Mission: King
Float-Trip auf dem Talachulitna-River, Alaska, vom 4.7. – 21.7.2010
Text und Bilder © Urs Wehrli
Ach, wo soll ich mit dem Erzählen beginnen? 

Vielleicht vom Abend vor unsere Abreise, als ich mit Mutti noch gemütlich auf der Couch lag und wir uns die Viertelfinals Argentinien – Deutschland / Paraguay – Spanien anschauten und mir langsam aber sicher bewusst wurde, dass es in ein paar Stunden mit „Waka Waka“, „Helele“ und „Waving Flags“ ausgeträllert hat?

Oder vielleicht am nächsten Morgen um 04.00 Uhr, als mich Rolando’s und Silivo’s enttäuschte Gesichter begrüssen und mir erzählten, dass Pesche, welcher wie ich, von den beiden aufgeladen werden sollte, nicht am vereinbarten Treffpunkt anzutreffen war?

Oder vielleicht von der Aufgabe, einen zweiwöchigen Alaska-Trip mit einem zehn Tages Float für sechs Personen zu organisieren, der nicht mehr als Euro 2600.- (Plan) kosten durfte, einen zünftigen Raft bieten würde und unsere Fliegenruten mit Kings der 35 Pfund Klasse prüfen sollte?

Fangen wir einfach mit den Fakten an. Reiseprogramm:
 
4.7.2010 Abflug Zürich – Anchorage
4.7. – 6.7.2010 Ankunft, zwei Mietwagen fassen, zwei Übernachtungen im  earth B&B, Beschaffung Proviant/Ausrüstung/Fischereimaterial, Fischen
6.7.2010 Abgabe Mietwagen, Busch-Flug an den Judd-Lake/Talachulitna Creek
6.7. – 16.7.2010 Floattrip auf dem Talachulitna River bis Skwentna Canyon
16.7.2010 Rückkehr nach Anchorage, zwei Mietwagen fassen, Übernachtung B&B
17.7. – 20.7.2010 Roadside Fishing Kenai-Halbinsel mit Mietwagen, drei Übernachtungen in Lodge/Blockhütten, ein Tag eigenes Motorboot zur freien Verfügung.
21.7.2010 Rückkehr nach Hause

Effektive Kosten pro Teilnehmer:  Euro 3000.-. Inkludiert in diesen Kosten waren: Flüge mit Condor, Airtaxi/Buschflieger, Mietwagen, Übernachtungen in B&B, Lodge, Motorbootmiete auf dem Kenai und Ausrüstungsmiete (Boote, Zelte, Küche, usw.). Zusätzlich mussten die Teilnehmer noch Fischereilizenzen, Fischereimaterial, Proviant und die persönlichen Auslagen (Restaurants, Drinks, Bushcompany) tragen.

Als aktiver Leser im Fliegenfischer-Forum und all Eurer tollen Reiseberichte ist mir sehr wohl bewusst, an was Ihr am meisten Spass habt. Deshalb lassen wir die langen Geschichten über Organisation, Teilnehmerauswahl, Packvorbereitungen, Anreiseschwierigkeiten, fehlende Teilnehmer, Bärenphobien, Waffentransporte, selbstkonstruierte Bärenzäune, lästigen Bindehautentzündungen gepaart mit fiesen Stirnhöhlenentzündungen, und, und, und... gleich alles weg und stürzen uns umgehend ins Vergnügen – dem Fischen !

Der Buschflieger setzte sanft auf dem Judd-Lake auf und die Motoren drehten langsam aus. Die einsetzende Stille war fast erdrückend, waren wir doch nun vierzig Minuten dem monotonem Lärm der einmotorigen Beaver ausgesetzt. Der Flug über die Weiten Alaskas war wiederum ein beeindruckendes Schauspiel.

Blick auf den Talachulitna River, Alaska

Hinflug


Anflug auf den Judd Lake bepacktes Raft

Das Raft war schnell aufgepumpt, das Zusammenschrauben des Gerüsts nahm ein paar Minuten länger in Anspruch, zum Schluss passte aber alles. Die Rafts und die Campausrüstung wurde uns von der Alaska Raft Connection zur Verfügung gestellt. Der Inhaber, Brian Richardson, legt wirklich sehr viel Wert auf gutes Material, welches aber auch seinen Preis hat.

Nach kurzem Einpaddeln erreichten wir den Ausfluss des Judd-Lake und wir staunten über die Menge des Wassers im Talachulitna. Der Tal führte anständig Wasser und die vielen Geschichten im Netz über die kommenden Schlüsselpassagen „Hells Gate“ und die „Flippers“, beides Whitewater-Abschnitte der Klasse IV und V, waren umgehend wieder in unseren Gedanken. Was wird da auf uns zukommen?

Silvio montierte einen Mepps auf seine Spinnrute und fing sofort die ersten Äschen und Saiblinge. An der erstbesten Stelle luden wir die Boote aus, stellten unser Lager für die erste Nacht auf und machten uns mit den leichten Fliegenruten ans Wasser. Die Äschen nahmen ohne Zicken Trockenfliegen, die Regenbogenforellen tief geführte Streamer.

Ausfluss des Judd Lake

Silvio mit Äsche

Silvio mit Dolly Varden UrsW an Rainbow

UrsW mit Rainbow

Talachulitna Creek

Das phänomenale Fischaufkommen und die grandiose Landschaft raubte uns allen den Atem und wir vergnügten uns mit den Fliegenruten bis spät in den Abend.

Rolando, unser Mann für’s Große, wollte seinem Namen alle Ehre machen und montierte in der Dämmerung seine lange Zapfenrute mit einem schnuckligen 2000er Röllelchen, 0.18 Nylon-Vorfach und 2 Gramm Zäpfchen. Er liess verlauten, dass nun Big-Mama Rainbow verhaftet werde. Wir waren gespannt…
Es dauerte auch nicht lange und wir hörten in der Einsamkeit ein Röllelchen kreischen und einen Rolando „Fiiiiiish on!!!!“ keifen. Es sah aus wie bei einem der aktuellen Rutentests der nanotechnik-verliebten Rutenherstellern - die Rute war bis zum Anschlag gebogen und Rolando rang mit dem U-Boot in der Tiefe Zentimeter um Zentimeter; der Fisch gewann wiederum Meter um Meter. Glücklicherweise forcierte der liebe Rolando nichts und nach langen Minuten des Kampfes zeigte sich ein dunkelroter langer Rücken an der Wasseroberfläche: KING! Wau, wer hätte das gedacht, dass wir bereits am ersten Tag, so kurz nach Seeausfluss, schon erste Kings antreffen würden. Kurz vor der Landung schlitze jedoch der Haken aus und der große King entschwand wieder in der Tiefe. Aber trotzdem, der Jubel war riesig und jeder von uns war heiss auf den nächsten Tag.

Wir verzichteten aufgrund der lästigen Moskitos und des aufziehenden Regens auf eine große Kocherei und begnügten uns mit Nudelsüppchen asiatischer Herkunft, abgerundet mit einem Schluck Whiskey als Schlummertrunk und schon versanken wir in Träumen von großen Rainbows und noch größeren Kings.....

Rolando am King ""

erstes Camp UrsG mit seinem Bärenzaun

Der nächste Tag begrüsste uns regnerisch und kühl. Wir beluden die Rafts und kamen rasch Meile um Meile voran. An schönen Pools wurde ausgiebig gefischt anschliessend ging es weiter zum nächsten. Pool für Pool fingen wir wiederum schöne Regenbogen-Forellen und Äschen, doch weitere Kings trafen wir keine mehr an.

Am Nachmittag riss der Himmel auf, es wurde umgehend warm und ein schöner Campplatz war auf einer großen Kiesbank schnell gefunden. Wir stellten die Zelte auf, richteten die Küche ein und erkundeten mit unseren Ruten die nahegelegenen Pools.

auf dem Talachulitna Creek

das Team

Talachulitna Creek Talachulitna Creek

David mit Rainbow David mit Äsche

Beim Trockenfischen auf Äschen, meldete Pesche ganz aufgeregt eine King-Sichtung! Ich schnappte mir umgehend meine bereits montierte Lachsrute und nach einigen Würfen ging die Post ab! Diesmal konnte der Fisch sicher gelandet werden und der erste King unseres Floats war gefangen!

Wir feierten am Abend den Erfolg und freuten uns wiederum auf die kommenden Erlebnisse des nächsten Tages.

Pool am Campplatz

Pesche’s erste Äsche auf Trockenfliege

der erste King 

Abendstimmung über'm Tal

Der Talachulitna erhielt am nächsten Tag durch etliche Zuflüsse immer mehr Wasser und das Floaten ging zügig voran. 
Am Nachmittag erreichten wir einen grossen Pool mit idealer Kiesbank, um die Zelte aufzustellen. Im Pool machten wir etliche große Kings aus. 
Jetzt ging der Spass erst richtig los – das war nun Waka Waka, Helele und Fahnen wurden auch geschwenkt!!! Die Kings liessen den Pool kochen und bei uns jeden Muskel schmerzen.
King im Sprung Silvio...

Silvio... Rolando...

UrsW... Pesche...

Pesche... David...

Abendstimmung am Talachulitna

Wer nicht gerade fischte, nahm ein Bad, genoss die Sonne, kühlte sich mit einem Bud das King-Fieber oder fing halt wieder einen King. So ging es bis in die späten Abendstunden. Fast jeder von uns fing hier seinen ersten King, und die bereits erfahrenen Kingfisher versuchten es gar auf Ansage, was ab und zu auch gelang.

Die nächsten Tage verliefen ähnlich toll ab. Immer wieder trafen wir Pools mit Kings an, dann wieder einen schönen Äschenlauf oder eine schnelle Passage mit fetten Rainbows.

auf dem Fluss...

Floaten Talachulitna

Log Jam

Log Jam - Umgehung

Silvio mit Rainbow Bieber

Ungefähr in der Mitte der gesamten Flussstrecke trafen wir eine Gruppe auf drei Booten an, prallgefüllt mit drei Guides und 6 Gästen. Auf meine Frage, wie weit es ungefähr bis zur ersten Schlüsselstelle, der Hells Gate, noch gehe, meinten sie nur „You’ll hear it!“. 

Nach kurzer Zeit hörten wir tatsächlich das dumpfe Grollen von tosendem Wasser. Der Tal veränderte umgehend seinen Lauf und wir floateten immer tiefer in eine Schlucht hinein. Wir ankerten kurz, der eine Teil unserer Gruppe machte eine visuelle Inspektion der Gate, der andere Teil rüstete sich mit Schwimmwesten aus und zurrte alles Gepäck möglichst fest auf die Boote. 

Lange Diskussionen mochten weder Silvio, David noch ich führen, deshalb zögerten wir auch nicht lange und stürzten uns in die Fluten. Das Boot war stabil und steckte den einen oder anderen Rempler an den hohen Felswänden locker weg. Wurden wir jedoch vom Wasserdruck an einen Felsen seitwärts gedrückt, war ein Navigieren kaum noch möglich. Aber kein Grund zur Panik! Wir konnten zwar nicht ganz die von uns gedachte Route einhalten und ein „Bei der nächsten Stelle bitte Wenden“ war auch nicht möglich, doch kamen wir ohne größere Probleme zuerst durch den ersten Fall und dann noch durch den zweiten. 

Auch das zweite Boot schaffte es locker und wir alle konnten mehr oder weniger trocken unsere Reise fortsetzen.

Hells Gate 

Hells Gate

Geschafft... und weiter geht's...

Am Abend fanden wir beim Einfluss des Friday Creek einen perfekten Campplatz und stellten unsere Zelte auf. Obwohl diese Stelle als DER King-Pool gilt, waren nur sehr wenige Kings anwesend, doch dafür nahmen schöne Regenbogner und Jack’s unsere Fliegen. 

In den späten Abendstunden erreichte uns die andere Gruppe; ein Boot hatte Schlagseite. Sie hatten nicht so viel Glück und mussten einen grossen Riss in einem der Boote verzeichnen. Duct Tape bot kurzfristige Lösung, doch nun mussten sie zwei Tage Pause einlegen um das Boot langfristig zu flicken.

Wir taten es ihnen gleich und verblieben hier zwei Nächte. Es war wiederum eine Trockenfischerei auf Äschen möglich und beim Eindunklen (morgens um 1.00 Uhr) jagten große Regenbogner unsere Streamer. Ab und zu gelang auch wiederum ein Fang eines Kings.

am Friday Creek

am Friday Creek

am Friday Creek  | Unten: UrsG erster “King“...

Kurz nach dem Friday Creek erwarteten uns die Flippers, die zweite Schlüsselstelle. 

Wiederum kamen wir zuerst durch eine Schlucht mit großen tiefen Pools, in welchen wir Kings, Regenbogner und Äschen fangen konnten. 

Die eigentliche Schlüsselstelle durchfuhren wir diesmal ohne große Vorbereitungen wieder gekonnt, verloren aber kurzzeitig ein Gepäckstück...

Float Flipper Äsche

es wird tief und felsig...

Flipper King

Flipper King Smoke n Float

Flippers Flippers

Die beiden letzten Nächte verbrachten wir an einem wundervollen Pool, trafen dort noch einen Schwarzbären und ein Pärchen Weisskopfseeadler an und konnten bei schönstem Wetter die letzten Stunden bei den Kings geniessen. 

Zum Endspiel unserer Reise verabschiedete sich der Talachulitna mit einer wundervollen Abendstimmung.

Float | Unten: Eagle



Black Bear

King

King

Sunset 

Sunset

Die beiden Buschflieger holten uns pünktlich an der vereinbarten Stelle im Skwentna River ab und flogen mit uns zurück nach Anchorage. Nach kräftiger Dusche im B&B ging es in die Bushcompany zum Wunden lecken.

Die verbleibenden Tage verbrachten wir auf der Kenai Halbsinsel beim erfolgreichen Rotlachsfischen und kehrte dann alle mit vielen neuen Eindrücken, wunden Händen und ein paar gut geräuchten Lachsseiten nach Hause zu unseren Liebsten zurück.

Résumé dieses Floats:

Die Fischerei auf dem Talachulitna war sehr gut und der Fluss bot richtig viel Abwechslung, ob bei der Fischerei oder dem Floaten/Raften. Das Floaten im Juli hat schon seine Vorteile, wie warmes schönes Wetter, Bademöglichkeit und trockene Ausrüstung. Diese Faktoren erleichtern natürlich das Leben in der Wildnis erheblich, dafür hat man auch den Nachteil der relativ eingeschränkten Zielfische (Kings und Rotlachse). Ein paar Wochen später ist zwar die Kingfischerei vorbei, dafür kommen zu den Rotlachsen noch Hunds- und Silberlachse dazu.

Bis jetzt war der „Tal“ für mich der spannendste Fluss zum Floaten. Speziell vom Preis-/Leistungsverhältnis her betrachtet, ist er ein idealer Fluss. Wir trafen zwar andere Fischer und Floater an, auch Lodgebetrieb war zu merken, doch groß gestört fühlten wir uns nie. Ganz alleine in den Weiten Alaskas fühlt man sich aber nicht.

Ein Guide wiederum wäre völlig überflüssig gewesen und hätte nur das Erlebnis geschmälert. Auch auf Waffen hätten wir getrost verzichten können. Der unbenutzte Bärenspray wurde am Schluss unserer Reise als Ziel für Schussübungen verwendet – das war der einzige Zweck, wo wir beides einsetzen konnten.

Zu sechst auf einem Float zu sein, ist sicher die absolute Obergrenze. Platz gibt es zwar in Alaska genug, doch sind die Pools rund um’s Camp dann doch nicht unzählig. Viel der uns zur verfügbaren Zeit wurde leider oft mit langen Diskussionen und Plänen jedes Einzelnen verbraucht, was natürlich auch zu Missstimmungen führte. Aber das ist ja wohl natürlich und jeder der Teilnehmer will mit seinen Ideen und Einwänden auch Ernst genommen werden. Ein militärischer Drill hätte wohl die eine oder andere Minute gespart.

Bei einem nächsten Trip werde ich sicher viel mehr Acht auf die Stimmigkeit der Gruppe legen, damit sich alle Teilnehmer vom Anfang bis zum Ende gut verstehen und etwa aus dem gleichen Holz geschnitzt sind, was dieses Mal leider nicht ganz passte.

Aus diesem und noch etlichen anderen Gründen haben die Guides, die solche Trips mit x-welchen Gästen durchführen, meinen vollsten Respekt! Es braucht schon verdammt viel Geduld und wäre ehrlich gesagt mit meinen Nerven auf Dauer nicht verträglich.

Auf www.floaters.ch unter Floattrips könnt Ihr die ganzen Geschichten nachlesen, viele weitere Fotos und Filme anschauen und den gesamten Reisebericht lesen, inkl. der Fischerei auf der Kenai-Halbinsel mit eigenem Mietboot. Des Weiteren findet Ihr dort Packlisten für einen solchen Trip, Tipps für den Umgang mit Bären, Fischereimaterial-Vorschläge usw. 

Gerne stehe ich für weitere Auskünfte zur Verfügung und freue mich schon, vom nächsten Float berichten zu können!
Urs



Ein Bericht von Urs Wehrli für www.fliegenfischer-forum.de - Februar 2011.
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