass sich die Schäden durch ihn in Grenzen halten.
Selbst der Graureiher, der hier 2 riesige Kolonien gebildet hat (Foto) , weicht zumeist auf andere Gewässer aus, da der Ribnik fast überall schnell eine Tiefe hat, die es dem Reiher kaum ermöglicht an die Äschen zu kommen.
IMG-20230605-WA0017.jpg
IMG-20230605-WA0017.jpg (215.71 KiB) 681 mal betrachtet
Kormorane gibt es dort auch reichlich, vor allem in den Wintermonaten.
Trotzdem hält sich der Schaden in Grenzen.
Warum ist das so?

Der Ribnik wird ganzjährig befischt.
Da auch in den Wintermonaten der Befischungsdruck recht hoch ist, meiden die Kormorane diesen Fluss.
Das könnte schon eine Erklärung sein.
Ich denke mal, da wurde mir nicht alles erzählt!
Da wird ganz sicher mal die Schrotflinte gezückt, ohne dass sich jemand aufregt.
Jedenfalls ist der Fluss völlig intakt, trotz des Befischungsdrucks. Allerdings ist hier reines C&R vorgeschrieben!

Eine ganzjährige Befischung ist natürlich an unseren Salmonidengewässern keine Option!
Die Äschenbestande von früher, die eine Winterbefischung einmal möglich machten, gibt es nicht mehr. Somit fehlt auch allein unsere winterliche Präsenz am Bach, die einige Prädatoren fernhalten würde.

Bin ich an den heimischen Bächen unterwegs, treffe ich nach der Maifliegenzeit, eher auf einen Graureiher, Kormoran oder Biber, als auf einen Fliegenfischer.
Die Sommervegetation im und am Bach schützt zumindest in den Niederungsbächen die Fische, sofern noch ein natürlicher Bachverlauf vorhanden ist.
Aber nach der Saison haben alle Prädatoren die Bäche für sich und verminderter Befischungsdruck bzw. Schonzeit bedeutet "Fluss frei" für alle Prädatoren!
Nur in den Ortslagen konnten wir nach 2 harten Wintern an unserem Bach noch einige Äschen feststellen.
Das zeigt, dass die Kormorane stark frequentierte Bereiche meiden, so lange sie andere Möglichkeiten haben.

Wir hatten jetzt 3 wärmere Winter, weshalb sich einige Fischarten, wie Hasel und Gründling langsam erholen.
Die Äsche ist zumindest in meinem Heimatbach verschwunden, bzw. nur noch in einem kleinen Nebenbach vereinzelt vorhanden. Ob sich aus diesem kleinen Bestand wieder etwas aufbauen lässt, ist zu bezweifeln.

Und um auf die Eingangsfrage zurückzukommen!
Die ersten Kormorane im Elbe/Saale/Mulde - Bereich sah ich erst Ende der 90- er Jahre.
Vorher kannte ich sie von der Küste (70-er).
Mitte bis Ende der 80- er sah ich erste Kormorane in Nord-Brandenburg und MV im Bereich der Müritz.
In Sachsen-Anhalt gab es keine Kolonie vor 1995.
Das waren einzelne Vögel die so nach und nach in dem oben genannten Bereich die ersten Kolonien bildeten.

TL, Frank
Der Äschenflüsterer ( Leider hören nur noch wenige zu!)
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gespliesste
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Re: Woher kommt der Kormoran?

Beitrag von gespliesste »

Hallo,

der "große Kormoran" also Phalacrocorax carbo sinensis gilt bei den meisten Wissenschaftlern von der reinen Definition in Europa her als heimische Art, da es vereinzelte sehr frühe Funde gibt. Wann und wie er Europa erreicht hat ist zwar nicht vollständig geklärt, aber schon sehr lange her und wahrscheinlich auch nicht mit menschlicher Hilfe. Dazu gibt es die Küstenkormorane Phalacrocorax carbo carbo die sicher schon immer in Europa heimisch waren und neurdings auch Sichtungen von so genannten Zwergschaben Phalacrocorax pygmeus.

Im Grunde ist die Diskussion aus unserer Sicht auch müßig, ob carbo sinensis heimisch ist, oder nicht. Heute erfüllt er nach unserer Ansicht (bis auf das Kriterium "gebietsfremd") alle sonstigen Kirterien einer Invasiven Art: "“To be invasive, a species must adapt to the new area easily. It must reproduce quickly. It must be a threat to native species and biodiversity.”

Warum das so ist, wird in der Studie "Beike, M., C. Herrmann, R. Kinzelbach & J. de Rijk 2013: The Great Cormorant Phalacrocorax carbo sinensis in the German-speaking area and in The Netherlands between 800 and 1800. Vogelwelt 134: 233–261." verdeutlicht. https://www.researchgate.net/publicatio ... 0_und_1800

Die Zusammenfassung der Meta-Studie, welche alle verfügbaren historischen Quellen der letzten 1200 Jahre zu dem Thema ausgewertet hat, kommt zu dem Schluss:

“Hence, the current distribution and abundance of the Cormorant cannot be seen as a recovery of the species to historically existing conditions; it is rather the result of today’s environmental situation, which is extremely different to the conditions prevailing at any time during the last 1200 years.”

Kormorane fressen ausschliesslich Fisch, profitieren enorm vom Klimawandel, dazu gibt es heute kaum mehr natürliche Feinde. Insbesondere die Seeadler haben früher wohl eine ganz entscheidende Rolle gespielt, da sie ganze Kolonien auslöschen konnten. Früher ist selbst der Bodensee immer mal wieder zugefroren und auch damit wären alle Kolonien innerhalb weniger Tage ausgelöscht. Das passiert alles nicht mehr, dazu kommt der strenge Schutz der Vögel.

Aus unserer Sicht gab es in der Historie keine "co-evolution" unserer heimischen Fischbestände mit vergleichbaren Kormoranbeständen (also carbo sinensis) und damit ist das Problem menschengemacht.

Ich habe mich auch immer gefragt, warum die Fische nicht schon vor vielen hundert Jahren vom Kromoran ausgerottet wurden, als sie noch nicht, oder deutlich weniger bejagt wurden. Dazu sagt der Vogelschutz ja immer die Natur regelt das von alleine, das ist aber laut Studeinlage nicht mehr der Fall.

Wir wollen dazu nächste Woche auf Ebene der European Anglers Alliance (EAA) eine neue Kormoran-Position beschliessen und dann auch wieder auf Ebene der EU vortragen. Was wir natürlich in der Vergangenheit schon wiederholt getan haben: https://dafv.de/projekte/kormoran/kormo ... ungsansatz

Wir dürfen nicht aufgeben ... aber glaubt nicht, dass eine überzeugende Studienlage und zahllose Beweise für den desaströsen Einfluss der Kormrorane auf unsere himischen Fischbestände einen Erfolg auf politischer Ebene bringt. Bei vielen NGO#s geht es leider nicht um Argumente, da ist viel Ideologie dabei ...

LG,

Olaf
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gespliesste
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Re: Woher kommt der Kormoran?

Beitrag von gespliesste »

Hallo,

... noch eine Info. Die NGO's fordern ja seit Jahren, die Kormorane dürften nicht reguliert werden. Die Natur regelt das ganz von selber.

Auf der anderen Seite gab es letzten Winter wohl einen Ausbruch der Vogelgrippe in einigen Kormorankolonien. In der Folge haben die NGO's die toten Vögel aus den Kolonien entfernt, damit sich die Vogelgrippe innerhalb der Kolonie nicht weiter ausbreitet.

Die Naturgesetze gelten bei NGO's wohl leider nur, wenn sie nicht gegen den Schutzzweck der eigenen bevorzugten Tierart verstoßen ... :wink:

LG,

Olaf
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Spiegelkarpfen
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Re: Woher kommt der Kormoran?

Beitrag von Spiegelkarpfen »

Hallo Olaf! :D
Ja da gebe ich dir Recht. Wenn man es selbstständig einpegeln will, dann auf Gedeih und Verderb. Jede Struktur lässt ja einen anderen "Systemteilnehmer" einen Vorteil genießen. Bei mir im Revier gibt es einen großen tiefen(angeblich 20m) See der komplett unter Schutz steht. In der Nähe befinden sich noch zwei flachere Seen. Die Kormorane haben dort optimale Bedingungen. Keine Angler oder Ausflügler. Komplette Ruhe und drei Seen mit Nahrung. Die zwei flacheren Sen gelten als "tot" :wink: , dort soll es wohl keine Fische mehr geben. Der große See beherbergt wohl aber noch viele und große Fische. Die Kormorankolonie übersteigt seit Jahren schon nie mehr als 50 Vögel. Die Nahrung deckelt die Population. Hier hat das einpegeln funktioniert. An den anderen Angelgewässern bei uns gibt es zwar auch hin und wieder Kormorane, jedoch höchstens mal so 7 und die lassen sich leicht durch Anwesenheit vertreiben.
Zum Thema: Als vor Jahren die Vogelgrippe bei uns zugeschlagen hat, sind wohl auch etliche Kormorane umgefallen. Mir ist nicht bekannt das sie beseitigt wurden. In der Folge hat sich der Bestand halbiert. 3Jahre später war davon nichts mehr zu spüren. Die können sich ganz gut selber regenrieren denke ich! :mrgreen: Bei uns hatte auch niemand wirklich Angst um Wildvögel. Es ging immer um die Zuchtbetriebe.

LG & TL Enrico
"Dieses Fliegenangeln macht doch hier keinen Sinn. Hier gibt´s keine Forellen!"
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