Pro & Contra: Wasserkraft
Fortsetzung von Heft 4/98, Seite 18. Text: Heiner Hoffmann; Dirk Pensold; Andreas Kirsch; Fotos: Karin Busse
Gottes Mühlen Mahlen langsam, aber sicher. Doch heute mahlen die Mühlen schneller, drehen Kilowatt: Strom-Silberlinge, die nicht aufwiegen, was die kleinen Bachreaktoren an Leben, Natur und Landschaft zerstören. Alternativ-Energie: ein Ausverkauf der Natur!
Mühlenidyll oder Mondlandschaften - das ist hier die Frage!
In Thüringen beispielsweise beträgt das gesamte Energiepotential aus 97 Wasserkraftanlagen rund 20 MW, das sind weniger als 1% des Stromverbrauchs im Freistaat. 
Katastrophal dagegen sind die Folgen der kleinen "Bachreaktoren". Sie verursachen Gewässerschädigungen mit den verheerenden Auswirkungen einer systematischen Verarmung und Verödung der Landschaft und dem langsamen Tode des Aussterbens vieler im und am Wasser lebender Tiere und Pflanzen, insbesondere heimischer Fischarten, die ihre "Lebensfreude aus dem Spudel Wasser schöpfen."
Wissenschaftlich nachgewiesene Folgen der Absperrung von Fließgewässern und einer tödlichen Verletzungsrate von 15 - 100% durch Kraftwerksturbinen sind:
- Unterbrechung des Gewässerverbundes;
- Verhinderung von Fischwanderungen zu Laichplätzen sowie zur Besiedlung von Oberläufen und Zuflüssen;
- Verminderung der Strömung und Oberflächenturbolenz;
- Veränderungen im Temperaturregime;
- Verringerung des Gasaustausches zwischen Wasser und Luft;
- Störung der Assimilation der Wasserpflanzen;
- Veränderungen der Pflanzenwelt;
- Veränderungen im Geschiebe auf dem Gewässergrund, insbesondere Überdeckung der Kiesschichten durch Sand und Schlamm; Verlust der natürlichen Strukturvielfalt;
- Entwertung des aquatischen Lebensraumes, vor allem für Fische;
- Artenschwund und Erlöschung der Fischbestände infolge der Fließgewässerabsperrung und Tod durch Kraftwerksturbinen.
Gegen den Raubbau der Natur wenden sich jedoch immer mehr Menschen, weil sie wissen, daß "die von Wasserkraftanlagen-Betreibern euphorisch aufgestellten, eindrucksvollen Energiebilanzen schöngerechnet sind und nicht den Realitäten entsprechen! Stets wird von Ihnen hervorgehoben, daß von ihren Anlagen keine Umweltgefahr ausgänge. Es wird behauptet, Wasserkraftnutzung sei die umweltfreundlichste Energiequelle. Die Realitäten stellen sich leider völlig anders dar!"
(Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. - Positionspapier)

Dirk Pensold: Vorfahrt für den Fisch
Zu den Verhaltensweisen von Fischen und wirbellosen Organismen zählen auch Wanderungen und Ortswechsel innerhalb der Fließgewässersysteme.
Absperrbauwerke in den Gewässern, darunter Wasserkraftanlagen, verändern vor allem nachteilig den Lebensraum der Fische, verhindern ihren Auf- und Abstieg. Abhilfe schaffen hier nur Fischwege.
Den gesetzlichen Rahmen hierzu fordert das Wasserhaushalsgesetz, in dem es in § 1 a heißt: "Die Gewässer sind als Bestandteil des Naturhaushaltes und als Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu sichern. Sie sind so zu bewirtschaften, dass sie dem Wohl der Allgemeinheit und im Einklang mit ihm auch die Nutzung einzelner diesen und vermeidbare Beeinträchtigungen ihrer ökologischen Funktion unterbleiben".
Danach, wie auch nach § 41 des ThürFischG, darf eine Erlaubnis zur Nutzung der Wasserkraft nur dann erteilt werden, wenn dadurch keine Schädigungen des Lebensraumes eintreten und ein Fischwechsel möglich ist.
Das gilt auch für bereits bestehende Anlagen, bei denen gemäß § 42 des ThürFischG die Errichtung von Fischwegen gefordert werden kann.
Technische Grundlage zur Gewährung der Fischwanderung ist das DVWK-Merkblatt 232, deren Kriterien im Genehmigungsverfahren von Wasserkraftanlagen verbindlich sind. Pflicht sind danach zB. ungehinderte Fischwechsel wie auch der Schutz der Fische vor Turbinen-Sog.
Erfahrungen haben gezeigt, daß selbst ein 20mm Rechen nicht ausreicht, da dieser zB. von Aalen mit einer Länge von 70cm nicht problemlos passiert werden kann.
Kritisch ist auch die Anströmgeschwindigkeit des Rechens zu beurteilen, die 0,5 m/s keinesfalls überschreiten darf, so daß Fische nicht angepreßt werden, sondern sich vom Rechen lösen können. Dazu ist eine technische Vorrichtung notwendig, die den Fischen eine gefahrlose Passage ermöglicht.
Grundsätzlich ist die Planung von Fischwegen von einem Fischereisachverständigen zu überprüfen, die Funktionstätigkeit durch fischereibiologische Kontrolluntersuchungen nachzuweisen.

Andreas Kirsch: Politischer Wahnsinn
Jedes Kleinwasserkraftwerk ist ein nachhaltiger und irreparabler Eingriff in unsere empfindlichen Fließgewässersysteme. Mit 5 Mio DM Steuergeldern hat der Freistaat bisher die nachhaltige Zerstörung von 82 Kilometer einzigartiger Gewässerbiotope gefördert !!
Demgegenüber steht ein  Bruchteil von Fördermitteln für die Renaturierung von Fließgewässern aus der Fischereiabgabe, die ca. 30.000 Thüringer Fischereischeininhaber durch den Kauf ihrer Fischereischeine zuvor selbst in den "großen Topf" eingezahlt haben.

Es ist ein politischer Wahnsinn, 5 Mio DM in ein 1%-Energieprogramm zu pumpen und zugleich ein "Lachsprogramm 2000" zu wollen; zumal bekannt wurde, daß das TMWI perspektivisch eine Verdopplung (!!!) des Wasserkraftpotentials vorsieht. Das wäre dann das Ende für viele heimatliche Fließgewässer, das dramatische "Aus" unserer Fischwaid vor allem auf Forellen und Äschen.
Betroffen macht uns auch, daß zu diesem Thema viele andere Naturschutzverbände Thüringens "sprachlos" sind.