„Going North“
Lachsfischen in den nordnorwegischen Flüssen Lakselv, Stabburselv und Børselv
Bericht und Fotos von Nikolaus Wernicke
So um die Weihnachtszeit wurde klar, dass wir drei, Dominik, Vitti und ich, uns am ersten Juli auf den Weg machen werden. Wohin? In den Norden. Nach Norden an sich zu fahren, ist ja schon erstrebenswert, nur wird es einen nicht weit bringen außer irgendwann wieder Richtung Süden, und da wollen Fischer ja nie hin. Man setzt sich ein Ziel. In unserem Fall war es das Porsangerfjord. Im Süden mündet der Lakselv, im Westen der Stabburselv und im Osten der Børselv in diesen Abschnitt des Nordmeeres. Zwei dieser Flüsse werden vielen ein Begriff sein, einer weniger.
Wie kommt man dort also hin, in den Norden, an die Grenze des europäischen Festlandes? Primär sollte man das Flugzeug als Transportmittel in Erwägung ziehen. 3.500 Straßenkilometer und damit gleichbedeutend drei Tage Fahrt sind ein durchaus schlagendes Argument dafür, sich bequem in einen Sessel fallen zu lassen, einer Stewardess hin und wieder auf den Hintern zu sehen, nach drei Stunden wieder auszusteigen und beinahe am Ziel zu sein.
So einfach ist das alles freilich nicht, vor allem wenn einem nur limitierte Geldmittel zur Verfügung stehen. Dann muss man nämlich zuerst von Wien aus nach Prag fliegen, von dort einen Anschlussflug nach Helsinki nehmen und in weiterer Folge nach Rovaniemi reisen, wo man sich ein Mietauto leiht und noch einmal 500 km unter die Räder bringt. Wenn man gute Freunde hat, dann kann man sich für die - ganz subjektiv gesehen - erstklassige Reiseorganisation einiges anhören. Einfacher und teurer geht es über Oslo direkt nach Lakselv, wo sich - aus für mich nicht nachvollziehbaren Gründen - ein Flughafen befindet, der ungefähr ein Drittel der gesamten Ortsfläche einnimmt. Dafür landet man aber auch am Nordkap-Flughafen, womit man wieder beim Norden wäre, das erklärte Ziel aller Abenteurer. 
Durch meine letzten beiden und einen weiteren, verunglückten Trip (einige werden jetzt an einen Autokauf denken) an die gleiche Destination, habe ich ein wenig Erfahrung sammeln und herausfinden können, dass es vor Ort günstig Hütten zu mieten gibt. Da man (und besonders wir) auch im Norden nicht ganz auf den heimischen Luxus verzichten möchte, ist die von uns ausgewählte Unterkunft mit einer Sauna ausgestattet. Im Laufe der Woche werden wir sogar fließendes Wasser in der Küche installiert bekommen.
Das Plumpsklo ist zugegebenermaßen nicht dem häuslichen, Wiener Standard entsprechend, aber so weit nördlich muss man so etwas wohl in Kauf nehmen. Die Aussicht von ebendort ist aber phänomenal. 
Am Ziel angekommen ist der Tank unseres Golf Variant fast leer, aber es ist ja erst Freitag, und Samstag kann man ja auch noch tanken. Einige Einkäufe sind schnell erledigt, dann in die Hütte und Ausschlafen. Irgendwo im Hinterkopf spukt noch der Mangel an Treibstoff herum. Am nächsten Tag kommen wir zu Tankstelle und stellen fest, dass im Norden ein Wochenende noch ein Wochenende ist. Die Distanz von der örtlichen geschlossenen Tankstelle bis zur geöffneten in Lakselv ist mit der uns verbleibenden Spritmenge unüberwindbar.
Darüber hinaus ist auch der kleine Supermarkt geschlossen, und uns wird klar, dass die gestern erstandenen Vorräte noch bis zum heutigen Abend reichen werden. Die Motivation, Fische zu fangen, ist nie höher gewesen, und wir sind hart, wir sind unerschütterlich, wir sind im Norden.
In der kleinen Veranstaltungshalle im Norden der 300-Seelen- Gemeinde gilt es, seine Ausrüstung desinfizieren (Tod dem Gyrodactilus Salaris!) zu lassen und eine Bestätigung dafür zu bekommen. Ohne diesen Wisch bekommt man keine Tageslizenz, ohne der man wiederum nicht Fischen gehen darf. Ein kleiner bürokratischer Teufelskreis also, vor dem man anscheinend nirgends (auch nicht im Norden) gefeit ist. Die staatliche Fischereilizenz soll nicht unerwähnt bleiben.
Die Tageskarte gelöst, geht es an den Fluss. Vitti hat sich für die Reise eine Zweihandrute geleistet und das Ding dort zum ersten Mal in der Hand. Dementsprechend unbeholfen sieht er aus, als er versucht, mehr als 10 Meter Schnur aufs Wasser zu legen. Dominik hat sich eine meiner Einhandruten ausgeborgt, fischt mit Schussköpfen, und wie immer ist es eine Freude, ihm beim Werfen zuzusehen. Ich habe mich für die klassische norwegische Tackelage entschieden: Zweihandrute, Schwimmschnur und Tubenfliege. 

Fliege in Dominiks Daumen (siehe oben...)

Am ersten Tag gilt es, seinen Rhythmus zu finden und sich an die Eintönigkeit des Lachsfischens zu gewöhnen. Wurf, die Fliege herum kommen lassen, zwei Schritte, Wurf, die Fliegen herum kommen lassen, zwei Schritte, Wurf………. Am zweiten Tag geht es darum, sich darüber klar zu werden, dass unter Umständen mehr als ein paar Tage vergehen werden bis man einen Lachs fängt. Der Tagesablauf kristallisiert sich heraus. Beginn um 18:00, Fischen bis zwei oder drei in der Früh, heimfahren, Schlafen bis 14:00, noch mal Fischen bis 18:00, Ende, dann ein Tag fischfrei. An die Tatsache, dass es rund um die Uhr hell ist, muß man erst gar nicht versuchen, sich zu gewöhnen. 

Vitti hat sein Gerät bereits (am dritten Tag) ein wenig besser in den Griff bekommen, trotzdem zweifle ich ein wenig daran, dass er einen Lachs fangen wird. Nach einer erfolglosen Nacht, kommt wieder die Nachmittagssession mit wetterbedingt eingeschränkten Erfolgsaussichten. Bei Temperaturen über 20 °C und wolkenlosem Himmel herrschen denkbar schlechte Umstände. Vitti und ich trennen uns, er befischt den Pool oberhalb der Brücke, ich will ein ganzes Stück weiter oben beginnen und langsam runter fischen. Am Ende des Tages ist es so, dass er in praller Sonne stehend einen Lachs gefangen hat und ich Schneider ausgegangen bin, und das ist gut so. Vitti hat nämlich schon die ersten Abnützungserscheinungen gezeigt: Fluchen und fehlerhaftes, lustloses Werfen. Dabei habe ich ihn noch gewarnt, dass auch der Norden keine Garantie für einen Lachs ist. Immerhin bin ich schon zwei Mal dort gewesen und ohne einen dieser Fische zurückgekommen.

Durch diesen ersten Fang stellt sich allgemeine Freude ein, darüber, dass unsere „Schwachstelle“ erfolgreich gewesen ist, dass Lachse trotz allem doch gefangen werden können und nicht zuletzt über die Aussicht auf einen eigenen Lachs.

Während des nächsten Tages (Nr. vier) tut sich zunächst nicht viel, außer Wurf, die Fliege herum kommen lassen, zwei Schritte, Wurf…….. und dann ein Biss. Meine Schnur bleibt in der Strömung stehen, die Rute biegt sich kurz durch, und das war’s. Wie, was, das kann doch nicht alles gewesen sein! Jetzt habe ich so einen Bastard soweit, meine Fliege zumindest anzusehen, und dann kommt nichts nach. Lade ein Mädel einen Abend lang ein und male Dir aus, wie es sein wird, mit ihr zusammen heimzugehen. Wenn sie stattdessen mit einem anderen abzieht, vielleicht mit dem Barkeeper, dann weißt Du, wie ich mich in diesem Moment gefühlt habe. Scheiße, ich habe mich doch so bemüht!
Wenn sich darüber hinaus auch noch herausstellt, dass der, mit dem Dein Aufriss verschwindet, ein Freund von Dir ist, dann kannst Du nachempfinden, wie es mir ergeht, als Dominik eine Stunde später einen Lachs fängt. Obwohl, ich freu mich schon! So wie man sich mit jemanden freuen kann, der etwas Überwältigendes erlebt, bis man darüber nachdenkt, dass man so etwas eigentlich auch gerne einmal erfahren würde.

Jetzt war es so weit! Ich war der Gebrandmarkte, derjenige der einen Lachs verloren hat und als Letzter ohne einen übrig blieb. Der, der schon das dritte Mal hier ist und immer noch keinen gefangen hat, der Angst davor hat, zu Hause ausgelacht zu werden, derjenige zu sein, von dem andere erzählen: ich kenne da jemanden, der war insgesamt sechs Wochen im Norden, um Lachse zu fangen, und stell Dir vor, der Depp hat nichts Heim gebracht. Dieser Gedanke richtet mich wieder auf, weil wir offensichtlich stolz darauf sind, für ein wenig seltsam gehalten zu werden. Ich meine, wer fährt schon freiwillig nach Norwegen, um sich von Gelsen geißeln zu lassen, sich 24 Stunden Sonnenschein auszusetzen und mit Czech Air zu fliegen und schlußendlich nur einen Lachs zu fangen. 

Der sechste Fischtag, der insgesamt 13. und somit vorletzte Tag, ist gekommen. Dominik und Vitti optieren für einen gemütlichen Abend in der Hütte. Sie haben ihre Lachse schon gefangen, und es gibt Seman im Fernsehen. Netterweise werde ich von den beiden an den Fluss gebracht und darüber informiert, dass ich anrufen soll, wenn ich wieder abgeholt werden will. Ich melde mich um ca. 23:30. In dem eigentlich nur von uns drei Österreichern befischten und deshalb von mir „Österreicherloch“ getauften Pool, fange ich einen 15 Pfund-Lachs. Wie die letzten Tage geschieht nicht viel bis zu diesem Zeitpunkt. Wurf, die Fliege herum kommen lassen, zwei Schritte, bis eben an beinahe der gleichen Stelle wie zuvor wieder meine Schnur in der Strömung stehen bleibt. Wie sich herausstellt, ist der Lachs diesmal sicher im Unterkiefer gehakt. Die Landung stellt sich als ein wenig schwierig heraus, dicht bewachsene Ufer verhindern es, den Fisch zu stranden, bleibt mir also nur der Schwanzwurzelgriff. Doch den Fisch in Reichweite zu bekommen, erweist sich als komplizierter als mit einer neun Fuß Rute und einer 30 cm Forelle. 

Der Fisch ist gefangen. Vitti und Dominik begutachten ihn mit Freude und sagen mir im Nachhinein, dass ich schon ein wenig unleidlich gewesen wäre und sie deshalb inständig gehofft haben, dass ich auch noch einen fangen würde, und sei es nur darum, dass sie mich nicht die ganze Heimreise lamentieren hören wollen. Ich glaube, das hätte gut passieren können und die nächste Reise geht in den Süden.

An dieser Stelle möchte ich mich bei Anna bedanken. Ich meine, wer lässt schon seinen Mann zwei Wochen lang fischen gehen, während man sich wohl gemerkt derweil um den gemeinsamen eineinhalbjährigen Sohn kümmert, Respekt. 


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