![]() |
Halbinsel
Kola - Fliegenfischen „russian style“
Teil 2 - Die Taiga: Auf der Umba zum Weißen Meer. Ein Reisebericht von Clemens Ratschan |
![]() |
In
Teil
1 habe ich von einer Bootstour auf der Yokanga, einem Zufluss zum Eismeer
auf der russischen Halbinsel Kola berichtet. Begleitet mich nun bei der
anschließenden Tour, die uns beiden Abenteurer auf dem Umba-Fluss
Richtung Süden bis zum Weißen Meer führte.
Der Abschied von der Yokanga ist schwer gefallen und hat sich durch ein Missgeschick verzögert: Während eines heftigen Sturms, den wir im Zelt zusammengekauert überdauerten, ist die Scheibe des Helikopters gebrochen, der uns im Zuge eines Versorgungsflugs aus der Wildnis nach Lovozero fliegen hätte sollen. Stattdessen können wir verspätet mit den Gästen des Fischercamps an der Yokanga nach Murmansk fliegen. Leider fällt dies auf einen Samstag, sodass wir kein geöffnetes Büro mehr finden würden, um uns Angellizenzen für unsere zweite Tour an der Umba im Süden zu besorgen. Wir stehen also vor einer schwierigen Entscheidung: Das Wochenende abwarten und erst am Montag einbooten, und damit stark in Zeitverzug zu geraten? Oder ohne Lizenz aufbrechen, und einen Aufenthalt in einem russischen Gefängnis riskieren? Wir wissen: Die Strecke auf der Umba bis zum Meer ist lang, und an der Yokanga mussten wir bereits erfahren, wie langwierig und mühsam das Überwinden von Seen und zäh fließenden Passagen mit einem Wildwasserboot ist, vor allem bei starkem Wind. Egal, aus welcher Richtung er bläst, ein gerader Kurs ist kaum zu halten. Andererseits wäre ein spurstabileres, schnittiges Boot keine Alternative: Einige Stromschnellen der Umba sind noch anspruchsvoller als an der Yokanga. Mit einem gewöhnlichen Kanadier ein Himmelfahrtskommando, mit dem voll beladenen „Outside“ eine sportliche Herausforderung. |
![]() |
![]() |
|
|
Aufgrund
des Zeitdrucks entschließen wir uns mit einem mulmigen Gefühl
im Bauch für Plan B und rüsten unsere Fliegenwesten präventiv
mir einem 100 Dollar Schein aus, der uns etwaige Probleme mit dem Fischinspektor
vielleicht vom Hals halten könnte. Per Taxi geht’s bis zur Brücke
am Ausrinn des Umbozero Sees, wo der Umba Fluss entspringt.
Das Wetter ist uns gut gesinnt und wir beladen in bester Stimmung unser Boot mit frischem Proviant – endlich geht’s wieder raus in die Wildnis! Die Landschaft hier im Süden ist ganz anders als oben am Eismeer: Borealer Mischwald bedeckt die hügelige Landschaft, bewachsen mit einem dichten Unterholz aus Beeren und vielfältigen Kräutern. |
Zurück
schauend können wir grandiose Blicke auf die noch mit Schneefeldern
bedeckten Khibiny Berge erhaschen. Das Leben hier ist deutlich bequemer
als in der Tundra. Es gibt immer genug trockenes Feuerholz zu finden, auch
die ersten Heidelbeeren werden jetzt Mitte Juli bereits reif. Die Mücken
sind deutlich weniger zahlreich, sodass zumindest Essen und Toilette ohne
gröberes Blutvergießen möglich sind. Am Ufer finden wir
immer schöne Lagerplätze mit Blick auf den Fluss, ohne von draußen
gesehen zu werden – gut für die Nerven von uns Schwarzfischern.
Bei Wind
auf den Seen ist treideln schneller als rudern
|
![]() |
![]() |
![]() |
Nur mit der Fischerei klappt’s leider nicht auf Anhieb – lediglich zweisömmrige Äschen können wir für unsere Fliegen begeistern. Wir versuchen, uns dies mit Nährstoffarmut, dem kalten Wasser aus dem Gebirge oder mit dem Wildern zu erklären – schließlich erspähen wir regelmäßig Legeschnüre und Bojen für Kiemennetze. Aufgrund der nur etwa einen Tagesmarsch entfernten Schotterstraße ist die Gegend hier nicht menschenleer wie an der Yokanga. Aufgrund der gigantischen sozialen Probleme findet man im riesigen Russland dasselbe Bild überall dort, wo Straßen nahe an Gewässer reichen - von Kola bis Kamchatka: Breite Schichten der verarmten Bevölkerung müssen versuchen, irgendwie halbwegs über die Runden zu kommen – auch mit Fischwilderei. Doch unser geringer Erfolg beim Fischen an der oberen Umba lässt sich trotzdem schwer mit dem wunderschön strukturierten Fluss in Einklang bringen. |
![]() |
Beim Scouten der Stromschnellen im 4. Grad |
![]() |
![]() |
![]() |
Portagieren wäre klüger ... |
Plötzlich
werden wir an Bord durch ein schauriges Getöse aus dem Fachsimpeln
gerissen: Vor uns bricht der Fluss durch eine enge, einen halben Kilometer
lange Schlucht mit reißenden Stromschnellen. Wir gehen an Land, besichtigen
die Stelle, diskutieren ausgiebig den besten Weg, und entschließen
uns trotz des mahnenden Grabsteins am Ufer zu einer Befahrung. Wir glaubten,
alles fest an Bord verzurrt zu haben. Trotzdem werde ich bald von Haushaltsgegenständen
überholt – nach dem Kentern verzweifelt ans Boot geklammert. Was ist
passiert?
Wir hatten die Einfahrt nicht optimal erwischt, wurden schräg in eine Walze gezogen, die uns sofort umdrehte, sodass wir durch den gesamten Katarakt gesaugt wurden. Glücklich bloß, dass wir entgegen der ursprünglichen Absicht in der Flussmitte eingefahren sind – ansonsten hätten wir Bekanntschaft mit dem Felsen am Ufer gemacht. Hut, Sonnenbrille und Kochtopf sind dahin und wir kriechen mit vollen Wathosen wie die Molche ans Ufer – alles halb so schlimm. Wirklich schmerzhaft ist neben einigen blauen Flecken bloß, dass auch die jungfräuliche und einzige Flasche Georgievskaya Wodka – fahrlässig als Gallionsfigur in den Bug gesteckt – auf Nimmerwiedersehen in den Fluten entschwindet. |
![]() |
|
![]() |
![]() |
|
Auf Lachs
gestelltes Kiemennetz der Wilderer =>
Trost in unserem Kummer finden wir erst zwei anstrengende Rudertage später. Einen Kilometer vor der Mündung der oberen Umba-Strecke in den riesigen Kanozero See machen wir auf einer Insel halt. Traumhaft, die Pools hier, und von der Insel gut zu befischen, ohne in Gefahr zu laufen, unliebsame Begegnungen mit der russischen Exekutive zu machen. Während der Tagesetappe waren uns deutlich gröbere Kiemennetze als zuvor aufgefallen – die sechziger Maschenweite kann nur eins bedeuten: Hier ist bereits mit Lachs zu rechnen! Also wird die Zweihand montiert und die Lachsfliege nach allen Regeln der Kunst durch den Pool geführt. |
![]() |
Schon fuchtelt
Peter aufgeregt mit den Armen: Eine kapitale Äsche ist dreimal seiner
großen Tube nachgegangen, ohne zuzubeißen. Er schätze
das Exemplar auf über 60 cm, eine so große Äsche hätte
er noch nie gesehen! Die folgende stundenlange Modeschau unserer Nymphen
und Streamer bleibt unbeachtet – keine Äschenfahne kommt zum Vorschein.
Zwischenzeitlich kann Peter tatsächlich einen guten Lachs haken, der ihm jedoch im Drill aussteigt. Also konzentriere auch ich mich halbherzig wieder auf die Lachsfischerei, doch die große Raubäsche geht mir nicht aus dem Kopf. Schließlich beißt die Kapitale dann tatsächlich – auf meine 1-inch Green Highlander Lachsfliege! Ich kann die Riesenäsche sehen, sie biegt die Zweihandrute durch wie ein Lachs. Vor Gier drille ich sie auch so und muss prompt Lehrgeld zahlen: Der Haken schlitzt nach einer halben Minute aus. Groß der Frust, leer der Trost spendende Flachmann. Eins haben wir gelernt: Die Umba bringt wohl große Äschen hervor, wie für ein See-Fluss-System auch zu erwarten. Die stehen aber auf dem Grund direkt in der schießenden Strömung. Wie sich auch weiter bestätigt, die beste Fliege für Äschen mit nordischem Temperament ist … Green Highlander! Damit sollte man sich wohl nicht am heimischen Äschenriesel erwischen lassen! Erfolge zeigen sich beim ausgeprägten Abendsprung dann aber auch mit kleinen CDC-Fliegen. An die verlorene 60er Äsche kommen wir jedoch mit Abstand nicht mehr heran. |
![]() |
|
![]() |
![]() |
|
![]() |
|
![]() |
|
![]() |
![]() |
![]() |
Oben: Peter
mit Fährmann vor dessen Hütte
<= ein
Einsiedler bringt uns über den riesigen See – wir sparen uns 2 Tage
rudern ...
Unten: Ausrinn – hier fangen wir auch kleine Hechte und schöne Flussbarsche |
![]() |
![]() |
Unterhalb
des Kanozero-Sees verzweigt sich die Umba in drei, viele Kilometer lange
Arme, in die Nisma im Westen, in die Podinza in der Mitte und in die Kitza
im Osten. Letztere strömt durch einen weiteren, großen See und
wird mit der Podinza zum Krivetz. Die Flüsse wurden vor vielen Jahrzehnten
zur Holzdrift verwendet – wir sind überrascht, hier in der Wildnis
bei den Aufzeigungen der Arme verfallene Wehre vorzufinden, die wohl in
mühevoller Handarbeit erbaut worden sind.
Rechts (und die vier nächsten Fotos): Wunderbare, messinghelle Bachforellen aus der Umba |
![]() |
![]() |
Wir wählen den Nisma-Arm, weil er am abgeschiedensten liegt und keine weitere Seenpassage erfordert. Hier am Ausrinn zeigt sich die Umba von ihrer besten Seite: Abwechselnd gehen Hechte, gute Flussbarsche, Äschen und Bachforellen auf unsere Fliegen. Die Umba-Forellen sehen deutlich anders aus als die der Yokanga: Mit messinggelben Flanken und gesprenkelt mit großen Flecken sind sie wahre Schönheiten, bei Größen meist zwischen 45 und 55 cm! Wir sind überrascht: Die Umba ist bekannt als guter Lachsfluss, auch von ihren Äschen hat man bereits gehört. Dass sie auch eine tolle Forellenfischerei bietet, ist uns neu. |
![]() |
![]() |
![]() |
Die
Hauptsaison für Lachs an der Umba liegt von Mai bis Juni und wieder
ab Mitte August. Jetzt im Juli gibt es kaum frische Lachse, und möglicherweise
halten sich die bereits Aufgestiegenen in den Seen auf. Zuviel können
wir also von der Lachsfischerei nicht erwarten. Außerdem müssen
wir etwas vorsichtig agieren – unsere bislang so erfolgreiche Tour soll
nicht im Kerker enden.
In einer durchfischten Nacht unweit vom Endpunkt unserer Flussfahrt beim Ort Umba ist es schließlich so weit, in kurzer Folge lassen sich ein Fünfpfünder und ein Sechspfünder von einer kleinen Ponoi Green und einer Ally’s Shrimp betören. Peter hat zweimal an derselben Stelle Kontakt zu einem wirklich Großen: das erste Mal schüttelt er die Fliege ab, das zweite Mal kann er ihn haken, in der ersten Flucht verklemmt sich jedoch die Schnur und das Vorfach bricht. |
![]() |
|
![]() |
![]() |
|
![]() |
![]() |
|
![]() |
Dieser
Fisch hätte unser Kola-Abenteuer zünftig beendet – aber was soll’s,
es bleibt ein Grund zum Wiederkommen. Denn eines steht für uns fest:
Wer sich durch Wildwasser & Mücken nicht abschrecken lässt,
findet auch in Good Old Europe großartige und überaus preisgünstige
Alternativen zu den ausgetretenen Pfaden jenseits des großen Teichs.
So können wir auf der Rückreise im Speisewaggon sitzend die reichen
Erlebnisse des letzten Monats noch gebührend nachbesprechen und unsere
Reise mit einer Stadtrundfahrt im schönen St. Petersburg ausklingen
lassen, dem Venedig des Nordens.
die bekannte Umba Lodge => |
![]() |
![]() |
![]() |
|
![]() |
![]() |
|
. |
![]() |
Nikolaus-Kathedrale
in St. Petersburg
Ich hoffe der Bericht hat euch gefallen. Ich finde, Kola ist eine Reise wert und freue mich schon sehr darauf, in den nächsten Jahren wieder einmal dort rauf zu fahren. Clemens Ratschan
|
ANHANG
Anreise
Mücken
Gerät
Lizenzen
Kosten
|
![]() |
Quellen
und Literatur:
Behrens, E. & K. Schröder (1997): An Kharlovka und Litza. (auf Lachs in Kola). Der Fliegenfischer, Heft 129, S. 46-50. Gavrilov, V. (2005): Rivers of an unknown land. A Whitewater Guide to the Former Soviet Union. Boreal Press, 368 pp. Lindgren, B. (2002): Flugfiskefärder på Kolahalvön. Bokförlaget Settern. 120 S. (sehr schönes Buch, nur auf Norwegisch) Kloss, H. & E. Behrens (2002): Am mittleren Ponoi, 1. und 2. Teil. Der Fliegenfischer, Hefte 150 / 151. Montaigne, F. (1998): Reeling in Russia. Thomas Dunne books. ISBN 0-312-18595-2 Ratschan, C. (2006): Bolschoie Riby - Malenkie Rubli (Große Fische – Kleines Geld). Der Fliegenfischer, Heft 171/172. Reshetnikov, Y. S. (Ed., 2003): Atlas of Russian Freshwater Fishes. 2 Vol. Nauka. ISBN 5-02-002873-8. Tomine, D. & T. Pask (2004): Trout fishing at the end of the earth. Fish&Fly, Nr. 5, Heft 2, S. 8 – 15. Wehmer, J. F. (2006): Ende Juni an der Yokanga. Der Fliegenfischer, Heft 166, S. 44-51. http://www.grabner-sports.at |
![]() Ein Bericht von Clemens Ratschan für www.fliegenfischer-forum.de - August 2010. Das unerlaubte Kopieren und Verbreiten von Text- und Bildmaterial aus diesem Bericht ist verboten. zurück zu Russland und Asien | zurück zur Übersicht Reise & Report | zurück zur Startseite |