Meine erste Fliegenfischer-Reise nach Norwegen
Sommer 2016 | Ein Reise-Report von André Hille
Von Oslo in Richtung Drammen fahrend, kommen wir an diesem sich mir gut eingeprägten, ersten Jachthafen vorbei. Malerisch im beginnenden Sonnenuntergang, das Wasser wie ein Spiegel vor mir liegend und die Boote im Hafen, bringt mir mein Norwegengefühl. Ich merke, wie ich die Arbeit zu Hause vergesse. Die Sonne in der letzten Augustwoche tut ihr übriges dazu, mich noch entspannter auf der Rücksitzbank zu rekeln und gedanklich meine Fliegendosen zu überschauen. Wir werden von Vera in ihrem kleinen Toyota chauffiert und so können meine Gedanken völlig frei kreisen um Trocken- und Nassfliegen, Nymphen und Streamer, ich hab alles dabei. Mein demoliertes Knie tut nur noch so viel weh, wie es eben gerade richtig ist. Ein junger Mensch muss ja mal Glück haben. Die Spinnrute und die Regenwürmer sind zu Hause geblieben, ich bin ja ein Fliegenfischer und will mir keinen opportunistischen Kram angewöhnen. Sauber bleiben Junge, die Königsdisziplin erlernen, schließlich warten die Forellen auf dich!
Aber schon beginnt die Grübelei. Stimmt die Jahreszeit? Naja, so richtig eigentlich nicht. Aber wie hatten die Jungs im Forum geschrieben: „die kleineren Köder“ sollte ich probieren, da würde dann schon einiges gehen. Sonst hätten die ja gleich geschrieben, ich soll zu Hause bleiben. Da fällt mir ein, ich habe die Ameisen vergessen! Wie konnte ich nur die Ameisen vergessen...??? 
Über die Gegend hatte ich leider nur wenige Informationen hinsichtlich der Fischbestände bekommen können. Aber einige Ratschläge ehielt ich dann doch noch von den Sportfreunden aus dem Fliegenfischer-Forum. Ebenfalls durch das Forum bin ich auf diese sehr interessante Seite gestoßen. Sehr gut und hochauflösend konnte ich die Gewässer sowie die zu erwartende Gegend taxieren, an denen ich fliegenfischereilich aktiv werden wollte.
Der Kröderen See mit Zuflüssen kleiner Bergbäche auf der Westseite.
Eine schöne und großzügige Hütte, am Kröderen See gelegen, versprach wohligen Aufenthalt. Die geradezu große und gut aufgeräumte Küche nahm mir meine Befürchtungen, dass es meine liebe Frau Svetlana nicht schaffen könnte, meine reichhaltigen Fänge mund- und zunftgemäß zu verarbeiten. Damit hatte sich also eine meiner großen Sorgen in Luft aufgelöst und der große Esstisch wartete sozusagen so wie ich nur noch auf den Fisch.
 
Viel Platz zum Fischessen ;-) 

 Der große, langgestreckte See namens Kröderen erhält seinen Hauptzulauf nördlich kommend aus Gol. Dieser Strom nennt sich dort Halingdalselva und liegt ca. 50 Kilometer entfernt von Nöresund, dem ungefähren Ort unserer Unterkunft.
Aber mir ging es hauptsächlich um die kleinen Zuläufe. Die Bergbäche, an denen ich mit meiner 5er Hardy doch eigentlich gut zurechtkommen sollte. Die 9 Fuß erwiesen sich dabei später als recht sperrig, was ja auch eigentlich kein Wunder war. Es ist meine erste und bis jetzt noch einzige Fliegenrute und die sollte natürlich am Liebsten alles können, was ja im Nachhinein betrachtet und gelinde gesagt, Blödsinn ist.
Der See "Kröderen" in Richtung Norden | Unten: Meine schöne 5er HARDY 9 Fuß
Wo diese Rute sehr gut ging und in mir die Leidenschaft fürs Fliegenfischen richtig weckte, war an der Lachsbach Mündung in Bad Schandau. Dort an der Elbe ist richtig viel Platz zum Austoben (bis auf die dazwischen stehenden Ohren der anderen Teilnehmer von Thomas seinem Forellenwurfkurs). Meine wunderschöne Hardy Rute hatte mir damals beim Forellenkurs meine Zuneigung gedankt mit dem Fang zweier Döbel und eines schönen Bleies auf Goldkopfnymphe. Das waren meine ersten Fische mit meiner Fliegenrute! Dabei waren die vielen Empfehlungen im Buch "Einfach auf Forelle" von Bernd Kuleisa  nicht nur in Sachen Ausrüstung sehr, sehr hilfreich! Dieses Buch kann ich wirklich jedem interessierten nur empfehlen. Besser ist es natürlich, wenn man die Ratschläge vom Profi vor dem Kauf der Ausrüstung liest und nicht wie ich, erst hinterher. 

Nun stand ich aber hier in Norwegen, mutterseelenallein, am ersten mir nach dem Luftbild ausgewählten Bergbach und mit meiner schönen 5er Hardy.

Der erste Bergbach meiner Wahl. Der Gumpen rechts ist ca. 12m lang und ca. bis zu 4,5m tief! Nach meiner Ansicht natürlich das ideale Forellenversteck...
Ich versuchte mir geballt sämtliche Informationen aus allem was ich bisher wissbegierig über die Fly-Fischerei gelesen, gehört, gesehen, gefühlt und mir auch selbst beigebracht hatte, auf den "Schirm" zu holen. So hatte ich den ganzen ersten Tag an diesem Bach mit seinem geheimnisvollen und bis ca. 4,5 m tiefen Gumpen fast alle meine Köder durch die Luft fliegen lassen. Das war nicht schlecht, zu mindest was meine Wurfschule betraf. Gut gelaunt, die Lunge voller guter norwegischer Luft, jetzt schon sicherer mit Hand und Rute, fuhr ich zufrieden in die Hütte. Es gab Lachs aus dem Geschäft, mit Bratkartoffeln.

Der nächste Tag mit viel Sonne und herrlicher Waldluft begann wieder an diesem Bach, einmal etwas oberhalb, dann etwas unterhalb vom gestrigen Abschnitt. Meine Stimmung war gut aber mir fiel, nun doch etwas ruhiger geworden, einiges an diesem Bach auf. Ich hatte bis jetzt keinen einzigen Fisch gesehen, weder springend, steigend, flüchtend, noch irgendwo stehen. Das Wasser war bräunlich wie im Kohlerevier und ich begann mit Svetlana die Steine umzudrehen, um die Nahrungsgrundlage der fetten Fische zu untersuchen. Nichts sah ich, "nitschewo" sagte meine Frau. Kein Käfer, keine Larve rein gar nichts. Von was sollten sich hier also Fische ernähren, geschweige denn die "fetten"? 

Das tiefe Brummen eines Husquarna Rasentraktors ließ mich aufblicken und auf der gegenüber liegenden Seite einen sich hoffentlich gut auskennenden Norweger erblicken. Nach meinem schauderhaften Zusammenkramen englischer Floskeln erbarmte sich der freundliche Mann und sagte mir in deutscher Sprache, dass es hier schon 15 Jahre keine Fische mehr gibt. Warum das so ist, wüsste rr nicht. Sie, die Einheimischen verstehen es alle nicht, denn früher gab es hier sehr viel Fisch. Wir fuhren in die Hütte, es gab Lachs aus dem Geschäft, mit Reis und schönem Mischgemüse.

Den nächsten Vormittag verbrachte ich mit dem Studieren der Gegend auf der Karte. Ich beschloss, wir fahren den Kröderen hinauf in Richtung Hauptzufluss nach Gol. Im Forum hatte mir jemand diesen Tipp gegeben. Wir fuhren also an diesem herrlichen See entlang und je weiter wir nach Norden fuhren, desto höher und höher schlug mein Fliegenfischerherz. Die Forellenstandplätze, welche ich deutlich ausmachen konnte, wurden immer besser. Schnell über runde Steine strömendes Wasser, sich in tiefen Gumpen drehend. Am gegenüberliegenden Ufer eine steile Felswand. Die Strömung hier, der Tiefe geschuldet, sich träge dahin wälzend im klaren, smaragdgrünen Wasser. Auf meiner Seite recht flach und lebhaftes Wassergeplätscher über die Steine, mit einigen Ständen grüner Wasserschlingpflanzen. Also stopp! Hier oder nie! Die Wathose an, die Weste drüber, die Polbrille von meinem lieben Freund Jürgen aus Harnischdorf aufgesetzt, die Mütze auf und los geht's.

Wie ganz zum Überfluss, noch dazu an dieser Traum-Angelstelle, kam die 6er Cortline Schnur vom Sportfreund Michael zum Einsatz. Mir fiel immer auf, dass ich meine HARDY mit der 5er Schnur schlecht aufgeladen bekomme. Mir als Neuling und gefühlten Fast-Profi! Mir fiel das also auf...? Ist natürlich Quatsch, schon aus Mangel an Erfahrung ist das nicht sehr wahrscheinlich. Aber mein Bauchgefühl (und mein Bauch ist nicht so klein) ließ mich sagen: "versuch es, man kann nur lernen". Und was soll ich sagen, ich hab es fast nicht geglaubt! Die 6er Schnur "Trout-Boss" lag vorne gestreckt in der Luft, hinten gestreckt in der Luft, ich komme so weit raus wie noch nie und selbst etwas schwerere Nymphen machen mir keine Probleme, obwohl sie manchmal schon ganz schön hart am Mützenrand anklopfen, hier an dieser Traum-Angelstelle! Ein herrlicher Angeltag beginnt. Er endet gegen 20 Uhr und wir fahren zurück in die Hütte. Es gibt geräucherte Makrele aus dem Geschäft, mit lecker Weißbrot und frischem Gemüse.

Am nächsten Tag fahren wir noch weiter nach Norden in Richtung Gol. Die Angelstellen, an denen wir vorbeikommen und wo ich wiederum alle Köder durchprobiere, sehen wie zum Hohn noch mehr aus, wie aus dem Angelprospekt. Aber ein ähnliches Spiel hinsichtlich keiner Sichtung von Fischen ergibt sich auch hier, nichts springt und auch sonst ist nichts zu sehen. Abends zurück zur Hütte, es gibt Forelle aus dem Geschäft, Svetlana macht sie nach Müllerin Art.

Die in den nächsten Tagen stattfindenden Versuche im Kröderen See, sowie weiter in Richtung Halingdalselva, verliefen aus angelsportlicher Sicht genauso weiter, wie auch die verpflegungstechnische Situation mit Fisch aus dem Geschäft.

Wieder hole ich die sauteure Wanderkarte von der Geobuchhandlung Kiel hervor und studiere, ob ich irgendwo noch etwas Blaues finde, also Wasser. Ich sehe, weiter oben in den Bergen ist ein kleiner See eingezeichnet, an dem irgend ein Schelm ein symbolisches Fischchen in die Karte reingemalt hat. Ich denke mir, dass man dort auch einen Elefanten, Löwen oder einen Gecko oder sonst was für ein Tier hätte reinmalen können, eben genauso selten wie Fische in dieser Gegend. Wie gewöhnlich stirbt die Hoffnung zum Schluss und so mache ich mich dann am letztmöglichen Angeltag auf den Weg. Etwas höher in den Bergen erwarten mich wieder wunderschöne Ausblicke auf die Natur. Diese schönen Momente und Bilder sind mehr als eine Entschädigung für die vielleicht nicht ganz so erfolgreiche Angeltour und so entstehen auch weder Groll noch Ärger aber doch einige Erkenntnisse mehr.

Wieder gibt es diese wunderschönen kleinen Bachläufe in kleinen Bergeinschnitten, die verheißungsvollen Gumpen aber auch schon fast keine Enttäuschung, weil keine Erwartung mehr. Weiter oben vermute ich noch einen kleinen Bergsee, mein letztes Ziel. Eigentlich kann ich mit meinem kaputten Knie nun mittlerweile fast nicht mehr laufen. Aber ich merke, dass mir rückwärts laufen nicht ganz so große Schmerzen bereitet, also laufe ich rückwärts den kleinen Waldweg hoch. Dort oben erwartet mich ein unglaublicher Anblick wie von einem aus dem Tourismus Prospekt heraus geschnittenes Bild eines Sees. Sehr vorsichtig und nicht zu dicht nähere ich mich dem Ufer. 

Ein See wie aus dem Prospekt geschnitten
Die Sonne scheint und endlich ist es sogar fast windstill. Ich nehme mir Zeit, um dieses wunderschöne Bild in mich aufzunehmen. Eine Libelle setzt sich an einem Halm eines aus dem Wasser wachsenden Büschels Binsengras und beginnt mit der Eiablage im Wasser. Mich bestärkt dies in der Annahme, das dieser Vorgang doch sicherlich nicht nur reine Verschwendung der Natur sein kann, sondern doch auch sicherlich seinen Platz in der Nahrungskette hat. Also steigt doch meine Zuversicht, schon allein aus dem Sprichwort heraus, dass ja der "Fleißige" irgendwie belohnt werden würde. Na gut, in Deutschland sieht das ja mittlerweile ganz anders aus, aber hier an diesem kleinen, wunderschönen See in Norwegen könnte ja eigentlich die Welt noch in Ordnung sein. Nachdem ich ja nun wirklich ganz fleißig täglich die Wurfschule absolviert habe, die Fliegen bestimmt schon hinter dem Rücken mit der linken Hand anbinden könnte und doch auch immer demütiger geworden bin, könnte ich doch eigentlich in Form einer schönen Forelle belohnt werden.

Aber auch an dieser traumhaften Angelstelle neigt sich der Tag dem Abend entgegen und die wunderschöne Natur verwehrt mir leider einen kleinen Tribut, welcher mir die schöne Reise nach Norwegen Vollkommen gemacht hätte. Natürlich ist mir die Fliegenfischerei nicht deshalb so lieb und teuer geworden, weil ich mich an Forellen vollfressen möchte. Am Wasser zu sein, in der Natur, die sportliche Betätigung, auch die Begeisterung, mit diesem superschönen Angelsportgerät zu harmonieren - das alles macht es aus, um wirkliche Leidenschaft zu entwickeln.

Ich würde mich sehr freuen wenn mich im kommenden Jahr vielleicht ein erfahrener Petrijünger zu einem kleinen Angeltrip ins Schlepptau nehmen könnte*. Denn eine Lektion habe ich auch gelernt, es hat nicht viel Sinn, zu glauben, das dort wo Wasser ist, automatisch der Fisch vorhanden und zu fangen ist, den man sich wünscht. 

Petri Heil und alles Gute für 2017
André Hille

(*) Anm.d.Red.: Einfach bei der Redaktion des Fliegenfischer-Forum melden, wir leiten es gerne weiter.




Ein Report von André Hille für www.fliegenfischer-forum.de - Februar 2017. Das unerlaubte Kopieren und Verbreiten von Text- und Bildmaterial aus diesem Bericht ist verboten.

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