Die Äsche - Fisch des Jahres 2011 und der Bestand in der Helbe/Thüringen
Ein Beitrag und Fotos von Egbert Thon, Vorsitzender Anglerverein Westgreußen e.V. Niedergeschrieben im Januar 2011
Die Äsche, als Fisch des Jahres 2011, ist auch in Thüringen verbreitet, und der Leitfisch der nach ihr benannten Äschenregion. Die Habitatsansprüche des Fisches werden am besten von den Vorlandbächen und -flüssen erfüllt. Sie braucht sauerstoffreiches, kühles Wasser aber keine Hindernisse und Deckung wie die Bachforelle. Ihr genügt eine turbulente Oberfläche oder eine größere Wassertiefe um sich gegen einheimische Fressfeinde aus der Luft zu schützen. Als Kieslaicher benötigen sie offene Kiesbetten, die aber feinkörniger sein müssen als sie von Forellen genutzt werden. Diese Ansprüche bedingen, dass sie auch in der Vergangenheit nicht überall gleichmäßig verbreitet war. Durch die zunehmende Verschmutzung der Gewässer in 20. Jahrhundert, war die Äsche aus vielen Flüssen schon bald verschwunden. So auch in der Helbe. In alten Gewässerverzeichnissen aus den 50ziger Jahren war die Äsche noch für unseren Fluss verzeichnet. Spätestens seit Anfang der sechziger Jahre sind aber keine Äschen mehr bekannt. Mit der allgemeinen Verbesserung der Gewässergüte durch den Zusammenbruch der Industrie nach der Wende, ergab sich für den Anglerverein Westgreußen e.V. die Frage, ob nicht auch die Äsche wieder angesiedelt werden kann. Wir hatten jedoch keinerlei Erfahrung mit Äschenbesatz und konnten nicht sagen, in wie weit die Helbe dazu geeignet ist. So haben wir uns entschlossen mit einem Versuch zu beginnen. Drei Punkte wurden aufgestellt, die erfüllt werden mussten, damit wir den Besatz als Erfolg ansehen konnten.
Mitglieder der IGF Jena und Angelfreunde vom Anglerverein Westgreußen beim Gewässermonitoring 2007

1. Ist das Wasser bereits von der Qualität her für die Fische geeignet oder verschwinden sie gleich wieder?
2. Halten sie sich auf Dauer und wachsen zu nutzbarer Größe heran?
3. Vermehren sie sich und bauen einen sich selbst reproduzierenden Bestand auf?
Nur, wenn auch der dritte Punkt ausreichend erfüllt ist, macht es Sinn, die Äsche weiter zu fördern.
Der Initialbesatz 1996 bestand aus 2000 Jungfischen von 3 cm Länge und 1997 aus 1000 Stück von 12-14 cm Länge.  Der Stückpreis der “Fingerlinge” lag damals bei 1,00 DM. Für einen kleinen Anglerverein keine unerhebliche Summe!
Die Besatzfische wurden in geeignete Gewässerabschnitte, gut verteilt, ausgesetzt. Dennoch konnten wir zusehen, wie große Forellen aus ihren Unterständen kamen und einen Teil der unerfahrenen Fische weg fraßen. Aber es blieben genügend übrig. Im Verlauf der nächsten Jahre war zu sehen, wie die Äschen die Helbe angenommen hatten und sich zu vermehren begannen. Im Frühjahr war überall in Ufernähe Fischbrut zu sehen. Natürlich wurde die Äsche bei uns ganzjährig geschont. Die Bestände entwickelten sich immer besser. In einigen, für sie besonders geeigneten Gewässerabschnitten, begann die Äsche bereits die Bachforelle zu verdrängen. Das ist aber kein Problem, da beide gute Angel- wie auch Speisefische sind. Durch die vielfältige Nahrungsgrundlage der Helbe erreichten einzelne Exemplare eine Länge von gut 50 cm.
Nach 5 Jahren konnten wir sagen, das Projekt “Äsche” war ein voller Erfolg. Der Bestand geht auf die 3000 eingesetzten Jungtiere zurück und reproduziert sich selbst! Wieder angesiedelt wurde die Äsche aber nicht nur zum Selbstzweck, sondern auchn um sie eine Tages, als angelbarer Fisch, nutzen zu können. Seit 2001 kann sie von den Mitgliedern unseres Vereins gefangen werden. Das Mindestmaß beträgt 35 cm und die Entnahme wurde begrenzt auf 1 Fisch pro Tag und 10 pro Jahr und Angler. 

Es sah gut aus mit der Artenvielfalt in der Helbe. Doch dann kam die “schwarze Pest”. Zuerst waren es nur einzelne Vögel, die bis zur Helbe vordrangen. Wir maßen den Ersten keine größere Bedeutung bei. Zu klein ist doch unser Fluss und viel zu verwachsen...

Gute Ausbeute, große Bachforellen und prächtige Äschen aber wenig kleine, 2007


Männliche Äsche von 44 cm, 2007

Die Kormorane brauchen doch freien Anflug und ausreichend tiefes Wasser um zu jagen. Die kommen nicht bis zu uns. Wie man sich doch täuschen kann! In Thüringen überwintern seit vielen Jahren mehrere tausend Vögel. Und die haben Hunger! Wenn alle größeren Gewässer leer gefressen sind oder zugefroren, wo sollen sie dann hin? Bekanntlich macht Hunger nicht nur Menschen böse und mutig. Im Winter 2006 erfolgte der erste große Einfall. Der Fischbestand wurde stark reduziert. Manche Bereiche waren fast fischfrei. Die Auswertung der Fangkarten machte das besonders deutlich. Große, für den Kormoran nicht zu bewältigende Fische waren noch vorhanden. Was stark abgenommen hatte war das Mittelmaß. Die Alterspyramide zeigt eine instabile Form. Da noch genügend laichfähige Tiere anzutreffen waren, gab es auch Nachwuchs. Fische haben als mittlere Glieder der Nahrungskette eine hohe Vermehrungsrate und können solche gelegentliche Tiefschläge ausgleichen, wenn sie nicht allzu oft auftreten.

In der Helbe, in der Ortslage Clingen, befindet sich eine Reverenzstrecke von 400 Metern für das Gewässermonitorig in Thüringen. 2007 wurde vom IGF Jena die erste Bestandsaufnahme des Fischbestandes durchgeführt. Wir waren angenehm überrascht, wie viele Fische und Arten es trotz Kormoranfraß noch gab. Gezählt wurden 1870 Fische in 8 Arten. Aber auch hier war deutlich zu sehen, dass sich die mittleren Größen in Unterzahl befanden.

Die nächsten zwei Winter waren eigentlich keine. Dennoch erschienen die Kormorane, wenn auch nicht in so großer Zahl. Während des sehr kalten Winter 2009-2010 erfolgte dann aber wieder ein starker Kormoraneinfall über einen längeren Zeitraum. Die Auswirkungen kann man sich denken. In einem 1600 Meter langen Gewässerabschnitt, der im Frühjahr von einem Gutachter probegefischt wurde, gab es nur noch Stichlinge, Schmerle, drei Gründlinge und eine verirrte Karausche! Vom vormaligen Äschen- und Forellenbestand war kein Schwanz mehr da. 

Auch das zweite Probefischen in der Monitoringstrecke durch das IGF Jena im September 2010 ergab ein ähnlich erschreckendes Bild. Nur noch 937 Fische in 7 Arten wurden ermittelt, wobei Schmerle und Regenbogenforelle durch je ein Exemplar vertreten waren. An Äschen wurden 96 Exemplare gezählt, was vordergründig gut aussieht. Betrachtet man aber die Größenzusammensetzung, zeigt das ein ganz anders Bild. Allein 90 Fische waren 12 bis 17 cm lang. Das ist der Nachwuchs vom Frühjahr 2009. Dieser war im darauf folgenden Kormoranwinter um die 10 cm lang und als Vogelfutter noch zu klein. Was fehlte waren große, laichfähige Fische. Nur noch 5 Stück von 24 bis 37 cm waren nachweisbar und, wem wundert es wenn Laichfische fehlen, noch eine kleine vom Frühjahr 2010.
 

Die Fische sind deutlich kleiner geworden, 2010


Der gegenwärtige Winter ist kalt und schneereich. Die gebietsfremde, nicht heimische Tierart Kormoran, der Göttervogel des NABU, ist leider wieder stark vertreten. Wir erwarten nicht Gutes! Möglicherweise wird die Äsche den Fraßdruck in der Helbe nicht überleben.
Uns Anglern wird von militanten Tierschützern oft vorgeworfen, dass wir Schuld am Verschwinden von Fischen sind. Nun, wie sieht denn die Fangstatistik des Anglerverein Westgreußen e.V. aus. Da jeder von uns 10 Äschen entnehmen darf und wir im Durchschnitt 45 Angelfreunde sind, macht das 450 Stück pro Jahr. In neun Jahren ergibt das rein theoretisch 4050 Fische. Die Auswertung der Fangkarten ergab: 2001 – 6 Fische, 2002 – 10, 2003 – 12, 2004 – 13, 2005 – 11, 2006 – 15, 2007 – 13, 2008 – 12 und 2009 – 12.
2010 ist noch nicht ausgewertet, da die Fangzeit erst am 31.01. endete. 
Ganze 104 Stück in neun Jahren auf einer Gewässerstrecke von ca. 10 Kilometern Länge! Dazu braucht ein Schwarm Kormorane einen halben Tag. Echte Angler sind keine Räuber sondern Naturschützer!
Äschenbrut aus der Helbe, 2002

Warum ist gerade die Äsche so durch den Kormoran von der Ausrottung bedroht?  Eine maßgebliche Ursache wird im Verhalten gegenüber Fressfeinden aus der Luft liegen. Die Äsche hat den Kormoran als gebietsfremde, invasive Art nicht im Vermeidungsspektrum. Um dem einheimischen Reiher auszuweichen, genügt es ihr, sich in etwas tieferes Wasser zurück zu ziehen und abzuwarten. Genau dieses Verhalten ist beim Kormoran kontraproduktiv. Bekanntlich taucht dieser “Nimmersatt” seiner Beute hinterher. Wenn dann die Äsche nicht ausweicht oder sich versteckt wie Forellen, sind die Verluste existenziell. 

Auch die Behauptung, dass eine Tierart keine andere ausrottet, ist Unsinn. Es gibt genügend Beispiele dafür. Die Äsche ist eben nicht der “letzte Fisch”, den zu jagen einen höheren Energieaufwand bedeutet als die Beute einbringt! Sie ist leicht zu erreichen und wird zuerst vernichtet. Daneben gibt es noch andere Fischarten im gleichen Gewässer, die schwerer zu fangen sind aber noch genügend Futter darstellen. So ist der Kormoran noch nicht zum Gebietswechsel gezwungen, wenn die letzte Äsche bereits tot ist.

Wie sollen wir uns als Anglerverein verhalten? Sollen wir die Artenvielfalt durch teuren Besatz aufrecht erhalten? Sollen wir abwarten, ob es die Äsche schafft, sich an den Kormoran anzupassen? Wir wissen es nicht. Mit dem schwarzen Vogel müssen wir auch in Zukunft leben. So lange nicht in ganz Europa die Bestände auf ein umweltverträgliches Maß reguliert werden, wird uns die Plage erhalten bleiben. Nicht der Kormoran ist schlecht, sondern seine Zahl!

Egbert Thon, Vorsitzender Anglerverein Westgreußen e.V., im Januar 2011
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Tiefgefrorene, vom Kormoran gefangene und verlorene Äsche, Januar 2009 



© Ein Beitrag und Fotos von Egbert Thon für www.fliegenfischer-forum.de - Januar/August 2011.
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