Neuseeland: Im Land der Maoris
Die Geschichte und Erlebnisse eines Reisenden zwischen dem Uni-Leben und dem Fliegenfischen an den schönsten Flüssen im Land der Maoris, Kiwis und Hobbits - in 3 Teilen.
Teil 2 - Von Hobbits bis Sandfliegen
Ein Reisebericht von Uwe Müller | Bilder: Tobias Brunk (TB), Casey Cravens (CC), Mike Kirkpatrick (MP), Uwe Müller (UM)

8  Jungleland
Lange genug habe ich mich nun wieder dem Studium der Steuerlehre und Rechnungslegung gewidmet, ehe es mich wieder ans Wasser zieht. Um neue Gewässer zu erkunden, treffe ich mich mit meinem Freund Casey am Kuia River, den wir bis in die späten Abendstunden befischen, ehe es am Samstagmorgen von Queenstown aus über den Haast Pass ins Sandfly Country geht. Gegen 9:00 Uhr komme ich in der Nähe von Gore an und warte bei einer der Angelhütten der Otago Anglers, eines Fischereivereins der Region, auf Casey. Dieser lässt nicht lange auf sich warten und steigt freudestrahlend aus dem Wagen. Er berichtet mir gleich von den großartigen Neuigkeiten. Der Pilot, der uns an der West Coast zu einem Fluss bringen will, möchte sein Geschäft für Angler weiter ausbauen und uns zu Sonderkonditionen mehrere Gewässer zeigen. Die Situation ist natürlich vielversprechend und ich freue mich auf die kommenden Tage, aber zu allererst stoßen wir bei strahlendem Sonnenschein weit in die Ebene des Kuia Rivers vor und beginnen vormittags zu fischen. 
Abbildung 64 - Kuia River Forelle im Drill (CC)
Abbildung 65 - Fantastisch gemusterte Bachforelle (CC)
Die Forellen steigen an diesem schönen Tag im Spätsommer auf kleine graue Duns und nach kurzer Zeit hängt eine wunderschön gezeichnete, fast goldgelbe Bachforelle am Haken. Nach einem tollen Erinnerungsbild darf auch diese Schönheit wieder in ihre natürliche Umgebung zurück.
Abbildung 66 - In natürlicher Umgebung (UM)
Abbildung 67 - Beruhigter Abschnitt des Kuia Rivers (UM)
Im letzten Sonnenlicht beginnen wir unsere rund dreistündige Fahrt nach Queenstown, einem der beliebtesten und belebtesten Touristenorte Neuseelands. Wir übernachten dabei in einem 4–Bett–Zimmer auf einem Campingplatz und stoßen, nachdem wir unsere Ausrüstung noch einmal sortiert haben, bei einem kalten Bier auf die gemeinsame Zeit am Wasser an. Bereits jetzt hat sich zwischen Casey und mir eine Freundschaft entwickelt und wir können über sämtliche uns bewegenden Themen sprechen. Immer im Hintergrund stehen dabei unsere gemeinsamen Leidenschaften - die Musik und die Fischerei.
So fischte der als Guide tätige Casey schon auf Redfish in Texas, Cutthroat Trout in den Rockies, Lachse in Quebec oder auf Forellen in Chile und Argentinien. Nach Europa möchte er unbedingt und so lade ich ihn ein, mich besuchen zu kommen (weitere Informationen zu Casey).
Am nächsten Morgen geht es noch vor Sonnenaufgang los und der Weg führt uns entlang des Lake Hawea, Lake Wanaka über die Ebene des Makarora River über den wunderschönen und dicht bewaldeten Haast Pass an die Westküste. Spaßeshalber habe ich bereits angedeutet, dass diese Region auch Sandfly Country genannt werden kann. Die lästigen Kriebelmücken, die von den Maori „namu“ genannt werden, treten in Schwärmen auf und können einen Menschen an den Rand der Verzweiflung treiben, da sie unaufhörlich an unsere inneren Werte möchten. Besonders ärgerlich ist, dass die Bisse der Namu Antikoagulantien enthält, die beim Gestochenen allergische Reaktionen hervorrufen kann. Je nach Typ kann man dabei sehr heftige Reaktionen haben. Die verschiedenen Unterarten der Sandflies auf Neuseeland erspare ich Ihnen jetzt lieber. Aus eigener Erfahrung gewöhnt man sich mit der Zeit an die Biester, in manchen Regionen kann es aber trotzdem wichtig sein, ein Insektennetz über den Kopf zu tragen.
Abbildung 68 - Unser Transportmittel für die nächsten Tage (UM)
Mit dem Helikopter geht es von Haast aus an einen der berühmtesten Flüsse im Westen, den Moeraki River. Jegliche Worte zur Schönheit dieses Gewässers sind eigentlich mehr als unnötig, daher nur so viel. Es ist ein traumhafter und glasklarer Fluss, der am Fuße des Mt. Eureka entspringt und sich seinen Weg durch eine wilde und stark bewaldete Ebene in die Tasmansee bahnt.
Abbildung 69 - Blick ins Haast Valley landeinwärts (UM)
Die Fische sind äußerst scheu, aber wir können einige Bachforellen herumziehen sehen. Gegen Nachmittag kontaktiert uns unser Pilot, dass er demnächst einige Wanderer hochfliegen würde, und uns dann weiter an den Thomas River bringt. Uns bleibt noch rund eine Stunde und wir fischen einen langen Lauf, in dem es uns gelingt vereinzelt steigende Forellen auszumachen.
Abbildung 70 - Landschaftlich einmalig und gekrönt wird der Ausblick mit Chancen auf große Bachforellen (CC)
Abbildung 71 - Titel unbekannt ;) (UM)
Abbildung 72 - Die Freude über diese Bachforelle steht mir ins Gesicht geschrieben (CC)
Abbildung 73 - Eine Bachforelle ist dabei schöner als die Andere (CC)
Abbildung 74 - Innehalten und genießen (UM)
Abbildung 75 - Mit Glück konnte ich diese Schönheit von meiner Fliege überzeugen, der Dropper bringt den Erfolg (CC)
Abbildung 76 - Tolle Blauzeichnung am Kiemendeckel (CC)
Abbildung 77 - Mystische, Schlucht-ähnliche Passage (UM)
Der Lauf führt in eine kleine Schlucht, an dessen Anfang ein tiefer Gumpen ist. Dort kann ich einen neuseeländischen Langflossenaal entdecken, der an mir vorbei schwimmt und sich unter Wurzelwerk versteckt. Mit der Hand versuche ich dieses majestätische Tier an der Schwanzflosse zu fangen, ehe es mir in meinen Kescher schwimmt, welchen ich vor das Wurzelwerk gehalten habe. Die Wucht des Aals bringt mich kurz aus dem Gleichgewicht, aber so kann ich dieses majestätische Wesen einmal genau betrachten, ehe es weiter schwimmt.
Abbildung 78 - Unter Wasser zieht der Langflossenaal seine Bahn (UM)
Um den neuseeländischen Langflossenaal rankt sich eine alte maorische Legende. Der Halbgott Maui hat den Tuna, einen übernatürlich großen Aal, bekämpft, nachdem dieser seine Frauen Hine-Tu-repo und Hine-te-ngahere verängstigt hatte. Im Kampf schlug Maui den Tuna in Zwei. Aus einem Teil wurde der im Meer lebende Conger, während sich aus dem anderen Teil die Süßwasseraale entwickelten (5).
Abbildung 79 - I see you (UM)
Kaum, dass der neun Pfund schwere Aal von dannen zieht, meldet sich unser Pilot über Funk und holt uns wenig später auf einer Kiesbank ab, um uns an den Thomas River zu bringen, einen Zubringer des Haast River. Der Thomas River war nach Aussagen des Piloten erst kürzlich von einem starken Hochwasser betroffen. Im Helikopter entscheiden wir uns trotzdem dazu das Gewässer zu befischen, auch wenn nur für den Abend und den nächsten Morgen. Wir fliegen von Haast aus den Haast River stromaufwärts, ehe wir bei der Mündung des Thomas River in die enge Schlucht abbiegen. Nach einem engen Talbereich eröffnet sich eine kleine Ebene, auf der sich direkt auf der rechten Hangseite eine leuchtend orange Hütte befindet. Wir landen direkt neben dieser, auf einer kleinen Plattform und laden unsere Ausrüstung aus.
Abbildung 80 -Das Tal am Thomas River - Teil I (UM)
Abbildung 81 - Das Tal am Thomas River - Teil II (UM)
Unser Proviant sowie die Ausrüstung sind schnell in der Hütte verstaut und so begeben wir uns auf den Weg ans Wasser. Das Gewässer ist einfach magisch, und sucht sich seinen Weg durch die dichtbewachsene Ebene. Die Atmosphäre im Tal ist dabei schon fast mystisch. Passend dazu könnte man hinter jedem Baum Elfen, Trolle und andere Phantasiewesen vermuten, ganz im Sinne von J.R.R. Tolkien.
Abbildung 82 - Hinter den Bäumen müssen Aragorn, Frodo, Gandalf und Co. ihren Weg zum Schicksalsberg finden (UM)
Auch im Wasser könnte man Forellen vermuten, leider hat das kürzliche Hochwasser den Bestand weiter flussabwärts getrieben und so verbringen wir den Ausflug am Thomas River ohne Fischerfolg. Der Ausflug zum Thomas ist für uns aber kein Reinfall, da mich schon die Atmosphäre allein in ihren Bann zieht. Nachdem die Sonne über den Bergkamm verschwindet, beginnt es schnell frischer zu werden und die Sandfliegen suchen sich die wärmsten Objekte, die sie finden konnten - Uns…
Abbildung 83 - Gemüse muss auch dabei sein (UM)
Abbildung 84 - Einzige Wärmequelle und gewissermaßen Schutz vor den Sandfliegen (UM)
Als die Dunkelheit einsetzt gehen wir zurück zur Hütte. Als Erstes beginne ich damit Holz in den Kamin zu stapeln, ehe Casey die mitgebrachten Lebensmittel aus den Boxen hervorholt. Bei lautstarkem Rock aus New Jersey stoßen wir mit einigen Bier auf den Trip an und bereiten das Gemüse und Fleisch vor. Beim wärmenden Feuer unterhalten wir uns gut aufgelegt... Auf dem Gaskocher brutzelt inzwischen das mit Fett durchzogene Rindersteak vor sich hin und der Geruch erfüllt die Hütte. Bei einem Glas Rotwein gibt es Kartoffeln, Bohnen und das erwähnte Steak.
Abbildung 85 - Ein wenig Fleisch gehört zum Gemüse (UM)
Abbildung 86 - Die klammen Kleidungsstücke trocknen zaghaft (UM)
Bis spät in die Nacht geht es um verschiedene Themen und wir erzählen uns, wie wir zum Fischen gekommen sind. Es stellt sich heraus, dass wir beide von unseren Vätern als Kinder mit ans Wasser genommen wurden und uns diese Erlebnisse nachhaltig geprägt haben und unsere Sicht auf viele Dinge im Leben beeinflusst hat.
In der Nacht will das Feuer immer wieder ausgehen und die Kälte versucht immer wieder die Oberhand in der schlecht isolierten Hütte zu gewinnen. Selbst im warmen Schlafsack wird es ein wenig unangenehm und so ist es kaum verwunderlich, dass wir nachts immer wieder einen Holzscheit nachlegen. Durchgefroren wache ich am nächsten Morgen auf und höre Casey noch vor sich hin schnarchen. Es dauert nicht lange, da ist auch Casey wach und wir nutzen die Zeit, um vor unserer Abholung noch zu fischen. Wir konnten direkt vor der Hütte zwei Forellen ausmachen, diese aber aufgrund des steilen Hangs nicht erreichen. Aus der Ferne hören wir inzwischen die Geräusche der sich drehenden Rotoren-Blätter und wenig später fliegt der Helikopter über unsere Köpfe hinweg zum kleinen Landeplatz.
Abbildung 87 - Bei diesem Anblick fällt mir sofort ein bekanntes Filmzitat ein: "Ich liebe den Geruch von Napalm am Morgen" (UM)
Abbildung 88 - Eine unauffällige Hütte am Thomas River, wenn auch erfolglos, eine tolle Erfahrung (UM)
Weiter geht es an den Cascade River. Ich glaube, ich wiederhole mich inzwischen, aber einfach faszinierend. Diese Landschaft und das Wasser beeindrucken mich und ich komme auch am Cascade River aus dem Staunen kaum heraus. Die Fischerei gestaltet sich abwechslungsreich mit vielen Rieselstrecken, Pocket Water und langsam fließenden Abschnitten.
Abbildung 89 - Drill am Cascade River (CC)
Abbildung 90 - Beim Landen ist mir wortwörtlich der Kinnladen runtergefallen, es ist mit Abstand eine der schönsten Bachforellen, die ich fangen durfte (CC)
Abbildung 91 - Blick in einen Schlucht-Abschnitt (UM)
Abbildung 92 - Atemberaubend klares Wasser (CC)
Abbildung 93 - Die bedrohte Saumschnabelente zieht ihre Kreise (UM)
In einem Schlucht-Abschnitt können wir mehrere Blue Ducks beobachten. Die sog. Saumschnabelente oder Whio [fio], wie sie von den Maori bezeichnet werden, kommen ausschließlich in Neuseeland vor. Diese Entenart ist stark gefährdet und für mich ist es daher umso schöner diese Tierart in ihrer natürlichen Umgebung beobachten zu können. 

Den Tag über fangen wir einige mehrpfündige Forellen und verbringen einen entspannten Tag am Wasser ehe uns unser Pilot abholt. Er bietet uns an, dass wir die folgende Nacht bei ihm verbringen können. Gerne nehmen wir dieses überaus gastfreundschaftliche Angebot an. 

Wir landen kurz vor Sonnenuntergang in Haast und Casey und ich entschließen uns, direkt etwas essen zu gehen. Im Hard Antler, einem Restaurant in Haast, genehmigen wir uns ein paar Drinks und sehr schmackhaftes Wildgulasch. In der Unterkunft von unserem Piloten angekommen, kommt eben dieser nach Hause und wir unterhalten uns noch eine Zeit lang, ehe wir zu Bett gehen.
 
 
 

Abbildung 94 - Das neue Haustier unseres Piloten (UM)

Ein letztes Juwel der Westküste steht noch auf unserer Liste. Im Herzen der Southern Alps landen wir auf einer Anhöhe am Rande des Okuru Rivers. Aufgrund der dichten Vegetation können wir nicht näher am Gewässer landen und kämpfen uns über einen unwegsamen Pfad ans Wasser, um es gleich darauf zu queren. Eine geeignete Stelle ist zügig ausgemacht und wir waten durch hüfthohes Wasser. Vor uns liegt ein langgezogener beruhigter Bereich, in dem immer wieder Forellen umherziehen und kleine Aufsteiger von der Wasseroberfläche fressen. Der Fluss ist rund 40m breit und aufgrund der Sedimentation sehr schwer bewat- und befischbar. Aufgrund der Wassertiefe und einer sich auftuenden Schlucht verlassen wir das Gewässer und durchstreifen den Wald nach einer geeigneten Einstiegsstelle. Nachdem die größten Stromschnellen überwunden sind, können wir einige Forellen ausmachen.
Abbildung 95 - Unwegsames, ursprüngliches Gelände (UM)
Abbildung 96 - Noch ein kurzer Zwischenstopp am Wasser (UM)
Abbildung 97 - An diesen Anblick kann man sich gewöhnen (UM)
Bei den wirklich großen Forellen scheine ich während meines Aufenthalts bisher wirklich kein glückliches Händchen zu haben. Vor einer Steinpackung erspähe ich eine wirklich kapitale Bachforelle jenseits der zehn Pfund. Aufgrund der nicht gerade üppigen Möglichkeit zum Rückschwung versuche ich die Forelle mittels Rollwurf zu erreichen, was sich aber aufgrund der großen Distanz als schwierig erweist… Casey möchte am liebsten schon abwinken und meint nur, dass der Wurf fast unmöglich erscheint. Der Wurfradius ist immer noch rund zehn bis fünfzehn Meter zu kurz. Ich wechsle noch einmal das Fliegenmuster und gehe in mich, ehe ich einen letzten Versuch starte… Ich schwinge die Rute und die Ladung der Fliegenschnur trägt die kleine Nymphe in Richtung der Bachforelle. „Too bad“, höre ich von hinten und Caseys‘ neckischer Spruch trifft zu. Mein Wurf ist zu kurz. Leicht grummelnd warte ich die Drift ab und bin am Ende der Drift schon soweit die Schnur einzuholen, als sich die kapitale Forelle in Bewegung setzt und schnurstracks auf meine Fliege zu schwimmt. Mit ein paar Hundertstel Verzögerung schlage ich an, als sich das große weiße Maul wieder schließt und die Schnur ist stark gespannt. Wie in Zeitlupe spüre und sehe ich das Kopfschlagen der Forelle, die schon zum Abmarsch bereit ist, als mir die Fliegenschnur förmlich entgegenschießt. Ich denke mal, jeder von uns kennt so einen Moment und es ist genau der Moment, der einen am meisten verfolgt. Man sackt innerlich zusammen und könnte losschreien. Okay, zumindest mir geht es so… Nachdem Tarzan den Dschungel wieder verlassen hat, höre ich auch Casey fluchen, der aber auch ziemlich erstaunt ist, dass die, und da zitiere ich wörtlich, „Big Mama“ so einen weiten Weg gegangen ist. Als ich den Schockmoment wieder etwas überwunden habe, begebe ich mich an die Fehleranalyse. Mit dem Finger fahre ich entlang des Vorfachs bis zur Fliege, wonach ein Materialfehler ausgeschlossen ist. Der Haken ist scharf und bleibt mit Leichtigkeit in meiner Fingerspitze stecken. „That’s bad luck my friend“ meint Casey und ja, es ist einfach Glück im Unglück. Meine Verärgerung über diese verpasste Chance verfliegt allerdings sofort, als ich im nächsten Pool eine wunderschön gezeichnete Bachforelle landen kann.
Abbildung 98 - An den Anblick dieser Schönheiten auch (CC)
Abbildung 99 - Regen zieht auf am Okuru River (UM)
Nach mehreren schönen Forellen beginnt es zuerst langsam, dann immer stärker zu regnen. Casey und ich fischen noch ein paar Kilometer flussaufwärts, ehe sich unser Pilot am späten Nachmittag meldet, um uns abzuholen. Nachdem wir den Helikopter nach dem Rückflug entladen haben, verstauen wir noch hurtig die Sachen in Casey’s SUV, ehe wir die Heimreise antreten. Auf der Heimfahrt fuchst mich der Gedanken an die verpasste Chance auf der einen Seite und die bevorstehenden Hausarbeiten in der Universität auf der anderen Seite. 
Nachdem wir den Haast Pass passiert haben, schafft Casey es schnell mich aufzumuntern, indem er mich mit weiteren Informationen und Tipps füttert. Spätestens nach unserem Zwischenstopp in Queenstown bin ich wieder bester Dinge, und so fahren wir wieder an die anfangs erwähnte Hütte. Casey bleibt hier noch eine Nacht, da er sich für das bevorstehende Guiding vorbereiten muss. Gegen zwei Uhr komme ich dann in Dunedin an und falle hundemüde ins Bett.

9  The Catlins, Regen und Nuggets

Mit den neuen Informationen von Casey und meinen darauffolgenden Recherchen habe ich schon die nächsten Flüsse herausgesucht, aber erstmal heißt es für mich wieder: „Ab in die Uni.“ Nächste Woche ist Abgabetermin für eine große Hausarbeit, daher werde ich wohl nicht ans Wasser kommen, zumindest nicht so, wie ich es gerne hätte. Die Stunden in der Bibliothek nagen dann doch zu sehr und so entschließe ich mich mit Tobias einen kurzen Ausflug in die Catlins zu machen, um The Catlins Coast zu erkunden. Diese raue Küstenlandschaft erstreckt sich an der Südostküste zwischen Balclutha und Invercargill. Von besonderer Bekanntheit sind die Purakaunui Falls, Curio Bay, Slope Point, sowie der Nugget Point. Im Abendlicht erscheinen die im Wasser befindlichen Gesteinsformationen wie Gold Nuggets, woher dieser Ort seinen Namen hat.
Die Catlins laden dabei zum Wandern ein. Bereits vor einigen Wochen bin ich an einem Wochenende in dieser Gegend gewesen, um für ein paar Stunden am Owaka River zu fischen. Der Owaka River ist ein kleiner Wiesenfluss, der von zwei Quellbächen bei Purekureki gespeist wird und östlich Pounawea in den Catlin River mündet. Die Fischerei mit Zikadenimitationen machte mir bei dem starken Wind besonders Spaß und brachte die eine oder andere Bachforelle hervor.

Abbildung 100 - Der Owaka River mitten in den Catlins (UM)
Abbildung 101 - Hübsche Catlins Forelle Unterwasser (UM)
Abbildung 102 - Bachforellen scheinen das Zikadenmuster förmlich zu inhalieren (UM)
Heute jedoch bin ich aufgrund der anhaltenden Regenfälle ohne Fliegenrute unterwegs und sauge die atemberaubende Landschaft förmlich auf. Wenn da nicht noch die Hausarbeit anstehen würde… Am Abend geht es für Tobias und mich noch ans Octagon und wir genehmigen uns noch das ein oder andere Bier.
Abbildung 103 - Der Purakaunui Wasserfall ist nach einem Regenfall noch beeindruckender (UM)
Abbildung 104 - Der Nugget Point Lighthouse (UM)
10 Canterbury, der Streuner und Hopfen

Bisher habe ich mich hauptsächlich im Süden aufgehalten, weshalb die nächsten fischereilichen Ziele in der Region Canterbury liegen. Meine Zielflüsse sind alles Zubringer des Waitaki Rivers. Am Samstag, früh am Morgen geht es für mich los Richtung Norden, über die Route 1 führt mein Weg entlang der Küste in Richtung Oamaru. Ins Landesinnere gelange ich über die Kurow Duntroon Road. Zu meiner Rechten bahnt sich der mächtige Waitaki River seinen Weg. Am Lake Aviemore und Benmore vorbei, passiere ich die letzte größere Ortschaft bevor es ins Ahuriri Valley geht. Die meisten können die folgende Aussage bestimmt nicht mehr hören, dadurch wird aber ersichtlich, wie sehr mich dieses Land in den Bann gezogen hat… Das Tal ist wirklich traumhaft schön, auf eine Weise, die mich direkt in ihren Bann zieht. Im unteren Bereich öffnet sich ein karges unwirkliches Tal, das nur aufgrund des Flusses an Leben gewinnt, während am Oberlauf Bäume die Flanken des Flusses zieren.

Abbildung 105 - Der Ahuriri River (UM)
Abbildung 106 - Zugang zum Ahuriri River im unteren Bereich (UM)
Abbildung 107 - Ein Kokanee Salmon oder auch Binnenrotlachs (UM)
Für den oberen Bereich des Tals benötigt man die Zugangsberechtigung der Landbesitzer und sehr wichtig, ein geländegängiges Fahrzeug. Tiefe Furten, größere Felsen und sehr, sehr unebene Strecken müssen überwunden werden, ehe man weiter ins Tal vorstoßen kann. Der Tag ist für mich durch viel Lauferei gekennzeichnet und mir gelingt es wenige, aber dafür größere Fische auszumachen und zu haken. Der starke Wind, der eigentlich immer durchs Tal zieht, macht die Fischerei schwierig und gerade die Zikadenimitationen lassen sich nicht schön werfen. Am Abend bereite ich mir auf einer Kiesbank mein Abendessen zu.
Abbildung 108 - Traumhafte Landschaft am Ahuriri River (UM)
Abbildung 109 - Trotz starker Winde kann ich diese schöne Bachforelle überlisten (UM)
Abbildung 110 - Finde die Forelle... und ja, schwer ist diese Forelle nicht auszumachen (UM)
Abbildung 111 - Auf dem Rückweg – Teil I (UM)
Abbildung 112 - Auf dem Rückweg - Teil II (UM)
Am nächsten Morgen steuere ich den Dansey River an, der sich im oberen Abschnitt des Flusses in einen südlichen und nördlichen Arm aufteilt. Der Fluss ist dafür bekannt, hauptsächlich Regenbogenforellen zu halten. Die Bilder zum Fluss sprechen grundsätzlich für sich und so begebe ich mich aufgrund des Rates meines Freundes als Erstes in den nördlichen Arm. Bereits in den ersten hundert Metern am Wasser kann ich einige Regenbogenforellen ausmachen und verliere die Fische allesamt wieder… Ein bisschen Pech gehört wohl auch dazu, aber so richtig reist das Pech heute nicht ab. Der anfangs glasklare Fluss wird ohne ersichtlichen Grund in einem relativ kurzen Abstand trüb, weshalb ich vor dem Weiterfischen aus Sicherheitsgründen erstmal das Flussbett verlasse. Nach einer Weile entschließe ich mich aber dazu weiter zu fischen, um hoffentlich doch noch eine Regenbogenforelle zu überlisten, ehe mir auf der rechten Seite im Hang eine verlassene Unterkunft auffällt.
Abbildung 113 - Der Danseys River (UM)
Abbildung 114 - Ich weiß, dass ich mich wiederhole, aber einfach nur wunderschön (UM)
Nichtsahnend fische ich weiter und nach einer Weile höre ich es hinter mir rascheln und ein etwas verwahrlost wirkender Hund kommt in Sicht. Er verfolgt mich eine Weile, ehe er schließlich zu mir kommt. Die Situation war schon etwas seltsam, aber mit ein paar Stücken meines Proviants war der Streuner mir milde gestimmt und ich hatte für den restlichen Tag einen treuen Begleiter. Nach einer weiteren Strecke finde ich auch den Besitzer des Hundes, sowie den Grund des stark getrübten Wassers.
Abbildung 115 - Mein Begleiter für diesen Tag (UM)
Ein Goldgräber pumpt mit seinem Schwimmbagger den Flussgrund ab und versucht so Gold zu schürfen. Die aufgewirbelten Partikel trüben das Gewässer natürlich stark ein. Nach einer kurzen Unterhaltung zeigt er mir seinen bisherigen Fund.
Abbildung 116 - Goldschürfer-Equipment am Danseys River (UM)
Abbildung 117 - Wer genau hinsieht, erkennt das bereits gefundene Gold (UM)
Interessanter Weise ist die Region in Canterbury nicht so sehr bekannt für Gold, wie Otago. In der Zeit von 1861 bis 1863 war dort Neuseelands größter und bedeutendster Goldrausch, durch den unter anderem die Stadt Dunedin nachhaltig geprägt wurde. Ich verabschiede mich von ihm und steige oberhalb des Goldschürfers wieder ins Wasser ein. Der Tag verläuft schon recht interessant, aber leider mag sich kein Erfolg beim Fischen einstellen. Vielleicht hätte ich doch weiter bei meiner neuen Bekanntschaft verweilen sollen, um selbst etwas Gold zu finden. Nachdem der Abschnitt in einer Schlucht endet und mich an einem weiterfischen hindert, befische ich noch einen Streckenabschnitt etwas unterhalb der Verzweigung. Am Ende wollen fünf oder sechs Regenbogenforellen nicht an meiner Fliege hängen bleiben und ich gehe leer aus. Spaß hatte ich heute trotzdem, wie eigentlich bisher an jedem Tag am Wasser.
Abbildung 118 Schlucht-Bereich am Danseys River (UM)
Am frühen Abend muss ich die Fischerei allerdings einstellen, da ich noch eine Veranstaltung im Forsyth Barr Stadium wahrnehme. Mit Tobias habe ich Karten für das heutige Spiel unserer Heimmannschaft, der Otago Highlanders.
Abbildung 119 - Das Forsyth Barr Stadium (UM)
Abbildung 120 - Tobias und ich beim Rugby Spiel der Otago Highlander (UM)
Abbildung 121 - Rugby ist ein sehr intensives, körperlich forderndes Spiel (UM)
Am Ende des Tages verabreden Tobias, dessen Mitbewohner Thomas und ich uns für den nächsten Tag. Keine 600m von meiner Wohnung entfernt ist eine der Brauereien Dunedins‘ beheimatet. Mit Thomas und Tobias treffe ich mich um die Mittagszeit zu einer Besichtigung. In Dunedin gibt es zwei größere Brauereien, Emersons und die in der Rattray Street beheimatete Speight’s Brauerei. In Letzterer stehen wir gerade und lassen uns etwas über die Verwendung von Malz aus Bamberg erzählen. Für mich als Franke ist diese Tatsache doch recht lustig. Ja, ich könnte jetzt noch was über die Brauerei erzählen, lasse es aber, bis auf die Information, dass das Dunkelbier wirklich nicht schlecht ist. In zwei Wochen sind die Mid Term Exams und so lasse ich den Sonntag noch damit ausklingen, indem ich meine Watbekleidung für die nächste Woche wasche und meine Ausrüstung vorbereite.

(Fortsetzung folgt ...)
In der Fortsetzung (Teil 3) dieses umfangreichen Neuseeland Reiseberichtes geht die Reise des Autors weiter - vom geografischen Mittelpunkt Neuseelands bis zu den Alpen.
Lesen Sie u.a., was der Autor bei seiner Reise zum Mittelpunkt Neuseelands auf der Nordinsel erlebt hat und wie Magnetströme einem den Atem stocken lassen...

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(5)  https://teara.govt.nz/en/postage-stamp/13962/maui-fighting-tuna


Ein Bericht von Uwe Müller für www.fliegenfischer-forum.de - August 2020. Fotos/Copyright: Uwe Müller und weitere, siehe oben und ("). Das unerlaubte Kopieren und Verbreiten von Text- und Bildmaterial aus diesem Bericht ist verboten.
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