Sehr geehrter Herr Minister Dr. Sklenar,
es ist bereits fünf nach zwölf; so muß man die Situation der heimischen Fischbestände in Thü-ringen einschätzen. Deshalb ist es dringend erforderlich, die bestehende Kormoranverordnung in ihrer Fassung vom 27.05.00 zu ändern, um die Zukunft der Fischbestände in den Thüringer Gewässern und der Thüringer Fischerei zu sichern.
Die Thüringer Gewässer wiesen Anfang der 90er Jahre einen guten Fischbestand auf. Zahlrei-che geschützte Arten tummelten sich, immer häufiger werdend, in ihnen. Mit dem Auftreten des Kormorans Mitte der 90er Jahr ging es damit steil bergab. Regionale Vorkommen ge-schützter Fischarten sind ernsthaft in ihrem Bestand bedroht. Insgesamt gehen die Thüringer Fischbestände in den natürlichen Gewässern immer mehr zurück. Sie sind nur noch durch Besatzmaßnahmen zu erhalten. Das biologische Gleichgewicht ist in erheblichem Maße ge-stört und es kann jederzeit passieren, daß die ersten Gewässer kollabieren.
Naturschutz ist der wichtigste Bestandteil der fischereilichen Hege. Ohne Naturschutz ent-behrt jede Gewässerwirtschaft und fischereiliche Hege der Nachhaltigkeit gegenüber den Fischbeständen und dem Lebensraum Gewässer.
Allerdings, im Unterschied zu den tatsächlichen Gegebenheiten eines oft auf Vögel, Lurche und Kriechtiere einseitig orientierten Naturschutzes, ist auch der Schutz der Fischbestände in den Naturschutz einzubeziehen. Dies ist von besonderer Bedeutung, da gerade die Fische den höchsten Anteil an bedrohten Arten im Vergleich zu anderen Tiergruppen haben.
Der Kormoran, als in Thüringen nicht heimischer Vogel, verursacht verheerende Schäden in der heimischen Tierwelt. Nicht nur Bayerische, auch Thüringer Gewässer wurden nachweis-lich vollständig leer gefischt. Hierzu gibt es Aussagen von Pächtern verschiedener Werra- und Saaleabschnitte. Neueste Erhebungen aus diesem Jahr, welche der VDSF-Landesverband in Zusammenarbeit mit Herrn Dr. Krapf (Thüringer Landesverwaltungsamt) an der Unstrut im Raum Gebesee durchführten, bewiesen eindeutig, daß die Unstrut in den vom Kormoran be-fallenen Abschnitten nahezu fischleer war.
Diese Entwicklung können und wollen die Thüringer Fischerei- und Anglerverbände nicht länger hinnehmen. Wir fordern deshalb eindeutig und nachdrücklich eine schnellstmögliche Änderung der Kormoranverordnung, um einen weiteren Niedergang der Fischbestände und der Berufsfischerei in Thüringen abzuwenden.
Ein europäischer Managementplan wird zur Zeit von der Bundesregierung nicht mit getragen. Deshalb sind flächendeckende Regelungen in den einzelnen Bundesländern das Gebot der Stunde. Thüringen sollte dabei nicht mit einer ineffizienten Verordnung aufwarten. Gerade die Thüringer Gewässerstruktur mit einem extrem hohen Schadenspotential (kleine, flache Ge-wässer bei Einfall 100 % Abfischung durch den Kormoran) fordert eine progressive Rege-lung. Argumente, welche die derzeitige Verordnung verteidigen, ja sich auf Forderungen der EU-Richtlinie berufen, können wir nicht gelten lassen, insbesondere da in anderen Bundes-ländern wie Bayern und Baden-Württemberg weitergehende Regelungen erlassen wurden. Bereits sichtbare Auswirkungen zeigen sich in einem zusätzlichen Abdrängungseffekt von Kormoranen aus diesen Regionen nach Thüringen.
Unsere Forderungen im Speziellen:
1. Die bestehende Befristung der Jagdzeit sollte mit dem Ziel einer
ganzjährigen Bejagung aufgehoben werden. Auch Schlafbäume müssen,
um Effekte erreichen zu können, mit in die Bejagbarkeit einbezogen
werden. Eventuelle Brutplätze dürfen nicht ausgenommen werden,
da es ein erklärtes Ziel Thüringer Naturschutzpolitik ist, eine
Koloniebildung in Thüringen nicht zu zulassen. Wie sonst soll das
erreicht werden?
2. Vergrämung ist generell aus der Verordnung zu streichen, weil
durch Vergrämungsmaß-nahmen ein hoher Schaden in Natur und Umwelt
hinterlassen wird und diese auf Kormora-ne keinen nachhaltigen Eindruck
machen. Lediglich der Nahrungsbedarf der Kormorane wird in Folge des Umherscheuchens
weiter gesteigert. Stattdessen sollte festgelegt werden, daß kleiner
Standorte der Berufsfischerei, z.B. Rinnenanlagen, mit technischen Überspan-nungsmaßnahmen
vor Kormoranen zu schützen sind. Hierfür sind Fördermit-tel/Fördermaßnahmen
einzuplanen. Dies ist jedoch für natürliche Gewässer nicht
realisier-bar.
3. Aus Gründen des Artenschutzes ist auch in Naturschutzgebieten
die Bejagung auf Antrag zu zulassen. Gerade der Kormoran vernichtet in
hohem Maße die Nahrungsgrundlage ande-rer schützenswerter Arten
wie z.B. Wasseramsel und Eisvogel, aber auch eine Vielzahl von Kleinfischarten
der „Roten Liste“-Kategorie.
4. Eine Bejagung in den übrigen Gebieten muß per Kormoranverordnung
ohne Antrag mög-lich werden. Es ist gerade beim Kormoran wichtig,
die ersten Spähervögel zu erlegen, um das Herannahen des großen
Schwarmes abwenden zu können. Bei vorgegebener Pflicht zu Antragsstellung
ist dies jedoch nicht möglich. Antragsverfahren über die unteren
Natur-schutzbehörden haben sich auf Grund der subjektiv verschiedenen
Auslegungen der bishe-rigen ThürKorVO nicht bewährt. Insbesondere
im Hinblick auf die große Anzahl von Kormoranen (zur Zeit werden
ca. 600.000 Brutpaare in Europa geschätzt) ist davon auszu-gehen,
daß ein nennenswerter Schaden am Kormoranbestand durch eine Bejagung
nicht angerichtet werden kann. Lediglich ein etwas besserer Schutz der
Thüringer Fischbestände und der Gewässerbiozönosen
kann dadurch erreicht werden.
5. Im Ausblick auf ein gerade in Brandenburg laufendes Gerichtsverfahren,
in welchem die Schadensersatzverpflichtungen des Landes bereits festgestellt
wurden, derzeit aber noch die Feststellung der Höhe des Schadensersatzes
anhängig ist, sollte sich die Thüringer Landesregierung auf eine
Einstellung von Mitteln für derartige Schadensersatzfälle vorbe-reiten.
Die hier aufgeführten Forderungen sind baldmöglichst in eine Novelle der Thüringer Kormo-ranverordnung aufzunehmen. Nur so ist es möglich, weitergehende Schäden von den Fischbe-ständen in unseren Thüringer Gewässern abzuwenden. Wie diese Zielstellungen zu erreichen sind, zeigt die Bayerische Kormoranverordnung vom 01.08.2000, welche in der Anlage beige-fügt wird.
Wir Thüringer Verbände fordern, bei einer Novellierung der
ThürKorVO gehört zu werden. Leider war dies in Vorbereitung der
zur Zeit geltenden Ordnung nicht der Fall.