Auf Barben in der Wertach von Christian Rotter |
Ein
stressiger Arbeitstag ging zu Ende, ich befand mich an einem durchwachsenen
Spätherbsttag gegen 17:30 Uhr auf dem Nachhauseweg, der mich irgendwie
immer an einem meiner Fischgewässer vorbeiführt.
Diesmal an der Wertach hinter Kaufbeuren. Schnell die Freisprecheinrichtung bemüht, gab ich meinem Spatzl Bescheid, dass ich erst gegen 19:00 Uhr -oder so- zu Hause sein würde. Ein wichtiger Termin bei meinen Freundinnen sei noch ausständig. Da Sie mich gut kennt, wusste sie sofort wen ich meinte: "Barbie!" Auto abstellen, rein in die Stiefel, Weste drüber, Keschergürtel umgeschnallt (man weiß ja nie…), die vierteilige fünfer Rute zusammengesteckt, Rolle montiert und mit 16 er Vorfach fischfertig gemacht - bereits ein Automatismus. |
Durch
welke Brennnesseln und beinahe reißfeste Brombeer-Fussangeln runter
ans Wasser, den gut knietiefen Fluss (diesmal trockenen Fusses!) durchquert,
schon war ich an meinem Lieblingspool dieses Streckenabschnittes, der sich
hier aus der reißenden Strömung kommend in ruhiges, ca. 1.5
m tiefes Wasser mit allerlei Gegenströmungen verläuft.
Die gelbe Spezialgoldkopfnymphe,
Marke Amboss, servierte ich am dreieinhalb Meter–Vorfach stromauf, mendete
sofort gegen die Strömung und ließ den Köder in der Deaddrift
nach unten taumeln.
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Gott
sei Dank kennen meine Zielfische diese Art der Kommunikation noch nicht
und so ließ der erste Biss, den ich natürlich verpennte, nicht
lange auf sich warten.
Nun ja, wie
sagt der Allgäuer:
Wer schon öfters mit der Fliege auf Barben ging, weiß, dass sich die Schnur dabei maximal 3cm strafft - und das gaaaaaanz laaaangsaaaam. |
Exkurs:
Diese Fische beißen derart vorsichtig, dass ich beim geringsten Ruck
der Schnurspitze sofort die Rute hebe und bei spürbarem Widerstand
mit der Schnurhand den eigentlichen “Anhieb” setze. Dabei kommt es oft
vor, dass speziell die Barbe, wenn sie nicht direkt staubsaugender Weise
vom Gewässergrund, sondern im Zwischenwasser durchaus räuberisch
nimmt, häufig nicht im Maul, sondern an der Brustflosse gehakt wird.
Um den, mit leichtem Schnurzittern schwebend angebotenen Köder zu
erhaschen, muss sie sich um 90° zur Seite drehen und zuschnappen.
Jetzt zuckt die Schnurspitze, das Heben der Rute folgt. Gleichzeitig will sie die Nymphe ausspucken, dreht wieder zurück und der widerhakenlose Stahl greift außerhalb des Fischmaules. Dieses Phänomen beobachtete ich bisher nur bei Barben. Andere Flossenträger mit unterständigem Maul (Karpfen, Schleien, etc.) hakte ich bis jetzt nur „vorschriftsmäßig“. |
Also
weiter: Rute hoch, Strip Strike mit der Schnurhand - und das Spektakel
konnte beginnen.
Die erste längere Flucht konnte ich nach etwa 10-12 Metern abfedern und erkannte schnell, dass da „Tante Emma“ dran war. Mit enormer Energie und Zielstrebigkeit versuchte der auf drei Kilo geschätzte Fisch seinem Widersacher zu entkommen. Stetig und druckvoll auf die Haltbarkeit des Vorfaches und der Verbindungsknoten vertrauend, brachte ich den Fisch einmal mehr aus dem Gleichgewicht, indem ich ihn mit der Rute immer wieder umdirigierte und somit ermüdete. Die Fluchten wurden kürzer und das Ende nahte: Nein, nein, nicht so wie ihr vielleicht meint: |
Das
Ende des Drills bedeutete ein interessantes Fotoshooting mit dem geneigten
oberallgäuer Automatikkamera - Fotograf. Eins ums andere Mal drückte
ich auf den Auslöser, um den 2 GB der Speicherkarte dann daheim wenigstens
ein paar vernünftige Schnappschüsse herauszulocken. Klappte diesmal
ganz gut, oder? Sogar unter Wasser!
Die Modell-Maße: 55 – 77 - 83 cm. Alle drei Barbies dieses Spätnachmittages schön goldblond und zwischen 4 und 7 Pfund schwer. Die Krönung bildete die 55ger, die ich mit einer 12er Adams Parachute aus eigener Werkstatt fing. Schier unglaublich: mit der TROCKENFLIEGE!!! Sie nahm, nachdem sie schon drei Mal laut vernehmlich gestiegen war, in einer Art und Weise, wie ich es noch nie zuvor gesehen hatte: |
Um
den vermeindlich schmackhaften Proteinhappen zu ergattern, stieg der Fisch
etwa 50 cm vor der Fliege in ganzer Länge aus dem Wasser und sog das
behakte Insekt “von oben” in sein unterständiges Maul mit spritzendem
Höllengeplatsche beim Wiedereintauchen ein.
Hier war es ganz gut, etwas unaufmerksam zu sein, denn hätte ich den “Normalgesetzen” zu Folge, die Rute “rechtzeitig” angehoben, wäre die Adams außer Reichweite des Sturzfluges gewesen. So hätte Barbus Barbus nie erfahren, wie schön es doch sein kann, nach einer tollen Führung durchs eigene Wohnzimmer wieder eigenständig bummeln zu können - zumindest bis der Eichelhäher, dessen Sprache sie Gott sei Dank nicht spricht, wieder heiser krächzend vor irgendwelchen Störenfrieden warnt. |
Jetzt,
etwas entspannter und mich durch die Tastatur quälend, denke ich gerade
darüber nach, eventuell das Vorfach das nächste Mal gleich auf
4,5 Meter zu verlängern, um eine noch bessere Drift zu erreichen und
den Haken in Größe 8 zu wählen, vielleicht zwei Tungsten-Perlen
zu verwenden und das relativ weiche Dubbing mit etwas Rabbit zu vermischen,
um es flumseliger zu machen, und was ich tun könnte, um zu vermeiden,
dass auf 12 Bisse nur drei gehakte Barben kamen, und und und …
Euer Christian Rotter Gewässerinfos,
Kartenausgabestellen unter:
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Ein Beitrag von Christian Rotter für www.fliegenfischer-forum.de - September 2010 Das unerlaubte Kopieren und Verbreiten von Text- und Bildmaterial aus diesem Beitrag ist verboten. |
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