Meine Lachsfischerei im Sommer 2018 in Norwegen
Vier Stunden einer magischen Nacht
Von Erwin Behrens
Die Lachsfischerei an den norwegischen Lachsflüssen wurde in den Monaten Juni und Juli durch anhaltendes Niedrigwasser geprägt. An einigen Flüssen verharrten die Wasserstände bis weit in den August auf extrem niedrigem Niveau. Um bei ungünstigen Verhältnissen erfolgreich zu sein, ist es nötig, trotz aller Widrigkeiten weiterhin erfolgsorientiert zu fischen. Natürlich erkennt derjenige, der seine Pools über Jahre oder sogar Jahrzehnte befischt hat, die Zusammenhänge. Dank seiner Erfahrungen ist er auch in der Lage, sich an fremden Gewässern Chancen zu erarbeiten, an deren Ende der Fang eines Laches steht.

Mein Herr, dieses ist ein Krieg, den man gewinnt oder auch verliert“ (Izaak Walton 1653). Die doch sehr martialische Äußerung zu diesem Thema passt nicht in unsere Zeit, zeigt aber, welchen Stellenwert dieses Tun in jener Zeit hatte. 

Was mich antreibt, ist jener Moment, in dem der Lachs die Fliege nimmt. Jeder Lachsfischer wartet auf diesen Moment und möchte ihn wieder und wieder erleben. Das Haken setzen, der Drill und die Landung runden das Erlebte dann positiv ab. Geht ein Lachs verloren, ob groß oder klein, ist es mehr als unbefriedigend, aber nicht tragisch im eigentlichen Sinne.

Noch weniger geht nicht. Wasserstand  9 m3/s (mittlerer Wasserstand - 35 bis 45  m3/s).
Himbeeren sind auch in diesem Sommer reichlich vorhanden, es reicht sogar für eine  Himbeertorte, die wir an Nachmittag mit Fischerfreunden essen. 
Ein herrlicher Tag liegt hinter uns. Wir haben in der Sonne gelegen, gut gegessen und mit Fischerfreunden geplaudert. Natürlich wurde über die Wasserverhältnisse gesprochen und das es endlich mal regnen soll. Ein schweres Gewitter im Fjell wäre gut, dann bekämen wir einen Wasserhub und neue Fische würden usw usw...
Ich denke an den Abend und hoffe, einen guten Fisch zu haken. Lachse steigen immer und bei allen Verhältnissen, davon bin ich überzeugt. Wer nicht an seine Chance glaubt, fischt halbherzig und wird wahrscheinlich leer ausgehen.
Abendstimmung Mitte Juli, schöner kann ein Sommer nicht sein. Wolken ziehen vom Meer her auf, regnen wird es nicht.

Das Warten hat ein Ende, endlich ist die Sonne untergegangen. Vor uns liegen vier Stunden, in denen wir, wenn es gut läuft, einen Lachs fangen können. Niels beginnt am Pooleinlauf, ich werde warten, bis er die Mitte des Pools erreicht hat. Wir fischen beide schnell, gehen nach jedem Wurf immer zwei bis drei Schritte vor. Bei den herrschenden  Verhältnissen biete ich die Fliege in einer möglichst langen, schnellen Drift hoch an. 
Mit dem Snap T Cast ist es mir auch an der Brandwand möglich, die Leine in einem Winkel von ca.75 Grad gestreckt auszulegen. Die Geschwindigkeit der Drift kann ich von sehr schnell bis langsam durch Menden oder Anheben der Rute beeinflussen.
Niedergang zum Pooleinlauf
30 Minuten später ist es dann stockfinster. Ich gehe runter zur Uferkante und beginne sofort aber ohne Hast meine Leine auszulegen. Meine Augen genötigten einige Zeit um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Beim Vorgehen versuche ich beim Übersteigen der teils großen Steine keine Geräusche zu verursachen, die sich aufs Wasser übertragen könnten.  Bereits nach dem 10. Wurf nimmt ein Lachs meine Fliege. Eine Kurbelumdrehung Leine läuft von meiner Rolle, ich presse die Shooting Line an den Korkgriff der Rute und setze den Haken. Der Fisch steht einige Sekunden kopfschlagend auf der Stelle und flüchtet dann gegen den Widerstand der Rolle mit dem Strom flussabwärts. Die Knarre meiner Hardy Sovereigne 11/12 signalisiert Nils  - fish on - ...

Ich folge dem Fische einige Meter flussab, dann bleibt er stehen und ich nehme Leine auf. Nach einigen Minuten bringe ich den Fisch zum ersten Mal Ufer nah zur Oberfläche, wir erkennen, dass es ein Rogner ist. Ich voziere den Drill, vermeide, aber das der Lachs springt. Um den Drill zu verkürzen, nimmt Niels den Lachs mit dem Netz. Der Haken hatte im Maulwinkel Halt gefunden, ich kann ihn problemlos ohne Zange lösen. Nach einigen Minuten der Erholung stabilisiert sich der Rogner und ich gebe ihn frei. Mit kräftigen Schwimmbewegungen verabschiedet er sich in die Dunkelheit der Nacht. Seine Reise findet hier und heute kein Ende. Ich frage mich: War das der Lucky Punch- oder geht noch was? Mit dem ersten Fisch im Rücken fischt es sich mit Sicherheit leichter. Der erste ist nicht immer der Schwerste, aber er kann es sein.
Wieder am Pooleinlauf, es ist noch immer stockfinster.
Niels macht sich auf zum Pooleinlauf. Ich zur blauen Bank am Ende des Pools, wo meine Watjacke und Weste liegen. Es ist bereits 01:30 Uhr und ein kalter Wind weht vom Meer her. Nachdem ich Jacke und Weste übergezogen habe, überprüfe ich das Vorfach, trinke noch etwas und mache mich auf zum Pooleinlauf. Als ich an Niels vorbeigehe befindet er sich noch im ersten Drittel des Pools. Um 02:00 Uhr beginne ich mit dem zweiten Durchgang, wohlwissend, das in ca. einer Stunde die Sonne über die Berge ins Tal und auf den Flusslauf scheinen wird.
Nach den ersten drei Würfen wechsele ich intuitiv die Tubenfliege von Black Doctor auf Morningshow. Ich gehe schnell vor und lasse die Leine bis wenige Meter ans Ufer driften. Nachdem ich ca. 30 Meter vorgegangen bin, ist es bereits wieder so hell, dass ich Niels vor mir schemenhaft erkennen kann. In einer der nächten Driften nimmt dann ein Lachs ca. 6 Meter vom Ufer entfernt meine Fliege an der gestreckten Leine.
Am Lachsbock haften  einige hellbraune  Lachsläuse, ebenso wie beim zurückgesetzten Rogner in dieser Nacht.
Der Lachs nimmt keine 10 cm Leine von meiner Rolle und steht auf der Stelle. Ich hebe die Rute an, der Haken dringt tief im Maul hinter der Zunge ein. In der nächsten Sekunde wälzt sich der Lachs gegen den Zug der Leine an der Oberfläche, seine  silberne Flanke ist deutlich erkennbar. Er flüchtet in Richtung des linken Ufers, während ich die steinige Uferkante im Halbdunkeln entlang klettere. Als er das schnelle Wasser erreicht, springt der Lachs. Ich vermindere den Druck, ohne den Kontakt zu verlieren. Er reagiert sofort und stellt sich ein. Nach drei weiteren Fluchten lassen seine Kräfte deutlich nach. Ca.10 Minuten nach dem Haken führe ich den Lachsbock über den von Niels geführten Kescher. Ich entnehme den Lachs und werde ihn und einen weiteren Lachs vor Ort kalträuchern lassen.

Bevor ich zu meiner Hütte zurückgehe, setze ich mich noch eine halbe Stunde auf die blaue Bank, denke an das Erlebte und genieße den Moment.



Anmerkung der Redaktion:

Mehr Reiseberichte zum Thema "Lachs & Norwegen" im Fliegenfischer-Forum, auch vom Autor Erwin Behrens, finden Sie hier: (KLICK).

Außerdem empfehlen wir Ihnen wärmens sein im Jahr 2013 erschienenes Buch "Auf silberner Spur", welches wir hier vorgestellt haben: (KLICK).





Ein Reisebericht von Erwin Behrens für www.fliegenfischer-forum.de - September 2018.
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