Ilm in Thüringen / Kampf gegen eine sinnlose Wasserkraftanlage (Fortsetzung).
Hier lest Ihr, was die örtliche Presse unter umfassender Berichterstattung versteht.
Zuerst den ausführlichen Text, der an alle Tageszeitungen ging. Nur eine hielt es für nötig, etwas darüber abzudrucken, die "Thüringische Landeszeitung". Lest unten, was sie daraus gemacht haben...
18.06.01

Der Ilmtal – Fliegenfischerverein informiert:

Erläuterungen zum Artikel „Fliegenfischer mit Argusaugen
Kritik: Turbinenbetreiber hält sich am alten Martinswerk nicht an Auflagen“, erschienen in der Thüringer Allgemeinen, Weimarer Land, am 02.03.2001

Durch den oben genannten Artikel traten mehrere Mitbürger an uns heran und fragten, wieso wir uns so vehement gegen diese Wasserkraftanlage einsetzen würden. Wir schließen daraus, dass den meisten Menschen das nötige Hintergrundwissen zu dieser Thematik fehlt.
Deshalb möchten wir an dieser Stelle einige Erläuterungen in grob zusammengefasster Form geben:

Eine Kleinwasserkraftanlage von der Art, wie sie jetzt im ehemaligen Martinswerk umgesetzt wurde, bringt vergleichsweise gerade einmal die Energie für das Betreiben eines Kleinwagens auf! Die von der PFK (Planungsgesellschaft für Kraftwerksanlagen mbH), die für den Bau der Anlage verantwortlich ist, geäußerten Werte von „bis zu 150 KW“ und „Strom für 30 Einfamilienhäuser“ sind völlig aus der Luft gegriffen und mit der Wassermenge der Ilm in den letzten Jahren niemals umzusetzen. Realistisch und anhand vorliegender Unterlagen nachzuweisen, sind Werte um 20 KW. Die Genehmigung solcher Kleinwasserkraftanlagen, die mehr Schaden als Nutzen bringen, ist übrigens in unserem Nachbarbundesland Sachsen längst nicht mehr erlaubt (wann wacht unsere Regierung auf...?).

Demgegenüber beeinträchtigt und zerstört diese Wasserkraftanlage nicht nur die etwa 800 Meter Flussstrecke, in der das Wasser fehlt, weil es über den Turbinengraben zur Stromerzeugung abgeleitet wird.
Nein - solche Anlagen haben gravierende Auswirkungen auf das gesamte Flusssystem.

Eine Querverbauung wie ein Stauwehr unterbricht den natürlichen Flusslauf. Der für den gesamten Fluss sehr wichtige Geschiebetransport findet nicht mehr statt. In dem oberhalb des Wehres geschaffenen künstlichem Staubereich lagern sich Schlamm und Sedimente ab. Hier bilden sich aufgrund der nicht erstklassigen Wasserqualität (Abwassereinleitungen, landwirtschaftliche Nutzung der anliegenden Flächen etc.) ausgedehnte Faulschlammbänke.
Genau an dieser Stelle wird eines der wichtigsten Argumente der Wasserkraft-Fürsprecher entkräftet, ohne dass diese selbst es zugeben würden:
Die Wasserkraftlobby behauptet oft und gerne, dass herkömmlich erzeugter Strom aus Verbrennungskraftwerken die Atmosphäre mit Treibhausgasen belastet und sie hingegen die umweltfreundliche Alternative anzubieten hätten.
Was macht nun der Faulschlamm in den erwähnten Staubereichen ? Er produziert nachgewiesen Treibhausgase (Methan) in nicht zu unterschätzenden Mengen ! Methan ist übrigens ein 20-mal schädlicheres Treibhausgas für die Atmosphäre als Kohlendioxid.

Ein Stauwehr bedeutet jedoch auch für die Tierwelt eine unüberwindbare Barriere. Die meisten Lebewesen des Flusses sind Wanderer. Sie müssen zu bestimmten Zeiten im Jahr mehr oder weniger große Strecken zurücklegen, um sich fortpflanzen zu können und sich zu verbreiten. Nicht nur Forellen, Äschen,. Aale, Barsche, Lachse und verschiedene Kleinfischarten in der Ilm sind Wanderer, sondern auch eine Vielzahl von Wasserinsekten wie Bachflohkrebse und Larven von Eintags-, Stein- und Köcherfliegen. Für sie alle ist ein Stauwehr ohne eine funktionierende Fischwanderhilfe („Fischtreppe“) am Wehr und eine ausreichende Restwassermenge im Fluss nicht zu überwinden.
 
Nun noch einige Worte zur Wirtschaftlichkeit der Anlage im Martinswerk:
Der Wasserkraftanlagen-Betreiber investierte nach eigenen Angaben 1,3 Mio DM in den Ausbau dieser Anlage.
Einen nicht unerheblichen Teil seiner Investitionen erhält er vom Land Thüringen als Förderung zurück. Dies sind übrigens unsere Steuergelder! Für die Einspeisung in das Stromnetz erhält der Wasserkraftbetreiber den staatlich subventionierten, etwa dreifachen Preis wie die herkömmlichen Stromerzeuger. Natürlich wieder finanziert durch unsere Steuergelder. Diese Tatsachen locken natürlich Leute von nah und fern an unsere Flüsse und wenn wir allesamt nicht etwas mehr auf unsere Fliessgewässer achtgeben, wird in absehbarer Zeit auch der letzte natürliche Flusslauf verschwunden, bzw. verschandelt sein. Schuld daran sind mangelhafte Thüringer Gesetze.

Trotzdem geht die Rechnung des Wasserkraftanlagen-Betreibers hier nicht auf: Bei den extremen Niedrigwasserständen der Ilm in den letzten Sommern müsste die Anlage bei Einhaltung der behördlich festgesetzten Mindestwassermengen jedes Jahr mindestens 6 Monate stillstehen! Wir können uns einfach nicht vorstellen, warum nach diesen Tatsachen die Anlage trotzdem gebaut wurde.

Wo wir gerade bei den Gesetzen waren: Die Wasserkraftanlage im ehemaligen Martinswerk war einige Jahre nicht in Betrieb. Zur Wiederinbetriebnahme mussten u.a. Bereiche des Wehres und des
Mühlgrabens komplett saniert, die komplette Turbinentechnik erneuert und einiges an baulichen Maßnahmen durchgeführt werden. Ein bestehendes Altrecht konnte nicht schlüssig nachgewiesen werden.
Das Landesverwaltungsamt in Weimar ist als Genehmigungsbehörde für die Erteilung einer neuen Betriebserlaubnis zuständig. Anstatt den Wasserkraftantrag auf Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit zu prüfen, anschließend zu richtigen Schluss zu kommen und den Antrag, gesetzlich begründet, abzulehnen, erstellt der zuständige Bearbeiter Herr Luft einen 17-seitigen Bescheid für die Genehmigung. Da drängt sich doch geradezu die Frage auf: Was hat der Mann persönlich davon, sich derart ins Zeug zu legen?
Erst auf unseren Widerspruch hin, wo übrigens über viele Monate nichts passiert, wird die TLU Jena mit der Erstellung eines Gutachten beauftragt, welches im Februar diesen Jahres endlich vorliegt und Ergebnisse im Sinne der Natur bringt. Aber was passiert nun? Man erstellt im Landesverwaltungsamt Weimar wiederum einen 15-seitigen Bescheid, indem unser Widerspruch negativ beschieden wird, jedoch eine nachträgliche Erhöhung der für die Ilm verbleibenden Restwassermenge angeordnet wird. Staunend lesen wir auch, dass die Fischaufstiegshilfe schon seit über einem Jahr fertig sein müßte.

Und nun, alles Paletti? Weit gefehlt. Nun beweist uns der aus Westfalen hergekommene Öko-Wasserkraftanlagen-Betreiber, der übrigens während der gesamten Widerspruchsphase munter seine Anlage zu Ende bauen ließ und jetzt auf einmal ganz überrascht fürchtet, „sein“ Geld in den Sand gesetzt zu haben, wie genau er es mit dem Schutz der Natur und der Einhaltung von behördlichen Auflagen nimmt: Die Anlage geht in Betrieb, in der Ilm bleibt erst einmal Null Restwasser und eine Fischaufstiegshilfe ist nirgendwo in Sicht. Ebenso fehlt ein Meßpegel für das einfache Ablesen der für die Ilm verbleibenden Restwassermenge.
Jetzt sind das staatliche Umweltamt in Erfurt und das Landesverwaltungsamt gefordert: Das staatliche Umweltamt erstellte für das Landesverwaltungsamt die fachlichen Zuarbeiten bezüglich Restwassermenge und Fischwanderhilfe. Diese sind als Auflagen und Bedingungen Bestandteil des Genehmigungsbescheides. Nachdem schon in den ersten beiden Wochen nach Inbetriebnahme der Wasserkraftanlage klar war, dass sich der Betreiber an keine der beiden Auflagen hält, stellt sich die Frage, wieso nicht die sofortige Einstellung des Betriebes bis zur Erfüllung der Auflagen verfügt wird ? DOCH SIE TUN NICHTS ! Statt dessen gibt es Etagengerangel und die Zuständigkeit wird hin- und hergeschoben.

Aber es gab in den Amtstuben noch weitere sehr nachdenklich stimmende Vorfälle. Auf unsere Eingabe wegen ungenehmigten Bautätigkeiten auf den Martinswerksgelände kam vom Leiter der Unteren
 
Bauaufsichtsbehörde im Landratsamt Apolda Herrn Gebauer nach einer Sitzung mit der PfK die lapidare Auskunft, alle erforderlichen Genehmigungen würden vorliegen, bzw. es würden keine benötigt, obwohl die Fakten eindeutig eine andere Sprache sprechen.
Sie können sich sicher selbst ausrechnen, was Ihnen blüht, wenn Sie auf Ihrem Grundstück eine ungenehmigte Baumaßnahme durchführen und das Amt davon Wind bekommt!

Auf eine Anzeige wegen umfangreichen Baumfällarbeiten auf dem gleichen Gelände an die Umweltämter in Apolda und Erfurt kam bis auf den Hinweis, dass eine „Totholzfällung“ genehmigt war, ebenfalls keine Reaktion und schon gar keine Ahndung, obwohl wir mit Fotos belegt hatten, dass es sich nicht um Totholz handelte. Jeder Bürger, der in seinem Garten ein „Hölzchen“ ungenehmigt entfernt, muss mit einer hohen Geldstrafe rechnen. Haben den Wasserkraftbetreiber einen Freibrief, weil ihre Machenschaften politisch gewollt und unterstützt werden ?

Nun beschäftigt die Sache demnächst die Gerichte und eines sollte allen Beteiligten jedoch klar werden: Ämter-Nachlässigkeiten und Bürger- und Umweltfeindlichkeiten zum Nutzen einzelner Geschäftemacher müssen nicht geduldet werden. Dafür werden wir kämpfen!

Im Auftrag des Ilmtal-Fliegenfischer Vereins
Michael Müller / 1.Vorsitzender



Und hier der Artikel in der "Thüringischen Landeszeitung" vom 06.04.2001, der aus dem obigen Text entstand: