Pressemeldungen und Bilder: Thüringer Tageszeitungen am 13., 18., 25 und 29.06.1998 |
Thüringer Allgemeine / Thüringer
Landeszeitung vom 13.06.1998:
Das Sterben im Fluß Thüringer Behörden unterschätzten die Ausmaße / Warnungen vernachlässigt (von Christian Prüfer) Zwei Tonnen toten Fischs bargen Helfer bis zum gestrigen Tage aus der Ilm. Auf einer Länge von 25 Kilometern existiert im Fluß praktisch kein Leben mehr. Einer der größten Umweltskandale in Thüringen und seine Folgen. „Es zischte und brodelte, ich habe erst gedacht, die Ilm kocht, die Fische haben wie verrückt nach Luft geschnappt, es war schrecklich anzusehen“, berichtet eine Anwohnerin aus Kranichfeld aufgeregt. Am vergangenen Freitag begann das große Sterben im Fluß, keiner konnte sich zunächst erklären, wie es dazu kam. „Wir wollten die Leute per Lautsprecher warnen, aber aus der Leitstelle hieß es, die Behörden machen das schon“, sagt Jürgen Zillinger, Leiter der örtlichen Feuerwehr. Kinder spielten weiter an der Ilm, Kleingärtner holten Wasser zum Gießen aus dem verseuchten Fluß. Zu diesem Zeitpunkt floß die Giftflut gemächlich stromabwärts und hatte am Samstag Tannroda und Bad Berka erreicht. Überall begann die Feuerwehr sofort mit der Bergung der toten Tiere. Helfer klagten über Hautreizungen und Ausschlag. Ein Feuerwehrmann aus Bad Berka verlor das Bewußtsein und mußte in die Intensivstation des Klinikums eingeliefert werden. Kurze Meldungen im Radio berichteten vom Fischsterben, wer diese nicht hörte, blieb ahnungslos. Obwohl das staatliche Umweltamt schon am Samstag die Wasserproben entnommen hatte, ließ man sich mit der Untersuchung bis zum Montag Zeit. Am Wochenende ruht die Arbeit im Labor in Jena, weiß auch das Ministerium. Erst im Laufe der Woche bestätigten die Experten, das es sich um einen hochgiftigen Cocktail aus „Pflanzenschutzmitteln“ handelte, darunter die verbotenen Substanzen wie DDT, PCB und Endosulfan. DDT wurde in der DDR als Insektizid mit hochgradiger Wirkung eingesetzt. „Die ganze Sache ist eindeutig unterschätzt worden“, klagt Kranichfelds FDP-Bürgermeister Wolf-Ludger Schlotzhauer. Denn wie sich später herausstellte, war am Samstag noch eine zweite Einleitung erfolgt. Anwohner hatten einen schmierigen Ölfilm und weiße Schaumkronen auf dem Wasser beobachtet. „Da hat wohl jemand die Situation schamlos ausgenutzt“, vermutet Thilo Exner, Umweltsamtleiter im Kreis Weimarer Land. Bis nach Hetschburg reichten die Ausmaße der Giftflut, Weimar blieb verschont. Glück im Unglück hatte der Besitzer einer Forellenzuchtanlage in Mellingen, der per Telefon von Anglern gewarnt wurde. Er begrenzte die Frischwasserzufuhr rechtzeitig und konnte so seine 200 000 Tiere retten. Während dessen breitete sich die Nachricht vom Fischsterben wie ein Lauffeuer aus, doch die Ursache blieb unklar. Es hieß lediglich, im nahegelegenen Dienstadt seien am Freitag wohl giftige Substanzen in einen Zufluß der Ilm gekippt worden, vermutlich auf dem Gelände eines alten Schafstalles. „Wenn ich den Kerl erwische, der kann was erleben“, schimpft ein junger Mann und ballt wütend die Fäuste. Stadtbrandinspektor Jürgen Zillinger, der die Bergungsarbeiten am Samstagabend sicherheitshalber abgeblasen hatte, lies seine Leute erst am Donnerstag wieder ins Wasser. Sechs Tage nach der Katastrophe schwimmen immer noch Tierkadaver im Fluß. Die Männer durchwaten die Ilm, in alten Plastebehältern sammeln sie die toten Fische ein, der bestialische Gestank treibt einem die Tränen in die Augen. Neugierige Kinder stehen am Ufer und betrachten die toten Tiere. Einentsetzlicher Anblick, weit aufgerissene Augen, die stummen Mäuler stehe offen. Die verwesten Kadaver werden vorerst in die Tierkörperbeseitigungsanlage Elxleben gebracht, später als „Giftmüll“ auf einer Deponie gelagert. „Hätte man uns eher informiert, hätten wir einige Tiere retten können“, schimpft Michael Müller, Vorsitzender des Anglervereins von Bad Berka. In der Gewässerschutz-Alarmrichtlinie sei nicht klar geregelt, wer die Bevölkerung zu informieren habe, gestand ein Sprecher des Umweltministeriums ein. Dies sei wohl Aufgabe der Gemeindeverwaltungen. Zudem habe man nicht um die hochgradige Gefährlichkeit der Substanzen gewußt. Die Staatsanwaltschaft Erfurt ermittelt, konkrete Ergebnisse lägen noch nicht vor, teilte Sprecherin Silke Becker gestern mit. Zum Verdächtigenkreis zähle auch der Pächter des besagten Geländes, sagte Frau Becker. Wird der Verursacher ermittelt, muß er mit einer Haft von bis zu 10 Jahren und hohen Schadenersatzforderungen rechnen. Erste Schätzungen liegen bei etwa 200 000 Mark. Erst im Frühjahr hatten die Kranichfelder Angler Fische im Wert von 10 000 Mark eingesetzt. Nun kann es Jahre dauern, bis sich Aale, Barsche und Forellen wieder im Wasser tummeln können. |
Ilmtalbote am 18.06.1998:
Gefahr unterschätzt. Kritik an zuständigen Ämtern KRANICHFELD (itb/mok). Trotz unverzüglicher
Informationen der zuständigen Ämter hinsichtlich des Fischsterbens
in der Ilm im Bereich Barchfeld und der Entnahme von Wasserproben bereits
am Freitagnachmittag (05.06.1998) wurden erst am Montagabend (08.06.1998)
die Wasseranalysen der Stadt übermittelt (ITB berichtete bereits).
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Thüringer Landeszeitung vom
25.06.1998:
Ein großes Funkloch Anwalt der Fliegenfischer: Nach Fischsterben wurde nicht vorsorglich gewarnt WEIMARER LAND (tlz/epp). Nach dem
Fischsterben in der Ilm sind Betroffene nicht vorsorglich gewarnt worden.
Der Weimarer Anwalt Matthias Möller-Meinecke, der den Ilmtal-Fliegenfischer
Verein vertritt, wirft den unteren Wasserbehörden des Ilmkreises und
des Kreises Weimarer Land, eine Verletzung ihrer Fürsorgepflich vor.
„Feuerwehrleute, Angler, spielende Kinder und Gartenbesitzer hätten
vor dem Risiko eines Kontaktes mit dem Ilmwasser gewarnt werden müssen.“
1500 Mark zur Unterstützung
der Ilmfische
Thüringer Allgemeine vom 29.06.1998:
WEIMAR (d/m). Die Belohnung für Hinweise zur Ergreifung der Täter, die das Fischsterben vom 05.Juni verursachten (TA berichtete) wächst. Zu den 1000 Mark der Ilmtal-Fliegenfischer und den 4000 Mark vom Landratsamt legte der erste Weimarer Anglerverein 500 Mark dazu, ebenso wie Uwe Müller, Pächter einer Ilmstrecke. Jede Mark wird aber von den Anglern auch gebraucht, um den Fischbestand wieder aufzubauen. Spendenkonto 0410002925 bei der Sparkasse Weimar, Stichwort „Fische für die Ilm“. Angesichts der Katastrophe sind die Anglervereine zusammengerückt und signalisieren, so wie die Mellinger Sportfischer, Unterstützung. Die Weimarer Angler überwiesen zu den 500 Mark für die Belohnung die gleiche Summe auf das Spendenkonto. |