Vom Yukon nach Alaska | von Hans-Werner Schneider |
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Wieder im Yukon! – Wieder eingetaucht in die herrliche, farbenprächtige, unvergleichliche Landschaft des kanadischen „indian summers“! |
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Und wieder stehen wir im geliebten Kathleen-River, der uns auch dieses Jahr erneut reichlich beschenkt mit seinen großen, neon-blau beflossten Polaräschen, mit kämpferischen Regenbogenforellen und den so schön gezeichneten und noch so viel kampfstärkeren Namaycush-Saiblingen. |
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Unsere zweimotorige Maschine folgt in ca. 3000 m Höhe dem Alsek-River vom Yukon über Britisch-Kolumbien bis hin zu seiner Mündung in den Pazifik, wo das Ziel unserer Anglerträume liegt. Erst beim Abflug wird uns bewusst, dass wir ja zuvor das größte zusammenhängende Eis- und Gletschergebiet der Erde außerhalb der beiden Pole zu überqueren haben, und freuen uns bei idealem Flug- und Sichtwetter auf den Anblick jener gigantischen Berg-, Schnee- und Eiswelt. |
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Unsere Erwartungen werden nicht enttäuscht. „Majestätisch“ und „erhaben“ sind wohl die richtigen Ausdrücke für das, was sich unserem Auge in der nächsten Dreiviertelstunde bietet: der Mount Logan mit seinen knapp 6000 m Höhe als der höchste Berg Kanadas, die anderen zahllosen weißbehelmten Berggipfel, von denen die wenigsten einen eigenen Namen tragen, die zahlreichen endlosen Gletscher, an der Spitze der Lowell mit seinen 57 km Länge, all die Schmelzwasserseen und unvorstellbar verwirrend mäandernden Flussläufe! |
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Über Head-Set gibt Eric, unser Pilot, die notwendigen Erläuterungen dazu, und als wir nach 48 Minuten des Schauens und Staunens im Vorküstenland Alaskas auf einer schneisenartig in den Wald geschlagenen Piste landen und ausrollen, hat er bereits per Funk Pat, unseren Angelführer für diesen Tag, über unsere Ankunft informiert. Der trifft auch nach wenigen Augenblicken auf einem Four-Wheeler mit angehängtem Transportwägelchen bei uns ein. Im Nu sind wir mit unseren Utensilien darauf verladen, und nun geht es in nochmals gut 40- minütiger Fahrt durch eine sandige Strand- und Buschlandschaft Richtung Pazifik und Alsek-Mündung. |
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Und wieder setzt das Staunen
bei uns ein, denn die schier endlose, meist schneebedeckte Kette der
Berggipfel zu unserer Linken und das entfernte Rauschen der Pazifikbrandung
zur Rechten nimmt uns erneut fast den Atem. Dazu kreuzen zahlreiche Grizzly-Spuren
unseren Weg.
Die Luft ist so klar, dass wir den von Admiral Wrangell am Namenstag des Heiligen Elias entdeckten und deshalb nach ihm benannten Mount St. Elias links am Horizont in etwa 100 km Entfernung ebenso klar erkennen können wie den Mount Fairweather am anderen Ende der Gebirgskette. Pat weist uns darauf hin, dass dies nur an ganz wenigen Tagen im Jahr der Fall ist. Was für ein Glück wir doch haben! |
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Ein Schwarm Silbermöwen
begrüßt uns am Ufer des Alsek-Flusses. Wir befinden uns einige
hundert Meter unterhalb seiner Mündung ins Meer und hören von
hier aus umso deutlicher das Brausen des Ozeans.
Nachdem unser Transportgefährt abgestellt und als „Hauptquartier“ für diesen Tag deklariert ist, beginnen wir mit dem Fischen. Durch nur knietiefes, glasklares Wasser waten wir zu einer Abbruchkante hin, deren dunkelgrün schimmerndes Wasser den Anfang einer tiefen Flußrinne erkennen lässt. Als sich nach einigen Minuten kein Erfolg einstellt, begibt sich Pat auf seinem Four-Wheeler auf die Suche nach aufsteigenden Lachsschwärmen. Und schon nach kurzer Zeit ist er zurück und bringt zuerst meine beiden Begleiter zu einer Angelstelle, die wohl mehr Erfolg erwarten lässt. Es dauert auch nicht lange, und schon höre ich in der Ferne die ersten Jubelschreie meiner Kameraden. Haben sie schon etwas gefangen?! Mich hält nichts mehr an meinem alten Platz, und ich begebe mich zunächst zu Fuß und dann mit Pat’s Hilfe zu den beiden scheinbar Erfolgreicheren. Dort erfahre ich, dass der Grund ihres Jubels leider noch nicht in Fängen, wohl aber in jeweils zwei Lachsbissen bestand, die jeder von ihnen zwar zu verzeichnen aber dann doch wieder verloren hatte... |
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Durch so viel gute Aussichten ermutigt, länge nun auch ich meine Leine mit der großen, grün-gelben Maraboufliege am Ende des Sink-Vorfachs. Nachdem das flauschige Gebilde abgesunken ist, hole ich es in kurzen, scharfen Rucken wieder ein. Schon beim zweiten Wurf gibt es den ersehnten mächtigen Ruck in der Schnur. Mein erster Lachs ist gehakt. Erfreut und ängstlich zugleich harre ich der Dinge, die da kommen sollen. Wie froh bin ich jetzt über die heutige Wahl der 10er Rute, die sich sogleich zu einem ehrfurchtsvollen Halbkreis durchbiegt. Mein zunächst noch unsichtbarer Kontrahent wendet sich zuerst in einem weiten Bogen flussaufwärts, ohne dass ich dem gewaltigen Zug, den er dabei entwickelt, auch nur das Geringste entgegensetzen kann. Aus Angst vor einem eventuellen Schnurbruch und dem damit verbundenen Verlust des Fisches habe ich die Rollenbremse relativ weich eingestellt und hemme den Schnurabzug nur sachte mit der darunter gehaltenen Fläche der linken Hand. Viel Druck kann ich so nicht ausüben. Meinen ersten energischeren Versuch, ihn zum Anhalten oder gar Beidrehen zu zwingen, quittiert der Lachs sofort mit einem gewaltigen Sprung, wobei sein ganzer Körper gischtspritzend aus dem Wasser schnellt, um sich rückwärts überschlagend mit lautem Klatschen wieder in die Fluten einzutauchen. Hierbei sehe ich zum ersten Mal seinen mächtigen, silbernen Leib die starken graublauen Rückenflossen, die rosaroten am Bauch und das große, breitgefächerte Schwanzruder. Obwohl der Hakenkontakt zu ihm fest und solide bleibt, sinkt mir angesichts solch elementarer Explosionskraft der Mut und jegliche Hoffnung, diesen gewaltigen Fisch je als Beute landen zu können. Wie soll ich solche Urgewalt bloß bändigen und diesen für mich noch nie da gewesenen Drill zu einem erfolgreichen Abschluss bringen?! Jeder Sprung, jede Flucht, jede Drehung des Gehakten nährt in mir die Furcht, er könne sich vom Haken befreien, das Vorfach würde reißen oder er würde sonst irgendwie verloren gehen. Aber das Material hält und meine Nerven tun es – Gott sei Dank – auch, und im Laufe der Zeit – 10 Minuten mögen seit dem Anbiss wohl vergangen sein – wächst in mir die Gelassenheit und Zuversicht, diesen grandiosen Kämpfer dennoch besiegen zu können. Seine Sprünge werden seltener, seine Kreise um mich herum enger. Aber jedes Mal, wenn ich glaube, ihn endgültig zur Aufgabe zwingen zu können, schießt er wieder mit unbändiger Kraft davon. Längst habe ich meine Fischerkollegen um Hilfe herbeigerufen, und Olivier bekommt bei einem erneuten Landungsmanöver auch glücklicherweise das Vorfach zu fassen. Für einen kurzen Augenblick erscheint der Kopf des Lachses über der Wasseroberfläche, und es gelingt, ihn mit einem schnellen, präzisen Schlag meines Priests zu betäuben. So schnell es geht, greife ich mit der linken Hand unter die großen perlmuttfarbenen Kiemendeckel, hebe den Besiegten an – und dann gehört dieser Prachtlachs wirklich und tatsächlich mir! |
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All die Anspannung, Freude und Angst, die sich während dieses phänomenalen Drills in mir angesammelt hat, muss nun hinaus. Sie entlädt sich in einem langen und überlauten Urschrei, der nach Aussagen meiner Begleiter alle Grizzlies im Umkreis der nächsten Kilometer vertrieben hat. Eine Welle der Gefühle, gemischt aus Dank, Freude, Stolz, Genugtuung über den Sieg, den ich errungen habe, durchrieselt mich. Ein herzliches Dankeschön an die Fischerfreunde für die Hilfe beim Landen, ein herzhafter Umtrunk aus dem kleinen Taschenfläschchen für besondere Gelegenheiten – und dann muss ich mit meinem Fisch allein sein , muss mit ihm noch einmal Zwiesprache halten und ihn gebührend bewundern. Der lange Weg, den ich mit ihm zurück an Land zu waten habe, gibt mir reichlich Gelegenheit dazu. Ich durchlebe dabei noch einmal in Gedanken den aufregenden Drill und den schließlich geglückten Fang dessen, der jetzt so schwer an meiner linken Hand hängt. Natürlich hatte ich ihn töten müssen, um ihn ganz sicher zu haben, Um nichts in der Welt hätte ich ihn wieder hergeben können. Ich hätte ihn in diesem Augenblick sogar gegen jeden beutesuchenden Grizzly verteidigt, auch wenn dies ein ziemlich unsinniges Unterfangen gewesen wäre. | ![]() |
Bei Pat und seinem Fahrzeug angekommen,
wird er natürlich zuerst einmal mit und ohne Fänger fotografiert,
dann vermessen und versorgt. Nein, er ist bei genau gemessenen 79 cm Länge
und von Pat fachmännisch geschätzten 12 Pfund Gewicht nicht der
Rekordfisch dieses Jahres – der liegt bei bisher 83 cm und 15 Pfund – aber
es ist mein Fisch, und er ist wunderbar und schön, so wie ich
ihn mir erträumt habe: ein frisch aufgestiegener Milchner mit angehendem
Laichhaken, ein männlicher Lachs in der Blüte seiner Kraft. Immer
wieder gleitet mein Blick bewundernd über seine kraftvolle Gestalt.
Und dann wirkt alles zusammen: dieser herrliche Tag, die Erinnerung an den phantastischen Hinflug, die traumhafte Landschaft, die kameradschaftliche Verbundenheit mit Fischerfreunden, Pilot und Guide, der große Triumph. Ich schaue in die fast unwirkliche Helligkeit und Weite um mich her und frage mich: bin ich hier nun am Ende der Welt oder am Anfang der Schöpfung?! – Eines ist mir sofort klar: einen zweiten Lachs würde ich an diesem Tag nicht mehr fangen und töten, obwohl die Lizenz mir die Mitnahme von noch 3 weiteren Silberlachsen gestatten würde. Ich habe an diesem Traumfisch, der da in all seiner Schönheit zu meinen Füßen liegt, volles, reichliches Genüge! |
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Ich fing auch an diesem Tag keinen Lachs mehr. Natürlich stieg ich angesichts der langen ver- bleibenden Zeit noch einmal in den Fluss, natürlich hakte ich auch noch einen Lachs, aber als der sich nach ein-zwei Sprüngen vom Haken befreite, war er wohl ebenso froh und erleichtert wie ich . Als mir dann noch ein kleiner Seeskorpion an die Fliege gegangen und sich mein Vorfach etwas später aufgrund meines eher lustlosen und unmotivierten Werfens um die Rute gewickelt hatte, wusste ich längst, dass es Zeit war, endgültig aufzuhören. Ich packte zusammen und widmete mich fortan dem Beobachten und Fotografieren der Landschaft und meiner Fischerfreunde. |
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Stefan, der bisher zwar 5 Lachse
gedrillt aber noch keinen gelandet hatte, fing nun an anderer Stelle etwas
näher zum Meer seinen ersten, ebenfalls wunderschönen Silberlachs
und den zweiten gleich hinterher. Und damit hatte auch er dann genug.
Olivier, jünger und ehrgeiziger als wir, fing – zum Teil auch mit der Blinkerrute – sein volles Limit, und auch Eric brachte für sich und seine Familie die erlaubten 4 Cohos an Land. Auf Pat’s Drängen sollten nun die berühmten Fotos vom Fangerfolg der Gruppe gemacht werden, aber da wir alle solche Art der Selbstdarstellung eigentlich nicht mögen, überließen wir ihm die „Show“ allein. |
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Was wir alle aber noch sehen wollten, war das Meer, die hereindonnernde Brandung des Pazifischen Ozeans. Und so erreichten wir die Alsek–Mündung und wurden noch einmal beschenkt durch den Anblick einer ganzen Robbenherde, die dort in der Dünung ebenfalls auf Fischfang aus war. |
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Als Eric uns zu Rückfahrt und Rückflug mahnte, nahmen wir bei schon leicht untergehender Sonne Abschied vom Meer und Abschied von diesem einmaligen, unvergesslichen und unvergleichlichen Angeltag. |
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