Am 22.11.2003 fand in Saalfeld eine Tagung des NABU- Landesverbandes Thüringen zum Thema: "Der Kormoran- ein heimischer Vogel" statt.
Zu diesem umstrittenen Thema hat unser Verband dem Veranstalter vorab einige Fragen gestellt, welche die Thüringer Thüringer Fischerei, aber sicher auch Angler und Fischer in ganz Deutschland bewegen. Den Ausgangspunkt für unsere Fragen lieferte uns ein Positionspapier des NABU zum Kororan, welches seit längerem auf dessen Hompage www.nabu.de der Öffentlichkeit präsentiert wird. Natürlich würden wir uns über weitere Meinungen zu diesem Thema freuen. 
Mit freundlichen Grüßen und Petri Heil
Andreas Kirsch
www.anglertreff-thueringen.de

Fragen der Thüringer Fischerei zum Thema:
Der Einfluss des Kormorans auf den Fischartenschutz und die gewerbliche Fischerei

Ausgangspunkt für die Fragen ist die „Position des NABU, des Landesbundes für Vogelschutz (LVB) und des Deutschen Rates für Vogelschutz (DRV) zum Kormoran“  (nachzulesen unter www.nabu.de/m05/m05_03/01077.html)

Der NABU, der LBV und der DRV 

· begrüßen die Erholung der nordwesteuropäischen  Kormoranpopulation und die Ausbreitung seines Brutareals dank der bekannten Schutzbestimmungen…

Wir fragen:

1. Welche gesicherten Erkenntnisse gibt es zum historischen Ausmaß dieser Population und der Ausdehnung ihres Brutareals u.a. auch im deutschen Binnenland?

2. Welche konkrete Zielstellung beinhaltet die Unterschutzstellung des Kormorans und ist diese mit einem 2003 für Europa geschätzten Bestand von ca. 1.600.000 Tieren erreicht?

· stellen fest, dass von einer Überpopulation des Kormorans keine Rede sein kann…

Wir fragen:

Auf welche wissenschaftlichen Erkenntnisse stützt sich diese Aussage und welche Populationsgröße ist nach diesen Erkenntnissen ökologisch vertretbar?

· stellen fest, dass trotz Streichung des Kormorans aus Anhang I der EG- Vogelschutzrichtlinie dessen genereller Schutz weiter besteht und seine Population durch Abschuss nicht gefährdet werden darf…; dass zur Abwendung erheblicher Schäden an Fischereigebieten und Gewässern Ausnahmen von diesem generellen Schutz möglich sind…; dass der Kormoran als regelmäßig auftretender Zugvogel zudem in seinen Brut-, Rast- und Überwinterungsgebieten zu schützen ist…

Wir fragen:

1. Ist die Gefahr einer Bestandsgefährdung durch Abschuss auf Grundlage der in einigen deutschen Bundesländern existierenden Kormoranverordnungen real gegeben?
2. Sind unter den Begriffen „Fischereigebiete und Gewässer“ alle Gewässer in denen die Fischerei auf Grundlage bestehender Fischereigesetze ausgeübt wird zu verstehen?
3. Wie wird der Begriff „erhebliche Schäden“ definiert; im Sinne wirtschaftlicher Schäden, Schäden an Populationen bestandsbedrohter Fischarten oder beides?
4. Gibt es historisch belegte Angaben, dass Thüringen von Kormoranen als Überwinterungsgebiet und mit welchen Bestandsdichten genutzt wurde?

· stellen fest, dass wissenschaftliche Untersuchungen in Bayern, Schleswig- Holstein, Brandenburg und der Schweiz nachgewiesen haben, dass in natürlichen Gewässern (Großen Binnenseen, Flüssen und Küstengewässern) keine nennenswerten, geschweige denn erhebliche Schäden auftreten…; abgesehen von punktuellen Ausnahmen an kleinen Fließgewässern keine wissenschaftlich belegten Nachweise über die Auswirkungen des Kormorans auf Fischarten oder gar seltene Fischarten existieren…; Rückgänge von Fischbeständen dagegen primär auf Gewässerverschmutzung und –verbauung zurückzuführen waren und sind…, diese Gefährdungsursachen sind zu beseitigen.

Wir fragen:

1. Falls diese von der Zeit und der mittlerweile bekannten Realität überholten wissenschaftlichen Untersuchungen überhaupt noch Bestand haben, stellt sich die Frage, wie diese zum Beispiel auf ein an natürlichen Gewässern armes Binnenland wie Thüringen, in dem es die in diesen Untersuchungen einbezogenen Gewässer vergleichbar nicht gibt, auch nur annähernd übertragbar sind?
2. Heute werden selbst von der EU aber auch anderen ernst zu nehmenden Gremien (Europäische Kormorankonferenz 2003 in Frankreich) aufgrund zahlloser wissenschaftlicher Gutachten und Untersuchungen die nachteiligen Auswirkungen des Kormorans auf die Fischwirtschaft und den Fischartenschutz anerkannt und eine europaweites Management bzw. eine Bewirtschaftung der Kormoranbestände empfohlen. Sind diese Untersuchungsergebnisse den o.g. Verbänden nicht zugänglich oder werden sie ignoriert?
3. Wie lässt sich der dramatische Rückgang einer Reihe von Fischarten parallel zum Anwachsen der Kormoranbestände in Deutschland und Thüringen und parallel zur nachgewiesenen Verbesserung der Wasserqualität und Gewässerstruktur erklären?
4. Wie arbeiten o.g. Verbände auf dem Gebiet der Beseitigung der Gefährdungsursachen (Gewässerverbau und –verschmutzung) z.B. mit den Fischereiverbänden zusammen?

· sind besorgt über publizistische Kampagnen von Fischwirten und insbesondere Sportanglern die den Kormoran verunglimpfen sich einer sachlichen Diskussion des angeblichen „Kormoranproblems“ verschließen, wissenschaftliche Erkenntnisse völlig ignorieren und die angeblichen Schäden nicht durch detaillierte Fangstatistiken belegen.

Wir fragen:

1. Warum haben z.B. am 3. Thüringer Kormoran- Rundtischgespräch am 17.06.03 in Jena trotz Einladung die klassischen Naturschutzverbände, mit Ausnahme eines einzigen Vertreters des NABU nicht teilgenommen, um sich ihrerseits über wissenschaftliche Ergebnisse und Praxiserfahrungen zum Einfluss des Kormorans auf die Fischerei zu informieren?
2. Warum errichtet der NABU- Landesverband eine zweite Plattform zum gleichen Thema mit seiner heutigen Veranstaltung in Saalfeld?
3. Werden aktuelle Untersuchungen und Gutachten oder gar Fangstatistiken der Angelfischerei zum Nachweis des „angeblichen“ Kormoranproblems von Seiten o.g. Verbände überhaupt ernst genommen?

· sind besorgt über die populistische Annäherung der Politik hinsichtlich Forderungen zur Dezimierung des Kormoranbestandes über Kormoranverordnungen der Bundesländer…mit denen in erheblichem Umfang Kormorane getötet werden (z.B. 1996/97 in Baden- Württemberg 607 und in Bayern sogar 6.259 Tiere) und teilweise sogar in Brutkolonien eingegriffen werden soll.

Wir fragen:

1. Kann anhand wissenschaftlicher Untersuchungen belegt werden, dass bestehende Kormoranverordnungen der Bundesländer zu einer Dezimierung des Kormoranbestandes beigetragen haben?

· fordern die Sportangler auf, die weit verbreitete Praxis der massenhaften künstlichen Besatzungsmaßnahmen mit Fischen, die die Fauna und Flora der jeweiligen Ökosysteme nachhaltig verändern, einzustellen. Es ist paradox, einerseits ein künstliches Überangebot an Nahrung zu schaffen, andererseits den Abschuss an Vögeln, die dadurch angezogen werden, zu fordern. Besatzmaßnahmen - ausschließlich mit autochthonen Arten – sind auf Ausnahmesituationen zu beschränken und wissenschaftlich zu begleiten; 

Wir fragen:

1. Kann diese pauschalisierende Behauptung des weit verbreiteten Massenbesatzes  einschließlich der angeblich damit verbunden nachteiligen Veränderung der der Ökosysteme wissenschaftlich belegt werden?
2. Wie sollen bei den derzeitigen Strukturdefiziten deutscher Fließgewässer sowie der erheblichen Defizite hinsichtlich Abundanz, Altersstruktur und Reproduktionsfähigkeit bei mehr als der Hälfte der Fischarten die Zielstellungen der EU- Wasserrahmenrichtlinie ohne Besatzmaßnahmen zur Bestandsstützung oder Wiedereinbürgerung verschollener und ausgestorbener Fischarten erreicht werden?
3. Woher soll autochthones Besatzmaterial von Fischarten kommen, wenn diese in ganzen Flussgebieten ausgestorben bzw. verschollen sind?

· fordern die Bundesländer auf, ihre weitgehenden Verordnungen zum Abschuss von Kormoranen zurückzunehmen, zumal diese in eindeutigem Widerspruch zu europäischem und internationalem Naturschutzrecht stehen. Völlig inakzeptabel sind der Abschuss in Schutzgebieten ( z. B. Nationalparks, Naturschutzgebieten, Vogelschutzgebieten gemäß EK-Vogelschutzrichtlinie sowie Ramsar-Gebieten) und während der Brutzeit, sowie Eingriffe in bestehende oder neu Brutansiedlungen;

Wir fragen:

1. Warum klagen o.g. Verbände nicht gegen Kormoranverordnungen der Bundesländer vor dem EuGH, wenn diese angeblich rechtswidrig sind?
2. Warum ist ein Abschuss von Kormoranen in den genannten Schutzgebieten inakzeptabel, wen z.B. der Nachweis erbracht wird, dass die Schutzziele dadurch nicht nachhaltig beeinflusst werden, andererseits aber bedrohte Fischarten vor übermäßiger Prädation durch Kormorane geschützt werden können?
3. Welche Möglichkeiten zur Regulierung eines ökologisch vertretbaren Gleichgewichts außer des Eingriffs in oder die Verhinderung des Entstehens neuer Brutkolonien stehen alternativ zur Verfügung?

· fordern die Bundesregierung auf, sich im Rahmen der Bonner Konvention zum Schutz wandernder Tierarten gegen eine Reduktion des Kormoranbestandes auf nationalem, europäischen sowie internationalem Niveau auszusprechen und einem Managementplan, der entsprechende Forderungen enthält, nicht zuzustimmen;

Wir fragen:

1. Ist den o.g. genannten Verbänden bekannt, dass es sich bei den meisten heimischen Fischarten ebenfalls um wandernde Tierarten handelt, die jedoch durch Querbauwerke und insbesondere Wasserkraftanlagen an ihren Wanderungen und damit an ihrer natürlichen Ausbreitung und Reproduktion gehindert werden?
2. Die damit verbunden Verinselung von Lokalpopulationen kann zur genetischen Verarmung bis hin zum Aussterben führen. Kann die massive Prädation des Kormorans diesen Prozess beschleunigen, indem z.B. reproduktionsfähige Laichfische jährlich weg gefressen werden?

· fordern, den Kormoran als Bestandteil unserer Gewässerökosysteme zu akzeptieren und Entschädigungsansprüche zurückzuweisen (außer bei gewerblicher Nutzung). Nur in kommerziellen Fischzuchtanlagen können, sofern Abwehrmaßnahmen nicht greifen, Entschädigungsansprüche für nachgewiesene Schäden anerkannt werden und Ausgleichszahlungen erfolgen. Vorrangig sind staatliche Gelder aus den Haushalten der Landwirtschaftsminister jedoch zur Unterstützung der Extensivierung und ökologischen Bewirtschaftung von Fischzuchtanlagen bereitzustellen;

Wir fragen:

1. Fischereirechte sind eigentumsgleiche Rechte deren Nutzung in den Fischereigesetzen geregelt ist. Unabhängig von der Art der jeweiligen Nutzung entstehen zusätzlich zu Problemen des Artenschutzes in jedem Fall wirtschaftliche Nachteile bei nachhaltiger Schädigung des Fischbestandes z.B. durch übermäßige Kormoranprädation. Ist eine ausschließliche Entschädigung der gewerblichen Fischerei mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar?
2. Ist o.g. Verbänden bekannt, dass es sich bei künstlich angelegten Fischteichen um Produktionseinrichtungen der gewerblichen Fischerei handelt, die zum einen der Produktion von Nahrungsmitteln und zum anderen der Existenzsicherung ihrer Bewirtschafter dienen, oder vertreten sie die Auffassung , dass die Bewirtschaftung der Teiche als „Sahnestücke des Naturschutzes“ sich vorrangig dessen Zielen unterzuordnen hat?
3. Wird der Fischerei eine Ausrottungspolitik gegenüber dem Kormoran unterstellt oder sollte man nicht davon ausgehen, dass sich Fischer und Angler mit einer ökologisch vertretbaren Kormoranpopulation arrangieren könnten?

· stellen abschließend fest, dass Fischereiwirtschaftliche oder Artenschutzprobleme durch Kormorane nur lokal auftreten und durch lokale Maßnahmen gelöst werden müssen. Dabei müssen vorrangig passive, natur- und tierschutzgerechte Abwehrmaßnahmen Anwendung finden; hierzu stehen genügend Alternativen zur Verfügung. Darüber hinaus sprechen auch ganz prinzipielle, störungsökologische, populationsbiologische und nicht zuletzt ethische Gründe gegen die Wiederaufnahme oder Ausdehnung der Jagd auf den Kormoran. In Bayern wurde seitens der Fischer neben den Graureiher auch schon wieder der Gänsesäger„ins Visier“ genommen. Dieser Rückfall in altes „Schädlings- / Nützlings-Denken“ und die Schuldzuweisung für eine verfehlte Fischerei-, Wasserwirtschafts- und Gewässerreinhaltungspolitik an frei lebenden Tierarten muss auch von den verantwortlichen Politikern in aller Deutlichkeit zurückgewiesen werden, wenn die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Umsetzung der internationalen Konvention über die Erhaltung der biologischen Vielfalt ernst genommen werden soll! 

Wir fragen:
1. Warum werden durch o.g. Verbände lokale Kormoranverordnungen zur Lösung lokaler Problem abgelehnt und welche nachweislich nachhaltig wirkenden passiven, natur- und tierschutzgerechten Abwehrmaßnahmen können diese Probleme lösen?
2. Durch o.g. Verbände wird vom Bundesrat die Ablehnung  eines europaweiten Kormoranmanagements gefordert. Glauben diese Verbände, mit ihrer totalen Verweigerungshaltung gegenüber jeglichem Ansatz zur Bestandsregulierung im Sinne eines ökologischen Gleichgewichts an natürliche Selbstregulation in der hochgradig denaturierten Kulturlandschaft Mitteleuropas?
3. Muss man nicht auch von einer verfehlten Naturschutzpolitik sprechen, wenn der einseitige Schutz einer Tierart die Existenz anderer gefährdeter Tierarten ernsthaft infrage stellt?
4. Wird die Forderung der Fischerei nach Gleichberechtigung im Artenschutz als Ausgangsbasis für die heutige Tagung vom Veranstalter akzeptiert? 

Abschließende Fragen der Thüringer Fischerei:

Dieses Positionspapier ist weder in sich schlüssig noch lassen sich viele der darin enthaltenen Behauptungen und Unterstellungen beweiskräftig nachvollziehen. Außer absoluter Verweigerungshaltung und nahezu vollständiger Ignoranz der Realität lässt es keine Ansatzpunkte erkennen, die auf Kompromissbereitschaft bzw. Akzeptanz und Toleranz gegenüber anderen als den eigenen Positionen schließen lassen.
Deshalb fragen wir:

1. Wie sieht der NABU mit der Veröffentlichung dieses Papiers auf seiner Website die Grundsätze einer seriösen Öffentlichkeitsarbeit gewahrt?
2. Identifiziert sich der Veranstalter der heutigen Tagung als Thüringer Landesverband des NABU mit diesem Positionspapier?

· Wenn ja, erhofft er sich mit der heutigen Veranstaltung eine Untermauerung dieser Positionen?
· Wenn nicht, sollte er seinen Bundesverband zur Rücknahme dieses Papiers auffordern und die heutige Veranstaltung als Auftakt für eine tolerante und konstruktive Zusammenarbeit mit der Fischerei gestalten.

Saalfeld,  22.11.2003