Hallo,
erst einmal möchte ich noch einmal kurz sagen, dass ich hoffe, dass du, Norbert, mein letztes Posting nicht als Affront empfunden hast, ich denke das Augenzwinkern dabei war ehrlich gemeint, und sollte es anders rüber gekommen sein, möchte ich mich dafür entschuldigen. Ich wollte damit keine kritische Stimme "abwürgen".
Viele Missverständnisse hier scheinen mir tatsächlich den wenigen auf deutsch zugänglichen Informationen geschuldet, die sich finden lassen. Auch die Tatsache, dass die wenigsten hier, mich eingeschlossen, den Stil aus eigener praktischer Erfahrung kennen, macht das ganze sicherlich nicht leichter. Auch kann ich ruhig anfügen, dass generell wohl mein theoretisches Interesse leider ausgeprägter sein dürfte, als die die praktische Erfahrung, die ich in meiner doch noch recht kurzen Fliegenfischer-Zeit sammeln konnte, und die mit vielen Diskussionsteilnehmern, die ein halbes Fliegenfischer-Leben hinter sich haben, natürlich nicht mithalten kann. Dann auch noch mit einem Thread zu einer ganz anderen Art des Werfens aufzuwarten, mag vielleicht etwas provozierend wirken.
Was mich daran allerdings interessiert, ist durchaus auch die abstrakte Theorie die dahintersteckt, und die mir sehr nachvollziehbar erscheint. Die wenigen Antworten, die den Stil aus der Praxis beleuchten, haben meine Auffassung dabei eher bestärkt. Grundsätzlich aber ist es, denke ich, so, dass nicht nur hier, beim Fliegenfischen, sondern auch sonst, meinetwegen im akademischen Bereich, Theorien und Theoriediskussionen den meisten "Sprengstoff" bergen. Das rührt meiner Meinung nach daher, dass sie aufgrund ihrer Abstraktheit generelle Fragen aufwerfen, die bis tief in jede Praxis hineinreichen; und manchmal die alltägliche Praxis auch in Frage stellen. Ich finde, notwendig sind sie daher mit Sicherheit.
Dass im Fall des Fliegenfischens sich solche Stil-Fragen sich dann oft aus ganz banalen praktischen "Entdeckungen", auch aus Equipment-Spielereien, wie von Heiko angedeutet, ergeben, steht außer Frage. Beispielsweise wollte mir beim Einstieg ins Fliegenfischen an meiner kurzen Gespließten der Doppelzug nie gelingen; erst als ich dann mal eine 9ft lange 7er Rute geworfen habe, kam er wie von selbst. Als vor etwa einem Jahr die betreffende Gespließte leider einen Rutenbruch erlitt
und ich plötzlich den Vergleich einer ungebrochenen Ersatzspitze mit einer um 15cm eingekürzten früheren Spitze hatte, war mir sehr schnell klar, welche Auswirkungen das "Einkürzen", welches im Zusammenhang mit der Entstehung des Gebetsroither-Stils praktiziert wurde, auf die Aktion der Rute hat. Ein ganz anderes Wurfgefühl entsteht da, und viel schnelleres und auch weiteres Werfen wird möglich.
Die Schwingung der Spitze wiederum auszuschalten, ist ja eines der zentralen Anliegen des TLT, wenn ich das so richtig verstanden habe; so dass der Rutencharakter von der "Feder" (Spring) hin zum "Hebel" (Lever) verschoben wird. Aus meiner unbefangenen Art heraus, würde ich einfach mal frecherweise sagen, der TLT geht da nur konsequent einen Weg zu Ende, der von Gebetsroither eingeschlagen wurde. Aber das kann man natürlich auch ganz anders sehen.
Wo mein physikalisches Verständnis jetzt allerdings an seine Grenzen gerät, und deshalb das beispielsweise von Norbert gefragt wäre, ist die Überlegung, ob nicht, wenn die Rute von der Feder stärker zum Hebel wird, nicht ganz andere Gesetzmäßigkeiten ins Spiel kommen. Die Physik der Feder muss doch eine etwas andere als die des Hebels sein. Auch scheint es mir so, dass in der Rute die Spitze generell stärker als Feder fungiert, und der Butt stärker als Hebel. Wenn man da die Gewichtung verschiebt, wie auch in dem Rutenbauer-Artikel angedeutet, müsste das doch große Änderungen bewirken. Aber ich bewege mich hier eher spekulativ auf dünnem Eis, das können andere sicher besser erklären/verstehen. Fest steht nur, dass in den TLT-Texten immer wieder betont wird, es gäbe für den TLT nichts schädlicheres, als Krafteinwirkung auf die Spitze. Durch das Unterladen der Rute, und die Verschiebung der Aktion hin zum Hebel, wird dies vermindert. Dabei möchte ich auch noch einmal auf den verlinkten Thread aus dem Glasfaser-Ruten-Forum verweisen, wo ein Threadersteller meint, durch eine entsprechende Manipulation der Rutenspitze werde auch mit Glasfaser-Ruten das TLT-Werfen möglich.
Die Frage in Bezug auf Gespließte und TLT wiederum wäre, ob nicht doch gefühlvolle Rutenaktionen und TLT zusammengehen, insofern lediglich die Spitze steif genug ist.
Viele Grüße,
Daniel
PS: Dass der TLT wohl seine natürlichen Grenzen als Stil (wie jeder andere vielleicht auch) hat, ist schon klar. Aber ich denke doch, dass er eine bisher ungeahnte Dimension an "Tricksereien" ermöglicht. Das ist doch schon mal was, oder?