Boddenheringe mit der Fliegenrute
Ein Beitrag und Fotos von Niko Bünte

Heringe mit der Fliegenrute? Ja, Sie haben richtig gelesen! Und um das von vornherein klar zu stellen: hier geht es nicht um das Fischen mit Sinkschnüren und Bleifliegen, die in vom Echolot gefundene Schwärme absinken. Auch nicht um das kriegsähnliche Heringsfischen, das wir Jahr für Jahr an guten Spots an Bodden und Küste, wie Brücken und Seebrücken erleben können. Hier geht es um einsames und tiefenent- spanntes Fliegenfischen mit der leichten Rute.
Wenn Sie sich jetzt denken, dass es sich um Zufallsfänge bei der Jagd nach Meerforellen handelt, liegen Sie leider wieder falsch. Klar, es kommt vor, dass an bestimmten Stellen auch mal ein Hering die Mysis oder Magnus schnappt, aber ich möchte hier von der gezielten Fischerei auf Heringe berichten.

Das Tarponmaul ist deutlich zu erkennen | Unten: Boddenhering kurz nach der Landung

Genug um den heißen Brei herumgeredet. Kommen wir zu den zwei wichtigsten Faktoren. Um gezielt auf Heringe zu Fischen, muss zum einen die Jahreszeit stimmen, zum anderen der Platz. Jedes Jahr im Frühjahr ziehen die Heringe aus dem Öresund zwischen Schweden und Dänemark in die Küstengewässer rund um Rügen, um zu laichen. Es gibt zwar auch sogenannte Herbstlaicher, jedoch sind die Frühjahrslaicher zahlenmäßig deutlich überlegen. Ein stark frequentiertes Laichrevier ist beispielsweise der Strelasund oder der Greifswalder Bodden. Nicht ohne Grund wird die Brücke über den Strelasund von Stralsund nach Rügen von vielen Heringsanglern als „bester Heringsplatz der gesamten Ostsee“ bezeichnet. Leider bleibt dieser Fakt nicht wenigen unbekannt, sodass sich zur Heringszeit im März und April nicht nur die Angelboote sondern auch die Angler auf der Brücke stapeln. Für den Zuschauer ergibt sich ein kurzweiliges Bild, für den Angler artet das in Stress aus. Und ganz ehrlich, ehe ich in den Heringskrieg ziehe, gehe ich lieber zum örtlichen Fischer.
Das alljährliche Treiben auf der Strelasundbrücke hat für mich jedoch nicht nur Belustigungscharakter, sondern ist auch ein wichtiger Anzeiger. Sobald mehr als 100 Angler auf der Brücke stehen, muss ich anfangen, ein paar Nymphen zu binden, denn :„Der Hering ist da“!!!

Um der Heringshysterie zu entgehen, suche ich ihn nicht an den offensichtlichen und allseits bekannten Stellen, sondern fernab an den langestreckten Ufern des Greifswalder Boddens. Der Greifswalder Bodden ist gesäumt von Schilfrändern, Stränden, sowie kleinen Häfen. Jedoch muss man fast überall, um hüfttiefes Wasser zu erreichen, mehr als 100 Meter hinauswaten. Aus diesem Grund empfehle ich eine Wathose. Ein unverzichtbares Utensil für unser Vorhaben.
 

Frischer Hering vom Grill

Richtig interessant wird es für uns allerdings erst dort, wo tiefes Wasser in Wurfweite kommt. Bei gutem Wetter kann man oft deutlich die Fahrrinnen oder ausgehobene Hafenbecken erkennen und genau da müssen wir hin. Je näher man an die wirklich tiefen Bereiche (3-6 Meter) heranwaten kann, desto besser. Natürlich ist hier immer Vorsicht geboten, jedoch ist der Untergrund im Greifswalder Bodden meist sehr „watfreundlich.“
Komme ich nun zum Gerät. Leider wird der Hering meist als schlechter Kämpfer geschimpft, was aber in erster Linie daran liegt, dass er mit derartigen Besenstöcken befischt wird, an denen selbst feiste Forellen fast kampflos aufgeben würden. Nach den ersten Drills an der 3er Rute wusste ich jedenfalls, dass der Hering eng mit dem Tarpon verwandt ist. Natürlich kreischen die Rollenbremsen nicht wie wild, aber ein Ü30er Hering macht Laune, springt oft und gibt nicht so schnell auf.
 

Heringsdublette

An die 3er Rute montiere ich eine passende Schwimmschnur plus ein 3-4 Meter langes Vorfach. Der Spitzendurchmesser kann zwischen 0,16 und 0,20mm liegen. Vorfachscheu sind die Heringe nicht. Zum stärkeren Vorfach tendiere ich, wenn 2 Fliegen gefischt werden. An die Vorfachspitze knüpfe ich 12er bis 18er Goldkopfnymphen. Die Nymphe sollte etwas glitzerndes enthalten. Sei es einen Goldkopf oder ein paar Flashstreifen als Rückenschild. Heringe lassen sich zwar auch mit unauffälligen Nymphen fangen, mit den auffälligen geht es aber deutlich besser. Zum ermitteln der Tiefe in der die Heringe stehen wähle zunächst eine Tungstengoldkopfnypmhe. Stellt sich heraus, dass die Heringe flach stehen, wechsle ich zur leichteren Variante. Kleine Anmerkung für die Puristen: Mit der Trockenfliege konnte ich leider noch keinen Hering überlisten, ist aber in Arbeit.

Herrlicher Heringstag am Greifswalder Bodden

Um noch ein paar Worte zum Wetter zu verlieren, die Heringe sind sicherlich auch bei Wind, Regen und Wellen anzutreffen. Ich bevorzuge jedoch Sonnenschein und weniger Wind.
Die Fischerei selbst gestaltet sich dann als zunächst kurzweilig, nach zig gefangenen Fischen aber auch schnell als eintönig. So schön die Fische auch springen, wenn man bei fast jedem Wurf Fischkontakt hat, verliert die Sache an Reiz. Allerdings lässt die Vorfreude auf den leckeren Hering das Herz wieder höher schlagen und nicht zuletzt auch das Aussehen dieser Tiere. Ein Hering kurz vor der Landung mit seinem makellosen Schuppenkleid und wunderbaren Silber-Schillerschein ist schon was verdammt Schönes. Leider verblasst diese Schönheit schon nach Minuten. Das liegt zum einen daran, dass sich bei der ersten Berührung sofort einige Schuppen lösen, zum anderen, dass der schillernde Silberglanz verblasst.

Perfekter Bedingungen, perfekter Hering

Kurz noch ein Wort zur Technik. Ich wate bis knapp vor die Scharrkante (bitte nicht zu weit, da je nach Untergrund der „Hang“ abrutschen kann!), werfe meine Nymphe aus und hole sie sofort in kleinen Sprüngen ein. Wenn ich keinen Fischkontakt habe warte ich beim nächsten Auswurf 3 Sekunden, beim Übernächsten 6 und so weiter. Wenn die Fische gut beißen und ich Gäste erwarte, knüpfe ich ein Tandemsystem aus einer schwereren unteren und leichteren oberen Nymphe ans Vorfach. Ansonsten fische ich lieber eine Nymphe solo, das erspart lästige Tüddeleinen. Wenn ich im Sonnenschein im Bodden stehe und meine Seele baumeln lasse, versuche ich alle Störfaktoren so klein wie möglich zu halten.

Schöne Heringsstrecke

Und nun die wichtigen Dinge noch einmal zusammengefasst. Zeit: März/April. Ort:Tiefe Hafenbecken oder Fahrrinnen. Gerät: leichte Fliegenrute, Schwimmschnur, kleine Nymphe, Wathose und FISCHNETZ. Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Heringstrip. Ich wollte zwar gezielt auf Heringe gehen, so richtig dran geglaubt habe ich aber nicht. Umso schwerer war es dann, den Fang am Mann zu behalten, denn jedesmal die 100 Meter zum Ufer zurück zu waten, kam nicht in Frage. Wenn man kein Fischnetz hat, kann man auch ein starkes Stück Monofil oder Hardmono nehmen, das man durch die Kiemen und das Maul führt und somit nach und nach eine schöne Heringskette aufreiht.
Ich hoffe ich konnte Ihre Neugierde wecken. Der Hering ist sicherlich kein Fisch, für den man um die halbe Welt fährt aber ich finde es jedesmal wieder schön, einsam und tiefenentspannt im Bodden auf Heringe zu fischen. 
Euer Niko Bünte

Wenn der erste Hering gefangen ist, folgen meist weitere...


Das Revier:




© Ein Beitrag und Fotos von Niko Bünte für www.fliegenfischer-forum.de - März 2015.
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