Fliifi-Sepp hat geschrieben: ↑03.07.2025, 10:49
Hallo Arne,
bin schon gespannt auf die nächste Ausgabe von FliegenFischen und was da über dieses Thema geschrieben wird.
Interessante Info´s zu dem Thema aus anderen Ländern von Dir!
Ich denke aber, daß Renaturierungen, wenn sie gut durchgeführt werden, die Temperatur-Entwicklung tatsächlich nicht verschärfen, sondern im Gegenteil Entlastung bringen. Die Beschattung von kleineren Fließgewässern kann so wesentlich verbessert werden. Und die Beseitigung von Staubereichen, insbesondere in kleineren Gewässern, sorgt doch fast immer für niedrigere Temperaturen?
Auch das Einbringen von mehr Struktur durch Gesteinsformationen sorgt für niedrigere Temperaturen. In meinem Hausgewässer wurde gerade ein Steckenabschnitt sehr gut renaturiert. Vor diesem ist ein langer, relativ gerade Zug, mit einer Länge von etwa einem Kilometer und durchgehender Breite von ca. 50 m. Das Wasser fließt hier schnell, aber die Oberfläche ist fast glatt.
Im renaturierten Bereich wurde eine lange, schmale Insel angelegt und große Gesteinsformationen eingebracht, das Wasser dort wird ordentlich durchgewirbelt und es gibt unterschiedlichste Strömungsverhältnisse und unterschiedlichste Wassertiefen.
Ich werde da mal zu den kritischen Tageszeiten (später Nachmittag) die Wassertemperaturen vor und nach der renaturierten Strecke messen.
LG Sepp
Hallo Sepp,
natürlich stimmt es nicht, dass Renaturierungen nie funktionieren. Welche Maßnahmen evtl. gut funktionieren wird im genannten Artikel ebenfalls teilweise abgearbeitet. Das Problem mit Renaturierungen ist vielschichtig. Die Verlängerung der Fließstrecke ist eines. Wenn das Geländegefälle parallel durch einen Wehrrückbau zurückgewonnen kann, ist das kein Problem. Kommt eine Mäandrierung hinzu, wird das Wasser wärmer. Ein weiteres großes Problem bei der Renaturierung ist die vollständige Zerstörung des vorhandenen Biosystems durch den Einsatz von schwerem Gerät (Bagger). Das tötet nicht nur alles, was die Begradigung des Gewässers überlebt hat, es verdichtet auch den Boden dauerhaft. Daher ist das, was dann hinterher den Lebensraum wieder besiedelt, etwas anderes, als das was ursprünglich da war. Im Grunde hat man mit den Renaturierung dann die völlige Zerstörung eines Lebensraums abgeschlossen und durch eine vollständig vom Menschen entworfene Kunstlandschaft ersetzt. Das mag manchen von uns schön natürlich erscheinen, ist es aber nicht.
Wenn Du schreibst, es wurde eine Insel angelegt, dann zeigt mir das recht deutlich, dass viele Bagger gerollt sind. Ein weiterer Punkt hier ist, dass es das Ziel einer Renaturierung sein muss, die natürliche Dynamik des Systems wieder zu etablieren. Was Du beschreibst klingt mir sehr nach dem üblichen Ansatz: Wir wissen besser was ideal (für die Natur) ist. Also legen wir fest wie das Gewässer an jeder einzelnen Stelle auszusehen hat und bauen da jetzt eine Insel rein. Das hat mit dem Näherkommen an natürliche dynamische Systeme nichts zu tun. Man baut so aus einer schnurgeraden befestigten Rinne eine genauso befestigte Rinne in Schleifen, womit wir wieder bei dem Problem mit der Verlängerung der Fließstrecke landen. Eigentlich muss nichts renaturiert werden, die Natur ist sehr resilient und regeneriert, wenn wir ihr genügend Zeit geben. Eine Renaturierungsmaßnahme ist der Versuch diese Zeit zu verkürzen und genau das passiert bei den meisten solchen Maßnamen nicht. Durch die Zerstörung der Reste des Biosystems geht es ganz verloren und wird durch etwas anderes ersetzt, was meist recht lange dauert, denn erstmal können nur Pionierorganismen das Land besiedeln und müssen es erst für andere Arten wieder aufbereiten. Besser ist es mit sehr kleinen Maßnamen die Dynamik des Fließgewässers wieder anzuschieben, statt dem was überlebt hat den Rest zu geben.
Der einige vernünftige Ansatz zu prüfen, ob eine Renaturierung genützt oder geschadet hat, wäre die Biodiversität in und am Gewässer, also echte Makrozoobenthosanalysen und das Gleiche am Ufer. Vor und nach der Renaturierung jeweils einige Jahre lang. Das wird aber nicht gemacht. Unser optischer Eindruck bei der Sache ist subjektiv - und damit falsch.
Leider habe ich viele Renaturierungen gesehen. Bis auf wenige Beispiele, die fast immer durch Angler angeschoben und meist auch umgesetzt wurden, sind alle ziemlich schlimm und haben deutlich mehr Schaden angerichtet als zur Besserung beigetragen. Für die Menschen, die an einem solchen Bereich entlanglaufen, sieht das meist gaaaaanz toll aus, deshalb werden auch viele solche Maßnamen dort gemacht, wo sie nichts bringen. An Gewässern in Laufnähe von Städten, da wo jeder sehen kann, wie toll das jetzt ist. Zumindest erhöht das die Chancen, dass einigen der begradigten Gewässer, die weiter weg von Siedlungen liegen, die Zeit bekommen sich selber zu dynamisieren.
Viele Grüße,
Arne