Es war im September…
Nach drei Anläufen - endlich Kamtschatka!
Ein Reisebericht von Peter Timm
Kamtschatka - Land an den drei Meeren (Beringsee, Pazifischer Ozean und Ochotskisches Meer). Ein Land der Superlative:
• 300 Vulkane, davon 29 aktiv
• 20 Klimazonen
• 10000 Braunbären
• heiße Quellen
• Riesenseeadler
• Tal der Geysire
• 472300 Quadratkilometer (etwa 5% mehr Fläche als Deutschland)
• 320000 Einwohner davon 179000 in Petropavlovsk
• 1 Person auf 1 Quadratkilometer (zum Vergleich: in Deutschland leben 229 auf dem Quadratkilometer)
Am 02.09.2014 war es soweit, eine Reisegruppe aus elf Fliegenfischern machte sich auf den Weg. Wir flogen von Zürich und Frankfurt nach Moskau und dann weiter auf dem längsten Inlandsflug der Welt nach Petropavlovsk. Von dort fuhren wir ca. zehn Stunden inkl. Pause mit dem LKW/Bus nach Kosyrevsk. Dort erfolgte eine Übernachtung und am nächsten Tag ging es weiter mit dem Helikopter ca. eine Stunde über eine unberührte Landschaft an unser Ziel, dem Oberlauf des Wost Ozernaya. Raus aus dem Heli, rein in die Wathose und die ersten Äschen fangen, während unsere Guides die Boote startklar machten und unsere Siebensachen, nein 700 Sachen verluden, verzurrten und die Boote zu Wasser ließen. Sieben Tage Floating auf dem Wost Ozernaya standen bevor. Es sollten herrliche Tage werden, mit vielen schönen Erlebnissen rund um die Fliegenfischerei.






Jetzt aber der Reihe nach: Unsere Gruppe bestand aus zehn Fliegenfischern, geführt von Roger Gyr - dem Fliegenfischerguide,  Wladimir Ebert - dem Veranstalter Baikalreise, drei Bootsführern und unserer Köchin. Unser Equipment waren vier große Schlauchboote. Ein- und Zweimannzelte und ein großes Küchenzelt. Selbstverständlich mit Klapptischen, Klappstühlen, Kochgeschirr, Töpfen und Pfannen und, und, und… Was ich bald vergessen hätte, jeder hatte natürlich eigenes Angelgerät dabei. Rute #7/8er, Leinen (Trocken und Sinktip), jede Menge Fliegen (Trocken, Nass, Nymphen, Streamer, Conehead, pazifische Lachsfliegen etc.). Mäuse und die jeweiligen Geheimtipps in kleinen in der Fliegenweste im Geheimfach verstauten Döschen. Vorfächer von 0,18 – 0,40 mm für die ganz GROßEN. Schlafsack und Isomatte waren unbedingt erforderlich, um die manchmal kalten Nächte zu überstehen. Die neuesten Modelle wurden präsentiert und nach der ersten kalten Nacht (-4 Grad) gelobt.
Ganz nebenbei, wir hatten die sieben Tage während unserer Floating-Tour tagsüber strahlenden Sonnenschein mit Temperaturen bis 22 Grad.
Die Aufgabe der Bootsfahrer unter der Leitung von Chef Igor bestand darin, jeden Tag ab- und aufzubauen und unser Hab und Gut auf die Boote zu verladen, denn wir wechselten jeden Tag den Platz und paddelten rund fünfzehn Kilometer am Tag den Fluss hinunter. An den letzten beiden Tagen blieben wir am gleichen Platz, da er sich gut zum Abholen mit dem Helikopter eignete.
Kurzschilderung der Reise durch eine verwunschene Welt:
• Bärenspuren überall am Fluss entlang
• Schnapsklares Wasser im Fluss und während des Floatings viele flüchtende Fische, die sich nach unserem Vorbeifahren wieder auf ihren Standplätzen einstellten
• Tundra mit vielen Heidelbeeren und eindrucksvollen Flechten und Moosen
• Bis auf eine Stelle (Jetboote eines kleinen Camps) unglaubliche Ruhe 
Wie es uns so ergangen ist: Gefischt wurde vom Boot aus und von Land. Im Wost Ozernaya ist das Waten problemlos, kleine Kieselsteine auf festem Untergrund. Ab und zu tiefere Stellen, die nach starken Fischen rochen, wenn ihr wisst, was ich meine. Die Fliege rein und rummmmms... Gedrillt wurde bis die Schulter schmerzte. Den Ruten wurde alles abverlangt. Im Oberlauf galt unser Augenmerk zuerst den arktischen Äschen, mit ihren wunderbaren langen Rückenflossen. Jetzt wissen wir, wo der Begriff "Fahne" herkommt. Es sind wahre Fahnenträger und -trägerinnen. Es ist keine Prahlerei, wenn ich erwähne, dass meine größte Äsche 65 cm hatte. Bei den anderen Fischern waren sicher ähnliche Größen an der Leine. Und jetzt kommt's: natürlich alle auf Trockenfliege. Für Patagonien gebundene Stimulatorfliegen konnten hier endlich auf das Wasser. Die Äschen waren nicht wählerisch. Aber auch beim Saiblingsfischen mit tief geführten Coneheadstreamern bissen nicht nur Saiblinge, sondern auch, ihr habt es richtig erkannt – Äschen. Das gleiche galt auch für die pazifischen Lachsfliegen in grün, pink oder rot etc. Wenn mal keine Keta- oder Silberlachse da waren. Äschen bissen immer, auf „fast“ alles. 

Nach einer Strömungskante im etwas tieferen Wasser standen die Saiblinge in Reih und Glied und warteten nur, bis unsere an Sinktipleinen angebotenen Streamer vor ihnen auftauchten. Ruck Zuck war die Rute gebogen und die Fische stellten sich in die Strömung, um so den Druck auf die Rute und den Fischer beträchtlich zu erhöhen. Durch geschicktes Herumführen in ruhigeres Wasser gelang es uns (meistens), diese wunderschönen Fische zu landen und wieder in ihr Element zurückzusetzen. 

Große Ketalachse (siehe Foto weiter oben) machten es ebenso und es war ein Kraftakt, diese kampfstarken Fische an der #8er Rute zu landen. Fischerfreund Tedi hatte gleich dreimal hintereinander dieses „Glück“ und wechselte danach auf den Rat seiner Schulter (starkes Drillbrennen) den Platz, um wieder „vernünftig“ Saiblinge und Äschen zu fangen.


Kundcha, eine weitere Saiblingsart (mit weißen Punkten auf silbernem Kleid), fingen wir ab und zu. Angelfreund Peter konnte ein wunderbar gezeichnetes Exemplar überlisten. Auch war er es, der den größten Saibling fing. Ein Prachtexemplar mit einem Kopf wie ein kleiner Delphin… Zumindest das Lächeln wie bei einem Delphin konnte man vermuten, als er wieder in seinen Gumpen abtauchte. 
Den Hauptfisch, auf den wir es abgesehen hatten, die Mikischa, die Urform der Regenbogenforelle, entdeckten wir erst ab dem Mittellauf des Flusses.

Jetzt tanzten die Mäuse übers Wasser und überall vernahmen wir Bisse, so als wenn man einen Eimer mit Wasser in den Fluss ausschütten würde. Einem unbändigen Willen der Mikischas beim Anbiss (dich kleines Mäuschen will ich bekommen) folgte dann eine tolle Flucht, nachdem (so vermute ich) bemerkt wurde, dass dieses Mäuschen nicht echt, sondern mit einem Haken bestückt jetzt im Maulwinkel hing. Drei- ja manchmal viermal sprangen diese wunderschönen Fische einen Meter aus dem Wasser. Ich glaube es war auch bedingt durch das aufgeregte Zittern in der Rutenhand des Fischers. Auf dem Foto rechts ist eine echte Maus zu sehen, die Fliegenfischerfreund Adrian am Ufer fand (tot) und unten meine Nachbildungen. Im Nachhinein wundert es mich nicht, dass die Mikischas Gefallen fanden an meinen natürlichen nachgebunden Mäusen, die am Bindetisch ganz ohne große Ahnung, wie die kleinen Mäuse wirklich aussehen, entstanden sind. Wenn ihr jetzt denkt, nur mir ging das so: weit gefehlt, die anderen Fischerfreunde hatten alle Nachbildungen in unterschiedlicher Ausprägung.
Mal dünn und zierlich, dann dick und fett in ihren Fliegendosen und die Mäuse tanzten mal auf dem Wasser, mal mit einem kleinen Tauchgang versehen vor den Augen und Mäulern der Mikischas. Wunderbar war es, wenn eine Maus, natürlich absichtlich, auf den Ufersaum platziert wurde, und mit einem kleinen Schwupps dann auf dem Wasser unmittelbar am Uferrand das Schwimmen lernte. Dann konnte man eine Bugwelle beobachten, die in einem Schwall endete. Manchmal so beeindruckend, dass gar nicht daran gedacht wurde, dass der Schwall ja ein Biss auf die eben präsentierte Maus war. Anschlagen war nicht nötig, die Haken waren scharf und alles geschah mit so einer Wucht, dass die Mikischa ihre Akrobatikstunde vorführen konnte und sich sicher war, es ist ohne Netz und doppelten Boden, aber fest an der Leine. So konnte nichts passieren und das Zurücksetzen geschah mit einem meist kleinen Dankeschön in Form von Schwanzschlagen und Wasserspritzen ins Gesicht. Tolle Fische, diese Mikischas. Wir haben sie ausnahmslos zurückgesetzt und auf dem Esstisch landeten „nur“ Saibling, Äsche und Silberlachs.
Igor, der Spezialist, verarbeitete den Rogen eines Silberlaches zu Lachskaviar. Mit einer Engelsgeduld pellte er die kleinen Eier aus ihrer Haut, wässerte und salzte sie, damit sie am nächsten Tag als Brotaufstrich Delikatesse für uns zur Verfügung standen. Roger, wie auf dem Bild (weiter unten) zu sehen, ist ganz fasziniert und versucht alle auf dem kleinen Brot befindlichen Lachseier als einen Happen zu verschlingen. Was auf dem Bild nicht zu sehen ist: es ist ihm gelungen. Aber ich will keine Heraushebung von Offiziellen, uns allen ist es gelungen. Wenn die Lachseier alle waren, dann hatte Igor noch ein Schälchen in Reserve. Er machte so was ja nicht zu ersten mal und er weiß, wie die nimmersatte Fischerzunft zufrieden zu stellen ist. In einer Nacht hatte er sogar besonders viel Glück, die Lachseier waren zu einer Kugel gefroren und sogar ohne Kühlschrank am nächsten Tag wunderbar frisch.
Da wir gerade über das Essen reden… Roxana, unsere Köchin zauberte für uns alle abwechslungsreiche Kost, sowohl für das Frühstück, das Mittagessen und natürlich die Vorbereitung für einen schönen Abend am Lagerfeuer, das Abendessen. Dass alle Fischer meist pünktlich zum Essen erschienen lag daran, dass Roxana nicht überhörbar, ganz „leise“ mit dem Kochlöffel
auf einen leeeeeeren Topf schlug und die Schallwellen der Wildnis jeden Fischer erreichten. Es ist mir ein Geheimnis geblieben, wie Roxana es fertig brachte, uns alle nicht nur satt zu bekommen, sondern unterschiedliche Gerichte und Variationen von Fisch und Fleisch so schmackhaft zuzubereiten, dass ich mir vorkam (mit Augen zu), du bist in der besten Lodge in Russland zu Gast.
Am Lagerfeuer wurden dann die Träume und Erlebnisse des Vor-, Vor-, Vorvortages ausgetauscht und Versprechen für den nächsten Tag formuliert, damit jeder einmal ein glücklicher Fischer sein konnte. Was wir ganz spät in der Nacht, bei langsam ausgehendem Feuer bemerkt haben, wir waren ja alle Happy bei dieser Reise. Möglicherweise lag es am Konsum von Bier, Rot- und Weißwein, Wodka und dem Single Malt, der beim Lagerfeuer ja nicht fehlen darf, wegen des Rauches. Wollte sagen, alles war reichlich vorhanden und die Ruhe vom Abend ging in den nächsten Fischertag über. Die Leinen wurden in wunderbaren Schlaufen, gelassen wie von Menschenhand über den Fluss mit der Fliege zum Fisch gebracht. Ab und zu platschte es dann besonders laut, wenn ein Fischer zu übermütig war und das eine Loch im Flussgrund übersah. Ein wenig Wasser in der Wathose schafft schnell den Übergang zur Realität und mit dem Träumen war es dann für einen kurzen Moment vorbei.
Was noch unbedingt erwähnt werden sollte: Unsere Bootsführer, die immer mit dem richtigen Riecher das jeweilige Boot anhielten und einen Platz am Ufer zum Anlanden fanden, damit wir aussteigen und fischen konnten. Nicht immer war der ausgewählte Platz auch der von uns favorisierte. Die Fische wussten das nicht und bescherten uns spannende Drills. „Mein“ Boot steuerte Wladimir, ein begnadeter Ruderer, immer den Sicherheitsaspekt im Kopf. (Ich war vor einiger Zeit bei ihm auf dem Boot in Taimyr und übersah einen Baumstumpf, der mich dann über die Reeling unsanft ins Wasser beförderte). Wladimir hatte sicher noch meine ruhige, gelassene Art, diesen Vorgang zu kommentieren in Erinnerung, deshalb steuerte er immer Uferbereiche an, die höchstens knietief waren. Auch überfuhr er oft Bereiche voller Fisch. Auf unser Erstaunen, antwortete er, die kommen wieder, nur Geduld. Er hatte gut reden, denn er fischte nicht. Auf meine Frage, warum er den die Schnur nicht wässere, antwortete er mir: „Ich genieße“. Das sagt alles, auch über das Geduld haben, hi hi. Er hatte natürlich recht, die Fische kamen wieder. Wir hatten für die weiteren Kilometer auf dem Fluss nun eine kleine List parat. Wir forderten Wladimir auf, links anzulanden und waren uns ganz sicher: er fährt rechts hin, was er dann auch tat. So geschah es meistens und wir hatten Spaß...
Auf unserem Boot fischten Adrian vorne an der Spitze auf dem Gepäck sitzend und Peter hinten rechts auch während der Fahrt. Ich verhielt mich ruhig, da zwei tieffliegende Mäuse nach meiner Meinung völlig genügten. Gefangen haben beide. Im Rausch dieses Erfolgs wurde unser Boot dann Schweiz 1 genannt. Da ich während der Fahrt nicht fischte, beschäftigte ich mich mit dem Kommentieren dessen, was bei uns auf dem Boot und ums Boot herum passierte. Ganz spontan wurde unser Boot dann umbenannt in Schweiz 1 mit dem hessischen Rundfunk. Wladimir lächelte zufrieden und paddelte, den Rücken gestärkt durch unsere gute Laune, dem Ziel entgegen.
Was auf den anderen Booten so abging, konnte ich nicht sehen. Die gute Laune war aber immer spürbar. Ausgedrückt durch ein mit Lachen verbundenes Halli Hallo bei der Vorbeifahrt.
Fischneid habe ich während dieser Tour nicht wahrgenommen. Es lag nicht nur an genügend Fisch für alle, sondern auch am besonnenen Verhalten von Roger und Wladimir, die immer bemüht waren uns zum Fisch zu bringen. Das habe ich auch schon ganz anders erlebt... Großes Kompliment den Verantwortlichen für diese gelungene Tour. 
In Petropavlovsk hatten wir am Schluss unserer Reise dann noch das Glück, ein Fest der Kulturen zu erleben. Die hier lebenden Menschen präsentierten ihre Traditionen voller Stolz. Für mich war das Besondere daran, dass hier keine Touristenshow abgehalten wurde. Ich war froh, dabei sein zu dürfen.
In den heißen Quellen im Hotel in Petropavlovsk beruhigten sich die Oberarmmuskeln und wir konnten einen schönen Abschlussabend mit den Guides und allen anderen Verantwortlichen genießen. Etwas Wehmut war bei allen zu merken, als es dann zum Flughafen ging und die Rückreise bevorstand.
So ganz nebenbei:
Einen Braunbären haben wir gesehen, in etwa 200 Meter Entfernung zu unserem Zeltplatz. Er sah von der Fülle etwa so aus, wie der auf dem Bild in einem Souveniershop. Die Experten schätzten ihn auf 500 – 600 Kilogramm. Ich möchte nicht wissen, wie viele Lachse der Kerl verzehrt hatte. An uns hatte er kein Interesse, wir waren ja alles durchtrainierte, schlanke Fischer...

Die Bären auf dem Bild (unten) sind aus Bronze, deshalb war das Lächeln der gesamten Gruppe ganz entspannt. Der Schriftzug auf der Statue heißt:
Hier beginnt Russland

Wenn ihr liebe Leser das auch mal erleben wollt, hier die Ansprechpartner:
Wladimir Ebert 
www.baikal-reise.de
Roger Gyr
www.russija-fishing.ch 

Freundliche Fischergrüße
Peter Timm



Anm.d.Red.: Mehr Reiseberichte zum Thema Russland, Asien, Kamtschatka u.a. - im Fliegenfischer-Forum finden Sie hier: (KLICK)


Ein Reisebericht von Peter Timm für www.fliegenfischer-forum.de - Januar 2015.
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