Russland: Taimyr-Expedition 2010
Auf der Jagd nach den "Roten Riesen"...
Ein Reisebericht von Michael Müller
Fotos von Michael Müller, Peter Timm, Matthias Dämmrich und Russija Fishing

Vorwort: Jeder Angler und Fliegenfischer liebt Saiblinge, oder? Möglichst schön bunt müssen sie sein... und schön groß... Mir geht's da nicht anders: Saiblinge zählen zu meinen Lieblingsfischen und im Laufe der Jahre durfte ich schon einige verschiedene Arten von ihnen mit der Fliege befischen und fangen. Spätestens seit meiner Grönlandreise 2000 stehen jedoch Arctic Char, diese interessanten und wunderschönen, meerwandernden, arktischen Saiblinge, ganz oben auf meiner Liste von Lieblings- Salmoniden.
Das bislang bekannte und geläufige Vorkommen für Fliegenfischer mit "normalem" Aufwand erreichbarer Arctic Char Bestände stellt sich grob zusammengefasst folgendermaßen dar: Nordnorwegen und Island: kleine Fische, Grönland: mittelgroße Fische (mit Ausnahmen), Nordostkanada: große Fische... Genau in dieser Richtung, nämlich von Ost nach West und mit der Größe der Fische wachsend, entwickeln sich auch die Reise-Preise.
Während Nordnorwegen noch erschwinglich und auch mit dem eigenen PKW erreichbar ist, geht das Reisebudget von Island über Grönland nach Kanada drastisch in die Höhe, Spitzenreiter ist klar Kanada (allerdings auch in den gebotenen Möglichkeiten), mit Wochenpreisen ab etlichen Tausend Euros und mit täglichen Fly-Outs in erste Sahne Reviere.
 
 

Oben: Unglaublicher Smog in Moskau
Links und Unten: Flug über den gewalten Jenissej vor Norilsk und unendlich weite Tundra- Landschaften.

In den letzten Jahren gelangten aus mehreren Ecken Informationen zur nordsibirischen Taimyr-Region auf meinen Tisch, verbunden mit Hinweisen zu den dort vorkommenden „Roten Riesen“ und unterlegt mit den entsprechenden eindrucksvollen Fangfotos russischer Outfitter. Die Neugier war rasch geweckt – da musste ich mal hin! Alle ersten Recherchen und Planungen scheiterten jedoch bereits an den erforderlichen Ausnahmegenehmigungen (für Ausländer gesperrte Region!) und letztendlich an den immensen Reisekosten, da in jedem Fall ein mehr oder weniger langer, jedoch immer sündhaft teurer Heli-Flug inkludiert werden musste.
Schließlich kam ein unschlagbar preiswertes Angebot von Roger Gyr und Wladimir Ebert, bzw. ihrer Firma „Russija Fishing“ zu einer Expedition, die zwar nicht in die von mir zunächst favoritisierte Nord-Taimyr- Eismeer-Region, sondern nach Süd-Taimyr in den Putorana Plateau - Nationalpark führte, aber dennoch versprach, ein höchst interessantes, unvergessliches Abenteuer zu werden. 
Hier ist nun mein Bericht...
Unsere diesjährige Russland- Reise mit Expeditionscharakter ließ uns dem Ruf der großen Wandersaiblinge folgen und führte uns in die nur dünn bis überhaupt nicht besiedelte, nordsibirische Taimyr-Region. Ziel war der über 90 Kilometer lange und bis zu 300 Meter tiefe Ketasee und dessen Zuflüsse, rd. 300 Kilometer nördlich des Polarkreises im Putorana Gebirge gelegen. Die Anreise in diese Region erfolgte von Deutschland über Moskau in das dreieinhalb Flugstunden entfernte Norilsk. Schon das Besorgen der nötigen Ausnahmegenehmigungen zur Einreise in diese für ausländische Staatsbürger verbotene Bergbauindustrie- Stadt (und einen der größten Einzel-Luftverschmutzer der nördlichen Hemisphäre) und das Durchlaufen der andauernden Registrationen vor Ort war ein Abenteuer für sich.
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Oben: rauchende Schlote in Norilsk
Oben links und rechts: gut sortiertes Magazin in Norilsk
Unten links: Hauptstraße in Norilsk
Wie auch immer – unser Operator Russija Fishing vollbrachte alle nötigen Wunder und unsere Gruppe, bestehend aus 8 Schweizern, 5 Deutschen und einem Österreicher, konnte sich Anfang August 2010 auf den Weg nach Taimyr machen. Wir hatten dabei das „Vergnügen“, in Moskau in den schrecklichen Hitze- und Waldbrand-Smog zu geraten, der dort gerade herrschte und für weltweite Schlagzeilen sorgte. 36°C und eine nebelartige, dicke Smog-Luft, die kaum noch atembar war und die in den Lungen brannte... Wir waren heilfroh, diesen kaum mehr erträglichen Ort am Abend mit dem Nachtflug nach Norilsk planmäßig verlassen zu können.
Weitere vier Stunden Zeitverschiebung nach vorn machten es möglich, das es schon 07:00 Uhr morgens war bei unserer Ankunft in Norilsk, dessen Flughafen ca. eine Fahrstunde außerhalb der Stadt liegt. Schon beim Anflug konnten wir die endlose, karge Tundra-Landschaft mit ihren abertausenden kleinen Seen und Flüssen bewundern. In Norilsk kam dann ein Kälteschock: nur noch 3°C und damit mal eben 33°C weniger als in Moskau - aber Sonnenschein und angenehm! Der Weiterflug mit dem Mi-8 Großraum-Helikopter war für 15:00 Uhr angesetzt, so dass wir zunächst nach Norilsk herein fuhren, auch um die erforderliche Registrierung zu bekommen und um die restlichen Einkäufe zu erledigen. 
Auf der Fahrt bekamen wir eindrucksvoll die Gelegenheit, die dreckschleudernden Bergbau-Industriegiganten zu sehen. Unglaublich, das es heute noch möglich ist, solche riesigen Anlagen ohne die erforderliche Filtertechnologie betreiben zu dürfen – und das von einem der profitabelsten Unternehmen Russlands! Wahrscheinlich ist auch das ein Grund dafür, warum Norilsk ein für Ausländer gesperrtes Gebiet ist. Die über 200 000 Einwohner zählende Stadt selbst ist ebenfalls keine Urlaubsempfehlung wert: sie ist nicht eben schön und dazu weitgehend herunter gekommen.

Ein Mi-8, oben: von Außen. links: aus dem Cockpit und unten: Alle im Laderaum...

Unser Heli-Flug wurde mehrmals nach hinten verschoben, wir standen uns auf dem Heli-Airport stundenlang die Beine in den Bauch, schließlich ging es gegen 22:00 Uhr doch noch los. Der gut einstündige Flug führte über fantastische Landschaften mit Flüssen und Seen, die jedes Fliegenfischerherz höher schlagen ließen, schließlich eine ganze Weile über den riesigen Ketasee, dessen umrahmende Berggipfel in der Abendsonne erstrahlten, bis zum Landeplatz der festen Basis-Lodge um See-Ufer.
Der Plan war, nicht benötigtes Gepäck in der Lodge zu lassen, um dann gleich mit dem Heli weiterzufliegen - an die Ausgangpunkte unserer 4-tägigen Floating-Touren. In Windeseile wurde umgeladen und schon kurze Zeit später war die Schweizer Truppe wieder in der Luft, um zum Oberlauf der Tokingda zu fliegen. Wir anderen wurden eine Stunde später an einen Flusslauf namens Amyndakta geflogen. Jede Gruppe wurde von einem ortskundigen Führer und einem Koch begleitet. Mitten in der hellen Nacht wurden wir also nebst Gepäck, Proviant, Lagerausrüstung und Booten auf einer riesigen Kiesbank abgeladen, an einer Stelle, in dessen Nähe der Fluss in einen kleineren, rund. sieben Kilometer langen See einmündet. Rasch wurde das Lager aufgebaut und ganz nach Belieben wurde gefischt oder geschlafen. Schlaf war hier sowieso Mangelware, denn für die meisten von uns war es schon die zweite Nacht ohne selbigen, einmal abgesehen von den Nickerchen im Flieger.
Im Äschenparadies

Am nächsten Tag erkundeten wir ausgiebig den oberen Flussbereich bis zum Einlauf in den See. Wir erlebten eine derart grandiose, unglaublich gute Äschenfischerei, wie sie wohl noch niemand von uns bislang erleben durfte! Und zwar bezogen auf die Menge der Fische, die Größe (fast alle Äschen sind zwischen 40 und 50 cm lang) und die ungestüme Beißlust, völlig ohne die von Äschen eigentlich bekannte und gewohnte Selektivität.

Die Äschen gingen auf Streamer und Lachsfliegen am 0,35er Vorfach genauso gut, wie auf verschiedene Trockenfliegen. Wir befischten unzugängliche Flußbereiche, die wirklich krachevoll waren mit Äschen, welche vermutlich noch niemals zuvor einen Angler bzw. eine künstliche Fliege gesehen hatten. 

Und dazu dieser wunderschöne, von Bergen mit Schneefeldern umrahmte, glasklare Wildnisfluss, der sich durch die lichte Lärchen-Taiga schlängelte – einfach wundervoll.

Die Äschen waren herrlich gefärbte, nordsibirische Äschen mit riesigen Rücken-Segeln, sehr wohlgenährte, schwere und kompakte Fische. Im See hatte es zudem eine großwüchsige Renkenart, Hechte und Quappen. 

Auf die begehrten, großen Wandersaiblinge stießen wir hier oben am ersten Lagerplatz nur ein Mal: unser Engelbert bekam einen geschätzt metrigen Überraschungsfisch drauf, der ihm aber leider abriss. 

Aber das sollte sich schon bald ändern.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich an dieser Stelle, dass wir am Fluss auf Unmengen von Mücken, Knots und Bremsen trafen. Die Viecher hatten natürlich gerade auf uns gewartet... Ohne Mückennetz und/oder Chemie unerträglich. 

Dafür war das Wetter – bis auf die beiden letzten Tage in der Lodge – immer auf der „Sonnenseite“.
 
 

Mücken, Mücken, Mücken ...

Oben rechts: "... wenn der Teekessel summt ..."

Links: sie nannten es "Mückensuppe" ...

Unten: 
- Lagerleben, feine Äschenpfanne;

- Zeltlager;

- Sonnenuntergang;

- Matthias macht es sich warm nach einer kalten, durchwachten Nacht; 

- ein glücklicher Daniel mit Hecht

Auf dem Fluss / Das Saiblingsloch

Nach einer weiteren Nacht, in welcher die Temperatur bis unter den Gefrierpunkt sank, starteten wir am Morgen unseren Floating-Trip. Sechs Leute auf dem großen Schlauchboot, dazu das gesamte Gepäck – also zusammen mindestens 800 Kilogramm – sowas hatte zuvor noch keiner von uns gesteuert und es war eine echte Herausforderung. Unsere beiden russischen Begleiter fuhren im zweiten Boot, einem kleinen „Zodiak“.

Zunächst mussten die sieben Kilometer über den Fluss-See per Hand und Ruder bewältigt werden. Der Wind meinte es ausgesprochen gut mit uns und wehte in die richtige Richtung.

Wir erreichten den Seeauslauf schneller als vorgesehen, fischten dort etwas und ließen uns die ersten Kilometer den herrlichen Fluss herunter treiben. 

Oben: Wir rudern über'n See, über'n See...

Links und unten: farbenfrohe Bilderbuch- Landschaft am Oberlauf

Nach weiteren Angel-Stopps bauten wir später das neue Nachtlager auf einer großen Kiesbank auf und verteilten uns anschließend zum Fischen am Fluss. Ich hatte vorhin im Vorbeitreiben eine ansprechende Stelle gesehen, die ich jetzt aufsuchte – und hier fand ich mein „Saiblingsloch“, welches mir meinen wunderschön gefärbten Traumfisch bescherte und für Matthias und Peter weitere sieben Saiblinge „bereit hielt“. Und wiederum war ein „Meterfisch“ dabei – der abriss! Unsere tollen Fischereierfolge bereicherten unsere Küche und mussten im Lager gebührend begossen werden – und so wurde die mückige und schwüle Nacht recht kurz (und schwer...).
Fotostrecke:

Rechts: Mein absoluter Traumfisch ... Wegen solchen Fischen sind wir hierher gekommen!

Unten: Peter mit Saibling - am selben Platz gefangen

Weiter unten: 

(1) Ein erfolgreicher Matthias mit weiteren Fischen aus dem "Saiblingsloch"...

(2) Es ist fast zu schade, den schönen Saibling zu zerschnippeln...

(3) Michael beim täglichen Tagebuch-Schreiben (auf authentischen Materialien...) 

(4) Also man kann wirklich nicht sagen, dass es uns schlecht ging :-)

(5) Jepp - der Jahrgang passt scho ... ;-)

(6) Einfach nur lecker !!!

(7) Unser Lager, im Hintergrund mit "Alpenglühen" - so ließ es sich leben, auch wenn das Lied der Mücken in dieser Nacht besonders laut tönte.

Am nächsten Tag brachen wir das Lager ab und uns stand der anspruchsvollste Abschnitt des Flusses zum floaten bevor. Viele strömungsreiche Kurven, umgestürzte Bäume, Flachwasserzonen, zehrten sehr an unseren Kräften. 

Gleich zu Beginn gerieten wir mit dem Boot in eine brenzlige Situation: in einer Kehre trieben wir unaufhaltsam unter einen tief über dem Fluss hängenden, starken Ast. Wer konnte, duckte sich oder warf sich auf den Boden, was aber nicht so einfach war, da durch die Gepäckbeladung

dafür nicht ausreichend Platz zur Verfügung stand. Der Ast schrammte direkt über die Oberkante des Bootes. Hätten wir das Gepäck vorher nicht mit Gurten festgezurrt, wäre jetzt wohl die Hälfte davon über Bord gegangen. Schlimmer traf es den hinten sitzenden Peter: er wurde vom Ast erfasst und über Bord gerissen!

Oben: Blick in das überladene Boot. Da ist Peter noch am Lachen, was sich aber bald ändern sollte... Auch die Ruten derart offen mitzuführen, erwies sich als grober Leichtsinn. Besser stets komplett verpacken... Links: Hier sind wir nach Schaden schon vorsichtiger und führen das Boot per Seil an problematischen Stellen vorbei.

Geschafft: offenes Wasser ist erreicht...
D
ie Schwimmweste verhinderte schlimmeres, im Nachhinein betrachtet, hatten wir jedoch großes Glück... Ab sofort gingen wir es beträchtlich vorsichtiger an, kurvenreiche Abschnitte wurden vorher zu Fuß erkundet und wenn es gar nicht anders ging, hieß es aussteigen und das Boot am langen Seil vom Ufer aus führen. 

Schließlich öffnete sich das Tal weit und wir erreichten einen rund sieben Kilometer langen Bereich, in welchem sich der Fluss durch einen Tal-Gletscher gefressen hatte. Wir bekamen die einzigartige und wunderbare Gelegenheit, eine Welt aus blau schimmernden, ewigen Eis zu bestaunen und betreten zu dürfen, mit bizarren Eisgebilden, Spalten, Abbrüchen, Aushöhlungen und Sturzbächen.

Hier mussten wir unser schweres Boot zumeist über nur seicht überflossene Kiesbänke ziehen, denn der Fluss wurde breit und flach. 

Nach dieser Eiswelt verengte sich das Tal wieder und der Fluss schlängelte sich, jetzt größer, breiter und tiefer durch die Taiga-Landschaft. 

Das Floaten gestaltete sich nun sehr viel einfacher. 

Allerdings schien hier im Unterlauf der Fischbestand deutlich dünner zu sein. Es gab weniger, aber dafür deutlich größere Äschen zu fangen und keine Saiblinge.

Der Fluss wurde schließlich immer ruhiger und tiefer, wir konnten beim darüber Treiben wie in ein Aquarium hinein schauen – nur hatte dieses kaum Fische. Nur ab und an verdrückte sich eine Äsche. 
Die letzten Flusskilometer mussten wir wieder ordentlich an die Ruder, denn hier herrschte kaum noch Strömung. Am Abend war das Treffen an der Mündung in den Ketasee angesetzt, dort wartete neben den Motorbooten schon ein Feuer und heißer Tee auf uns. Nach kleinen Motorproblemen des Abhol-Bootes wurde auch das gemeistert und wir gelangten am späten Abend in die Lodge am See, von wo aus für die nächsten Tage weitere fischereiliche Highlights geplant waren.
Am Ketasee und seinen Einläufen
Die nächsten fünf Tage gab es „gepflegtes Lodge-Leben“ und eine Fischerei im Ketasee selbst sowie in einigen seiner kleineren Zuflüsse, in verschiedenen Bereichen, die wir täglich mit den mit Echoloten ausgestatteten Motorbooten anfuhren. Wir stellten dabei rasch fest, dass die Watfischerei mit dem Fliegengerät im 6°C kalten Ketasee selbst verhältnismäßig aussichtslos war. Auch superschwere Sinker vom Boot aus brachten kaum nennenswerte Erfolge.

Rechts: Auf zu neuen Taten...
Unten: am Ketasee

Währenddessen entpuppte sich der riesige, bis zu 300 Meter tiefe See als Paradies für Spinnfischer und Trolling-Angler! Jeden Tag kamen blanke Saiblingsfänge mit Stückgewichten zwischen 2 und 7 Kilogramm herein, und die Küche bereitete leckere Gerichte daraus zu. Immer wieder wurde von Attacken von wahren Monstern aus der Tiefe auf Fische im Drill berichtet – nur leider konnte keiner dieser ernsthaft großen Saiblinge gefangen werden. Zwei Wochen zuvor gelang hier der Fang eines 16,1 Kilo-Fisches!
Der Ketasee weist eine sehr hohe Groß- Saiblingsproduktivität auf, zu Sowjetzeiten wurden von hier tonnenweise Saiblinge mit Netzen gefischt und nach Moskau verfrachtet – in nur zwei Sommermonaten. Die Saiblinge folgen den Futterfischschwärmen im See und wachsen so zu außerordentlich großen, sehr fetten Exemplaren ab. Nicht klar ist, ob diese Saiblinge alljährlich Wanderungen zwischen Meer - Ketasee - und dessen Zuflüssen unternehmen oder ob es sich um stationäre Fische aus dem Ketasee handelt, die später zum Laichen in die Zuflüsse aufsteigen. Möglich wäre beides.
Fürs Fliegenfischen boten die in den See mündenden, kleineren Flüsse und Bäche dafür eine fantastische Äschenfischerei. Auch hier fiel auf, das Äschen unter 40 cm fast vollständig zu fehlen scheinen. Anscheinend halten sich die Jungäschen in größeren Schwärmen in anderen Bereichen des Sees auf, wie Beobachtungen belegten. 
Als besonders schön entpuppte sich ein kleiner Fluss, der am hintersten Ende des Ketasees einmündet. Ein malerisches kleines Taiga-Tal mit einem mäanderierenden, glasklaren Bilderbuchfluss mit wunderschönen Pools und alle voll mit beißfreudigen, dicken Rotschwanz-Äschen – ein wahres Paradies für Trockenfliegenfischer. 
Aber auch hier musste man immer damit rechnen, plötzlich starken, roten Saiblingen zu begegnen, so wie es unserem Matthias eines schönen Tages erging.
 

Links: Beeindruckende Fahne ...

Oder einem Bären! Das es solche hier gibt und das diese unberechenbar sind, wurde uns eindrucksvoll demonstriert, als ein von uns für den nächsten Tag vorschriftsmäßig am Ufer zurück gelassenes Schlauchboot über Nacht komplett zerlegt wurde: aufgeschlitzt, zerbissen, zerrissen – komplett demoliert, 2000 EURO Schrott!
 
 

Rechts: Matthias im Äschenhimmel ...

Auch mit der typisch russischen Mentalität wurden wir mehr als einmal deutlich konfrontiert: Bootsmotoren gingen mal oder mal nicht, ebenso Echolote, vereinbarte Abholzeiten wurden mal eben um anderthalb Stunden verfehlt und überall wurde mit gutem Willen und mehr oder weniger Geschick irgendwas zusammen gefriemelt - aber irgendwie funktionierte das am Ende erstaunlicherweise immer wieder ...
Sehr positiv hervorzuheben waren auf jeden Fall die beiden jungen Köche im Camp, die auch die Floating-Touren begleiteten! Die Beiden zauberten jeden Tag neue interessante Gerichte mit und ohne (aber meistens mit :-) Fisch auf den Tisch, obwohl weder ein Supermarkt, noch eine technisch gut ausgerüstete Küchentechnik zur Verfügung stand – nur ein paar betagte Töpfe und Pfannen, ein paar Feuerstellen und ein provisorischer Räucherofen (siehe Foto unten).
Im Räucherofen - das sieht doch lecker aus, oder ? Eine marinierte Spezialität aus süßsauer eingelegten Saiblings- und Äschen-Stückchen - ebenfalls lecker!
Ein weiteres Highlight fliegenfischereilicher Art war die Befischung eines Stückes offenen Seeufers, an welchem ein Bach einmündete. Der Bach erschien zunächst eher unscheinbar, wies im unteren Bereich über einige Hundert Meter nur steinige Polterstrecken auf und kaum fischbare Stellen. 

Allerdings hatte er einen Wasserfall, der etwa 800 Meter bachaufwärts lag. Hier entdeckten wir drei bis vier kleine Pools, in denen Äschen standen, aber das eigentliche Highlight war der Wasserfall-Pool selbst!

Direkt in den schäumenden Tupf standen auf nur wenigen Metern Raum wohl an die 50 Äschen, alle zwischen 40 und 50 cm groß! Einfach unglaublich!!! 

(siehe Foto unten)

Später wieder zurück am Seeufer, konnten wir an der Bachmündung und den angerenzenden Uferstrecken jede Menge Äschen mit Trockenfliegen fangen – vom gleichen Kaliber.

In einer versumpften, weit verzweigten Bucht nicht weit von der Lodge entfernt, war zudem ein tolles Hecht- Fliegenfischen möglich. Aber die Hechte lernten natürlich sehr schnell und waren jeden Tag schwerer zu fangen. Waren es beim ersten Versuch am 1.Tag über 40 Hechte in wenigen Stunden, so ließ sich drei Tage später nur noch ein einziger vom Streamer überzeugen.
 

Rechts: Am Hechtwasser. Im Hintergrund ist schwerer Regen im Anzug...
Unten: Dieses Gesicht spricht Bände...

Unser Aufenthalt am Ketasee endete mit dem zweieinhalbtägigen Aussitzen einer Schlechtwetterfront, an denen uns der nur auf Sicht durch die Berge fliegende Helicopter nicht abholen konnte. Wirklich unglücklich war zunächst sicher keiner darüber, denn die Alternative wären zwei Tage in der „schönen“ Stadt Norilsk, auf die niemand von uns wirklich scharf war. Immerhin konnten wir während der Wartetage ja auch weiter Fischen!
 
 
 

Links: 'n Haufen Holz am See...

Als unsere zwei „Puffer-Tage“ vergangen waren und der dritte Tag anbrach – und uns klar wurde, dass nun unsere Anschlussflüge zurück nach Moskau und Deutschland futsch sind – war es dann natürlich nicht mehr so prima... Zudem fand sich kein Wodka oder sonstiges alkoholisches Getränk mehr im Camp - eine mittlere Katastrophe ;-)

Am Abend des dritten Tages flog der Heli doch noch und wir konnten in Norilsk neue Tickets kaufen, so dass wir letztendlich außer den unvermeidlichen Mehrkosten nur einen Tag später als geplant nach Deutschland zurück kamen.
 

Rechts: Willste Stöckchen?

Im Fazit war die Reise eine sehr gute und unvergessliche Tour in eine wunderbare, arktische Wildnisregion, über die Hierzulande nur sehr wenig bekannt ist. Fliegenfischereiliches Highlight waren klar die Floating-Trips auf den beiden Traumflüssen, wobei sich beide Gruppen darüber einig sind, dass es ruhig einige Saiblinge mehr in den Flüssen hätte haben dürfen. Aber so ist die Wildnis - die Stärke der Fischaufstiege ist eben nie 100%ig vorhersehbar. Aber es ist jeder zu seinem Fluss-Saibling gekommen – sozusagen Ziel erreicht ;-)  Ich befürchte, dass es einen Monat nach unserer Reise in den Flüssen schon viel mehr Flossengedränge gab... Aber so spät im Jahr ist eine Tour aufs Putorana Plateau aus wetter- und wassertechnischer Sicht kaum noch durchführbar – denn der Winter kommt früh, hoch über dem Polarkreis.
Geradezu unglaublich gut gestaltete sich sie Äschenfischerei – in jeder Hinsicht. Im Putorana Plateau findet auch der Äschenfischer sein absolutes Paradies! Einige Kleinigkeiten in der Organisation und im Ablauf sind verbesserungsfähig, dies wurde mit den beiden Veranstaltern, welche die Tour persönlich begleiteten, auch schon erörtert. So war man auch stets bemüht, Wünsche der Gäste umzusetzen. Die Betreuung und Unterkunft in der Lodge war gut und komfortabel, die stabilen Wohnhäuser mit bequemen Betten und Öfen ausgestattet und die Fischerei im See + den Zuflüssen und dessen immensen Fischbeständen war erste Sahne. Nicht unerwähnt lassen möchte ich einen Wehrmutstropfen am Rande: an manchen Tagen und bei ungünstigen Windverhältnissen sind die Auswirkungen der Norilsker Luftverschmutzung auch am Ketasee zu spüren bzw. zu sehen...
Geräte- und Ausrüstungstipps für's Fliegenfischen

Für die Saiblings- und Hechtfischerei empfehle ich die Verwendung von #7 bis #9 Fliegenruten, 9 Fuß lang und vierteilig (Flug-Transport im Koffer!). 

Für die Äschenfischerei sollte es eine #5 Rute in 8 bis 9 Fuß Länge sein, ebenfalls vierteilig. 

Schwimmschnüre bilden die Basis, welche nach Belieben mit sinkenden Polyleaders aufgerüstet werden können.

Alternativ sinnvoll ist das Mitführen von Sinktip-Schnüren oder austauschbaren Schusskopfsystemen mit verschiedenen Schwimm- und Sink-Eigenschaften. Auch schnelle Vollsinker sind zu empfehlen, wenn es im See tief hinunter gehen soll. 
Dennoch möchte ich aus Fairnessgründen anmerken, das im See selbst eher das Spinn- und Schleppangeln mit großen Löffeln und Blinkern die erfolgreichen Methoden sind, welche Fische bringen, nicht zuletzt aufgrund der großen Tiefe, in welcher die Saiblinge stehen - und aufgrund derer Fressgewohnheiten!
Als vielleicht wichtigsten Rat kann ich Ihnen mitgeben, gerade im Hinblick auf die auf nur 20 kg begrenzte Freigepäckmenge im Flieger, das Thema Getackel nicht überzubewerten, d.h. manchmal ist auch weniger ausreichend. Im Grunde habe ich während der ganzen Zeit vor Ort nur zwei Fliegenruten und drei Rollen gebraucht: die #5er Äschenausrüstung mit Schwimmschnur und die #8er Saiblings- ausrüstung, ebenfalls mit Schwimmschnur auf der eine Rolle und mit einem schnellsinkenden Schußkopf auf der zweiten Rolle.
Dazu einige Trockenfliegen, Nymphen und Streamer, sowie Whooly Bugger, ein paar Pazifiklachsfliegen und Hechtstreamer. 
Den notwendigen Kleinkram (Vorfachspulen 0,20er bis 0,50er, Hechtvorfach, Zange, Messer, Clip, Fliegenfett, Thermometer, Fliegendosen...) im Chestpack und die Wathose, Regenjacke, Mückennetz, Poolbrille und Autan immer am Mann, fertig. Für den Boots-Trip ist ein wasserdichter Rucksack bzw. wasserdichte Packsäcke nicht schlecht, zudem sollte bei der Auswahl der Watschuhe auf Spikes verzichtet werden. 
Grobstollige Gummisohlen wie z.B. Aqua Stealth oder Vibram sind völlig OK, zumal die Flüsse, bzw. deren Steine und Kies kaum glitschig oder algenbewachsen sind.
Gefischt wurde übrigens als grundsätzliche Regel Catch & Release - das ist begrüßenswert und natürlich ausgesprochen sinnvoll für den fortwährenden Erhalt des außerordentlich guten Fischbestandes im Ketasee und dessen Zuflüssen. Nur die relativ wenigen Fische, die wir zum Essen benötigten, wurden entnommen.
Reisedaten & Links

Infos zur Region:
Taimyrhalbinsel: (Klick)
Autonomer Kreis Taimyr: (Klick)
Norilsk: (Klick)
Putorana Plateau: (Klick)
Kartenausschnitte: (Klick), (Klick), (Klick), (Klick) und (Klick)
Anbieter-Website: baikal-reise.de. Die nächsten Termine sind im August 2011.
Reisebudget: rd. 14-Tage Reise: Gesamtkosten (Reiseprogramm, alle Flüge, Vollverpflegung, Hotelüber- nachtungen, Getränke, Visum, Taschengeld) um 4000 €

Vielen Dank für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit! Wenn Ihnen dieser Reisebericht gefallen hat, schreiben Sie mir doch einfach mal ihre Meinung dazu (über "Kontakt" ganz unten). Gleiches gilt natürlich, wenn Sie Fragen haben.

Im Anschluss nun noch einige schöne Fotos:
Und wenn sie nicht ge...   ... funden wurde, hängt sie da wohl heute noch.
Oben ist das Haupthaus der Lodge mit Gastraum zu sehen, unten das Sauna- und Waschhaus nebst dem kleinen Hafen.
Unser 4-Bett-Haus während des Lodge-Aufenthaltes.
Bilder von der schweizer Gruppe, die auf der Tokingda unterwegs waren (1)
Bilder von der schweizer Gruppe, die auf der Tokingda unterwegs waren (2)
Bilder von der schweizer Gruppe, die auf der Tokingda unterwegs waren (3):
Roger Gyr von Russija Fishing mit 75er Tokingda Saibling
Bilder von der schweizer Gruppe, die auf der Tokingda unterwegs waren (4):
Ronald und Medard mit schöner Saibling-Doublette
Bilder von der schweizer Gruppe, die auf der Tokingda unterwegs waren (5): Medard mit 73er Saibling
Roger Gyr von Russija Fishing mit Ketasee Saibling
Medard mit 1m Hecht eines Seitanarms der Tokingda
Roger Gyr von Russija Fishing  - der Raubtierbändiger...
Da kommt er endlich, der lang ersehnte Mi-8 ...
Ein letzter Blick aus der Luft auf die Lodge
Unser Angelplatz am See für zwei Tage, mit Bach und Wasserfall. Schade, dass wir dieses Luftbild nicht vorher hatten!
Unser Floating-Fluss, der Amyndakta, mit Blick auf die Eisfelder.


Ein Bericht von Michael Müller für www.fliegenfischer-forum.de - Oktober 2010. 
Das unerlaubte Kopieren und Verbreiten von Text- und Bildmaterial aus diesem Bericht ist verboten.

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