Vom Abenteuer in den Hochalpen zu fischen...
Ein Beitrag von Elchvieh
Erster Teil
In den Gedanken und Erinnerungen zu diesem Thema, finde ich mich zum ersten Male in einer Situation wo ich kein wirklich passendes, deutsches Wort finde. Allerdings gibt es im Norwegischen eine schöne Metapher, die ich frech entlehnen werde. Sie heißt „ferd“ und bedeutet nicht nur Fahrt oder Reise von A nach B, sondern ein Unternehmen, ein Abenteuer und unterwegs zu sein. Das kann die brudeferd (Brautfahrt), also das Umwerben wie auch das Heimholen der Geliebten sein; wie auch die gravferd, jene letzte Reise die man nicht mehr auf den eigenen Beinen tut. In diesem Sinne müsste der Titel dieser Geschichte eigentlich „på fiskeferd i fjell“ lauten.
Im Grunde beginnt die fiskeferd am Morgen des Vortages. Soviel ist zu tun: Etliche male den Wetterbericht aufrufen, die Ausrüstung überprüfen und zusammenstellen, da und dort was reparieren und ergänzen. Und immer wieder die Frage: Ist alles Notwendige vorbereitet und eingepackt?  Am Wasser selbst sind die Möglichkeiten Vergessenes zu ersetzen, so gut wie nicht vorhanden. In der späten Nacht dann das Matpackle - die Verpflegung herrichten und alles für den Morgenkaffee vorbereiten. 
Nach einer viel zu kurzen Nacht um 3:30 Uhr sich selbst verfluchend „o herregod hva gjör jeg!“ Aus dem Nest krabbeln, rasch den Kaffee aufbrühen und ein Butterbrot in den Magen stopfen, während ich nochmal den Wetterbericht abrufe. 
Schnell muss es gehen: um sechs Uhr sperrt die Mautstation an der Hochalpenstraße auf und dorthin sind es fast zwei Stunden Fahrt. Noch einen Kontrollblick auf die Ausrüstung und in den dunklen Himmel geworfen, dann brummt der Landrover mit mir los.
Kurz vor Sechs erreiche ich die Mautstation, während das erste Morgenrot über die Gipfel der Silvretta grüßt. Der Mautner kommt ein bisschen zu spät – wen schert's. Ich zahle die Maut, kaufe meine Tagesfischerkarte und wechsle noch ein par Worte mit dem freundlichen Mann.
Fast ungeduldig klingt der Dicke als wir die ersten, von zweiundzwanzig Kehren der Alpenstraße hinauf tuckern. Als wolle er, wie ich rasch ans Wasser... In der neunzehnten Kehre steht ein blöder Hirsch mitten auf der Straße! So verdattert wie er dreinschaut, hat er ebenda geschlafen und wir haben ihn geweckt. Als er einfach nicht Platz machen will lasse ich den Landy ganz, ganz langsam auf ihn zurollen. Woher weiß der Kerl das ich kein Gewehr dabei habe? Im allerletzten Augenblick bevor der Dicke ihn bei Seite schiebt, springt er dann doch ab. 
Endlich oben angelangt, in den Schotterweg einbiegen, der zu „unserem“ Parkplatz führt. Zweimal durch den Wildbach holpern und stolpern und wir sind da.
Alles ist still, der See liegt noch im tiefen Schatten. Zu sehen ist niemand, aber zwei andere Autos stehen schon da. Die Fahrer werden vermutlich auf einer Berghütten weiter oben übernachten. Es ist recht kalt (ich hätte doch Handschuhe mitnehmen sollen) und der See so glatt wie ein Spiegel. Nun hat alle Eile ein Ende und ich schnalle mein Gerümpel um, stopfe eine Pfeife und stiefle langsam Richtung Wasser. 
Kein lesbares Wasser erwartet mich hier heroben, vielmehr ein Ahnen, wo die Fische sein könnten. Eine Abhängigkeit von Temperatur, Luftdruck und Wetter. Der klassische Insektenschlupf spielt, ob der großen Tiefe und Ausdehnung der Seen, kaum ein Rolle und auf einen Stieg darf man nicht hoffen.
Darum setze ich mich auch erst einmal etwas oberhalb des Ufers auf einen Stein und komme schauend zu Ruhe. Die Berge rings herum sind noch fast schwarz, nur über die Gipfeln zaubert der Sonnenaufgang einen roten Schimmer. Der See hat die Farben von altem Stahl, ein dunkles Graublau in dem sich der wolkenlose Himmel spiegelt. Ein leiser, aber scharfer Wind weht von den Gipfeln ins Tal – ohne eine Welle auf dem Wasser aufzuwerfen. Kein Insekt ist zu sehen, aber auf dem Gegenhang wechselt ein Rudel Gams in ein Kar hinein – wohl sein Tageseinstand. Es ist noch zu früh, als das die Fische schon aktiv unterwegs sein können. Daher kram ich erst mal die Thermoskanne mit dem Kaffee aus dem Rucksack und den schönen Holzbecher. In dieser Stille, so scheint mir, muss man das Gluckern des Kaffes kilometerweit hören und ich schäme mich fast dafür. Während das Licht langsam die Hänge herab klettert, halte ich mich mit beiden Händen an meinem Kaffee fest. Schlürfe mit dem Getränk meine Lebensgeister langsam wach. 
Dann sind draußen auf dem Wasser die ersten Bewegungen auszumachen. Die Forellen und Saiblinge halten Frühstück nahe der Oberfläche. Zeit aktiv zu werden...
Flott die Rute zusammenbauen, die Wäscheleine einfädeln und vorsichtig ans Wasser heranpirschen. So wie es aussieht, jagen die Fische knapp unter der Oberfläche, darum nehme ich die schwimmende Schnur und ein etwas längeres Vorfach, das ich noch schnell zwischen ein par Gräsern durchziehe.
Kein Insekt ist zu sehen und ich kann nur vermuten, was sich die Fische da draußen zu Gemüte führen. Also knote ich eine unauffällige kleine braune Nassfliege, die alles Mögliche sein könnte, ans Vorfach. Mein Herz tanzt vor Nervosität Volta, als ich den ersten Wurf in die vermutete Zugrichtung der Fische serviere. Denn nun ist es da, das Jagdfieber, das zu unbedachter Handlung reizen will. Seufzend rufe ich mich selbst zur Ordnung. 
Nur keine Hast und keine unbesonnene Aktivität!“ Fast unmerklich zupfe ich den mehr ahn- als sichtbaren Teil des Vorfachs gerade und lasse das Muster einfach ruhig liegen, denn sein leises Platschen beim Eintauchen war mehr als Signal genug. Drei, fünf Minuten verstreichen, ohne das etwas geschieht. Mir scheint es eine Ewigkeit zu sein.
Dann ruckele ich die Fliege in Zentimeterzügen langsam zu mir heran. Da! Ein Stupser an der Schnur! Das Muster hat eines Fisches Interesse geweckt. Etwas rascher ziehe ich das Muster nun zu mir. Sekunden später ein Zug an der Schnur und draußen schnellt sich ein Fisch übers Wasser. Der Drill ist fast ein Kinderspiel, so weiß ich schon, dass ich einen Saibling gefangen habe, noch bevor ich ihn sehe. Augenblicke später gleitet er über den Rand des Keschers. Es ist ein vielleicht 25cm langer Kerl, dem ich die Fliege rasch aus dem Maulwinkel entferne, ehe ich ihn vorsichtig aus dem Kescher entlasse. „Mach's gut und werd erwachsen!“ denke ich ihm meinen Gruß nach.
Nun gilt es zu überlegen, ob ich es hier nochmal versuche oder besser den Platz wechsle. Ich entscheide mich, für einen weiteren Versuch noch zu bleiben. Also spüle ich die Fliege aus und werfe wieder aus. Kaum dass das Muster eingetaucht ist, kommt schon der nächste Biss. Als ich die Leine einhole, scheint mir kaum etwas am Haken zu sein, der Widerstand ist nur unbedeutend spürbar. Schließlich landet noch ein Babysaibling im Kescher, kaum zwanzig Zentimeter lang. Mit einem Handgriff entferne ich die Fliege, die der Knirps nicht recht fassen konnte und nach einem Kontrollblick darf er zurück in den Kindergarten.
Damit ist es klar, hier werde ich nicht bleiben, nicht weiter fischen, hier ist nichts Waidgerechtes zu erwarten. So ziehe ich mich etwas zurück, während ich suchend über den See hinschaue. Nichts ist mehr von den Fischen zu sehen. Mag sein, das sie ihr Frühstück beendet haben, mag sein, dass ich sie verscheucht habe. Vielleicht sind sie auch nur weitergezogen.
Noch hat die Sonne nicht die Ufer erreicht, aber es ist heller geworden und der Wind hat aufgefrischt. Jetzt müssen langsam die Forellen aus der Tiefe kommen und die Ufer nach Nahrung absuchen. Deshalb bleibe ich bei der schwimmenden Schnur, tausche aber das Vorfach gegen ein kürzeres aus und knote eine Goldkopfnymphe daran. Namen hat das Muster keinen – für mich selbst nenne ich es einfach „die fette Grüne“. Es hat mir immer Glück und manchen guten Fisch gebracht. Leise lache ich dabei über mich selbst: „Glück“ das verpönte Wort ist mir wieder mal untergekommen.
Der Wind kommt von rechts oben, fährt mir in die Schnur und macht das Werfen schwer. Darum geh ich um den See herum und werde dem Seeufer im Uhrzeigersinn folgen und dabei nach Fischen „suchen“. Kurz sind die Würfe, denn das Ufer fällt unter Wasser sehr steil ab und die Fische kommen bis ganz an die Uferkante, die oft die beste Nahrung feilhält.
So setze ich Wurf auf Wurf und lasse die Nymphe langsam zu mir her trudeln, immer wieder absinkend. Gut eine Stunde lang taste ich mich so voran, ohne jeden Erfolg. In Gedanken erwäge ich schon die „fette Grüne“ gegen ein anderes Muster auszutauschen, als die Schnur plötzlich im Wasser „steht“. Stocksteifstill, als hätte ich einen Stein gehakt, steht die Schnur im Wasser. Vorsichtig versuche ich etwas anzuziehen (ist die Nymphe verhakt?). Nichts.... Also lasse ich etwas lockerer und das Wasser vor mir explodiert förmlich. Keine Chance, die Schnur zwischen den Fingern zu bremsen und die par Meter loser Leine, die vor mir auf dem Wasser lagen, sind davon gesaust, ehe ich atmen konnte. Zum Glück ist die Schnurbremse an der Rolle halb zugezogen. Trotzdem heult die Rolle los wie eine Amateursopranistin. Mir fällt das Herz in die Hose; was hab ich denn hier am Haken? Einen Wal? Ein Uboot? Alpennessie? Überfordert, lasse ich den Fisch erst einmal ziehen, bis das halbe Backing von der Rolle ist und er langsamer wird. Dann dreh ich die Bremse weiter zu, während der Fisch die Fluchtrichtung ändert und nach rechts hinüber zieht. Ich geh am Ufer mit ihm mit und versuche langsam die Schnur zurückzuholen. Dann dreht er wieder nach links und kommt etwas näher ans Ufer. Wie ein Wahnsinniger pumpe ich, wenn er nachlässt geht die Rute nach oben und kurble während ich die Rute senke schnell den Überstand auf die Rolle. Der Fisch dreht Richtung Ufer und ich hol die Schnur mit der Hand ein – die Rolle ist zu langsam. Er kommt näher, aber er springt nicht einmal und ich hab keine Ahnung was ich da gefangen habe. Dann zieht er in die Tiefe und wieder weg vom Ufer. Der Kampf beginnt von vorne. Wirklich Gewalt anzuwenden wage ich nicht, weiß ich doch zu genau, dass da am Ende der Schnur nur ein 18er Vorfach ist, mit dem man nicht eben alles machen kann. Noch zweimal wiederholt sich der Kampf, bevor ich den Fisch halbwegs in die Nähe bekomme und ihn durch seitlichen Zug mal nach rechts, mal nach links, aus dem Gleichgewicht bringen kann. Seine Abwehr erlahmt spürbar und endlich kann ich ihn heranziehen und über den Kescher bekommen. Ein Mordstrum von Bachforelle, wohl um die 50cm lang, liegt da erschöpft im Netz. 
Welch eine Freude! Mit zitternden Fingern greif ich zur Klemme, um die Fliege aus Maulwinkel zu entfernen, so flink ich nur kann. Gern würde ich meine Beute länger und genauer ansehen. Die Vernunft hindert's... und so lasse den Fisch behutsam aus dem Kescher gleiten und sehe, das er sich erholt. Mit einem entschiedenen Schwanzschlag ist sie fort...
Lange noch steh ich an der selben Stelle, dankbar und fasziniert!
Mittlerweile hat die Sonne das Seeufer erreicht und es ist warm geworden. Es ist Zeit für eine Pause. Also suche ich mir eine nette Stelle im Gras und packe meine Verpflegung und den Kaffee aus. Wie gut doch ein einfaches Butterbrot schmecken kann! Gemütlich mampfend, schau ich über den See und entdecke am anderen Ufer zwei Angler. Es werden wohl die Eigentümer der Autos am Parkplatz sein. Stoisch hocken sie am Ufer und hoffen auf eine Bewegung ihrer Schwimmer. Um die Bierflaschen neben ihnen zu sehen, brauche ich kein Fernglas und unangenehm berührt, wandere ich mit den Augen weiter über die Ufer und Hänge ringsum. Wild ist keines mehr zu sehen, das wird sich in seine Einstände verzogen haben. Aber da und dort sehe ich Wanderer in ihren leuchtend bunten Klamotten. Die ersten Fliegen sind mit der Sonne auch gekommen und sie sind heute besonders aufdringlich. Das gefällt mir nicht, denn dass deutet auf einen Wetterwechsel. Dabei hat der Wetterbericht doch von einer stabilen Hochdrucklage gesprochen, hmmm....
Satt und ausgeruht nehme ich noch den letzten Schluck Kaffee bevor ich das Matpackel wieder im Rucksack verstaue und mich dem Wasser zuwende.
Zweiter Teil
Hellblau und glänzend liegt nun der See vor mir und viele kleine Wellen kräuseln die Oberfläche. Die Sonne spiegelt sich tausendfach auf den Wellenkämen und die Polbrille fungiert nur mehr als Schutz vor dem grellen Licht – eine Sicht ins Wasser ist fast unmöglich geworden.
Es geht auf Mittag zu, unten im Tal bräuchte man nun nicht mehr fischen wollen. Aber hier heroben auf gut 1700m Seehöhe ticken die biologischen Uhren anders und die Aktivität der Fische fällt zusammen mit jener der Insekten und die kann gerade in der Mittagszeit am höchsten sein.
Da es vor allem kleine Fliegen sind es, die in der Luft herumschwirren – geboren auf den Kuhdunghaufen der naheliegenden Alpen, entscheide ich mich für eine kleineres schwarzbraunes Muster, einen Flymph, das genauso gut eine abgestürzte Fliege, wie ein kleiner Käfer sein kann und ein etwas längeres und feineres Vorfach.
So „bewaffnet“ pirsche ich das Ufer entlang und präsentiere an interessant scheinenden Stellen meine Tauchfliege.
Eigentlich ohne recht nachzudenken, ich möchte fast sagen instinktiv, werfe ich aus und zupfe mal schneller und mal ganz langsam das Muster wieder her zu mir. Wurf auf Wurf folge ich der Uferkante und gerate ins Grübeln über so banale Begriffe wie „Kante“. Ein Wort, das so alt ist, das niemand mehr seine Herkunft kennt und das in vielen Sprachen Abgrenzung, Begrenzung, Einengung und klare Unterscheidung bedeutet. „stå helt på ytre kanten“, ganz am Rand, an der äußersten Grenze zu stehen... wie oft konnte oder musste ich dies von mir behaupten!
Rätselhaft und unbegreiflich ist es immer noch, dass ich gerade dort draußen, an der Kante des Seins immer wieder besondere Menschen treffen und Freundschaften schließen durfte, die schon fast etwas komplizenhaftes an sich hatten und haben. Man weiß sich an der Grenze und teilt meist unausgesprochen, die Bereitschaft diese Grenze zu überschreiten. Ich erinnere mich an Gesichter, Namen und Geschichten, die mir an diesen Grenzen begegnet sind und mit denen ich dort unterwegs war und bin. Immer sind es besondere Menschen, vom Leben an eine Grenze gestellt und von ihr geprägt.
Während ich mir eine neue Pfeife stopfe und anrauche, fällt mein Blick auf das andere Ufer, wo nun neben meinem Dicken ein alter Landrover, eine Serie II steht. Sie beschwört förmlich meinen Freund Horst herauf, einen leidenschaftlichen Liebhaber dieser kleinen Geländewagen und ein wahrhafter Grenzgänger zwischen den Welten. Heute noch hängt das Bild, das ihn mit seiner Serie zeigt, an meiner Wand und immer noch fühle ich mich ihm tief verbunden.
Ich kann mich noch lebhaft an unsere erste Begegnung bei einem LR-Treffen erinnern. Ich hatte im Vorfeld angeboten, kleine Lederreparaturen durchzuführen und meine kleine Werkstatt auf der Ladefläche aufgebaut, als er mit einem kleinen, uralten Lederköfferchen auf mich zukam. Ob ich denn einen zerrissenen Riemen daran flicken könnte? Natürlich konnte ich und statt eine Bezahlung anzunehmen (wofür denn auch...) ließ ich mich auf eine Almdudler einladen. Später am Abend saßen wir dann am Ufer des Bodensees und tranken Almdudler aus der Flasche und während die Nacht heraufzog redeten wir miteinander – mit langen Pausen des Schweigens und Denkens. Horst kam wie ich, aus dem alten Österreich und beide fühlten wir uns als Enkelgeneration dem alten Österreich und dem alten Europa mit einer unendlichen Hassliebe verbunden. Nur dass es ihn nach Speyer verschlagen hatte und er nur mehr selten in die alte Heimat im Salzkammergut zurück kam, während es mich in den Norden getrieben hatte. Karl Kraus und Fritz Herzmanovsky-Orlando, Grillparzer, Weinheber, Trakl und Schiele waren ihm ebenso vertraut wie Torberg, Feuerbach und Roth. Beide hatten wir die Kaiserin Zita noch kennen lernen dürfen und waren unter den fünftausend Menschen die „Gott erhalte. Gott beschütze...“ sangen (viele davon kannten den Text auswendig), als sie 1989 aus dem Stephansdom zu Grabe getragen wurde. Nur das Horst älter und viel klüger als ich war und ich etliche Jahre in ihm einen väterlichen Freund hatte, immer bereit für einen Spaß oder ein ernstes Gespräch. Als selbständiger Architekt kannte er die Freuden und Schwierigkeiten des Selbständigseins und manchen guten Rat bekam ich von ihm. Wenn es sich ergab, dass seine Reisen auch nur halbwegs in die Nähe führten, trafen wir uns für meist lange Abende mit Almdudler und Rotwein und in seinem letzten Jahr auch am Wasser. Hatte ich ihn doch mit meiner Freude am Fliegenfischen anstecken dürfen. Immer waren es schöne Stunden die wir verbrachten und in der Zeit dazwischen fanden Briefe und Mails ihre Empfänger.
Als ich auf der Reise zu meiner Zeit in Norwegen war, war Speyer meine letzte Station in Deutschland und bekam von Horst nicht nur Rat, gute Worte sondern auch einen dicken Wollpullover mit auf den Weg. Ich habe ihn heute noch und nenne ihn den Heimwehpullover – immer wenn mich das Heimweh überkam, kramte ich ihn heraus und fand mich buchstäblich eingehüllt in eines Freundes freundliche Wärme. Später, wieder zurück in Liechtenstein ging unsere Freundschaft einfach so weiter, als wäre ich nie fort gewesen und als eines Morgens Maidi, seine Frau anrief und berichtete das Horst tot sei, konnte und wollte ich es nicht glauben. Horst und ich hatten am Abend zuvor noch telefoniert, ich sollte mich nach Lärchenholz für ihn umsehen, das er für eine Gartenterrasse geplant hatte. Es ist mir heute noch unfassbar, dass der Tod in Gestalt eines banalen Herzinfarktes zwischen Frühstücks- und Zeichentisch so unvermittelt zuschlagen konnte!
Ich mag nicht sagen, das danach die Welt ein klein wenig leerer geworden ist, denn ich bin sicher, das Horst immer noch mit der Rute am Wasser steht. Nur diesmal auf der anderen Seite des großen Wasser, an einer anderen Kante, einer anderen Grenze, einem anderen Ufer. Ich freue mich darauf, ihn dort eines Tages wieder zu treffen und noch manche Almdudler und manches Glas Rotwein auf unsere Vorväter zu heben.
Lange führten meine Gedanken in die Vergangenheit zurück und lange tut sich am Ende der Wäscheleine rein gar nichts. Dafür sind mittlerweile am Himmel ziemlich dunkle Wolken aufgezogen. Noch stehen sie ganz im Westen über den Bergen und die Luft ist warm. Es wird Zeit noch einmal die Fliege zu wechseln. Vielleicht passt eine etwas größere, schwarze Steinfliege am 16 Vorfach... 
Aufmerksamer und bewusster sind meine Würfe nun und ich suche mir jene Stellen aus, von denen ich weiß, dass das Wasser tiefer ist, das Ufer steiler abbricht. Sehen kann man das freilich in der Gletschermilch – wie wir dieses Wasser nennen, nicht. Nach einem skeptischen Blick auf die Wolken, die sich beginnen aufzutürmen, wende ich meine Wanderung am Ufer entlang um und fische mich zurück Richtung Auto. Es dauert keine halbe Stunde und der Wind wird kühler und dreht. Das ist kein gutes Zeichen, sowenig wie die weißgrauen Wolkentürme über der Silvretta. Eigentlich sollte ich zusehen, dass ich zurück zum Auto komme, aber die Passion und das Wissen das die Fische vor einem Gewitter gerne beißen, hält mich zurück. 
Tatsächlich geht gleich darauf ein Ruck durch die Rute und die Leine schnurrt von der Rolle. Es fühlt sich so an, als ob da ein größerer „Brocken“ am Haken hängt und ich lasse ihn einfach leicht gebremst davon ziehen – schließlich mag ich nicht Fisch, Fliege und Vorfach verlieren. Der Drill zieht sich, bis der Fisch das erste mal springt und versucht die Fliege abzuschütteln. Im Sonnenlicht leuchtet der rote Streifen an der Seite regelrecht auf und verrät die Regenbogenforelle. Bis ich sie aber über dem Kescher habe, vergeht noch eine geraume Weile, währenddessen erstes Donnergrollen zu hören ist, dem ich wenig Beachtung schenken kann. Endlich über dem Kescher, erweist sich der Blick als richtig. Es ist eine Regenbogenforelle, nicht allzu groß. Etwa um die 35cm mag sie lang sein. Die Entscheidung, sie zu entnehmen, ist so schnell getroffen, wie ich es dann tue. Sie töten und ausnehmen sind wenige Handgriffe und zufrieden leg ich sie ihn meine Fischertasche.
Inzwischen rumpelt es schon sehr nahe am Himmel, der immer dunkler wird. Auch der Wind ist derweil empfindlich kalt geworden. Höchste Zeit, zusammen zu packen und zu verschwinden, bevor es gefährlich wird. Ich wäre nicht der Erste, der hier heroben im engen Bergtal vom Blitz erschlagen wurde.... Also nehme ich rasch die Rute auseinander und verstaue mein Zeug in Jacke und Tasche und gehe nach einem raschen Blick nach oben, in Richtung Auto. Nur das dieses auf der anderen Seeseite und eine gute Stunde Fußmarsch entfernt ist. Weit komme ich nicht, bis es ohrenbetäubend kracht. Der Blitz muss irgendwo hier im Tal eingeschlagen sein, es stinkt nach Schwefel und Rauch. Im gleichen Augenblick klatschen die ersten dicken Tropfen auf den Boden. Der Regen beginnt wie ein Wasserfall herab zu prasseln und ich mach mich so klein wie möglich während ich um den See haste. Immer wieder schlagen Blitze im Wasser ein und es donnert und kracht, als ging die Welt jeden Augenblick unter.
Erst nach einer schieren Ewigkeit komme ich gänzlich außer Atem und klatschnass beim Dicken an und suche erst mal Zuflucht unter der Plane. Zum großen Glück habe ich immer ein bisschen Reservekleidung im Auto und kann mich notdürftig trocken anziehen, während ich zu Atem komme. Letztendlich sitze ich müde und lachend über meine eigene Angst und zufrieden mit dem Tag und der Beute im Landrover und schau dem Toben der Elemente noch ein Weilchen zu, bevor ich mich auf den langen Weg nach Hause mache...


Ein Beitrag und Fotos von Elchvieh für www.fliegenfischer-forum.de - Juli 2013
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