Der Puyerredon See in Patagonien Ein Reisebericht von Heiko Schneider |
Prasselnd
schlägt der Schotter gegen den Unterboden unseres Allrad und eine
haushohe Staubfahne hinter uns herziehend, nähern wir uns den abwärtsführenden
Serpentinien. Hinter uns liegt diese unwirtliche Hocheben, dieses Nirgendwo,
diese nur aus dunklem Gestein und der Mata Negra bewachsenen Einöde...
Wieder einmal sind wir unterwegs abseits des "beaten path". Es ist anfang Januar, 3000 Kilometer haben wir nun hinter uns. Aus dem Norden kommend, immer über die “Ruta 40”, haben wir uns entlang der Andenkordilliere bis hier herunter gefischt. |
Dieses Nirgendwo.... |
Am
Horizont erscheint nun der allmächtige schneegleissende San Lorenzo,
mit 3706 Metern ist er das höchste Massiv des australen Südens.
Eine Stunde abenteuerliche Fahrt trennt uns noch vom Puyerredon See und
einer aussergewöhnlichen Fischerei. Wir überqueren einen kleinen
Wildbach, ein verlassener Hof, eingerahmt von majestätischen Alamos,
den hoch aufragende Papeln, Zeugen der Vergangenheit und einem einstmals
regen Lebens.
Endlich, von einer Anhöhe aus zeigt sich der Pueyrredon gleich eines azuren Auges und zahllose Serpentinen später zieren gewaltige Wellen den elfenbeinfarbenen Sandstrand. Der Wind fetzt das Wasser von den Wellenkämmen und ich muss die Scheibenwischer aktivieren, um nicht irgendwo abseits der Piste zu landen. |
Schneebedeckte Berge und Steppenvegetation | Ein Juwel - der Puyerredonsee! |
Die
satten Niederschläge, verbunden mit dem Schmezwasser, haben den See
nicht unerheblich über seine Ufer treten lassen. Über weite Strecken
führt der Uferweg durch das Wasser und mehr als einmal hält Carolina
den Atem an, als wir uns auf einer Passage hoch über dem Pueyrredon
vorsichtig durch eine tiefe Rinne der weggerissenen und nun sehr schmalen
Fahrspur tasten, « hijo de puta« !
Der Pueyrredon erstreckt sich über eine Länge von beinahe 100 Kilometer, knapp die Hälfte des Sees befinden sich auf argentinischer Seite. Die Ufer des Sees sind beidseitig eingerahmt von schneebedeckten Gipfeln, felsige baumlose Steilufer wechseln sich ab mit grobkiesigen, hell leuchtenten Stränden und Steppenvegetation. 360 Tage des Jahres türmen die unaufhörlich blasende Westwinde hohe Wellen auf, die sich am Ostufer des Sees in einer atemberaubenden Brandung brechen. Windgeschützte Bereiche sind rar, aber es gibt sie. |
Dort,
Carolina erspähte die “Abfahrt” zu unserem so gewohnten Uferbereich,
an dem wir die nächsten Tage verbringen werden. Der nahe Gletschebach
führt gewaltige Mengen an Wasser und so furten wir häufig diese
trüben Rinnen. Die Fahrt führt rumpelnd durch dichtes mit niedrigen
Weiden und grossen Calafate Büschen bewachsenes Gelände. Immer
wieder kreuzen wild umherspringende Hasen den Weg und dieser unendliche
scheinende Blaue Himmel bietet einen wahrhaft traumhaften Kontrast zum
Grün der Vegetation und des hellen mit groben Kies bedeckten Bodens,
angekommen!
Die Calafate
Beere, es heisst wer einmal von ihr gekostet hat, kehrt immer wieder zurück
nach Patagonien...
|
Unser
kleines Camp errichten wir im Schutzt eines grossen Calafate Busches, und
nichts hält uns beide mehr hier, auf ans Wasser! Die Uferregion gleicht
einem Sumpfgebiet und der kleine Gletscherbach öffnet sich Deltagleich
zur weiten windgeschützten Bucht.
Unsere Ausrüstung
kurz und knapp: Carolina fischt ihre #5 Rute, ich meine #4, Schwimmschnur,
nicht allzulanges Tippet und und eine dunkle 6er Mücke, ach ja und
dies alles gepaart mit einer gewaltigen Portion Vorfreude!
Einen heissen Tee... |
Carolina
legt ihre Leine in der Mitte des Baches ab und lässt die dunkle Fliege
stromab treiben. So den schmalen Gewässerlauf folgend bewegen wir
uns langsam dem See selbst zu, Aktivität ist nicht und das sedimentgetrübte
Wasser lässt keine Einblicke zu, Standplätze sind nicht auszumachen.
Momente später, die leicht geneigte Gerte meiner Partnerin kann nur
eins bedeuen: fish on! Ein herrlich gezeichneter Perca, Percichthys
trucha, eine endemische Barschart, hat die Fliege genommen. Die Percas
sind gesellige Burschen, hat man erstmal den Standplatz ausgemacht,
kann man durchaus mehrere dieser bis zu 2 Kilogramm schweren Brocken mit der Fliege überlisten. |
Die nächste Böe kommt bestimmt! |
Diese
Bachmündungen, oder kleines Delta, bot eine nette hinterhältige
Charakteristik: der Grund besteht aus feinstem Sediment und hüten
sollte sich der Angler, auch nur einen Schritt ins Wasser zu tun, weil
die Folge davon eine Sedimentwolke ist, die sich unaufhörlich anderen
Standplätzen der Fische nähert. So gehandicapt bemühten
wir uns, auf dem immer spärlicher werdenden Ufergras zu pirschen und
von dort aus eine lange Leine zu werfen.
Aber nun ging
uns allmählich das Gras aus und unvermeidbar schwebten diese Vorboten
den Flossenträgern entgegen. Also die Taktik geändert, Ausschwärmen
hiess nun die Devise und Stillhalten beim Casten! In dem nunmehr nur noch
leicht eingetrübten Wasser verschwommen die Konturen von Fisch und
Bewuchs und beides war nur schwer auseinanderzuhalten.
Tolle Percas... |
Die Fliege, immer noch unser bewährtes dunkeles Muster tauchte im Bereich dieser Konturen ein, nach nur zwei langsamen stripes zog es ordentlich an meiner Schnur, diese schlanke Silhuette, ein Perca? Noch unwahrscheinlicher war eine Arco Iris hier in diesem Bereich. Ich staunte nicht schlecht, als dieser schimmernder Körper vor mir auftauchte: ein Pejerrey patagonico, Odontesthes hatcheri, hatte die Fliege genommen, er ist mit dem Perca eine weitere, nur hier im Süden vorkommende Art, und nimmt bereitwillig Nymphen und kleine Streamer. Einige der Pejerrey konnten wir noch überlisten, aber ungleich der Percas sind sie wesentlich scheuer und quitieren eine allzu unachtsamme Annäherung mit Misstrauen und Verschwinden. |
Oben rechts: Oberhalb des des kleinen Deltas | Oben: Exellente Konditionen |
Es
war nun Nachmittag und wir entschlossen uns, zurückzugehen zu unserem
Camp, uns mit einer heissen Suppe und einem Tee wieder auf Betriebstemperatur
zu bringen und die Sonne im Windschatten des Camp’s auf unseren Bauch brennen
zu lassen. Nachdem ich einige neue Mücken gebunden hatte, Kreativität
kennt keine Grenzen hier draussen, entschloss ich mich auf Calafate Jagd
zu gehen! Im Grunde sind sie einfach zu erbeuten, sitzen still zwischen
den imposanten Dornen. Aber wenn der Wind in die Büsche fährt
und die Zweige wild bewegt wird das ganze oftmals zu einer schmerzhaften
Mission...
Einer der zahlreichen Bachperca |
Pejerrey... | und "Barramundi"... |
Die
Rede ist von den Calafate Beeren, in Form und Grösse nicht unähnliche
einer Blaubeere, aber weniger süss und mit verflucht vielen Kernen.
Man sagt, wer einmal von diesen Beeren gegessen, kehrt immer wieder zurück
nach Patagonien...
Nun, das Gelee war eingekocht, die Schichten von Fleece und Watjacke plus warmer Mütze angelegt, so machten wir uns wieder auf den Weg zum Wasser. Ich hatte meine #4 Rute gegen eine #5er eingetauscht und Carolina blieb bei ihrer 5er Gerte. Wir wählten nun einen anderen Bereich der Bucht, der Seeboden hier war firm und frei von lästigem Sediment. Wir hatten einen anderen Antagonisten ausgesucht: Die kampfstarken Regenbogenforellen, die Laichzeit war vorrüber und ungleich des Runs im nahegelegenem Fluss und der Leichtigkeit eine dieser Schönheiten zu haken, sind nun Ausdauer und Geduld gefragt, um diesen Fisch zu fangen. Aufgrund des Wasserstandes war die Distanz vom Ufer zum Steilabfall im See beträchtlich. |
Wir hatten
sozusagen Bonefish Konditionen, ginklares Wasser, max. bis zur Hüfte
reichend und grobsandiger Grund. So warfen wir pirschend unsere Leine und
näherten uns dem dunkelblauen Band, das die Grenze zum tiefen Abgrund
markierte.
Wir fischten unterschiedliche set ups, Carolina hatte eine Sinktip gewählt und ich entschied mich entgegen einer gewissen Logik zu einer Vorfachlänge, die gepaart mit einer grossen Fliege und dem nun kernigen Wind, gerade noch so zu Werfen war. Meine Annahme, das sich in der Nähe des dichten Schilfbewuchses, der sich langsam im tief abfallenden Ufer verlor, eine Regenbogen aufhält, hatte sich nicht bestätigt. Ich watete nun in Richtung Carolina, sie hatte Bisse und landete einige schöne Percas. |
Deutlich ist der Steilabfall zu erkennen... |
Wieder
und wieder beförderte ich meine Schnur auf die unruhige Seeoberfläche,
wartete eine Weile und strippte die Leine ein, ein harter Schlag in der
Schnur und dann dieses nichts... Ich checkte meine Fliege, alles war in
Ordnung, entschloss mich aber dennoch zu einem anderen Muster. Und wiederum
hatte ich einen harten Biss. Nun doch etwas genervt und noch dazu mit eiskalten
Füssen lief ich zum nahen Ufer, um mich wieder aufzuwärmen. Aber
meine Fischerei blieb erfolglos, auch der Wechsel zu einer Sinktip brachte
mir keinen Fisch.
Bei einem deftigen Menü und einer Flasche Rotem besprachen wir die Strategie des nächsten Tages und liessen den Tag langsam ausklingen. |
Kreativität kennt keine Grenzen... | fertige Leckereien... |
Gut ausgeruht und nach einem kräftigen Frühstück entschlossen wir, uns heute zuerst dem Perca zu widmen. Da ein gutes Stück über seinem Niveau, bedeckte das Wasser nun Uferbereiche und Gräben, die gewöhlich trocken liegen und schaffte so ein wahres Labyrinth aus Pflanzengrün kleinen Kanälen und tiefen Gumpen. So überlisteten wir beide zahlreiche der Stachelritter auf schwarze Wolly Bugger der Hakengrössen 0/4- 0/6. Und wieder, plop, verschwand die Fliege in einem dieser tiefen Gumpen mit reichlich Bewuchs. Nachdem die Mücke abgesunken war und ich die Leine mit dem ersten langsamen Zug in Bewegung setzte, tobte plötzlich etwas in der Tiefe, meine 4er Gerte neigte sich beträchtlich. |
Etwas war
nicht in Ordnung, passte einfach nicht, es war nicht diese typische
Gegenwehr eines Percas die hier so zahlreich sind. Eine stramme Arco Iris,
schoss es mir durch den Kopf, was sonst. In diesem Moment sprang meine
"Regenbogen" aus dem Wasser: ein wirklich kapitaler Perca hatte die Fliege
genommen und ich hatte meine liebe Mühe den Burschen zu bändigen!
Carolina verlor einen weiteren Fisch in diesem Gumpen ohne ihn zu Gesicht zu bekommen, der Haken hatte sich aufgebogen... Was für eine verrückte Fischerei dachten wir uns beide. |
Mit
einem Geräusch gleich eines aus der Ferne sich nähernden Güterzuges
kündigt sich die nächste schwere Windböe an, und der Coundown
läuft; fix die Leine eingeholt, einige rasche Leerwürfe und so
viel Schnur als möglich aufs Wasser gebracht, die Kapuze über
den Kopf und die Fussstellung geändert, spannung in den Körper
und WHOAUUU schlägt einem diese Böe kameradschaftlich in’s Kreuz...
Dieses Phänomen erleben wir nur hier, einige hundert Meter weiter, hinter einer hohen Uferdüne, heult der Wind unaufhörlich und schiebt die Türkisfarbende Wogen donnernd gegen das Ufer. |
Biss!
Nicht einen cm Schnur werde ich dir geben, schiesst es mir durch den Kopf
und nach kurzem aber heftigem Drill habe ich die erste raini gelandet.
Gemeinsam schlendern wir jetzt dem Ufer entgegen, eine Gruppe Kaiken Gänse
mit ihren nun schon grosse Sprösslingen sucht schnatternd das weite.
«Du weisst, ich habe noch diese Rechnung offen», bemerkte Carolina. Bei unserem letzten Besuch an genau dieser Stelle hakte Sie eine Regenbogen, die wir nicht zu Gesicht bekamen, es gelang ihr wohl den Fisch aus der Tiefe herauszudrillen aber als dieser Leviathan den grünen Saum der Abbruchkante überquerte zog er Carolina die 5er beinahe gerade und sprengte das Vorfach... noch dazu kommt, das die Fische hier ungewöhnlich spitz beissen und ein ordentlicher Anschlag notwendig ist. |
Wieder
begeben wir uns ins hüftttiefe, eisig kalte Wasser und casten hinaus,
so gut es der Wind zulässt, in einem 45 Grad Winkel zur Kante, dann
bis 10 gezählt und die Schnur langsam hereingeholt.
Es fällt mir nun zunehmend schwerer, diese Spannung aufrechtzuerhalten, wartend auf den Schlag in der Schnurhand, den Biss, einige sagen, es sei der Moment der durch nichts anderes zu ersetzen sei, sozusagen eine Transformation zum, dem was wir einmal waren, die wirkliche und einzige Eszenz dieser Fischerei... Die Kälte ist mir inzwischen die Beine hoch in der Körper gewandert, Schluss! Nicht um jeden Preis, sage ich mir und drehe mich zum Ufer hin. |
«He»,
ruft Carolina, das ist ihre Art mir etwas von Wichtigkeit mizuteilen, nicht
He, welche Fliege versuche ich nun, und wieder «He», ihre Rutenspitze
ist wie wild am schlagen und mit beiden Händen den Rutengriff umklammernd,
bewegt sie sich rückwärts ins flache Wasser.
O.k denke ich mir, schalte einen Gang runter und eile zur grünen Insel, dass das Wasser nur so spritzt. Nachdem ich meine Gerte dort zurückgelassen habe, mache ich die Kamera schussbereit und eile zu ihr. |
Was für ein schöner Fisch... |
Inzwischen hat Carolina den Burschen in den nur Zweihandbreittiefen Uferbereich gedrillt. Was für ein besonderer Fisch, dunkel glänzend heben sich die schwarzen Punkte ab von den beinahe chromblanken Flanken. Es gibt in diesem Moment wohl kein strahlenderes Lächeln auf der Welt als sie den Fisch nach kurzem photoshoot wieder in sein Element entlässt. |
Einige Tage später, der Schotter prasselt gegen den Unterboden des Wagens, der Puyerredon liegt in weiter Ferne, «und, wohin jetzt?», fragte ich, «weiter runter in den Süden», antwortet Carolina... |
Schattenspiele... |
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Ein Bericht von Heiko Schneider für www.fliegenfischer-forum.de - Juli 2011. Das unerlaubte Kopieren und Verbreiten von Text- und Bildmaterial aus diesem Bericht ist verboten. |
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