Das erste Mal - in Alaska
Ein Reisebericht und Fotos von Moreno Gazzetta
Wir schreiben das Jahr 2009. Dies sind die Abenteuer des vom Bürostress geplagten Moreno, der auf seinen Versuchen, Fische zu fangen, in Gebiete vordringt, die er nie zuvor gesehen hat.

Rückblende: Juni 2008. „Klingelingelingggggggg“ das Telefon brüllt aufdringlich, während ich mich im Büro auf wirklich wichtige technische Details zu konzentrieren versuche. „Wer zum Geier wagt es, mich gerade jetzt zu stören? Mann, der oder die kriegt was zu hören!“ Hier die gekürzte Fassung des Telefonates:
„Guten Tag, Sie haben doch vor kurzem an unserm Leserwettbewerb mitgemacht, gell?“ Hab ich? Ich kann mich nicht daran erinnern. „Sie haben den 2ten Preis gewonnen, einen Reisegutschein im Wert von (verrate ich nicht, aber es ist ein guter Betrag) SFr.“ Jetzt kann ich mich erinnern. Die wirklich wichtigen technischen Details sind plötzlich gar nicht mehr so wichtig. Wofür soll ich den Gutschein einsetzen? Badeferien am Roten Meer? FliFi-Ferien in Österreich oder in Slowenien? Städtereise mit meinem Schatz? Genau, mit meinem Schatz Gittina soll es eine schöne Reise geben. Mit der Fliegenrute auf Lachse angeln in Alaska? Jawohl! Davon träume ich schon seit dem letzten Jahrtausend. Aber wird mein Schatz da überhaupt mitmachen? Schließlich bin ICH der heillos kranke Fliegenfischer, nicht sie. Sie hat mich bisher ein paar Mal begleitet und auch schon ein paar Fische gefangen, doch so richtig vom Fliegenfischer-Virus befallen ist sie nicht. Auf dem Heimweg lege ich mir deshalb alle erdenklichen Gründe zurecht, weshalb ich nächstes Jahr nach Alaska will und sie mitkommen soll.
„Schatziiiiiiiiiiiiiii? Wenn ich nächstes Jahr nach Alaska zum Lachsangeln gehe, kommst du mit? Du weißt ja, dass ich diesen Wunsch schon seit langem hege.“ Ich rüste mich für einen langen, kräftezehrenden, rechtfertigenden Kampf.
„Ja, klar.“
Frauen sind doch soooooooooooo wunderbar.

Mein Arbeitskollege Ruedi geht jedes zweite Jahr nach Alaska, und so decke ich mich bei ihm mit Ratschlägen ein. Auch im Fliegenfischer-Forum suche ich gezielt nach Informationen über die Lachsfischerei in Alaska. Wie ich erwartet habe, finde ich hier genau das, wonach ich suche. Per PN frage ich bei verschiedenen, mir nicht persönlich bekannten FliFi-Kollegen an und bekomme hilfsbereit Auskunft. Allen, die mir auf irgendeine Weise geholfen haben, möchte ich an dieser Stelle herzlich danken. Den Urs Wehrli aus Bern habe dank des Forums persönlich kennen gelernt. Ein ganz lieber, hilfsbereiter Kerl, der Urs. Es stimmt schon, Fliegenfischer haben Freunde auf der ganzen Welt.

Der Sommer, der Herbst, der Winter, sie alle vergehen viiiiiiiel zu langsam. Immerhin habe ich so Gelegenheit, die Reise zu planen und zu buchen. Der Ruedi hat mir als Reiseveranstalter den Reinhold Schrettl empfohlen, Inhaber von Alaska Fisherman Club. Herr Schrettl ist selber Angler und ein profunder Kenner von Alaska. Ich folge Ruedis Rat und buche unsere Reise bei ihm. Eine Woche in einer Lodge, dann 2 Wochen auf eigene Faust im Motorhome Land und Leute und Lachse kennen lernen. Um die lange Vorfreude-Zeit sinnvoll zu nutzen, binde ich Lachsfliegen, die diesen noblen Namen gar nicht tragen dürften. Beim Stöbern im Fliegenfischer-Forum stoße ich per Zufall auf eine Bindeanleitung für Lachseier von Ulli Bussmann. Dieses Muster scheint etwas einfacher zu binden zu sein als die klassischen Lachsfliegen. Meine Nachahmung ist mir gar nicht so schlecht gelungen, oder? =>
Der Januar kommt, und geht vorüber.
Der Februar kommt, und geht vorüber.
Der März kommt, und geht langsam vorüber.
Der April kommt, und geht noch langsamer vorüber.
Der Mai kommt, und geht nochmals langsamer vorüber.
Der Juni kommt, und geht erst recht langsam vorüber. Ich zähle die Tage rückwärts. 20, 19, 18, 17,… mit jedem täglichen Dekrement (= mathematischer Ausdruck für Abnehmen) werden die Tage länger und länger. Die Zeit scheint still zu stehen. Endlich! Nach gefühlten 1000 Jahren ist der Abreisetag gekommen. Mit dem Zug fahren mein Schatz und ich am 26. Juni von Zürich nach Frankfurt, übernachten dort um am nächsten Morgen frisch erholt den langen Flug anzutreten. 10 Stunden Flugzeit bis nach Anchorage. Meinem Schatz graut vor dieser fast unendlich langen Zeit, eingesperrt in einer fliegenden Hightech-Metallkiste. Doch die Zeit vergeht sprichwörtlich wie im Fluge. Von meinem Fensterplatz aus genießen wir die atemberaubend schöne Natur Grönlands aus einer Höhe von 10000 Metern. Eis, Schnee, Meer, Berge, Wolken… so unglaublich schön ist unsere Mutter Erde. Wir können uns nicht satt sehen:
Irgendwann geht auch der längste Flug vorüber. Die Einreise in die USA ist problemlos, wir scherzen sogar mit dem Einreisebeamten. Mein Schatz ist gebürtige Engländerin. Ihr Englisch ist perfekt. Ich schlage mich mit meinem Schulenglisch ganz recht durch, immerhin habe ich im Beruf täglich mit dieser Sprache zu tun. Herrn Schrettls Tochter Carmen holt uns am Flughafen ab. Wir fahren zum Hotel, beziehen das Zimmer und spannen etwas aus. Pünktlich um 14:00 Uhr Ortszeit erwartet uns Carmen zur Shoppingtour. Meine Angelausrüstung muss noch komplettiert werden. Hier in Alaska gibt’s genau das richtige Tackle zu sehr raisonablen Preisen. Am Eingang des Sportshops wird mir warm ums Herz: Das Bragging Board (Angeber-Tafel) zeigt Fischer und Jäger mit ihrer Beute. Das also erwartet uns...
Müde vom 10 Stunden längeren Tag fallen wir nach dem Einkauf am helllichten Tag um ca. 23:00 Uhr Ortszeit ins Bett und schlafen sofort ein.

Am nächsten Tag fliegen wir weiter nach Yakutat. Dort bleiben wir für eine Woche in der Glacier Bear Lodge (www.glacierbearlodge.com). Sharesse, die Managerin der Lodge, empfängt uns herzlich und erklärt uns alles Wichtige. Die Fischereierlaubnis stellt sie auch gleich aus, so dass wir uns nicht noch um diese kümmern müssen. Am nächsten Morgen geht’s dann gleich zur Sache: Um 6 aufstehen und frühstücken. Um 7 fahren wir mit unserm Guide Don zur 9 Mile Bridge an den Situk River. Dort lässt Don das Boot ins Wasser und erklärt uns, dass wir in den nächsten 8 Stunden 14 Milen bis kurz vor die Mündung ins Meer driften werden. Die Rotlachse (Sockeye) fressen ja bekannterweise nicht mehr, wenn sie zwecks Arterhaltung ins Süsswasser steigen. Sie öffnen und schließen aber ihr Maul fortwährend. Und genau das ist des Anglers Vorteil: Es gilt nun, den Angelhaken durchs Maul zu ziehen, so dass dieser sich in der Maulregion verhakt. 

Dazu fischt man mit einer uns, sagen wir mal, recht ungewöhnlichem Methode: An der Fliegenschnur wird ein etwas mehr als 1m langes, starkes Vorfach geknotet. Am Haken wird der Egg-Loop-Knot gebunden und ein Stück Yarn eingeschlauft. Ca. 70cm vom Haken kommt dann ein der Strömung angepasstes Blei ans Vorfach. Dieses ist das Wurfgewicht. Mit dem Pendelwurf (Kenai-Flip) wird die „Fliege“ ausgeworfen und wieder zu sich gezogen. Wenn der Lachs-Gott will, hängt ein Sockeye, gehakt in der Maulregion. Soweit zur Theorie.

Wir driften also den Situk River hinunter. Die Natur ist unbeschreiblich schön. Mitten im Wald hat der Fluss sich in tausenden von Jahren seinen Weg zum Meer geschaffen. Ein Weißkopfadler schaut uns aus seinem Nest aus sicherer Entfernung zu. An einer viel versprechenden Stelle hält Don an und wirft den Anker. Er bindet das Vorfach auf die 10er Fliegenschnur, nimmt einen Haken, macht den Egg-Loop-Knot, schlauft das Yarn ein und klemmt das Blei an. Er zeigt uns, wo die Fische stehen und wohin wir werfen sollen. Dann geht’s los. Wir fischen das erste Mal auf Lachs. Was für ein Gefühl. DAS ERSTE MAL AUF LACHS! Die ersten Würfe gelingen weder meinem Schatz noch mir, aber das ist ja nicht verwunderlich. Alles ist so ungewohnt, so neu. Da müssen wir uns erst mal dran gewöhnen. Trotzdem hakt Gittina schon nach ein paar wenigen Minuten den ersten Rotlachs, und keinen schlechten. Die 10er Rute biegt sich stark durch und der Fisch macht mächtig Dampf. =>

Aber es nützt ihm nichts, Gittina drillt ihn souverän aus, als würde sie das jeden Tag tun. Frauenpower in reinster Form. Don hat keine Mühe, das Netz unter den Fisch zu schieben. So strahlend sieht eine Anglerin mit ihrem allerersten Lachs aus (siehe Foto links). Dann bin ich an der Reihe. Auch meine Rute krümmt sich und die Rolle singt in Dur und Moll. Mann, im Vergleich zu unsern heimischen Forellen ist das eine Lokomotive mit 20000 PS. Der Fisch zieht Schnur von der Rolle, so etwas habe ich noch nicht erlebt. Instinktiv ziehe ich die Bremse etwas fester an. Der Fisch bleibt stehen und mir gelingt es mit Pumpen, ein paar Meter Schnur wieder gut zu machen. Surrrrrrr, die Rolle singt abermals ihr ach so schönes Lied. Sogar Mozarts „Kleine Nachtmusik“ verblasst neben dieser Symphonie für Lachsrollen. Jetzt begreife ich den Wert einer erstklassigen Bremse. In unseren Breitengraden drillen wir den Fisch über die Schnur in der Hand. Mit einem Lachs sollte man das tunlichst unterlassen. Hände weg von der Schnur und mit der Bremse arbeiten, das ist das Motto des erfolgreichen Lachsanglers. Nach einigen Minuten ist der Lachs besiegt und zeigt Breitseite. Es ist ein Rotlachs, gehakt in der Rückenflosse. „Snagged“ nennen das die Einheimischen und meinen damit, dass der Fisch nicht in der Maulregion gehakt wurde. Solche Fische dürfen von Gesetzes wegen nicht behändigt werden. Zudem hat er sich schon rot verfärbt und ist bereit für seine letzte Bestimmung. Gefangene Fische, die schon das Hochzeitskleid tragen, sollte man freilassen, auch wenn sie regulär in der Maulregion gehakt sind. Das ist ungeschriebenes Gesetz.
Abgesehen davon schmeckt ihr Fleisch nicht mehr so phänomenal wie jenes eines frisch vom Meer eingestiegenen. Wie dem auch sei, so oder so hätte ich ihm wieder seine Freiheit geschenkt. Noch in Zürich habe ich mich entschieden, meinen ersten gefangenen Lachs wieder freizulassen, selbst wenn es ein Weltrekord-Fisch sein sollte. Ist es aber nicht, zum Glück. Don sieht das gerne, denn ein roter Sockeye gehört einfach freigelassen, Punkt, Aus, Amen, keine Diskussion. (siehe Foto unten). Außerdem ist er ja gesnagged.
Der erste Tag endet mit 5 regulär gefangenen silbrigen Rotlachsen, das Tageslimit ist von Alaska Fish & Game auf 3 Stück pro Angler festgelegt worden. Nicht schlecht für blutige Anfänger…
Am nächsten Tag sind mein Schatz und ich ganz alleine auf uns gestellt, Don ist mit anderen Gästen am river-driften. Mit dem Wissen, das uns Don beigebracht hat, werden wir sicher unsere Sockeyes fangen, denken wir. Mit unserm Mietauto fahren wir morgens um 7 auf der Schotterstrasse (Foto rechts) wieder an die 9 Mile Bridge. Dort hat gestern unser Abenteuer begonnen. Schnell sind wir in unserer Watmontur und pfeifend, laut sprechend, singend, suchen wir die Pools nach Fischen ab, doch es sind keine mehr da. Wo gestern noch hunderte Lachse schwammen, fehlt heute jede Spur von ihnen. Dafür hat es Bärenspuren (siehe unten). Tja, so ist unsere Mutter Natur. Unberechenbar. Zum Glück. Die Rechnung mit den leicht gefangenen Lachsen geht nicht auf...
Am Nachmittag, nach einem opulenten Mittagessen und einer kleinen Siesta, um zu verdauen, fahren wir an den untern Teil des Situk Rivers (siehe oben). Alleine ist man dort nur, wenn es keine Fische im Fluss hat. Wir suchen uns einen geeigneten Angelplatz und schauen einem Kollegen zu, wie er seinen eben gehakten Fisch an Land zieht. Er spricht akzentfrei amerikanisch, hat aber Schlitzaugen. Sein Sohn und seine Tochter bzw. Schwiegertochter angeln auch, gleich neben ihm. Der Sohn hakt einen Dolly, zieht ihn an Land, löst ihn nicht wirklich schonend vom Haken und schubst ihn per Fusstritt ins Wasser. Und noch ein Tritt, und noch einer. Dann endlich kann der arme Dolly davonschwimmen. Dass diese 3 nicht gerade die fairsten Angler sind, erleben wir an diesem Morgen noch einige Male. Gesnaggte Lachse werden mitgenommen, abgerissene Angelschnur wird einfach auf den Boden geworfen, Plastiktüten werfen sie hinten in den Wald… schade ist kein Aufseher in der Nähe. Ich frage höflich, ob sie nicht wenigstens ihren Unrat mitnehmen könnten, aber sie wollen mein Englisch nicht verstehen. Plötzlich sprechen sie nur noch Chinesisch, oder war es Japanisch?
Nach diesem unliebsamen Abenteuer widmen wir uns unsern Ruten. Die "Kollegen" haben ihre 9 Rotlachse mehr oder weniger (meistens weniger) fair gefangen und verlassen ihren Platz. Gittina und ich rücken nach und fischen, und fischen, und fischen, und fischen… aber irgendwie weichen die Fettflössler unseren Ködern geschickt aus. Es gelingt uns nicht, einen Biss zu provozieren. Um uns herum ziehen die andern Angler Lachs um Lachs aus dem Wasser. Tja, das Anfängerglück haben wir gestern offenbar zu stark strapaziert, jetzt muss es sich ausruhen. Nullrunde. Am Abend fragen wir Don, was wir falsch gemacht haben. Seine kurze, präzise Antwort: „An diesem Angelplatz müsst ihr das Vorfach verlängern auf fast Rutenlänge (wir fischen eine 9’6“ #10) und das Blei mindestens 1.50m, besser 2m vom Haken entfernt anbringen“. Danke Don, das hättest du uns auch gestern Abend mitteilen können.

Mittwoch 1. Juli. Heute ist wieder River-Drifting mit Don angesagt. Die wilde, unberührte Natur lässt uns auch heute wieder staunen. Nebenbei fangen wir dank Dons guten Ratschlägen noch ein paar Lachse. Gittina hakt einen gewaltigen Lachs. „Das ist ein King“, meint Don, „Das sieht man daran, dass der Fisch nicht springt. Kings springen nicht im Drill“. Nach etwa 2 Minuten harten Drills verabschiedet sich der Königslachs. War er in der Rückenflosse gehakt? Hat der Haken nicht richtig gefasst? Das werden wir nie erfahren. Am Abend können wir 6 Sockeyes vorweisen.

Nach einem einigermassen erfolgreichen Donnerstag am Situk River (Don’s Ratschlag hat Wunder gewirkt) geht’s am Freitag 3.7.09 auf’s Meer zum Halibutt fangen. Eric, der Skipper findet „seinen“ geheimen Fangplatz dank GPS metergenau. Er beködert die Haken (siehe rechts) und weist uns an, das Gewicht bis auf den Boden sinken zu lassen. An dieser Stelle ist das Meer ca. 30m tief. Es geht nicht lange und mein Schatz ist in einen wilden Kampf verwickelt. „Der ist ja noch stärker als die Lachse“ stöhnt sie. Sie pumpt und pumpt, aber der Fisch zieht immer wieder mühelos die soeben gewonnene Schnur von der Rolle. Dieses Spiel wiederholt sich einige Male, mein Schatz ist der Verzweiflung nahe. Aber am Ende ist sie die Siegerin. 
Frauenpower in reinster Form. Mit dem Circle Hook ist es fast unmöglich, dass ein Heilbutt ausschlitzt. Wenn er mal richtig zugebissen hat, hängt er zuverlässig. Auch ich fange kurz darauf meinen ersten Heilbutt. Sein Gesicht ist dermaßen schön, dass es für ein Foto herhalten muss (siehe links). 

Nachdem wir je 2 Halibutts gefangen haben ist unser Limit erreicht.

Eric erklärt uns, dass wir jetzt auf Lachse schleppen werden.

Unter Zuhilfenahme des GPS fährt er volle Pulle Richtung Festland. Nach ca. 20 Minuten sind wir an der heißen Stelle. Eric gibt uns je eine vormontierte Schlepprute und wir lassen die Schnur von der Multirolle. Über Funk erkundigt sich Eric wie es den andern Gästen beim Schleppen ergeht. Heute scheint wieder mal einer jener Tage zu sein, an denen die Lachse ausschlafen. Kein Boot kann einen Fang vermelden. Wir geben nicht auf, wäre ja noch schöner. Und tatsächlich, Gittina gelingt der Fang eines Coho (Silberlachs) (siehe rechts). Frauenpower in reinster Form. Das war’s dann schon, fast jedenfalls. Das Meer wird zusehends unruhiger, ich werde zusehends ruhiger. Zwischen einem Wellenberg und Tal sind es sicher 1 Meter. Wir schleppen noch ein Weilchen, dann frage ich den Eric, ob wir noch lange draußen bleiben. Er schaut das Bleichgesicht an und weiss was er zu tun hat. Wir fahren, nein fliegen über’s Meer zum Hafen. Danke Eric, lange hätte ich das nicht mehr ausgehalten. Wir erreichen den sicheren Hafen, und meine Natur zeigt sich in aller Brutalität: Ich füttere die Fische. In der Lodge zurückgekommen, erfahren wir dann, dass der Sohn der Kellnerin Judy, ein Einheimischer Seebär, es heute vorgezogen hat, den Hafen früher anzusteuern. Zu unruhig sei die See gewesen, ihm sei fast schlecht geworden. Das relativiert mein Unwohlsein auf dem Schiff, und ich fühle mich nicht mehr als Memme.
Sonntag 5.7.09. In der Zwischenzeit sind wir nach Anchorage zurückgeflogen und haben dort unser Motorhome entgegengenommen. Die nächsten 2 Wochen wird es unser Zuhause sein. Den ersten großen Einkauf erledigen wir beim nahe gelegenen Supermarkt Fred Meyer. 

Dann geht’s in gemütlichem Tempo mit 50mph auf dem New Seward Highway Richtung Soldotna. Auf der Gegenfahrbahn kommt uns eine unendlich lange Blechlawine im Schneckentempo entgegen (siehe unten). Alle waren sie dieses Wochenende in den Kurzferien (der 4th of July lässt grüßen) und müssen morgen wieder zur Arbeit.

Die erste Nacht im Wohnmobil verbringen wir auf einem Parkplatz nahe der Südspitze des Turnagain Arms. Der Sonnenuntergang, der uns hier geboten wird, ist in Worten kaum zu beschreiben, ich jedenfalls kann es nicht =>

Es ist der 7. Juli. Seit gestern Abend sind wir Gäste vom Jim Nelson und seiner charmanten Familie (www.kenairiverfront.com). Um 8 Uhr geht’s auf den Fluss. Die großen Königslachse (Chinook) warten auf ihre Meister aus Zürich. Dieser Sommer ist ungewöhnlich warm und trocken für alaskanische Verhältnisse. Das zeigt sich u.A. auch am Pegelstand, an der Sichtigkeit und der Temperatur des Kenai Rivers. Der Kenai River führt Hochwasser, denn die Gletscher seines Einzugsgebietes schmelzen unter der extremen Sonneneinstrahlung ungewöhnlich stark.

Ergo führen die Zuflüsse wie der Killey River viel Wasser und viel Sediment mit sich. Im Skilak Lake erwärmt sich zudem das Wasser, und somit auch der aus diesem See fließende Kenai River. Jim meint, es könnte unter solchen Umständen schwierig sein, einen King zu fangen. Wir geben aber nicht auf, das wäre ja noch schöner. Viele Boote bzw. deren Angler kämpfen mit den gleichen widrigen Bedingungen. Nur ein Mal sehen wir einen Kollegen in einem andern Boot einen King in die Höhe hieven. Das war’s dann auch schon. Nullrunde, schon wieder. Am nächsten Tag sind wir mit einem frisch verheirateten Paar aus Deutschland auf Jim’s Boot. Andrea und Markus sind direkt nach ihrer Hochzeit nach Alaska geflogen und zum Jim gefahren. Mit einem King wollen sie in ihre Hochzeitsreise starten. Zu fünft stellen wir also den Chinooks nach. Heute soll es klappen. Jim ist zuversichtlich, muss er ja als Guide. Auf meinen Haken zieht Jim einen Knäuel Lachseier, Markus, Andrea und Gittina haben große, tief laufende Wobbler als Köder.
Wir driften an der Lachszählstelle vorbei und beobachten zwei Angestelle von Alaska Fish & Game, wie sie mit dem Netz Kings fangen und markieren, um sie dann wieder freizulassen. Wir wären schon mit einem King zufrieden, aber der Lachs-Gott ist uns auch heute nicht gut gestimmt. Keinen Biss können wir verbuchen, Jim versteht die Welt nicht mehr. Er weist mich an, das Lacheierbündel zu erneuern, vielleicht hilft das, und der lang ersehnte King entschädigt uns für all die Strapazen. Doch die Königslachse wollen nicht beißen.
Ohne einen King gehakt zu haben, fahren wir am Morgen des 9.Juli weiter Richtung Süden. Zwei Tage lang machen wir Halt am Kasilof River. Auch hier gelingt es uns, nicht einen King zu fangen. Es hat schlicht und einfach keine an der Stelle des Flusses, an der wir fischen. Dito betreffend Rotlachse. Den anderen Angelkollegen geht’s gleich, auch sie fangen keine Lachse. Einzig ein Dolly hat Erbarmen mit mir. Er endet als Nachtessen auf unsern Tellern. Aber halt: einen Lachs hake ich ja doch: es ist ein toter Rotlachs, der schon am vergammeln ist. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, daß die Fische sich über mich lustig machen.
Samstag 11.Juli, wir  fahren nach Homer. Auf dem Homer Spit hat es eine kleine Bucht, die jedes Jahr von Alaska Fish & Game künstlich mit frisch geschlüpften Kings besetzt wird. Nach einigen Jahren im Meer kehren sie als laichreife Tiere in ihr „Geburtsgewässer“ zurück. Bei Ebbe ist die Bucht fast leer, bei Flut füllt sie sich mit Salzwasser und mit Kings, wenn denn noch welche da, sind die ablaichen wollen. Ihr ahnt es, es hat natürlich fast keine Kings mehr. „Vor einer Woche, da hätten Sie hier angeln sollen. Da war vielleicht was los!“ meint der Besitzer eines Campgrounds. Ich versuche es bei der nächsten Flut trotzdem, zuerst mit der Fliege, dann mit dem Blinker. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass ich nichts gefangen habe, oder? Dafür sind mir Seelöwen vor die Linse geschwommen und ein Weißkopfadler lässt sich bei seinem Mahl von mir ablichten.
Am nächsten Morgen gehen mein Schatz und ich spazieren, um unsere Nasen in die kleinen Läden zu stecken. Handarbeit aus Alaska, Wollpullover aus Alaska, Schnitzereien aus Alaska, Bärenkrallen aus Alaska, Goldnuggets aus Alaska… (mir wären ein paar selbstgefangene Lachse aus Alaska lieber).
Um 11.00 öffnet der „Salty Dawg Saloon“ (links). 1897 erbaut als eines der ersten Gebäude in der kurz zuvor frisch gegründeten Stadt Homer diente es zuerst als Postbüro, später als Eisenbahnstation und Lebensmittelladen. Ein Anbau im Jahre 1909 ermöglichte die Eröffnung einer Schule. 
1940 erstand Chuck Abbatt das Gebäude und benutze es als Büro der „Standard Oil Company“. 1957 wurde der Saloon eröffnet. Der Leuchtturm kam erst im Jahre 1964 dazu, nachdem das Gebäude nach dem „Good Friday“ Erdbeben an den jetzigen Standort umgesiedelt wurde.
Eigentlich ist dieser Saloon nicht besonders erwähnenswert, wäre da nicht die Usanz, dass der Gast auf eine 1$ Note einen mehr oder minder originellen Spruch schreibt und dann irgendwo an die Holzwände anstecken darf (und auch soll). Wir lassen uns das natürlich nicht entgehen.
Montag 13. Juli 2009. Die letzte Woche in Alaska ist angebrochen. Wir fischen am Ninilchik River. Gittina gelingt es einen Pink (Buckellachs) zu haken. Frauenpower in reinster Form. Endlich wieder mal Fischkontakt. Die aufgekeimte Hoffnung, dass wir hier weitere Lachse fangen bewahrheitet sich nicht, auch hier klebt das Pech an uns wie ein Kaugummi auf dem Gehsteig. Was machen wir falsch? Wir wissen es nicht. Etwas entmutigt von den vielen Nullrunden der letzten Tage geben wir nach ca. 2 Stunden fischen auf und genießen den Rest des Tages bei einem ausgedehnten Spaziergang am Strand des Cook Inlet (siehe weiter unten).
An dieser Stelle erlaube ich mir den Text aus Wikipedia über das Städchen Ninilchik einzufügen:
Vor der Besiedlung Alaskas durch Europäer wurde die Region um Ninilchik von athapaskischen Tanaina-Indianern zum Jagen und Fischen genutzt. „Ninilichik“ bedeutet in der Sprache der Tanaina soviel wie „Hütte am Fluss“ oder auch „Stachelschwein-Bach“.
Die ersten Europäer, die in Ninilchik siedelten, waren der Russe Grigori Kwasnikow mit seiner Frau Mawra. Sie kamen 1847 vor dem Alaska Purchase von der Kodiak-Insel. 1880 wurden vom United States Census in Ninilchik neun Familien mit insgesamt 53 Personen gezählt, die alle Nachkommen der Kwasnikows und der Tanaina waren.
1896 wurde eine Schule errichtet und 1901 die russisch-orthodoxe Kirche an ihrem heutigen Platz neu aufgebaut. 1949 begann die Berman Packing Company mit der Fischkonservenfabrikation. 1950 erreichte der Sterling Highway den Ort.
2007 zerstörte der „Caribou-Hills-Brand“ fast 60.000 Acre Land und 197 Gebäude.
Ureinwohner in Ninilchik
Der Alaska Native Claims Settlement Act erkannte Ninilchik als Alaska-Native-Siedlung an. Dies führte zur quasisouveränen Selbstverwaltung und zur Gründung des Ninilchik Traditional Council (NTC) als Verwaltungsgremium für die in der Region lebenden Ureinwohner und deren Nachkommen.

Natürlich lassen wir es uns nicht entgehen, die Kirche abzulichten.

Am nächsten Tag versuchen wir unser Glück am Deep Creek, den wir tags zuvor von der Straße aus gesehen haben.

Wir parkieren unser Motorhome auf einem staatlichen Campground und zahlen die Tagesgebühr. Am Flussufer stehen einige andere Angler und sind schon ganz fleißig am fischen. Einer von ihnen flucht plötzlich in bestem Deutsch, als ihm ein Lachs im Drill verloren geht. Ich gehe zu ihm hin und wir kommen ins Gespräch. Er und seine Frau kommen aus Österreich. Er angelt und sie schaut ihm geduldig dabei zu. Bei uns ist es ein wenig anders: Wir angeln beide, und die Lachse schauen uns geduldig dabei zu. So kommt es uns jedenfalls vor. Irgendwann hake ich doch noch einen Dolly, der wird als Mittagessen zubereitet. Den andern Anglern geht’s ähnlich wie uns: Auch sie gehen leer aus. Der gehakte Lachs des Österreichers scheint heute hier eine Ausnahme gewesen zu sein. Seufz!
Nach diesem wieder erfolglosen Tag fahren wir nach Soldotna, und von dort weiter zum Peterson Lake. Unser Kenai-Guide Jim hat mir diesen See empfohlen, riesige Regenbogen leben in diesem Wasser. Ich schöpfe Hoffnung, schließlich kenne ich mich mit Regenbogenforellen besser aus. Etwas versteckt zweigt der Weg von der Hauptstraße rechts ab zum See. Zu unserm Erstaunen ist der Campground gratis, dafür hat es außer einem Plumpsklo-Haus und Parkplatz keine weitere Infrastruktur. Logisch, sonst würde es etwas kosten. Schnell komme ich mit einem andern Camper ins Gespräch: „Hi there. What’s up?“ Sein Englisch ist nicht lupenrein, und auf meine Frage, woher er komme, gibt er mir „Switzerland near Zurich“ als Antwort. Da bist du in der weiten Wildnis Alaskas an einem wenig frequentierten See und triffst auf Zürcher! Sachen gibt’s…
Aber zurück zum See: Vom Ufer aus präsentiere ich meine Goldkopfnymphe und warte gespannt auf die Dinge die da kommen (sollten). Muss ich wirklich erwähnen, dass es mir auch hier nicht gelingt einen Fisch zu haken? Macht nichts, schließlich habe ich mich bereits daran gewöhnt, daß das Fangglück in Yakutat geblieben ist. Mein Schatz bereitet uns ein Nachtessen vor. Spaghetti al pomodoro. Frauenpower in reinster Form.
Nächster Tag, nächstes Glück! Wir fahren weiter an die Einmündung des Russian River in den Kenai. Wenn die Rotlachse im Fluss sind, ist hier der Teufel los. Schulter an Schulter stehen dann die Angler und versuchen, meistens erfolgreich, Fische zu fangen. Sie stehen heute natürlich nicht Schulter an Schulter. Wäre ja zu schön. Die Rotlachse sind erst Ende letzten Wochenendes in Soldotna angekommen. Dann brauchen sie noch ca. 5-6 Tage bis hierhin, meint ein erfahrener Kollege aus Deutschland. Na prima! Auf dem Weg an die Mündung kommen uns 5 amerikanische Angler entgegen, sie tragen Filets von 2 Rotlachsen schön in Beuteln verpackt. Hurra! Sie sind da! Jetzt kann es richtig losgehen. Und es geht los, aber wie. „Dafür haben wir aber hart arbeiten müssen“ meint einer der fünf. „Fischen, den ganzen Tag, bis dir die Arme abfallen. Und als Lohn gerade mal 2 Sockeyes“. Ein anderer aus der Gruppe schaut sich meine Fliege an und meint, damit dürfe man hier gar nicht angeln. Der Abstand zwischen Hakenspitze und Schenkel ist zu gross. WIE BITTE? MEINE FLIEGE IST NICHT REGELKONFORM? WOHER SOLL ICH JETZT REGELKONFORME FLIEGEN HERZAUBERN? Wäre eine Palme in der Nähe, ich wäre in Rekordzeit oben. Die amerikanischen Kollegen müssen mir meinen Frust ansehen, sie schenken mir einige ihrer hier erlaubten Fliegen und wünschen mir Glück. Trotz dieser lieben Geste will ich nicht mehr angeln. Ich mag nicht mehr. Alaska, die Lachse, der Russian River, die Fliegen… sie können mich mal alle. Mich mit so viel Pech zu bestrafen ist ungerecht. Jawohl! Nicht mal mehr mein Schatz kann mich umstimmen. Sie fragt nur „bist du sauer?“ Ich nicke, und sie weiß, dass jetzt mit mir nicht gut Kirschen essen ist. Wir kehren in voller Anglermontur zum Wohnmobil zurück ohne dass unsere Fliegenschnüre nass geworden sind. Und dann soll es noch Leute geben, die sagen, angeln sei langweilig…

Donnerstag 16. Juli, letzter Angeltag. Mein Sturm ist vorbeigezogen und hat keine bleibenden Spuren hinterlassen. Morgens bietet sich uns dasselbe Bild wie gestern: Keine Lachse im Fluss, nur ein paar wenige Angler am wedeln. Es ist unsere letzte Chance einen Lachs zu fangen, also was soll’s: Wir versuchen unser Glück. Irgendwann wird es ja Frieden schließen mit uns, und dann geht die Post ab (positives Denken nennt sich das). Wir lassen unsere regelkonformen Fliegen im Wasser umherwedeln, so wie es die andern Angler auch tun. Und niemandem gelingt es einen Fisch zu erbeuten. Diese Situation kommt uns nur zu bekannt vor. „Glück, wo bist du? Wir wären für eine Versöhnung bereit!“ Nach einigen Stunden knurrt der Magen und wir gehen, wieder mal ohne Fangerfolg, den langen weg zurück zum Wohnmobil. Das Mittagessen ist schnell zubereitet und noch schneller gegessen. Am Nachmittag kratzen wir das letzte Quäntchen Vertrauen zusammen (es war wirklich nicht mehr viel davon da) und versuchen zum allerletzten Mal am in diesen Ferien einen Lachs zu fangen. Am Fluss angekommen sehen wir, dass jetzt erheblich mehr Angler an fischen sind. Wir werten das als gutes Omen. Oh Glück, bist du zurückgekehrt? Wir fischen und fischen und fischen und fischen… mehr sag ich nicht. Um 19:00 Uhr hat mein Schatz genug, sie ist müde. „Ich gehe schon mal das Abendessen zubereiten. Was meinst du zu Salzkartoffeln und Käse? Bist du um 22:00 Uhr zurück?“ „Ich fische bis noch um 21:00 Uhr weiter, dann komme ich nach. Den Abwasch erledige ich dann, gell Schatz?“ Was soll ich sagen, plötzlich fängt mein Nachbar einen Rotlachs, kurze Zeit später wird noch einer gelandet, dann noch einer, dann noch einer. Sie sind da! Endlich. Ich hake auch einen, verliere ihn aber im Drill nach ein paar wenigen Sekunden. Jetzt geht die Post ab: Überall wird gefangen, auch ich hake wieder einen, der macht etwas länger Radau, verabschiedet sich aber ohne mit der Wimper zu zucken. 

Kurz vor 21:00 Uhr hake ich wieder einen Sockeye. Mein amerikanischer Nachbar weicht nach hinten aus und überlässt mir seinen Teil des Flusses, damit ich besser drillen kann. Dieser Fisch zieht mächtig an der Leine (und auch an meinen Nerven). „Soll ich ihn mit dem Netz landen?“ fragt der Amerikaner. Dieses Angebot nehme ich gerne an, ohne Netz stehen die Chancen nicht gut hier einen Lachs zu landen. Just in dem Moment, als der Fisch im Netz ist, löst sich meine Fliege. „That’s perfect timing“ meint der Amerikaner. Ja, das ist es. „Thanks, you’ve saved my day“. Männerpower in reinster Form.
„Schatzi, zu den Kartoffeln und dem Käse kommt noch Lachs dazu“. Ein versöhnlicher Abschluss unseres Alaska-Abenteuers.

Ein Reisebericht von Moreno Gazzetta für www.fliegenfischer-forum.de
Das unerlaubte Kopieren und Verbreiten von Text- und Bildmaterial aus diesem Bericht ist verboten.

zurück zur Übersicht USA  | zurück zu Reise & Report  | Zurück zur Hauptseite
Copyright © 2009 | www.fliegenfischer-forum.de  |  DAS Fliegenfischen Online Magazin |  Kontakt